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absalom
31.03.2010, 11:17
Wann begann es?

Eine „kleine“ Ausarbeitung in mehreren Teilen zu den schriftlichen Anfängen der sog. Urgemeinde.

Einleitung

Es war der umstrittene Theologe Bultmann, der als Fazit seiner Forschungen zur Urgemeinde Feststellte: Es gab zwei Bewegungen – a das Kerygma der Urgemeinde in Jerusalem und - b das Kerygma der hellenistischen Gemeinde (Bultmann Das Ur-Christentum). Es ging damals ein kleiner Aufschrei durch gängige Theologenstuben und Kirchenpredigten, denn man verstand die Urgemeinde als eine Einheit, ein Herz und eine Seele, gleich wohl auch anderen Theologen gerade die Spannungsfelder in der Apg. und den Paulusbriefen schon aufgefallen waren.
Bultmann`s Theorie bekam gerade durch die Qumranforschung einen neuen Auftrieb, denn zwei Beobachtungen wurden besonders deutlich bei der Sichtung der Texte – und hier explizit im Vergleich zum N.T..
1. Die Berührungspunkte zu den drei Synoptikern, zur Apg. und Jakobus sind erstaunlich gering, gleich wohl dieses Schriftgut sich am meisten mit der Lebenswelt Jesu und der Jerusalemer Urgemeinde auseinandersetzt. Zugleich entstammt dieses Schriftgut auch literarisch und teilweise geographisch der näheren Umgebung des Wirkungsfeldes der Urgemeinde. Hier erwartete man deutliche Bezugspunkte und auch theologische Einflüsse von den Essenern, die, wie die heutige Forschung klar belegen kann, ein unglaublich großes Einflußgebiet (von Damaskus bis nach Alexandria) innehatten. Das Fazit ist nüchtern und es zeigt sich, dass gerade in den Q Quellen der Synoptiker kaum Bezug zu essenischen Lehrgut besteht. Wohl greift Jesu Lehrgut mehrfach dessen Theologien an, ohne diese im Wesentlichen ausgiebig darzustellen (Ausnahmen sind hier die Racheworte, Selbstdarstellung, Torapflicht, etc die in ihrer Theologie essenischen Ursprungs sind), doch im wesentlichen bleiben die Bezugsquellen für Jesu Lehrgut die rabbinischen Quellen seiner Zeitgenossen.
2. Ganz anders ist die Sachlage bei dem Johannesschriftgut und noch klarer bei der Paulusbriefliteratur. Bultmann der in seiner Analyse ebenso hier die Bezugspunkte angesiedelt sah und vornehmlich den Philonischen Einfluss beobachtete, bezog sich insbesondere auf die Apg. und Paulusbriefe die in ihrer Unterschicht bereits die tiefen Zerwürfnisse dieser beiden Gruppen andeuten. Diesen Sachverhalt bestätigen die Qumranschriften deutlich, denn was wir in besagtem Literaturgut an theologischen Anlehnungen zu den Essenern finden ist fundamental. Angefangen bei der Opfertheologie, dem Taufverständnis, bis hin zum Dualismus von Gut und Böse und der Prädestinationslehre, etc. Schon den Kirchenvätern war früh aufgefallen wie nahe sich philonischer Einfluß und N.T. (Johannesschriftgut und Paulus) standen, bis hin das Philo als 1. Christ bezeichnet wurde. Klar war der Forschung auch, dass Philo sehr nahe dem Essenertum stand, doch klar war eben nicht, wie nahe die Essener Philo standen, da man nur Zitate von Zitaten kannte, bis eben die Schriften der Essener zum Vorschein kamen. Klar darf man sagen Philo war kein Essener, aber ein Bewunderer dieser und klar kann man auch sagen, die Essener waren keine Philonisten, doch große Bewunderer seiner Lehren. Hier muß man also von Wechselwirkungen sprechen. Besonders die Logostheologie des Philo fand nicht nur bei den Essenern seinen theologischen Widerhall, auch im hellenistischen Schriftgut de N.T. wird dieser Ansatz zur tragenden Rolle der Theologie. Noch deutlicher wird dies an der Prädestinationslehre, die ihren Ursprung in Alexandrien hatte und bereits aus altägyptischen Theologien bekannt war (z.B. der Pharaonenkult liegt dieser Lehre zu Grunde).
Die Auswertung des Schriftgutes von Qumran und der Vergleich dieses zum neutestamentlichen Lehrgut warf zuerst die Frage auf, wie kam es dazu, dass der Einfluß der Essener besonders auf das Schriftgut zutraf, welches fern ab von der Urgemeinde entstand. Deutlich zeigt die Qumranforschung auf, dass die Essener weit über die Grenzen Israels agierten und ihr Handlungsspielraum bis nach Rom reichte. In der Diaspora waren sie ebenso organisiert, wie im Kernland Israels. Ihre Verbreitung beschränkte sich jedoch im Wesentlichen auf die asiatischen (Türkei, Syrien, Jordanien) und nordafrikanischen (Ägypten) Gebiete. Doch genau damit lagen die Essener im geistigen Hauptzentrum des Hellenismus, der insbesondere in Alexandrien als Kulturweltstadt sein eigentliches Zentrum hatte. Die Wiege der hellenistischen Urgemeinde lag genau in diesem Einflussbereich. Es verwundert nicht, dass die erste große christliche Kirche (zahlenmäßig) nicht in Rom oder Griechenland entstand, sondern in Alexandrien.
Einen zweiten Fragenkomplex betreffen die Jochananjünger, die nach dem Tod des Jochanan eine zahlenmäßig starke Gemeinschaft bildeten und in Konkurrenz zur Jerusalemer Urgemeinschaft und den Essener (in tiefer Feindschaft) standen und ebenso in diesem Gebieten agierten. Die theologischen Gemeinsamkeiten zwischen dieser Gruppe und den Essenern sind unübersehbar und geradezu auffällig. Ihre tiefe Feindschaft begründet sich im Wesentlichen in einem Punkt – dem Obrigkeitsgehorsam, der von dieser Gruppe – ähnlich der Jerusalemer Urgemeinde klar verneint wurde (Torarecht geht vor Staatsrecht). Ein zweiter Streitpunkt war die Prädestinationslehre, die sich allein schon aus den Aussagen des Jochanan nicht miteinander vereinbaren ließen. Historisch verschwindet diese Gemeinschaft ab dem 200 Jahrhundert aus dem Blickwinkel der Geschichte. Ihr Einfluß wirkt jedoch im N.T. nach – bis hin zu bekannten Berührungspunkten. Inwieweit diese Gemeinschaft Einfluß auf die wachsende hellenistische Christgemeinde ausübte ist sehr stark umstritten und kann nach heutigem Stand der Erkenntnisse nicht gänzlich rekonstruiert werden. Was man jedoch sagen kann ist, dass Teile dieser Gruppe sich schon früh den hellenistischen Gemeinden anschlossen. Ein Grund dafür mag sein, dass die Jochananjüngerschaft auf Grund ihrer Militanz gegenüber Rom und den Herrschaftsverhältnissen in Israel eine geächtete Gruppe war, die spätestens nach 70 (Tempelzerstörung) ihren Einfluß verlor. Damit teilte sie in ähnlicher Weise das Schicksal der Jerusalemer Urgemeinschaft.
Zumindest wissen wir, dass Paulus um diese Gruppen weiß und ihren Einfluß durch Gegenmission zu bekämpfen sucht.

Trotz langwieriger redaktioneller Arbeit an der neutestamentlichen Literatur über 400 Jahre kann die Textforschung heute drei ganz wesentliche Einflußqullen auf dieses Schriftgut benennen. Dies wird möglich, weil auf Grund der überaus zahlreichen antiken Quellschriften ein Vergleichschriftgut vorhanden ist (Gegenüberstellung von Zitaten, Geschichten, Theologien, etc). Wie schon angeführt findet sich ein großer Teil, bezogen auf die Synoptiker, Apg. und Jakobusbrief im rabbinischen Schriftgut (Talmud, etc). Ein zweiter und hier bei weitem der größte Teil findet sich im Qumranschriftgut, was wiederum auf die Synoptiker im geringen Maße, deutlich mehr jedoch auf das Paulusschriftgut, Johannesschriftgut, Hebräerbrief im höchsten Maße und die sog. kath. Briefe zutreffen. Der dritte Einfluß ist deutlich belegbar im sog. Philoschriftgut, der besonders bei den Johannesschriften – bis hin zu wörtlichen Zitaten ( z.B. Logosprolog) -, bei Paulus und den kath. Briefen zum tragen kommt.
Dass darüber hinaus auch rabbinische Einflüsse bei Paulus und den anderem Schriftgut gibt ist gut von der Textforschung belegt, allerdings ist die Seltenheit solcher Anlehnungen recht auffällig, wenn man sich dazu die Synoptiker als Vergleich hinzuzieht. Man könnte noch eine vierte Gruppe benennen, dessen Einfluß jedoch nicht vor 120 n.Chr. stattfand und deren Wirkungsweise auf das N.T. noch sehr viele Fragen offen lässt. Es sind die sog. Mithrasanhänger, die schon früh in Konkurrenz zum Frühchristentum standen und theologisch äußerst ähnliche Auffassungen vertraten. Dass es erhebliche Wechselwirkungen zueinander gab ist bereits im N.T. (Magnus, Magoi) belegt und historisch nachvollziehbar (ganz besonders in der Missionsgestaltung, Kultsymbole, Kultriten, etc). Das dieser Kult, der später als römischer Staatskult zum Sol Invictus wurde, ist eine historisch Tatsache und dass das Christentum diesen Kult als Staatskult - vorerst nebeneinander (zwei Staatskulte ca. 100 Jahre) ablöste und in sich integrierte ist ebenso ein historisch belegbarer Fakt. Unklar ist jedoch, auf Grund der Spärlichkeit überlieferter eigener Religionsliteratur (die Kirche hat so ziemlich alles vernichtet, was dieser Kult an Schriftgut hatte, bis hin zu Grabschändungen, Tempelverwüstungen und Reliefzerstörungen), wie in der Frühzeit der Urgemeinschaft dieser Kult theologische Fragen vertrat. Wohl können Historiker und Religionswissenschaftler aus Zitaten und Erzählungen antiker Geschichtsautoren sehr viel aus dem Lehrgut dieser Religion entnehmen und auch die Archäologie hat in den letzten 100 Jahren erstaunliche Kulturgüter zu Tage gefördert, doch eine komplexe und umfassende Darstellung inhaltlicher Theologischer Aussagen ist nur in Teilgebieten möglich. Anders sieht die Sachlage auf dem Sektor der Kultgestaltung, Kultausübung und Kulthandlungen aus, hier kann eine verlässliche, komplexe und umfassende Rekonstruktion getätigt werden. Die Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten zu christlichen Praktiken sind sehr klar und deutlich belegbar.


Doch stellen wir uns nun einmal ganz konkret den Quellen der Essener, ihren Theologischen Ansichten und vergleichen diese mit dem Schriftgut des N.T. Der erste Themenkomplex wird sich der überaus wichtigen Dualismuslehre stellen, die besonders vom Paulus- und dem Johannesschriftgut vertreten wird.

Es folgt Teil 2 / Der Dualismus im N.T.

outiouti
31.03.2010, 21:15
Bultmann ....

hahaha der war gut ......

mfg

absalom
01.04.2010, 08:54
Der Dualismus im N.T.

Vorwort:

Im N.T. begegnen wir immer wieder dem Terminus von Gut und Böse. Ist es vornehmlich bei den Synoptikern auf das Handeln des Menschen bezogen, der ständig im Kampf mit sich selbst steht sich selbst zu überwinden um Gutes oder Böses zutun, der Mensch, der selbstverantwortlich für sein Handeln ist und hierzu die Tora Gottes als Wegweisung beachten soll, so verschiebt sich dieser Ansatz außerhalb der synoptischen Literatur deutlich auf jenseitige, mystische und übernatürliche Sphären. Ein Beleg dafür ist nicht nur die Prädestinationslehre, sondern auch die sich immer mehr steigernde Ausmahlung übernatürlicher Strukturen (Hölle, Himmel, Engel, Geister, Dämonen, etc). Doch dazu später mehr.

Das N.T. greift hier auf bereits bekannte Religionsgüter zurück, dessen Ursprünge in Sumerischen-, Babylonischen-, Assyrischen- und später in Hellenistischen Kulten ihre Fortentwicklung und Verbreitung fand. Auf Israel wirkte insbesondere die Epoche der Eisenzeit IIC und III bei dieser Entwicklung. Israels nationalpolitische Katastrophen und in dessen Folge der Kultzusammenbruch in Jerusalem in diesen Epochen ermöglichten die Öffnung für neue Strömungen und Einflüsse auf alt bekanntes Religionsgut innerhalb dieser Religion. Diese Entwicklung wurde mit dem Beginn der Hellenistischen Epoche ganz wesentlich verstärkt und findet ihren Höhepunkt unter dem Einfluß der Ptolemäischen Herrschaft. Das Judentum steht unter massiven Einfluß des Hellenismus und droht – wie andere Kulturen Kleinasiens - in diesem Sog unterzugehen. Erst durch die Schwächung der Ptolemäer durch die Seleukiden und der Wechsel der Kolonie „Israel / Juda“ in seleukidisches Herrschaftsgebiet, wird auf Grund politischer Umbrüche in ganz Kleinasien, es Israel möglich (Makkabäeraufstände) seine zeitweilige Unabhängigkeit und religiöse Autonomie zurück zu erlangen. Die Einflüsse auf die Israelitische Religion waren jedoch über diesen langen Zeitraum überaus erheblich und zogen in seiner Folge mehrfache Reformationen nach sich. Zugleich entwickelten sich im Zuge von Restauration und Reformation verschiedene religiöse Parteien innerhalb und außerhalb Israels (Diaspora). Neben der Restauration des Tempelkultes die vor allem durch die Partei der Sadduzäer vorangetrieben wurde, bildeten sich religiöse Parteien, die nicht mehr nur den Tempel als Ort religiöser Verbindlichkeit ansahen, sondern in Einzelgemeinden (Synagogen) ein eigenständiges religiöses Gemeinschaftsleben organisierten. Dieses System sollte besonders in den Gebieten fern ab vom Kernland Israels schnell seine Verbreitung finden. Doch noch eine dritte „Kraft“ entwickelte sich in dieser Zeit, die besonders durch Reste der sog. Prophetenschulen geprägt waren und Israel als Gottesstaat verstanden wissen wollten. Diese Gruppen, aus denen sich die Essener als größte religionspolitische Kraft formierten, standen in scharfer Opposition zum Tempel und im Wettstreit zu den Einzelsynagogen. Durch ihre Absonderung aus der gängigen Religionsgesellschaft Israels und ihren Exklusivstatus das wahre Israel zu sein entstand eine Sondergemeinschaft, die schon bald auch ganz neue theologische Wege ging. Einer dieser neuen theologischen Ansätze war ihre Dualismuslehre, die sich aus zaghaften Andeutungen in den Prophetenschriften sehr schnell zu einer ganz eigenständigen Lehre entwickelte. Ein Satz aus 1QS 3,19-22 sei hier angeführt, der diesen Sachverhalt deutlich vor Augen führt und alle Kategorien damals gängiger israelitischer Religionslehre sprengte: „An der Quelle des Lichtes liegt der Ursprung der Wahrheit, aus dem Born der Finsternis kommt der Ursprung des Bösen. In der Hand des Fürsten des Lichtes liegt die Herrschaft über alle Söhne der Gerechtigkeit; sie wandeln auf Wegen des Lichtes. Aber in der Hand des Engels der Finsternis liegt die Herrschaft über die Söhne des Bösen; sie wandeln auf den Wegen der Finsternis.“
Dieser beispielhafte Satz aus dem Lehrgut der Essener ist nur ein Beleg von Hunderten, der das theologische Fundament dieser Lehre darstellt. Die Welt wird in Licht und Finsternis unterteilt, in Gut und Böse und in zwei Herrschaftsbereiche aufgeteilt, in Gott und Antigott. Das war für das damalige Judentum ein theologischer Ansatz, der jegliche Gottesvorstellungen sprengt, verstand man doch Gott als Herr über Allem.
Noch deutlicher werden die Quranschriften, wenn es um die Persona des Bösen geht, dem Engel der Finsternis, der sich zum Engel des Lichtes verstellen kann, der Belial, ein Satan, der ein „Schattenreich“ auf Erden errichtet hat. (z.B. 1QM 13/11, 1QS 2/19, 1QS 1/17, CD 4, 12 – 13, 1 QH 5/7, 1 QM 14,9, etc)
Spätestens hier werden die Bezüge zum Paulusschriftgut und Johanneschriftgut mehr als offensichtlich, finden jedoch im rabbinischen Judentum der Antike keinen Vergleich. Ganz besonders Paulus benutzt fast wortwörtlich die Terminologie der Essener wenn man sich z.B. 2. Kor. 6/ 14 -16, 2. Kor. 11/14, Kol. 1/13, etc anschaut.

Die Welt ist in Gut und Böse aufgeteilt und der Mensch steht im Spannungsfeld dieser Mächte. Ein wahrlich hellenistisches Weltbild das schon bei Plato und besonders bei Philo seine theologische – philosophische Ausarbeitung fand.
Aus dieser Dualistischen Sicht wird auch der Mensch gewertet, der aufgeteilt in Gut oder Böse, Heilig oder Unheilig, als Diener der Sünde oder als Sündloser verstanden wird. Die Essener verstehen sich selbst als Söhne des Lichtes, als Heilige, als wahre Gemeinde, als Auserwählte, als wahres Israel. All diese Begriffe werden vom N.T. aufgegriffen und in das eigene theologische Selbstverständnis übernommen, was auch hier in besonderer Weise Paulus ausbaut. Auch dieser Selbstanspruch ist dem jüdischen Glaubensverständnis antiker Zeit im Wesentlichen fremd. Vielmehr wird die Unvollkommenheit, dass Ringen um Rechtschaffenheit und die tagtägliche Umkehr und Buße und Besserung zum Guten Thema jüdischem Selbstverständnisses und religiöser Lebensmotor. Letztlich findet sich genau dieser Sachverhalt auch als Spiegelbild in Jesu Lehrgut wieder, der jeglichem Ansinnen von Selbsterhöhung, Gutsein und Heiligsein widerspricht und die Unzulänglichkeit des Menschen anführt, übrigens auch bei sich selbst. Im Gegensatz zu Gott ist der Mensch nicht aus sich Heilig, sondern soll um diese Heiligkeit ringen und kämpfen. Seid Heilig – diese Aufforderung Gottes an den Menschen ist kein Zustand, sondern ein Tatenaufruf. Dies betont ganz besonders Jesus in der Feldrede.

Dass die Essener und später auch die hellenistische Christengemeinde diesen Terminus der Essener auf sich legen setzt einen weiteren theologischen Ansatz voraus, der dieses Selbstverständnis legitimiert. Auch hier wird Paulus den essenischen Theologien folgen und die Lehre der Prädestination fast wörtlich übernehmen.

Es folgt Teil 2 - Die Prädestinationslehre bei Essenern und bei Paulus

anonym002
01.04.2010, 10:28
Lieber Absalom

Danke zuerst mal für diese 2 ersten Teile einer „kleinen“ Ausarbeitung, und man darf gespannt auf die folgenden sein.

Nun, klein sind sie vielleicht im Text, aber was dahinter steckt, das Auf- und Erarbeiten jener Zeit, Studium der Schriften aus jener Zeit ist wohl kaum klein, sondern riesig.

Klein sind sie im Text, und da drängt sich natürlich die eine und andere Frage auf, woher du auch deine Aussage herleitest. So finde ich Zitate dann sehr hilfreich, so dass man dann vergleichen kann, damit es auch nachvollziehbar ist.


Alef

poetry
01.04.2010, 12:06
Hey Abs,

Danke für die "kleine" Ausarbeitung. Ich freu mich auf die nächsten Teile und werd Dich dann mit Fragen löchern :)

poe

Fisch
01.04.2010, 14:12
Ich werde es an den Feiertagen zu Gute führen. Da habe ich Zeit und kann mich dann voll darauf konzentrieren. Bin echt gespannt, was wieder ausgearbeitet hast.

Grüßle
Fischi

absalom
01.04.2010, 14:14
Lieber Alef und Poetry und liebes Fischi, danke für euren Zuspruch.

Sicher, Alef, da steckt schon sehr viel – jahrelange Arbeit dahinter, denn wir reden hier nicht nur von einer Schrift, sondern vom einem riesigen Schriftkomplex und der dazugehörigen Epoche. Ich bemühe mich, gut nachvollziehbar, kurz und bündig Anhaltspunkte und nur besonders markante Punkte anzuführen, um einen kleinen Einblick in die Thematik zu öffnen.

Gerne werde ich Qumrantextstellen gleichwertigen Textstellen aus dem N.T. gegenüber stellen, um die geistige Verwandtschaft noch deutlicher herauszustellen. Allerdings bedarf dies doch eines erheblichen Aufwandes und wird dann Themenbezogen gestaltet sein.
Ebenso werde ich im Anhang, für Interessierte, eine sehr umfangreiche Literaturliste erstellen.

So nun aber gut…

Absalom

anonym002
01.04.2010, 17:12
Ich habe heute etwas im Internet rumgestöbert, vielleicht passt das ja auch ein ganz klein wenig dazu:


Hananiah Nothos

Eine Handschriftenrolle hat die Namen von einigen Mitgliedern der Qumran-Gemeinschaft bewahrt. Diese ist die einzige der sechshundert nicht-biblischen Rollen, die solcherart Daten enthält.


Er (Hananiah Nothos) ist mürrisch heute. Gestern war er vom Aufseher zurechtgewiesen worden, und die Zurechtweisung wurde sogar schriftlich vermerkt. -

Und so war es geschehen: ein paar Tage zuvor hatte ein Reisender im Palmen-Hain kurz Halt gemacht. Er war ein Essener aus der kleinen Gemeinde von Enot Qaneh, etwa fünf Fußweg- Stunden südlich von Secacah.
Er erzählte eine schockierende Geschichte: Herodes Antipas hatte Johannes den Täufer enthaupten lassen. Der Mord hatte auf Machaerus stattgefunden, einer Palast-Festung jenseits des Toten Meeres, gegenüber Enot Qaneh. Die Neuigkeiten wurden von Seeleuten mit herübergebracht, welche Weizen von Moab nach Judaea transportierten.

Der Name des Johannes war den Leuten von Secacah vertraut. Als ein junger Mann hatte er "sich verpflichtet", mit anderen Worten, er wollte der Gemeinde beitreten, und er nahm den Status eines Aufnahme-Ersuchenden an. Aber fast zwei Jahre nachdem er beitreten wollte, kurz bevor er als Vollmitglied zugelassen wurde, entschied er sich um. Das war ein seltenes Vorkommnis: viel mehr Beitrittswillige wurden zurückgewiesen, als daß sie ihre Meinung änderten, besonders in einer solch späten Stufe.

Die Gemeinschaft sah es als ernste Beleidigung an, denn Johannes hatte einen Schwur auf sich genommen, den Regeln der Gruppe zu gehorchen, als er als Beitrittskandidat angenommen wurde. Von Zeit zu Zeit erreichte Secacah ein Munkeln - in dieser isolierten Gemeinschaft waren Nachrichten von der Außenwelt äußerst selten - über Massen, die ihm folgten, und über die Taufe, die er zur Vergebung von Sünden eingeführt hätte. Die Leute an diesem Ort blieben jedoch dem Johannes gegenüber in einer Weise feindselig, wie überall Überläufer verabscheut werden.


http://www.tfba.org/day-in-the-life.html



Alef

absalom
01.04.2010, 18:41
Danke Alef! &klasse

absalom
01.04.2010, 18:42
Die Prädestinationslehre bei Essenern und bei Paulus und Johannes

Die Prädestinationslehre der Essener ist eigentlich denkbar einfach. Der weltberühmte Religionswissenschaftler und Qumran - Schriftenforscher David Flusser fasste es in folgenden Worten zusammen: „Von Gott der Erkenntnis kommt alles Sein und Geschehen. Ehe sie sind, hat er ihren Plan festgesetzt. Und wenn sie da sind zu ihrer Bestimmung, so erfüllen sie nach seinem herrlichen Plan ihr Werk und keine Änderung gibt es.“ ( in Anlehnung an 1QS 3/15 * Entdeckungen im N.T. Bd. 2)
Der Qumrantext 1 QH 4, 38 (vgl. auch 15/ 14 – 21) führt dazu weiter aus: Denn du (Gott) hast den Gerechten und den Gottlosen erschaffen.

Diese beiden exemplarischen Textstellen beziehen sich auf ein und denselben Sachverhalt. Es ist die Vorherbestimmung von allen Dingen. Von Guten und Bösen. Aus dieser Sichtweise versteht der Essener seine Welt, in die er von Gott als Auserwählter und Heiliger gestellt wird. Da, wie schon ausgeführt, die Essener glaubten, dass ein Satan seinen Herrschaftsbereich hier auf Erden hat, erklärt sich von selbst, dass die Essener der vorherbestimmte Gegenpol zu dieser Schattenmacht sind.

Als Heilige und Auserwählte Gottes sind die Essener das wahre Volk Gottes, die Gottes Worte richtig versteht und anwenden können. Sie sind von Urzeiten für diesen priesterlichen Dienst vorherbestimmt. Zeichen und Wunder gehen einher mit dieser Vorherbestimmung, wie uns 1 QH 4/32 bestätigt: „Damit die Menschenkinder alle seine (Gottes) Werke erkennen in der Kraft und Stärke und in der Fülle seines Erbarmens über alle Söhne seines Wohlgefallens. Und: Durch dein Wunderbares Geheimnis hast du deine Macht an mir sichtbar werden lassen, wunderbar zu handeln vor vielen um deiner Ehre willen und kundzutun deine Machttaten allen Lebendigen“ (1 QH 4/28).

Nun fehlt noch die andere Seite, die Nichterwählten und Vorherbestimmten. Hier werden die Qumrantexte ebenso deutlich: „Die Gottlosen hast du geschaffen für (die Zeit) deines Zornes, und vom Mutterleib an hast du sie geweiht für den Schlachttag. Du hast sie bestimmt, um an ihnen große Gerichte zu vollziehen, damit alle erkennen deine Herrlichkeit und deine große Kraft (1 QH 15/17+19).

Spätestens hier kommen wir ganz automatisch an Paulus nicht mehr vorbei, wenn wir uns nur beispielhaft Römer 9/22 (etc) anschauen. Hier zeigt sich die gleiche Substanz der theologischen Anschauungen, die im krassen Gegensatz zu Jesu Lehrgut stehen. Gerade die Worte Jesu über die Himmelsreichverschließer sind ein deutlicher Widerspruch zu diesem Lehrgut – siehe auch das Gleichnis vom Reichen Jüngling. Die Überzeugung Jesu, dass Gott ein Rechtschaffender Gott ist, bekommt letztlich in dieser Prädestinationslehre keinen Raum mehr.

Doch auch das Johannesschriftgut entbehrt nicht dieses essenischen Ansatzes. Hierzu eine kleine textliche Gegenüberstellung: Wer aus Gott ist, hört die Worte Gottes; deswegen hört ihr nicht, weil ihr nicht aus Gott seid. (Joh. 8/47) und Denn du (Gott) hast den Gerechten und den Gottlosen erschaffen. …. (über die Gottlosen): Und deine Wahrheit verabscheut ihre Seele und nicht haben sie Wohlgefallen an allem, was du gesprochen hast und sie erwählen sich dass was du hasst. Du hast sie dazu bestimmt, um an ihnen großes Gericht zu vollziehen… (QH 4 / 38 + QH 15 / 18 – 19) Faktisch heißt dies nichts anderes, weil sie nicht aus Gott sind, können sie auch nicht Gottes Worte hören. Man könnte die Liste mit ähnlichen Vergleichsstellen noch weiter führen, doch diese kleinen Beispiele mögen zeigen, wie nahe sich hier die theologischen Ansätze stehen.
Noch klarer und ebenso wörtlich kommt der Erwählungsgedanke im Begriff Gnade zur Geltung. Hier sind sich Qumran und die hellenistische Christengemeinschaft sogar in der Wortwahl gleichwertig. Die Bedeutung, Erwählten oder Gottes Erwählte sind im selben theologischen begrifflichen Kontext der Prädestinationslehre verankert. Ganz besonders bei Paulus wird dies deutlich. Paulus nimmt für sich in Anspruch, dass er bereits vom Mutterleib an erwählt und durch Gottes Gnade berufen sei (Gal. 1/15). Diese Selbstaussage entspricht haargenau den Selbstaussagen der Essener: Nur du (Gott) hast den Gerechten geschaffen und ihm vom Mutterleib an für die Zeit des Wohlgefallens bestimmt, damit er in deinem Bund bewahrt werde. (1 QH 15/ 14 -15) … vom Mutterleib an hast du mir Gnade erwiesen… (1 QH 9/ 29 – 31)
Dieses Selbstverständnis der Prädestination vom Mutterleib an und aus der Gnade Gottes ist geradezu ein fester Bestandteil Paulinescher und Johannischer Theologie und fest verankert im Philonischen Logosmythos (Johannesev. 1/ 1- 14). Denn auch da geht es um nichts anderes als um eine Form der Prädestinationslehre. Spätestens hier treffen wir auf altägyptische Vorstellungswelten, die im Hellenismus eine regelrechte Widergeburt erlebten.

Die vorherbestimmten Erwählten/ Berufenen (z. B. Römer 8/ 30) sind gleich wie in Qumran Gottes Erwählte und Berufene, die aus der Hand des Fürsten der Finsternis entrissen sind durch Gottes Gnade (Kol 1 / 12 -13; Eph. 2/ 1 – 8; etc) Hierzu im Vergleich Qumran: Welche Gott erwählt hat, denen hat er sie zu ewigen Besitz gegeben, und Anteil hat er ihnen gegeben am Los der Heiligen, und mit den Söhnen des Himmels hat er ihre Versammlung verbunden zu einem Rat der Gemeinschaft. ( 1QS 11/ 7 – 8)


Fortsetzung folgt….

anonym002
01.04.2010, 19:25
Sehr interessant ...

Kleine Zwischenfrage: Was ist genau die „Sota“? Und wann wurde die geschrieben?

Edit: Talmud, haben das ja selber auch :-)



Sota 22a, 27; Herr der Welt, du hast den Gan Eden erschaffen u. du hast den Gehinnom erschaffen; du hast die Gerechten erschaffen und du hast die Gottlosen erschaffen: möge es wohlgefällig sein vor dir (d. h. möge es dein Wille sein), daß die Menschenkinder nicht durch mich zu Falle kommen.


Es ist hier fast der gleiche Wortlaut. Nur verstehe ich es hier nicht so, wie bei deinem Artikel, nicht dass Er gerechte erschaffen hat und Ungerechte als Prädestination, sondern dass der Ewige einfach der Schöpfer aller ist, da ja auch vom Fallen die Rede ist.



Alef

outiouti
02.04.2010, 07:05
wer sich gegen den Geist wendet ist unwiederbringlich verloren .......

so siehts aus .....
da nutzt auch das ganze

&blabla

nichts mehr


&giraffe


mfg

absalom
02.04.2010, 10:58
Sehr interessant ...

Kleine Zwischenfrage: Was ist genau die „Sota“? Und wann wurde die geschrieben?

Edit: Talmud, haben das ja selber auch :-)



Sota 22a, 27; Herr der Welt, du hast den Gan Eden erschaffen u. du hast den Gehinnom erschaffen; du hast die Gerechten erschaffen und du hast die Gottlosen erschaffen: möge es wohlgefällig sein vor dir (d. h. möge es dein Wille sein), daß die Menschenkinder nicht durch mich zu Falle kommen.


Es ist hier fast der gleiche Wortlaut. Nur verstehe ich es hier nicht so, wie bei deinem Artikel, nicht dass Er gerechte erschaffen hat und Ungerechte als Prädestination, sondern dass der Ewige einfach der Schöpfer aller ist, da ja auch vom Fallen die Rede ist.



Alef

Lieber Alef,

hier einmal ein Link zum Thema Sota

http://de.wikipedia.org/wiki/Sota_(Mischnatraktat)

Zum Thema Prädestination. Der Unterschied ist, dass die Einen (Essener) sagen es gibt eine Vorherbestimmung für Gute und Böse (Erwählung) und die Anderen (Rabbinen und auch Jesus) richtiger Weise sagen, Gott schuf gute Menschen, die sich allerdings auch zum Bösen hinwenden können. Das ist der Unterschied.

„Die Gottlosen hast du geschaffen für (die Zeit) deines Zornes, und vom Mutterleib an hast du sie geweiht für den Schlachttag. Du hast sie bestimmt, um an ihnen große Gerichte zu vollziehen, damit alle erkennen deine Herrlichkeit und deine große Kraft (1 QH 15/17+19). Nun der Gegensatz: Nur du (Gott) hast den Gerechten geschaffen und ihm vom Mutterleib an für die Zeit des Wohlgefallens bestimmt, damit er in deinem Bund bewahrt werde. (1 QH 15/ 14 -15)

Hier zeigt sich die ganze Perversion einer solchen Lehre!
Paulus bringt sie etwas abgeschwächter zur Geltung, hingegen Johannes in einem noch viel schärferen Ansatz, doch dazu später mehr.

Absalom

Mirjamis
07.04.2010, 16:52
wer sich gegen den Geist wendet ist unwiederbringlich verloren .......

so siehts aus .....
da nutzt auch das ganze

&blabla

nichts mehr


&giraffe


mfg


Outiouti,
was sollen denn solche Bemerkungen??????

Mirjamis
07.04.2010, 16:56
Lieber Absalom,

danke für deine Mühe. Du weißt, ich lese deine Ausführungen immer gern.
Es ist schon interessant, welche Einflüsse bei den Neutestamentlichen Texten mit rein spielen.

Aber ich muss mal dumm fragen: Welches sind die "kath. Briefe" im NT???
Du hast den Begriff hier irgendwo erwähnt, hab ich noch nie gehört.

Bin schon gespannt auf die Fortsetzung.

anonym002
07.04.2010, 18:05
Katholische Briefe:

Der erste Petrusbrief
Der Judasbrief
Der zweite Petrusbrief
Der Jakobusbrief
Der erste Johannesbrief
Der zweite Johannesbrief
Der dritte Johannesbrief


http://www.reformiert-online.net/t/fra/bildung/bibelkunde/nt/lek10/index4.jsp


Alef

Mirjamis
07.04.2010, 20:04
Danke Alef

absalom
12.04.2010, 08:39
&thx Alef!!!

So, ich schaue einmal, dass ich noch heute die Fortsetzung einstellen kann.

ABS

absalom
12.04.2010, 14:49
Wie wir sehen konnten, wird die Welt der Essener in Schwarz und Weiß, Licht oder Finsternis, Erwählte und Nichterwählte, Heilige und Unheilige, Vorherbestimmte und Verworfene, etc geteilt. Deutlich lässt Paulus diesen theologischen Ansatz in seinem Schriftgut erkennen und noch deutlicher wird in diesem Zusammenhang das Johannesschriftgut.

Der Dualismus in diesem Lehrgut ist in seinem Wesen eigentlich persischen Ursprungs, der durch das babylonische Exil eingang in das israelitische Glaubensverständnis fand jedoch bis auf wenige Zeugnisse im Tanach keine tiefere Bedeutung erlangen konnte. Erst mit den Essenern wird diese Lehre erneut aufgegriffen und theologisch ausgebaut und findet in jüdisch apokalyptischen Kreisen eine breite Anhängerschaft. Im gleichen Atemzuge greift Paulus auch auf dieses Lehrgut zurück, wofür ganz besonders der Epheserbrief Kap. 2/1-8 steht. Das dieser Dualismus zugleich ein kosmisches Ausmaß in sich trägt und Geisterwelten umfasst ist ebenso ein typisch persisches und essenisches Spektakel, welches bereits in den Altsummerischen Schriften (z.B. Enuma Elisch) ihren Widerhall finden und von den Autoren des N.T. aufgegriffen und weiter ausgebaut wird. (Hierzu sei besonders auf frühchristliche Apokalypsen und Henochapokalypse verwiesen). Das besonders die Autoren des N.T. – insbesondere Paulusschriften, Judasbrief, Hebräerbrief und Johannesliteratur inkl. Offenbarung sich überaus reichlich an jüdisch – hellenistischen Pseudepigraphen und Apokryphen orientieren und damit gleich den Essenern dieses Schriftgut in besonderer Weise hervorheben (z.B. Henochapokalypse, Testamente der Patriarchen, etc) ist ein gut belegter Fakt. Beispielhaft möchte ich dies einmal am Judasbrief aufzeigen (die Vergleichstellen zu Apokryphen oder Pseudepigraphen sind hinter dem Doppelpunkt angegeben): Judasbrief 4: äthHen 48,10 (Aland, NT 27. Aufl., 805) + 6: äthHen 10,6 (Aland, NT 27. Aufl., 804) + 6: äthHen 12,4 (Aland, NT 27. Aufl., 805) + 6: äthHen 22,11 (Aland, NT 27. Aufl., 805) + 9: AssMos ? (Aland, NT 27. Aufl., 805) + 13: äthHen 18,15f (Aland, NT 27. Aufl., 805) + 13: äthHen 21,5f (Aland, NT 27. Aufl., 805) + 14: äthHen 1,9 (Aland, NT 27. Aufl., 804) + 14: äthHen 60,8 (Aland, NT 27. Aufl., 805) + 14: äthHen 93,3 (Aland, NT 27. Aufl., 805) + 16: äthHen 5,4 (Aland, NT 27. Aufl., 804)

Noch deutlicher wird das gesagte, wenn man sich die Paulusliteratur anschaut. Allein der Römerbrief enthält über 60 Zitate aus besagter Pseudepigrapher oder Apokrypher Literatur. Im Gegensatz dazu gibt es nur 82 Zitate in der gesamten Paulusliteratur zur Septuaginta (griechisches A.T.). Dieses Missverhältnis mag nur den überraschen, der glaubte das theologische Fundament des Paulus sei gänzlich israelitischer Natur. Dass dieses Verhältnis ganz ähnlich bei essenischen Schriftgut ist mag nicht überraschen, wenn man sich über die parallelen theologischen Ansichten dieser beiden Gruppen klar geworden ist. Der theologische Ansatz ist ähnlich und somit auch die Textquellenlage. Klar ist, da es keine Vorlage einer Prädestinationslehre im rabbinischen Judentum gibt und auch das Tanach sich solchen Ansichten nur in wenigen Ausnahmefällen annähert (Jesaja + Jeremia), musste auf eine andere Quellenlage zurückgegriffen werden, was in damaliger Zeit völlig legitim war, da ein verbindlicher Kanon von heiligen Schriften außer der Tora noch nicht im Judentum festgelegt war. Um auch hier mit Flusser zu sprechen: Heilige Schriften waren, was man als Heilig ansah.

Geht man von diesem Hintergrund aus, erklärt sich von selbst, warum das Judentum der Zeit Jesu so vielfältig und bunt war und verschiedenste religiöse Strömungen beherbergen konnte. Es ist einfach falsch zu glauben, das Judentum der Zeit Jesu war eine starre Größe, wie sie später von der jüdischen Gelehrtenschicht als überlebensnotwendige Richtung geschaffen wurde (Orthodoxie). Hellenistischer Judaismus nach Art des Philo, Essenertum, Sadduzäer, Pharisäer, Zeloten, Nazarener, Rabbinismus, Apokalyptiker, Wundertäter, Exorzisten, Mithrasanhänger jüdischer Prägung, etc, etc konnten nebeneinander existieren – wenn auch nicht gleichberechtigt. Das diese Vielfalt eine der Ursachen für die spätere katastrophale nationale Lage Israels wurde ist ein belegbarer Fakt, in dessen Folge alle diese Gruppen von der religionshistorischen Bildfläche verschwanden und sich entweder vom Judentum gänzlich loslösten, oder aber in der rabbinischen Orthodoxie neu sammelten.

Dass all diese Gruppen in der Zeit vor und nach Jesus (bis ca. 100 n.Chr.) im Wettstreit um die Gunst im Volke standen ist historisch gut belegt (Josephus Flavius, Philo, Talmud, N.T., etc). Das alle Gruppen mehr oder weniger für sich einen Exklusivstatus beanspruchten ist in sich logisch. Allerdings sind die Argumente für diesen Exklusivstatus deutlich verschieden. Sie lassen sich zum einen in Traditionslegitimation aufteilen (Pharisäer, Rabbinismus, Sadduzäer, Zeloten, Apokalyptiker, Philonen, Nazarener, Täufer, etc,) und zum anderen in von Gott Erwählte (Essener, Christen, Mithrasanhänger, Wundertäter und Exorzisten). Hier liegt der entscheidende Unterschied in diesen Richtungen und gerade hier kann man dies auch am Schrift- und Überlieferungsgut festmachen und ebenso an ihrem historischen Werdegang. Hingegen Essener und Christen sich fast gänzlich aus dem Judentum verabschiedeten und zur neuen Religion wurde (Christentum) (der Mithraskult sei hier einmal als extreme Sonderrichtung außen vor), fanden alle anderen Gruppen sich im späteren orthodoxen Judentum wieder. Der Grund dafür war und dies muß man ganz klar so sagen, die Unvereinbarkeit ihrer Lehre mit dem hebräischen Tanach.

(Das man allerdings bei dieser Auftrennung keine scharfe Grenzen ziehen kann sei klar genannt, denn Jochananjünger (Täufer) kehrten sich zum einen dem Christentum und andere dem Judentum zu, was man auch bei Essenern, Philonen, etc, so sagen kann.)

Ein weiterer Beleg für diese Abgrenzung ist der Gnadenbegriff, denn Essener und später Christen in gleicher Art und Weise benützen, allerdings hier im besonderen bei Christen um ein Element erweitert – die Person des Heilandes, des Erlösers und Gnadengrundes. Damit kommt die dritte Gruppe ins Spiel, die besonders theologisch im Philosemitismus (Logoslehre) und jüdisch geprägten Mithraismus zu finden ist.

Doch scheuen wir uns zuerst die Parallelen zu den Essenern an.

Der Begriff Gnade wird ausschließlich bei Essenern und Christen auf einen Akt göttlicher Vorhersehung bezogen. „Wir sind Söhne deines Bundes, deiner Gnade, dieser Bund ist ein Bund der Gnade…“ (1. QH 7,20 + 1. QS 1,8 + 1. QH frgm. 7, etc) „Durch deine Gnade hast du meine Seele errettet, dass von dir her mein Stand ist (1. QH 2;23, etc) „Und alle Söhne deiner Wahrheit führst du durch Vergebung vor dich, um sie von ihren Sünden zu reinigen, durch den Reichtum deiner Gnade und in der Fülle deines Erbarmens, um sie hinzustellen vor dich in alle Ewigkeit. (1. QH 7,30 – 31, etc) Nur durch deine Güte wird ein mensch gerecht und durch dein reiches Erbarmen … mit Pracht stattest du ihn herrlich aus“ (1. QH 13,16 -17) In diesen beispielhaften Textstellen kommt eins deutlich zum Ausdruck, auf Grund der Erwählung wird Gnade von Gott gewährt, ein Gnadenbund ist die Erwählung, allein diese sind die Söhne Gottes, die in dieser Wahrheit, in diesem Gnadenbund stehen.

Hören wir nun den Worten des Paulus zu: „Ebenso gibt es auch in der gegenwärtigen Zeit einen Rest, der aus Gnade erwählt ist; aus Gnade, nicht mehr auf Grund von Werken…“ (Römer 11/ 5 -6) „Denn aus Gnade seid ihr durch den Glauben gerettet, nicht aus eigener Kraft – Gott hat es geschenkt -, nicht aufgrund eurer Werke, damit keiner sich rühmen kann“. (Eph. 2/ 8-9) „ Er hat uns gerufen, nicht aufgrund unserer Werke, sondern aus eigenem Entschluß und aus Gnade, die uns schon vor ewigen Zeiten in Christus Jesus geschenkt wurde…“ (2. Tim. 1,9)

Finden wir bei den Essenern den Hintergrund der Absolutheit Gottes im Gnadenerweis aufgrund der Erwählung, wird diese in den Paulusschriften durch das Opfer Jesu begründet. Hier liegt der einzige theologische Unterschied. Paulus setzt förmlich der essenischen Theologie noch ein Krönchen drauf, indem er nicht nur die Vorherbestimmung des Menschen als Gnadenakt Gottes sieht, sondern auch den Erlösungsgedanken als Vorherbestimmung Gottes benennt, der nur Jesus Christus sein kann (2. Tim. 1,10). D.h. nicht allein die Erwählung durch Gottes Gnade sind ausreichend für die wahrhaftige Gottessohnschaft, die automatisch laut Essener die Sündenvergebung einschließt, sondern zu der Vorherbestimmung kommt noch der Glaube an die Vergebung der Sünden durch das Opfer Jesu Christi. Damit werden die Hürden für eine echte Gottessohnschaft also erneut erhöht. Hier grenzt sich Paulus ganz deutlich von den Essenern ab. Es reicht also nicht aus Vorherbestimmt zu sein, nein, in Folge der Vorherbestimmung muß der Glaube an Jesus fest verankert sein. Erst dann ist der Mensch im Vollbesitz der Gnade Gottes und erst dann kann nämlich auch der Mensch frei vom Gesetz Gottes sein, weil er nicht nur zum Erkennen der Wahrheit vorherbestimmt ist, sondern durch Vorherbestimmung des Opfers Jesu umsonst durch Gottes Gnade gerechtfertigt ist. Wozu braucht man dann noch Gottes Gesetz? Natürlich nur noch dazu, um den Menschen seiner Sünden zu überführen. Und freilich, hier muß die Tora zum Gesetz werden und darf nicht mehr Mitzwoth (Wegweisung) sein. Eine Wegweisung kann nicht schuldig sprechen, wohl aber ein Gesetz.

Die Essener konnten sich als wahre Söhne Israels dieser Theologie nicht stellen, denn auch für sie galt die Tora als verbindlich – wohl in ganz spezieller Auslegung – doch immerhin im rahmen jüdischer Religionsansichten. Eher muß man hier sogar von einer erheblichen Toraverschärfung sprechen, die um einige Elemente ganz wesentlich erweitert wurden. Das betrifft nicht nur die Taufe, die als letzter Akt einer langen Bewährungszeit die Aufnahme in die Gemeinschaft beschloss, sondern viel mehr in sehr strengen Reinheitsgeboten – bis hin zum tragen ganz spezieller Kleidung. Die Heiden waren ihnen ein Gräul und hatten nach ihrer Ansicht keinen Anteil an der Gnade, es ei denn die Vorhersehung Gottes hätte es so bestimmt. Um diese Vorherbestimmung zu wecken war Mission ein gängiger Akt – auch in der Diaspora und unter Heiden, die sich dann allerdings dem jüdischen Kultzeremonien (Beschneidung, etc) stellen mussten. Der Erfolg unter diesen war nicht unerheblich und doch war gerade der Kultzwang ein wirkliches Hindernis für eine großflächige Missionsarbeit. Vielfach gelang es nur hellenistische Juden und in dessen Umfeld lebende Heiden für die Ideen der Essener zu gewinnen. Auch wenn der gelebte Kommunismus bis hin zu den Höfen Roms Bewunderung und Verwunderung auslöste und man in der heidnischen Welt wohl eher Essener als Pharisäer kannte (Josephus Flavius, Philo) war doch ein Übertritt zu dieser Gemeinschaft eine extreme Lebensumstellung. Für Essener war klar, dass man als Mitglied ihrer Gemeinschaft eine gewisse Absonderung zum Rest der Welt zeigen und tätigen muß. Das allerdings ihr Missionsacker ein heiß umstrittenes Feld war ist gut bekannt und auf diesem Acker bemühten sich nicht nur die Jochanangemeinschaft, die Mithrasanhänger, Philonen und sogar Pharisäer, auch Paulus zeigte sich hier überaus eifrig.

Die Herabstufung der Tora zum Gesetzeskodex und dessen indirekte Aufhebung, die Paulus geradezu leidenschaftlich betrieb und ihm ernsthafte Schelte bei den Nazarenern einbrachte, verschafften jedoch einen ganz klaren Vorteil in seiner Theologie gegenüber den Essenern, wie beispielhaft Epheserbrief 2/ 11 – 22 belegt. Nicht auf die Tora ist der Neue Bund gebaut, sondern auf das Opfer Jesu Christi und mehr noch auf das Fundament der Apostel. Spätestens hier sind Judentum und Christentum nicht mehr miteinander vereinbar. Die Vorlage dazu boten die Essener, die diesen Exklusivstatus durch ihre Vorherbestimmungslehre und den Gnadengedanken theologisch begründeten. Das zu all dem noch das Element des NEUEN BUNDES kommt, der nach essenischen Verständnis den alten Bund ergänzt und oder auch teilweise aufhebt und zugleich die Lehre von dem wiedergeborenen neuen Menschen beinhaltet, der nicht aus Fleisch, sondern aus Geist geboren werden muß, ist nur eine weitere Säule dieser Vorlagen.

Doch bevor uns diesem Thema stellen und hier insbesondere auf die Johannische Theologie eingehen, noch einmal zurück zum Thema Gnade.

Der Israelit Jeshua definierte keines Wegs dieses Ansinnen eines solchen Gnadenverständnisses, wie ihn die Essener und fast gleich lautend Paulus vertraten. Nicht nur die Feldrede spricht da sehr deutliche Gegenworte, wo es um aktive Tat und deren Lohn geht, sondern mehr noch der jüdische Gedanke der Umsinnung und Besinnung – sprich Zedaka. Das war der Rote Faden der Lehre Jeshuas, die fern ab von Selbstverherrlichung und „Heilssicherheit“ durch Glauben stand. Sich selbst zu überwinden, sich täglich neu der Heiligkeit Gottes zu stellen und Seinen Wegweisungen aktiv zu folgen war die Kernbotschaft des Israeliten Jeshua. Darüber hinaus zeigte er deutlich auf und verwies immer wieder darauf, dass allein Gott entscheiden wird, wer würdig sein wird, in das Königtum der Himmel zu gelangen, doch dass der Mensch ganz aktiv in diesem Prozess eingebunden ist, nämlich durch sein Tun, Handeln, Denken und Glauben. Den Weg dahin beschreibt Jeshua in seiner Feldrede (Bergpredigt) und in den Gleichnissen, die nicht selten gezielt essenische Ansichten angreifen und verurteilen (die übrigens später irrtümlich den Pharisäern untergeschoben wurden).

Es folgt Teil 3 Der „Neue Bund“

godelind
12.04.2010, 16:33
Hi Abs.
danke für Deine Ausarbeitungen die einfach &klasse sind,ich lese sie mit grossem Interesse,auch wenn mmir der Kopf raucht ggg,weil ich nicht ganzs so viele bites und bytes habe&elvis_lebt

LG
gode

poetry
12.04.2010, 16:36
Ich fang immer wieder von vorn an, sonst fehlt mir der Faden :-)

Aber ein sehr interessanter Lesestoff - Danke für Deine Mühen, lieber Abs.

Poe

anonym002
12.04.2010, 17:38
Hallo Absalom

Da kam mir wieder unsere Aufstellung in den Sinn, der Gegenüberstellung von NT-Zitaten aus apokryphen Schriften. Das war ja schon echt interessant......

Neu finde ich die Festsstellung interessant, dass der Gnade immer höhere Hürden gesetzt wurden, was sich ja dann in der Kirche noch mehr steigerte.


Danke


Alef

absalom
12.04.2010, 21:34
Liebe Godelind, nicht nur dir raucht da der Kopf ggg

Lieber Poetry, ich denke, es ist ein wirklich sehr komplexes Thema, dass ich ja nur ansatzweise ausführen kann. Ich selbst muß auch achten, dass mir dabei der Faden - vor lauter kurzhalten - nicht entschwindet.

Lieber Alef, ja diese Auflistung der Apokryphen im Vergleich zum N.T. ist wirklich extrem hilfreich. Ich bin froh über diesen Fundus, denn sonst wären die Recherchen noch zeitaufwendiger. Allein schon die Auswertung von Qumrantexten ist extrem zeitintensiv und ich sitze ja nun schon einige Jahre an diesem Material.

Zu deinem zweiten Satz: Es ist auch für mich erstaunlich, was für Steigerungsformen stattgefunden haben - bis hin zur heilsnotwendigen Liturgie in Kirchen. Schaut man sich jedoch anderseits so manche Kulte der Antike an, so ist es auch wieder so, dass das Frühchristentum (um 100 n. Chr.) in seiner Theologie relativ einfach gestrickt war. Erst mit dem Werden als öffentlich anerkannte Religion (ab ca. 250 n. Chr.) und in dessen Folge der Integration anderer Kultformen änderte sich dies dann auch rituell ganz massiv. Besonders schnell und drastisch war diese Entwicklung, als das Christentum Staatskult wurde. Besonders hier kann man die Einflüsse sehr gut historisch nachvollziehen.

Die Geschichte des Frühchristentums ist wirklich hoch interessant, denn von kaum einer Religion der Antike / Spätantike gibt es so viel überliefertes schriftliches Material, dass uns erlaubt sich doch ein relativ gutes Bild über diese Entwicklungsgeschichte zu machen. Ganz besonders spannend ist natürlich, dass heute schriftliche jüdische Quellen zur Verfügung stehen, die ganz besonders intensiv einen Einblick in die Anfänge dieser innerjüdischen Gemeinschaft bis hin zum Werden des Frühchristentums erlauben. Wohl hat der Talmud und anderes jüdisches Schriftgut selbst schon viel Licht auf diese innerjüdische Gemeinschaft geworfen, doch erst durch Qumran kann man sich wirklich den Ansichten und mehr noch dem Zeitgeist inklusive der damaligen Sprachwelt zuwenden und so manches Licht hinter den Vorhang der Religionsgeschichte werfen.
Zumindest und dies kann man heute klar und deutlich belegen, ist das ursprüngliche Lehrgut Jesu deutlich antiessenisch geprägt gewesen und in ihnen dürfte er wohl die härtesten Gegner gefunden haben, denn fast 80% seiner Scheltreden bezieht sich ausschließlich auf essenisches Lehrgut. Und dies mag nicht verwundern, war doch die Galil ihr Haupteinzugsgebiet und Missionsfeld und die Essener hatten insbesondere durch den Schutz und das Wohlwollen des Herodes und auch so mancher Römer einen hohen gesellschaftlichen Rang erreicht, der selbst Sadduzäer zur Vorsicht und Zurückhaltung gegenüber dieser Gemeinschaft mahnte. Die Pharisäer und Zeloten hatten sicher den schlechten Stand bei dieser Gruppe, was uns so manche Texte aus Qumran mehr als deutlich aufzeigen. Es verwundert mich nicht, dass Herodes genau diesen Jesus fangen lassen wollte und die Begründung mag weniger in dessen Sympathie zu seinem Freund Jochanan gestanden haben, als vielmehr in seiner Kritik an den Drahtziehern für dessen Tod. Darüber hinaus mag es auch nicht verwundern, dass Jesu Familie ihm über lange Zeit feindlich gesinnt war. Die Ursache dafür finden wir in der Galil, der einstigen Hochburg der Essener.

Absalom

absalom
13.04.2010, 13:23
Der Neue Bund

Gleich den Essenern sprechen auch die Frühchristen von einem Neuen Bund. Dieser Neue Bund verwirklicht sich in der Gemeinschaft der Heiligen (1 QS 9,8 + 1QS 20; etc) (Eph. 4, 12 + Kol. 1, 12 ; etc)

Die Begriffswelt bei Essenern und auch Frühchristen sind völlig identisch und auch in ihrer theologischen Wertung genau gleich gemeint. Essener und Frühchristen sehen sich als diesen Neuen Bund.

Grundlagen dafür sind nicht nur die Vorherbestimmung, sondern auch die Inanspruchnahme hebräischer Textvorlagen (Prophetenworte) die auf sich selbst bezogen werden. Hierfür wird exemplarisch von beiden Gruppen Jeremia (31, 30 – 31) in Anspruch genommen.

Beide Gruppen, Essener und Frühchristen, sehen in sich die Erfüllung dieser Prophetie. Formal trennen sich beide Gruppen damit vom „Rest“ Israels, der diesem Bund nicht teilhaftig ist.

Die Qumrantexte und besonders die sog. Damaskusschrift befasst sich ausführlich mit der Thematik des Neuen Bundes. Hier nun einige Textpassagen aus besagter Schrift als Einleitung: „Weil Er aber des Bundes mit den Ersten gedachte, hat er einen Rest übriggelassen in Israel“ (CD 1, 4 – 5) „Gott aber gedachte des Bundes mit den Vorfahren und erweckte aus Aaron einsichtige Männer und aus Israel Weise“ (CD 6, 2 – 3) „Wegen ihres Treuebruches, da sie ihn verließen (Israel), hat Er sein Angesicht vor Israel und vor seinem Heiligtum verborgen und sie dem Schwert preisgegeben. Weil Er aber an den ersten Bund gedachte, hat er einen Rest von Israel gelassen“. (CD 1, 3 -5)

Wenn wir uns diese drei Textstellen anschauen, die für eine ganze Reihe anderer Verse stehen könnten, fällt zum einen der Terminus: Ersten (Bund) und zum zweiten der Begriff: Rest Israels, drittens: Gedachte der Vorfahren und viertens: Treuebruch / Bundesbruch, auf.
Damit könnte man eigentlich schon die ganze Theologie der Essener umfassen. Für die Essener wurde der Erste Bund gebrochen, weil Israel Gott verließ. Doch Gott gedachte der Vorfahren des ersten Bundes und wählte Weise Männer Israels aus (Rest Israels + Vorherbestimmung), um einen neuen Bund zu begründen. Faktisch haben wir in diesen zwei Sätzen das gesamte Theologische Grundkonzept zum Neuen Bund der Essener und zugleich auch der Frühchristen, denn nicht anders – ja fast wortgleich - argumentiert auch das N.T. und hier explizit der Hebräerbrief und Paulus im Römerbrief.
Noch deutlicher werden die Essener wenn sie darstellen, dass der Bund der Väter gut und gerecht war, allerdings die Nachkommen diesen brachen. Die Väter werden mit Abraham, Isaak und Jakob genannt (CD 8 16 -18). Auf diesen Bund wird Gott den neuen Bund begründen. Diese überaus ungewöhnliche essenische Sichtweise für ein israelisches Bundesverständnis ist geradezu einmalig, da doch der Sinai als die eigentliche Bündnisstätte verstanden wird. Doch genau diese theologische Sichtweise findet sich in Hebräer 11 wieder. Der Bezug zu Abraham und dessen Bund ist geradezu ein ganz spezielles essenisches Merkmal.
Der Hintergrund dazu ist offensichtlich. Der Neue Bund ist nicht ein Bund der Buchstaben, wie am Sinai, sondern ein Bund des Geistes wie bei Abraham. Der Geist Gottes wird zum Stifter des Neuen Bundes, ja mehr noch, dessen Mitglieder werden zum Tempel des heiligen Geistes Gottes, ja, die Mitglieder sind nun der Tempel Gottes, die Neue Stiftshütte, das Heiligtum Gottes in Persona. (1. QS 8, 4 -10 + 1. QS 9, 3 – 5; etc) Hier findet der wahre Gottesdienst statt, hier werden die Gemeindemitglieder zu Heiligen. Das war neu und sensationell im theologischen Verständnis Israels und genau diese Theologie findet sich fast wortwörtlich im N.T. wieder (vgl. z.B. 1. Petrus 2/ 4 – 10 + Eph. 2/ 20 – 22; etc)

Der Grundgedanke ist bei beiden Gruppen in sich völlig identisch und auch die theologischen Schlussfolgerungen sind in sich völlig gleich. Es gibt nur einen kleinen Unterschied, die Essener vertraten 100 Jahre vor Paulus schon diese Ansichten.

Theologisch verschaffte beiden Gruppen diese Ansichten jedoch ein Problem, was tun mit dem Sinaibund? Der Neue Bund gründet sich auf Abraham, aber was soll man mit diesem Bund vom Sinai machen? Paulus klärt dieses Problem auf ganz simple Weise wie uns 2. Kor. 3, 6 – 18 oder Römer 7, 1 – 25 + Römer Kap. 9 – 16 darstellen. Noch klarer wird der Hebräerbrief 10, 9 – 10 + 9, 15. Das Fazit, der Sinaibund hat seinen Zweck erfüllt und wird nun nicht mehr gebraucht, Christus hebt den Ersten Bund auf und setzt den Neuen Bund ein.
Die Essener konnten mit einer solchen Ersatztheologie nicht aufwarten, denn es gab bei ihnen schlicht und ergreifend kein Menschenopfer. Deshalb argumentierten die Essener nicht ganz so scharf bezüglich des Sinaibundes, der für sie noch immer volle Gültigkeit hatte. Sie erklärten allerdings ähnlich wie Paulus, dass dieser Bund in der Vergangenheit nur fleischlich verstanden wurde und nun richtiger Weise geistig gesehen werden müsse. Die Folge dieser geistigen Sicht der Essener war jedoch nicht die Bundesabschaffung, sondern Bundesverschärfung in elementaren bereichen (insbesondere Reinheitsvorschriften). Faktisch heißt dies, man formte den Bund nach eigenen Maßstäben zu recht, so dass er der Gemeinschaft dienlich erschien. Ein Prinzip freilich, dass längst schon gang und gebe in Israel war und insbesondere von den Pharisäern durch Neuinterpretation der Tora legitimiert war.

Auch wenn für die Essener der Bruch zum Sinaibund so nicht stattfand durch die Inkraftsetzung eines Neuen Bundes, so relativierten sie diesen Bund doch zumindest soweit, dass ihr Neuer Bund über den Alten Bund stand. Konsequenter war da die Paulustheologie, die den Sinaibund ebenso nicht für ungültig erklärte, allerdings als notwendiges Übel ansah und heilsgeschichtlich keine Bedeutung mehr hatte. Der Hebräerbrief ist die endgültige Antwort des Frühchristentums auf Israel, der Bund ist aufgehoben und damit ungültig. Heilsgeschichtlich hat Israel damit seine „Schuldigkeit“ getan. Paulus ist hier etwas humaner und schreibt in Römer 11/ 28 – 29 Nach dem Evangelium sind sie zwar Feinde um euretwillen; aber nach der Wahl sind sie Geliebte um der Väter willen.

Mit dem Inkrafttreten des Neuen Bundes haben sich beide Gemeinschaften deutlich von Israel distanziert. Dies äußerte sich nicht nur darin, dass Essener wie auch die jüdischen - paulinischen Kreise den Tempel verwarfen, sondern auch ihre Heilsgeschichte von der Geschichte Israels loslösten und diese als verfehlt darstellten. In Folge dieser Entwicklung entwickelten beide Gemeinschaften ganz eigene Religionssysteme, die allerdings auch hier viele Gemeinsamkeiten innehatten, was aufgrund ähnlicher oder oft gemeinsamer theologischer Ansichten nicht ungewöhnlich ist.

Das sich die heilige Gemeinschaft vom dem sündigen Israel abwenden musste, ist nur die logische Konsequenz dieses theologischen Selbstverständnisses. Wenn Frühchristen oder Essener sich als heilige Gemeinschaften verstanden, als Tempel Gottes, als lebendiges Haus des heiligen Geistes, dann mussten folglich die anderen Menschen, die nicht dazu gehörten Feinde, ja Widersacher sein. Beide Gemeinschaften zeigen in dieser Einschätzung sehr separatistische Tendenzen, auf die ich noch eingehen werde. Dass, das Johannesevangelium genau in diese Kerbe schlägt und diese Tendenz der Verfeindung ausbaut und sich besonders auf diesem Sektor ganz der Hasstheologie der Essener bedient ist nur die logische Konsequenz der inhaltlichen Nähe dieser beiden Gruppen zueinander. Das für diese Schrift letztlich „die Juden“ (in dritter Person schon gesprochen!) verworfen sind und Kinder des Satans und nicht mehr Kinder Gottes sind entspricht ganz der Vorherbestimmungstheologie und mehr noch der Bundestheologie beider Gruppen. Soweit ging Paulus nicht und doch sah er in ihnen schon Feinde und Widersacher, Bündnispartner des Antichristen und Verführer. Der Weg bis zur physischen Gewalt gegen diese vermeintlichen Gegner war letztlich dann nur noch ein kleiner Schritt.

Wenn wir dieser Theologie das Lehrgut des Israeliten Jeshua gegenüber stellen (Synoptiker) kann man nicht umhin zu fragen, was wurde aus seinem Lehrgut gemacht? Jeshua sah weder einen neuen Bund, noch sah er den Sinaibund aufgehoben oder gar eine Befreiung davon. Auch seine direkten Jünger lassen keine Spur davon erkennen, ganz im Gegenteil, sie rühmen sich sogar Eiferer der Tora zu sein (Apg.). Das Jeshua einer Verschärfung – Lastenaufbündelung der Tora widersprach, so verweist dies deutlich auf die Essener, die dies Proklamierten und wenn Jeshua zugleich von der Selbstüberwindung sprach, dann vornehmlich von zur Schau getragenen Scheinheiligkeit und anderseits von einer selbst angedichteten Heilssicherheit und in den Himmelloberei. Seine Selbstbescheidenheit und sein Realismus gingen sogar soweit, dass er für sich selbst ausschloss ein Guter oder gar Heiliger zu sein, sondern er verwies auf Gott als den einzig Heiligen, Guten und Rechtschaffenden. Und als einige seiner Jünger solche Anflüge bekamen wies er sie streng auf ihre irdischen Sitzplätze zurück. Jeshua fühlte sich zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt, zu den Armen und Entrechteten. Nichts Geringeres forderte er von seinen Talmidim für ihre Nachfolge. Das ist das Wesen der Lehre Israeliten Jeshua. Sinnet um, denn das Königtum der Himmel ist Nahe, nahe all denen die bereit sind umzusinnen. Von einem Neuen Bund oder gar einer neuen Religion ist da wahrlich keine Spur.

Nächstes Thema: Feindeshass um der Gottesliebe willen? Essenisches Feindesverständnis und frühchristliche Nächstenliebe.

luxdei
19.04.2010, 10:36
Hallo Absalom,

habe mir Deine Texte am Wochenende mal in Ruhe vorgenommen, und wie so oft bin ich von Deiner Darstellung sehr angetan, wie Dinge sich ins Welt- und Geschichtsgefüge einschmiegen. Durch Deine Darstellungen werden die Geschehnisse und Lehren weniger phantastisch - dafür faktischer und lebensnäher.
Ich freue mich schon auf die Fortsetzung.

Gruß
LD

outiouti
19.04.2010, 11:41
ich hatte mal wieder herzlichst was zu lachen ob der unterschwelligen Verbohrtheit ....

mfg

absalom
19.04.2010, 16:44
Das denke ich mir, dass du den Textinhalt nicht verstehst! Es gibt sogar Menschen, die haben sogar über Kriege gut Lachen, weil sie dessen Bedeutung nicht verstehen.

Ich hoffe du wirst bald geheilt, bei soviel Lachen dürften die Heilungschancen doch ganz gut sein. (Stichwort: Lachen ist gesund!)

Darüber hinaus möchte ich dich bitten, doch aus einem ernsthaften Thementhread in ein Komikerthread zu verschwinden. Ich werde ihn gleich für dich eröffnen! Danke!

Absalom

absalom
20.04.2010, 13:20
Feindeshass um der Gottesliebe willen? Essenisches Feindesverständnis und frühchristliche Nächstenliebe.

Teil 1 Nächstenliebe im Judentum

Das Judentum der Zeit Jesu war ohne Zweifel eine moralische Religion, in der die Prinzipien von Gerechtigkeit und Wertigkeit im Mittelpunkt stehen. Die Formaljuristische Toragebung hatte nie wirklich Fuß in Israel fassen können und dies ist ein großer Verdienst der Prophetenbewegungen gewesen, die immer wieder aufs Neue, juridische Vorgaben durch den Hinweis auf moralische Werte wie Barmherzigkeit, Liebe, Rechtschaffenheit, Nächstenliebe, etc, abschwächten. Die vereinfachte Toraauffassung von "Guten" und "Bösen" (Menschen) fand besonders in der Zeit der frühen Tannaiten heftigen Diskussionsstoff und führte letztlich und mehrheitlich zu der Auffassung, dass einzig Gott ein Rechtschaffender Gott sein kann, also nur Gott der Richter sein kann, der Recht schafft. Hier ist Recht allerdings nicht nur als juristischer Begriff verstanden, sondern hier umfasst der Begriff Recht auch den moralischen Wert, der Barmherzigkeit und Liebe umfasst. Diesen Ansatz, den schon die Propheten hervorhoben (Gott schaut auf das Herz und nicht nur auf die Taten) verfolgten die Tannaiten weiter und gipfelte in dem Satz des Rabbi Chanina: Gott spricht: Wenn du deinen Nächsten hasst, weil er so böse ist wie du, werde ich es dir vergelten. Liebst du ihn aber, weil er so gut ist wie du, so werde ich mich deiner erbarmen. (Abot de Rabbi Nathan II, 26) Noch weiter geht Rabbi Nathan selbst, indem er erklärt: Jeder, der seinen Nächsten hasst (auch mit Worten), der entwurzelt Gott aus der Welt. Abot des Rabbi Nathan. 30

Die Große Frage, warum es dem „Bösen“ oft gut geht und dem „Gerechten“ oft schlecht geht konnte die Tora nicht lösen, da sie eigentlich einen ganz gegensätzlichen Ansatz in sich trägt (Wähle zwischen Leben oder Tod…). Der moralische und ethische Ansatz musste also neu bewertet werden und ein neuer sittlicher Imperativ gefunden werden. Hier setzten bereits die Klagelieder und Psalmen an und die Propheten führten diesen weiter, indem das Leiden des „Gerechten“ als Folge auch seiner Loslösung von Gott verstanden wurde. Der „Gerechte“ ist nie so Gerecht wie Gott, er ist fehlbar wie der scheinbar „Böse“ und steht dem „Bösen“ gar nicht so weit entfernt. Damit verschwimmt die Grenze zwischen den scheinbar „Guten“ und „Bösen“ und genau darauf zielt Rabbi Chaninas Spruch ab. Hierin gipfelt letztlich auch Jesu Lehrsatz: Wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, wird auch euch euer himmlischer Vater vergeben… (Mt. 6/ 14 – 15) Diese Aussage Jesu (vgl auch Lk. 6/ 37 – 38), die bereits der Weisheitslehrer ben Sirach (um 185 v. Chr.) vorgab (J.S. 27/ 30 – 28/ 7) zeigt deutlich, dass es im damaligen Judentum weniger um die Frage ging, wer ist gerecht und wer ist ungerecht, sondern, wie können wir rechtschaffen zu Gott hin leben. Rabbi Hillel sagte dazu: Richte nicht deinen Nächsten, bis du nicht an seine Stelle gekommen bist.

Dieser sittliche Imperativ, der von den Propheten, Weisheitslehrern bis hin zu den Rabbinen erörtert wurde zeigte einen ganz neuen Aspekt zur Tora auf, nicht mehr der kultische Inhalt (Kultpraxis) findet seine Gewichtung, sondern die moralischen Werte werden hervorgehoben, wo nötig differenziert und neu bewertet oder gar verworfen. Rabbi Hillel fasst dies folgendermaßen ganz lapidar zusammen: „Was dir unlieb ist, tue dem Nächsten nicht; das ist das ganze Gesetz, das übrige ist Ausführung. Jesus fasst diesen Spruch Hillels auf und spricht in ähnlicher Weise: „Und so wie ihr wollt, dass euch die Menschen tun, so tut ihr ihnen.“ (LQ) oder: „Alles nun, was ihr wollt dass euch die Menschen tun sollen, das tut auch ihr ihnen; denn das ist das Gesetz und die Propheten.“ (Mt. 7/12)

Die sittliche Lehre Jesu findet sein Fundament in den genannten Entwicklungen innerhalb des Judentums. Nicht mehr aus „Furcht“ vor Strafe wird Gott gedient, sondern aus unbedingter Liebe und dies legt das Doppelliebesgebot der Tora auch nahe. Dass darin Schriftgelehrte Israels zustimmten zeigt ebenso Markus (12 / 28 – 34) und Lukas (10 / 25 – 28), etc.

Dass diese Neuinterpretation auf das Leben Israels – und hier auch auf das kultische Leben - ganz massiven Einfluß hatte können wir z.B. an folgender Geschichte sehen: „Jochanan ben Sakkai war unterwegs, als sein Schüler Josua ihn ereilte und ansprach mit den Worten: Wehe uns, daß der Tempel gefallen ist, das Gebäude unseres Lebens, die Opferstätte, durch die wir immer entsühnt wurden! Der Meister erwiderte: Es sei dir nicht leid; ein anderes Sühnemittel ist uns dafür zuteil geworden. Der Schüler fragte: Welches? Und Jochanan ben Sakkai antwortete: Ich meine das Wohltun, wie auch der Prophet gesagt hat: "Gütigkeit heische ich, nicht Opfer." (Awot de-Rabbi Nathan I,4)
Die Berglehre Jesu fußt genau auf diesen Grundsatz, der nicht kultisches Verhalten in den Vordergrund stellt, sondern den Menschen in seinem Dasein vor Gott und seinen Mitmenschen. Dieser Grundsatz lässt Feindesliebe nicht außen vor, sondern schließt sie ein, wie sie schon in der Tora vorgegeben ist. Allerdings kennt auch Jesu Feindesliebe Grenzen, die dann erreicht sind, wenn Ungerechtigkeit, Übel und religiöse Ansichten bekämpft werden müssen. Hier ist er nicht nur ein gewalt-iger Redner, sondern auch gewalt-iger Täter. Jesus lässt es nicht an Gesten, Worten und Taten gegenüber vermeintlicher Feinde fehlen. Ob gegenüber einer gewissen jüdischen Religionselite (Sadduzäer und Pharisäer), nichtisrealitischen Mitbewohnern des Landes Israel, Besatzern (Römer), Despoten (Herodes) und wohl am meisten gegenüber den Essenern, gleich wohl diese namentlich nicht im N.T. zu finden sind, wohl aber ihre ganz besonderen Lehren.

Wenn man sich die Sprachgewalt Jesu einmal vor Augen führt und hier ist es Ratsam sich dem Mischnaisch der Zeit Jesu zu vergegenwärtigen, die erst die Sinnbedeutung deutlich klar macht, dann wird dem Bild von der Feindesliebe Jesu eine jähe Ernüchterung zuteil. Wenn man allerdings diese Reden dem Lehrgut anderer Rabbinen der Zeit Jesu gegenüber stellt, so finden wir einen Begriffsterminus, der landesüblich und sehr volksnah war. Dazu gehört ebenso, dass Heiden als Hunde und Schweine bezeichnet wurden, wie die überaus abfällige Gestik, gegenüber besagten Nichtjuden, die auch im N.T. erhalten blieb. Die Geschichte vom Knecht des römischen Centurio ist dafür ein überaus klarer Beleg. (Auf Wunsch können wir uns gerne diese Geschichte exegetisch genauer anschauen, um besagtes einmal deutlich zu machen.)

Das Judentum der Zeit Jesu verstand in seiner großen Mehrheit die Fremden des Gottes Israels nicht als Nächste, sondern als Mitmenschen. Nächste waren die Stammesbrüder eines Volkes. Für Jesus waren die Nächsten, die verlorenen Schafe des Hauses Israels, zu denen er sich ausschließlich gesandt fühlte. Diese Tatsache bestätigt auch Paulus z.B. Römer 15/ 8 „Denn, das sage ich, Christus ist um der Wahrhaftigkeit Gottes willen Diener der Beschnittenen geworden, damit die Verheißungen an die Väter bestätigt werden.“ Diese sind Jesu Nächste und ihnen gelten seine ganze Leidenschaft, ja sein Wohlwollen aber auch sein Zurechtweisen, seine Scheltreden, Gewalttaten und fürsorgliche Liebe. Das Jesus die Heiden als Verachtungswürdig ansieht ist ein Relikt aus seinem israelitischen Selbstverständnis (Heiden sind Götzendiener) und aus seinem Missionsgedanken. Hier ist er seinen jüdischen Zeitgenossen ganz Israelit. Allerdings haben andere Rabbinen nicht so krass auf Heiden reagiert, wie es Jesus bei der kanaanitischen Frau oder bei dem römischen Offizier tat. Ein Beispiel sei dazu hier exemplarisch angeführt, das beide Einstellungen im damaligen Israel aufzeigt: „Einst wurde ein schiffbrüchiger Römer in der Zeit des schlimmsten Römerjochs über Israel, nackt an das Ufer des Landes Israel gespült. Er verbarg sich unter Felsen und rief von dort aus einer Gruppe jüdischer Festpilger zu: Ich bin ein Nachkomme Esaus, eures Bruders. Gebt mit etwas Kleidung, meine Blöße zu bedecken, denn das Meer hat mich entblößt, und ich habe nichts retten können! Sie antworteten ihm: Möge dein ganzes Volk entblößt werden! Da erhob der Römer seine Augen, sah Rabbi Elasar, der unter ihnen ging, und rief: Ich sehe, dass du ein alter und von deinem Volk geehrter Mann bist, der den Geschöpfen gebührende Achtung zollt, so hilf mit doch! Rabbi Elasar ben Schummua besaß sieben Gewänder. Er nahm eines davon und gab es ihm. Auch führte er ihn in sein Haus, versorgte ihn mit Essen und Trinken, gab ihm 200 Denare, geleitete ihn vierzehn Meilen weit und erwies ihm große Ehre, bis er ihn zu seinem Haus gebracht hatte. (Midrasch Eccl. Rabba 11/1)“

Letztlich muß Jesus beiden nicht helfen, denn ihr Glaube an Gott hat ihnen geholfen und nicht das direkte Eingreifen Jesu. Damit bezeugt Jesus aber ebenso eine grundsätzliche Überzeugung, zum Gott Israels kann ein jeder Mensch kommen. Der Fremde, der sich zu dem Gott Israels wendet, ist dann nicht mehr der Fremde, sondern wird zum Nächsten und genau hier greift Dtn. 10,19. Der Fremdling, der sich im Lande Israels aufhält und Hilfe bei dir sucht, den weise nicht ab. Die Eindringlinge, die sich gewaltsam in Israel aufhielten (Besatzungsmacht) und versuchten Israel von den Wegen Gottes fern zu halten wurden als Feinde angesehen und nicht als Fremdlinge. Fremdlinge waren Menschen, die fern ab des Gottes Israels glaubten und die sich friedlich das Land mit Israeliten teilten. Die Kontakte zu solchen Volksgruppen wurden aber in aller Regel gemieden.

Es folgt Teil 2

absalom
23.04.2010, 08:41
Teil 2

Jesu Hingabe gerade zum Rand der Israelitischen Gesellschaft, den „Sündern“ und Zöllnern, Dirnen und Kranken, den Armen und Ausgestoßenen hat einen ganz tiefgründigen sozialen Hintergrund. Es ist die Ungerechtigkeit im Lande Israel, die soziale Randgruppen schafft, Armut hervorruft, Kranken nicht hilft, Prostitution und Wucher fördert. Genau hier setzt er mit seiner „Gottesbotschaft“ die Glückseligpreisungen an und genau hier fordert er von der geistigen Elite seines Landes Liebesgebotserfüllung (Scheltreden gegen Sadduzäer, Pharisäer, Essener). Im gleichen Atemzug kritisiert er herrschaftliche Strukturen inkl. ihrer Despoten (Mt. 20/ 25 – 27), die den Anliegen Gottes nicht entsprechen wollen. Jesus war sicher kein sozialer Revolutionär, der aus politischen Interesse für die Ärmsten eintrat, sondern viel mehr verstand er seine Kritik aus seinem Verständnis zur Tora (Mt. 5 / 17 -19 + 22/ 36 – 40, etc). Insbesondere Jesu Scheltreden gegen Reiche und Herrscher, die ihren Wohlstand und ihre Macht missbrauchen ist ein zentrales Thema in Jesu Gesellschaftskritik. Hier scheint er oberflächlich gesehen ganz nahe den Essenern zu stehen, die in einem ganz strengen Armutsgelübde lebten.

Die Essener lebten, als Söhne des Lichtes, abgesondert vom Rest Israels in einer postkommunistischen Gütergemeinschaft zusammen. Die Armut galt als tugendhaft und sollte auch Zeichen setzend sein gegenüber dem Rest der Welt, der dem Wohlstand und der Prasserei huldigte. Ihr gesamtes Wirtschaftssystem war auf diese Ideale zurechtgeformt und ihre Verbindungen und vor allem Abhängigkeit zum Rest Israels und der Welt war auf ein absolutes Minimum beschränkt. „Keiner esse etwas aus ihren Besitz und trinke nichts, noch nehme er etwas aus ihren Händen, was nicht durch Kauf erworben ist…denn alle Verächter Seines Wortes wird Er vertilgen aus der Welt, all ihre Werke gelten als Unflat vor Ihm, und Unreinheit haftet an ihren Besitz“. ( I QS 5,14 -20, CD 6, 14 – 15, etc.) Dieser sozialreligiöse Separatismus, der alles andere als Unflat erklärt, was nicht den essenischen Reinheitsvorstellungen entsprach war einmalig in Israel. Reinheitsvorstellungen sind freilich nicht nur kultischer Form, sondern mehr noch die radikale Abwendung von Besitz jeglicher Form, der als Götzendienst – Dienst an Mammon verstanden wurde.
Es scheint, dass Jesus genau diese Lehre der Essener aufgreift und auch vertritt (z.B. Mt. 6,24, etc). Und in der Tat ist es so, dass Jesus in seiner Lehre sehr deutlich diesen essenischen Grundansatz vertritt, der so in Israel sonst nirgends zum religionstheologischen Thema wurde.

Dass Jesus die Essener und ihr Lehrgut sehr gut kannte ist hinlänglich wissenschaftlich gut belegt und dass er ihre Lehren selbst auch übernahm, ist ein ebenso gut belegtes Faktum. Doch Jesus kritisierte im gleichen Atemzug auch die Schlussfolgerungen der Essener aus ihrem sozialtheologischen Ansatz. Nirgendwo deutlicher wird dies genau an der Frage, wie der „Gerechte“ mit seiner Umwelt umgehen soll. Die Essener verschanzen sich, um es einmal salopp zu sagen, in die Abgesondertheit zu ihrer Umwelt und distanzieren sich vom Rest Israels. Jesus hingegen geht genau den entgegengesetzten Weg und begibt sich zu diesem Rest Israels. Ein Textstelle die unmittelbar Bezug auf die Essener in den Evangelien nimmt und sie sogar namentlich erwähnt sei hier beispielhaft angeführt: Aus dem griechischen direkt übersetzt: Lukas 16, 8 – 9: „…; denn die Söhne dieser Welt sind klüger als die Söhne des Lichtes in ihrer eigenen Art (Lebensweise). Und ich sage euch, macht euch Freunde aus dem Mammon der Ungerechtigkeit, damit, wenn es aufhört, sie euch aufnehmen in die ewigen Zelte.“ Diese Aussage des Lukasevangeliums ist äußerst bemerkenswert, weil sie nicht nur im griechischen den typisch essenischen Sprachterminus wiedergibt, sondern auch Begriffe, die dem essenischen sehr Eigen sind. Übersetzt man diese Sätze ins Mischnaisch der Essener zurück, so können wir uns leicht in der Sprach- und Lebenswelt der Essener und auch von Jesus wieder finden.
Jesus ruft also letztlich dazu auf, diesen Besitz nicht zu verschmähen, sondern ihn richtig einzusetzen um in das Königtum der Himmel (ewigen Zelte) einzugehen. Ja mehr noch, macht euch die Mammonbesitzer zu Freunden, zieht sie auf eure Seite, führt sie zurück zu den Wegen Gottes, dass ist Jesu Anliegen (vgl. Parabel vom reichen Jüngling).

(Anmerkungen zu diesem Lukasstück: Schon lange hat insbesondere dieses Lukasstück Schriftforscher und Linguisten beschäftigt, denn die Urtümlichkeit des Sprachterminus, der in diesem Textstück hervortritt und auf eine Direktübersetzung aus einer mischnaischen Quelle ins griechische verweist, ist äußerst selten im Lukasevangelium, dass durchs ein vorzügliches Griechisch brilliert. Besonders auffällig ist der Begriff ewige Zelte und noch auffälliger ist der Terminus: „sie euch aufnehmen“ (plurale tantum). Hier treffen wir auf eine Begriffsform die weder im griechischen noch im aramäischen anzutreffen ist und allein im mischnaisch der Zeit Jesu anzutreffen ist. Die ewigen Zelte ist ein umgangssprachlicher Terminus, der für die Himmel steht. Was fälschlicher Weise teilweise im Griechischen, mehr noch Lateinischen und fast überall im Deutschen als „der Himmel“ wiedergegeben wird, ist dem Israeliten fremd. Diese Singularform die sich aus dem Begriff Königreich ableitet ist eine klare Falschdeutung und Fehlübersetzung aus dem Mischanisch. Denn der Begriff Königreich wird im Hebräischen und Mischnaischen nie im Bezug auf Gott angewandt. Ein Königreich ist immer begrenzt auf Zeit und Raum. Ein Königtum, ist ein lebendiger Zustand, „Eines Herrschers“ über alles und allem – in diesem Fall überdimensional – der Himmel – also Mehrzahl (plurale tantum). Vgl. dazu auch Jes. 66,2 und Jes. 57,15 Jesus spricht im Gegensatz dazu von seinem Königreich aber nie vom Königtum! Also hier schon deutlich ein Verweis auf den Unterschied zwischen der Königsherrschaft Gottes, welche von Ewigkeit bis in alle Ewigkeiten besteht und der Begriffswelt des Königreiches (messianisches Reich), welches seine Vollendung nur im Königtum Gottes finden kann, durch die absolute Herrschaft Gottes.)
Nun aber zurück zum eigentlichen Thema.

Besitztum ist für Jesus ein grundlegendes Hindernis für eine echte Gottesnachfolge (Mt. 6, 24 ff). Armut, Niedrigkeit im Stand und Ansehen, Demut und Reinheit des Herzens sind für Jesus hingegen die Voraussetzungen für eine echte Gebotserfüllung und Gottesnachfolge. Hier sind sich Jesus und die Essener ganz nahe und dies wird an einem noch weiteren Punkt deutlich. In den ersten zwei Glückseligpreisungen. Genau in gleicher Abfolge und in genau gleichen theologischen Inhalt (Wortterminus) finden sich diese Preisungen wieder. 1 QH 18, 14 – 15: „….deine Güte, den Demütigen zu verkündigen nach der Fülle deiner Barmherzigkeit. …aus der Quelle … die zerschlagenen Geistes sind und Trauernde zu ewiger Freude…“ (Der Text ist leider nur noch fragmentarisch erhalten, doch erlaubt ganz wesentliche Einblicke in essenische Glückseligpreisungen) Hier nun das Gegenstück aus den Glückseligpreisungen Jesu (Rückübersetzung aus dem Griechischen ins Mischnaisch der Zeit Jesu): Mt. 5,3. Glückselig sind die, die vor Gott und der Welt arm sind, denn von solchen wie diesen ist das Königtum der Himmel beseelt. 5,4. Glückselig sind die Trauernden, denn Gottes Trost ist ihnen gewiss.
Noch deutlicher wird das Schriftgut, das aus dem jüdisch apokalyptischen Raum entstammt und den Essenern sehr nahe stand und auch aus dessen ursprünglichen Umfeld entstammt: „… und die in Traurigkeit starben, auferstehen werden sie in Freude, und die Armen werden Reich werden, und die Hungrigen werden gesättigt werden, und die Schwachen werden stark werden, und die um des Herrn (Gottes) willen gestorben sind, werden im Leben erwachen…“ (T.d 12 Pat.)
Die Ähnlichkeiten sind nicht zufällig, sondern verweisen auf eine ganz eigenständige Sichtweise, die in ihrer Absolutheit so im alten Israel nicht gelehrt wurden und ihre Ursprünge in der Prophetenbewegung hatten.
Die Essener und in dessen Folge Jesus erhoben diesen ethischen - moralischen Maßstab zu einer Größe, die ganz massive Einflüsse auch auf den Pharisäismus und den Rabbinismus hatten. Beispielhaft sei hier I QS 10, 17 -20 angeführt: Keinem will ich vergelten das Böse, mit Gutem will ich den Menschen verfolgen, denn bei Gott ist das Gericht über alles, was lebt, und ER wird ihnen die Vergeltung heimzahlen… . Den Streit mit den Männern des Verderbens will ich nicht aufgreifen bis zum Tage der Rache, und meinen Zorn will ich nicht abwenden von den Männern der Bosheit und will nicht zufrieden sein, bis Er das Gericht bestimmen wird“. Auch hier sind die Parallelen zu Jesu Lehrgut unübersehbar und fast wortwörtlich identisch. Und doch zeigen sich gerade in diesen Ausführungen auch ganz wesentliche Unterschiede zu Jesu Lehrgut, die insbesondere den Rachegedanken der Essener umfassen. Hier trennen sich beide Wege sehr deutlich, gleich wohl auch Jesus auf das Endgericht verwies, doch sein Tenor war ganz anders gelagert. Denn die Essener gingen von einer Vorbestimmung aus, wie ich schon ausgeführt hatte.

Es folgt Teil 3

anonym002
23.04.2010, 19:48
@Absalom

Die Erläuterung mit Königsherrschaft und Königreich war sehr aufschlussreich.

&winke

Alef

absalom
04.05.2010, 12:53
Teil 3

Für die Essener gab es keinen Grund sich außerhalb ihrer Gemeinschaft um die Hilfsbedürftigen zu kümmern, denn durch die Vorherbestimmung Gottes war klar, wer zu den Söhnen (Töchtern) des Lichtes gehörte und wer nicht. Man musste lediglich die Botschaft den Menschen (auch eventuellen Feinden) nahe bringen, um herauszufinden wer zu der erlauchten Gemeinschaft gehört und wer nicht. Diesen half man dann freilich in überaus barmherziger Weise.
„Ewiger, geheimer Haß gegen die Männer des Verderbens, ihnen den Besitz zu lassen und den Erwerb der Hände, wie ein Sklave dem, der ihm gebietet und der Demut erweist dem, der über ihm herrscht. Doch jeder sei gleichzeitig mit Eifer bedacht auf die Vorbestimmung und ihre Zeit, auf den Tag der Rache!“ (I QS 9/ 21 – 26)
Geheimer Haß, der nicht offen gezeigt wurde, prägte das Wesen des Esseners gegenüber seiner Umwelt. Haß gehörte zum Glaubensinhalt und zur Grundeinstellung eines jeden Esseners.
Doch bevor wir weiter auf das Thema Haß und Liebe eingehen möchten wir uns einen Einblick darüber verschaffen, warum die Essener so radikal dachten.

Die Essener verstanden sich als das wahre Israel (ein Satz der auch aus dem Christentum hinlänglich bekannt ist) und folglich auch als einzig wahre Religion auf dem Erdenkreis, als Söhne des Lichtes, die von Gott auswählt waren. Sie waren die Guten, die Anderen, die ihre Botschaft nicht annehmen wollten, die Bösen. So einfach dieses minimalistische Weltbild auch erscheinen mag, so sahen es die Essener. Wer ihre Botschaft ablehnte, der galt als verdammt von Gott.
Genau dieses Glaubensbild stellte die Essener – wie auch andere Religionen die eine solche Glaubensansicht vertreten – vor ein großes Problem. Wie kann ich im Alltag meine Absonderung von der bösen Welt leben und anderseits diese böse Welt für meinen Glauben gewinnen? Einblick auf diese Frage geben uns sehr aufschlussreich die Zeitzeugen der Essener wie z.B. Philo, Josephus, Plinius, etc, die davon berichten, wie liebevoll und herzlich die Essener den Menschen erscheinen. Sie besonders höfliche Gastgeber sind, die nicht einmal die Gasttischgemeinschaft mit Heiden meiden. Wie passt dieses überaus freundliche Bild, welches Zeitzeugen geradezu in idealisierter Weise von den Essenern überliefern zu den Schriften der Essener? Das „Zauberwort“ heißt hier Mission. Die Essener standen in dem Spannungsbogen einerseits abgesondert von der Welt leben zu müssen, die Söhne und Welt der Finsternis zu meiden, ja nicht einmal Geld von dieser Welt zu benutzen und auf der anderen Seite genau diese Welt für sich zu gewinnen. David Flusser fasst dieses Verhalten folgender Maßen zusammen: „Ich täusche ihn mit Liebe. Nun, ich bin nett zu ihm. Ich behandle ihn mit Liebe und ich behalte das Recht, dies weiterhin zutun.“ (D.E.A. Seite 34)
Um der Sache Willen (Mission) ist man kompromissbereit, verliert die Sache ihren Sinn, dann zeigt sich die wahre Seite der Essener, die auf radikale Ablehnung und Ignoranz hinausläuft. Man hat kein Problem den Verlorenen verloren sein zu lassen, denn dieser ist dann von Gott eben nicht auserwählt. Um der Sache Willen kann man durchaus dem Heiden auch einmal ein Heide werden, aber wenn der Heide nicht sich als Erwählter erweißt, so muß man sich von diesem in aller Abscheu abwenden, denn er ist ein Sohn der Finsternis. Söhnen der Finsternis Barmherzigkeit zu erweisen ist folglich auch zugleich ein Dienst an ihrem Mammon, es sei denn, man kann diesen aus den Händen der Finsternis entreißen.

In dem religiösen Weltbild der Essener steht nicht der Mensch als solches im Mittelpunkt, sondern in erster Linie das Missionsobjekt – der Sohn der Finsternis oder der Sohn des Lichtes. Um zu verstehen, wieso Essener einen solchen (eingeschränkten) Blickwinkel hatten muß man sich ihr religiöses Weltbild und auch Wertebild vergegenwärtigen. Dazu möchte ich einmal am Beispiel der Jonageschichte die zwei grundlegenden jüdischen Sichtweisen zu dieser Geschichte aufzeigen:
Die rabbinischen Schulen sagen: Gott sieht alles und bestimmt alles, aber der Mensch ändert das Geschick, wenn er Gutes und Böses tut. Wenn der Mensch Reue tut, wie z.B. in Ninive, so kann Gott seine Absichten ändern und die Geschicke in den Einklang mit den Menschen stellen. Gott ist so allmächtig, dass dies kein Problem für ihn ist. Die essenische Schule sagt hingegen: Gott ist so allmächtig, dass er bereits im Voraus wusste, dass Ninive sich zu Gott umwenden wird, Jona war nur Mittel zum Zweck. Gottes Allmacht wäre eingeschränkt, wenn Gott seine Absichten dem Menschen anpassen würde.
Für die Essener war klar, dass alles nach einem geheimen Gottesplan verlaufen muß (1. QS 3, 5 -16), etc). Es gab für sie nicht nur die sog. göttliche Fügung, sondern die Vorherbestimmung. Diese letzte Lehre lehnte der Rabbinismus und in dessen Vorfeld der Pharisäismus rigoros ab, hingegen sich die Sadduzäer weder auf das Eine noch das Andere festlegen wollten.
Doch woher hatten die Essener diese Gewissheit, die ganz besonders im Calvinistischen Christentum seine größten Befürworter fand und sich besonders in charismatischen Kreisen der USA zu einer neuen Lehrblüte entfaltet? Der Hintergrund dazu liegt in Persien und hier im Dualismus des dortigen Religionsverständnisses. Ein Dualismus freilich, der in abgewandelter Form bei den Essenern zu Tage tritt und in seinem Wesen auch alexandrienische Züge trägt und fast identisch vom Christentum und hier insbesondere von Paulus vertreten wurde. Es ist die Aufteilung der Welt in Gut und Böse und auch die Lehre von Belial – dem Satan – der über die irdischen Gefilde herrscht. Die strickte Teilung der Essener zwischen Gut und Böse, in gute Menschen und böse Menschen, über Verworfene und Erwählte, über Gott und Satan, über gute Engel und böse Engel, über Himmel und Hölle findet hier seine Grundlage: 1. QS 3, 18 – 25: „Und Er schuf den Menschen zur Herrschaft über den Erdkreis und bestimmte ihm zwei Geister, um darin zu wandeln bis zur vorbestimmten Zeit seiner Heimsuchung. Das sind die Geister der Wahrheit und des Frevels. An der Quelle des Lichtes ist der Ursprung der Wahrheit, aber aus dem Born der Finsternis kommt der Ursprung des Frevels. In der Hand des Fürsten des Lichtes liegt die Herrschaft über die Söhne der Gerechtigkeit, auf den Wegen des Lichtes wandeln sie. Aber in der Hand des Engels der Finsternis liegt alle Herrschaft über die Söhne des Frevels, und auf dem Wege der Finsternis wandeln sie. Und durch den Engel der Finsternis kommt Verirrung über alle Söhne der Gerechtigkeit, und alle ihre Sünde, Missetat und Schuld und die Verstöße ihrer taten stehen unter der Herrschaft, entsprechend den Geheimnissen Gottes bis zu Seiner Zeit. Und alle ihre Plagen und die festgelegten Zeiten ihrer Drangsal stehen unter der Herrschaft seiner Anfeindung. Und alle Geister seines Loses suchen die Söhne des Lichtes zu Fall zu bringen. Aber der Gott Israels und der Engel seiner Wahrheit hilft den Söhnen des Lichts.“
Hier haben wir die gesamte Theologie der Essener in einem kurzen Überblick zusammengefasst. Die Erwählten kämpfen nicht mit irdischen Mächten, nein, sie kämpfen gegen Satan, der sich der Menschen – freilich nach Gottes Vorherbestimmung – bedient, um die die Söhne des Lichtes vom rechten Weg abzubringen. Paulus hat nicht nur Sinngemäß, sondern auch wörtlich diese essenische Theologie übernommen, die so dem Judentum fremd war. Mehr noch, nicht mehr ich selbst bin für meine Sünden verantwortlich, sondern der Belial und seine Anhänger sind diejenigen, die das verursacht haben. Unsere Welt ist so schlecht, weil Belial und seine Anhänger die Gewalt über diese Erde haben. Wir müssen uns von dieser Herrschaft, durch ein abgesondertes Dasein, fern halten aber nicht dagegen offen und öffentlich ankämpfen, denn Gott hat seine Zeit dafür festgelegt. Für die „Elite“ Gottes heißt das ganz praktisch diese Weltordnung die von Gott festgelegt wurde ohne Nachfragen zu akzeptieren aber selbst sich soweit als möglich den Weisungen Gottes für die Erwählten unterzuordnen.
Die Essener lebten also faktisch in zwei Welten. Einer Welt Satans – des Fleisches – und in einer Welt Gottes – des Geistes – (1. QH 4, 29 – 30). Da nun auch der Erwählte in die Welt des Fleisches geworfen wurde und hier den Mächten der Welt ausgeliefert ist (siehe oben 1. QS 3, 18 – 25) und trotz all seiner Bemühungen fern ab den Ansprüchen der Heiligkeit Gottes sein Dasein fristen musste (so realistisch waren auch die Essener um dies zu erkennen) wurde davon ausgegangen, dass der Mensch in seinem Grundwesen schlecht und böse, schwach und schuldig ist. Und das hat Widerrum auch einen Hintergrund: „Was vermag das Fleisch im Vergleich dazu (zu Gott)? Welches Lehmgebilde vermag es, so große Wunder zutun? Ist doch die Sünde vom Mutterleib an und bis ins Alter in der Untreue Schuld. Ich erkannte, dass nicht beim Menschen die Gerechtigkeit liegt und nicht beim Menschenkind vollkommener Wandel; bei dem Höchsten Gott sind alle gerechten Werke, aber der Wandel des Menschen ist unstet, außer, Gott hat es ihm durch den Geist bewirkt, den Wandel zu vervollkommnen für den Menschen, auf dass alle seine Werke erkennen die Macht seiner Macht und die Fülle seines Erbarmens gegen alle Söhne seines Wohlgefallens“. (1. QH 4, 29 – 33)
Der Mensch ist sündig vom Mutterleib an und doch bei den Erwählten ist der Mensch zugleich erwählt vom Mutterleib an. Das ist kein Widerspruch, sondern folge der Lehre der Prädestination. Wir sind zwar in dieser Welt aber eigentlich nicht von dieser Welt, um es mit Paulusworten auf den Punkt zu bringen. Wenn mein Fleisch sündigt, dann bin ich es nicht, sondern das Fleisch ist es, das der Herrschaft des Satans unterworfen ist. Und doch sind alle meine Werke vor Gott gerecht, weil ich sie aus Gottes Geist tue. Logischer Weise sind von den Kindern der Finsternis alle Werke schlecht, egal wie gut sie erscheinen mögen, weil sie eben nicht aus Gottes Geist durch Erwählte getätigt sind. Sie sind fleischlich und verwerflich. Alles was aus der Gesinnung des Fleisches kommt ist sündig, vom käuflichen Erweb eines Gegenstandes bis hin zur Sexualität. Ja, selbst Barmherzigkeit gegenüber dem ungeliebten Sohn der Finsternis muß letztlich sündhaft und fleischlich sein.
Der Essener soll aber nicht dem fleischlichen anhaften, sondern dem geistigen verpflichtet sein und auch aus dieser – seiner – Perspektive auf dieser Welt agieren. Der Geist muß sich über das menschlich verdorbene erheben können, erst dann wird er Vollkommenheit im Sinne des essenischen Gottesbildes erreichen. Allein gute Werke sind hier nicht gefragt, sondern einzig die richtige Geisteshaltung gegenüber getätigten Werken, die es gut abzuwägen gilt. Es galt also nicht gänzlich passiv zu sein, sondern seine Werke in den Dienst Gottes – natürlich nach essenischen Verständnis – zu stellen.

Was uns hier begegnet und gänzlich an Parallelität bei der Theologie des Paulus zum tragen kommt ist ein Weltbild, dass schon vor den Essenern sich in apokalyptischen Kreisen und dessen Schriftgut (z.B. Henochbuch) auszubilden begann. Der Einfluß des Hellenismus ist besonders in der Dualitätslehre, Prädestinationslehre und auch in der Erbsündenlehre unübersichtlich. Denn all dies sind Elemente die in hellenistischen Kulten und mehr noch in der hellenistischen Philosophie eine sehr entscheidende Bedeutung hatten. Ein Fakt, den schon Philo mit größter Genugtuung bei den Essenern feststellte. Und das Josephus erstaunt feststellte (A.T. XV 37), dass die Lehren des Pythagoras bei den Essenern fast identisch sind, mag darüber Aufschluss geben, welcher vielfältige Einfluss auf die Essener wirkte.


Es folgt Teil 4.

Obertonmusik
04.05.2010, 13:13
Wann begann WAS ?
Darf ich da mal nachfragen, was Du damit meinst ?
Lieber Gruß, O-Ton

absalom
04.05.2010, 13:20
Wann begann WAS ?
Darf ich da mal nachfragen, was Du damit meinst ?
Lieber Gruß, O-Ton

Zitat: Eine „kleine“ Ausarbeitung in mehreren Teilen zu den schriftlichen Anfängen der sog. Urgemeinde.

absalom

Obertonmusik
04.05.2010, 13:34
Zitat: Eine „kleine“ Ausarbeitung in mehreren Teilen zu den schriftlichen Anfängen der sog. Urgemeinde.

absalom

Aha, danke

picapao
25.05.2010, 00:48
Es folgt Teil 4.Na wenn der 4. Teil schon mal da wäre!&buch
Schönen Dank für Deine Mühen, aber jetzt werde ich mich mal draustürzen.
L.G. pica

absalom
25.05.2010, 12:17
Teil 4 ist noch in Arbeit - sorry - hatte leider in den letzten Tagen keine Zeit dafür. Aber in dieser Woche kommt er noch!

Liebe Grüße

Abs

absalom
27.05.2010, 14:07
Teil 4

Der Gegensatz zwischen Geist und Materie (Fleisch) wurde nicht erst seit den Essenern zu einem wichtigen Thema, sondern gehört bereits in die Vorzeit der klassischen Antike. Allerdings hat sich wohl niemand so intensiv und tiefsinnig dem Thema gestellt wie Plato, der mit dem „Platonismus“ revolutionäre Gedanken in der ganzen antiken Welt exportierte. In der hellenistischen Periode machte dieses Philosophengut auch nicht vor Israel halt und fand bei allen religiösen Gruppen mehr oder weniger Aufnahme. Auch im Pharisäismus und mehr noch im Essenertum wurde die Frage nach dem Widerspruch zwischen Geist und Fleisch gestellt und man bejahte beidseitig diesen. Das führte bei Pharisäern und bei Essenern zu einer gewissen Körperfeindlichkeit, die allerdings bei den Essenern in der Ablehnung der eigenen Körperlichkeit bis hin zu extremen Reinheitssitten führte. Der Körper wurde als schwaches und anfälliges Objekt für die Angriffe Satans empfunden, gegen den man anzukämpfen hat. Der Satz des Paulus: Der Geist ist willig, das Fleisch ist schwach“, ist essenischen Ursprungs. Doch auch Jesus zeigt ganz deutliche essenische Tendenzen in dieser Hinsicht. Das man lieber sein Auge ausreißen solle oder seine Hände abhacken, ist gar nicht so weit hergeholt, wenn man sich entsprechendes essenisches Gedankengut vor Augen hält. Doch auch die Pharisäer standen in dieser Hinsicht sehr nahe den Essenern, allerdings nicht aus dem Hintergrund einer Macht Satans, die es so für diese nicht gab, sondern aus dem Heiligkeitsgedanken heraus (Seid Heilig).
Bei den Essenern gipfelte diese Entwicklung in der Aussage, der Mensch ist grundsätzlich schlecht und dies von Geburt an. Und genau deshalb braucht der Mensch, ja muß sich der Mensch seinem Geistigen Odem bewusst werden und aus dem Geist heraus leben. Erst der Geist befähigt den Menschen seinen Körper in richtiger Art und Weise zu züchtigen und vor allem zu heiligen. Bis hier hin sind sich Stoiker, Platonisten, Pharisäer und Essener in ihrem dualistischen Menschenbild einig. Das ändert sich drastisch dort, wo es um die Praxis der Heiligung und Reinigung geht. Bevorzugen die Platoniker eher eine geistige Schau der Welt und lassen den Körper seinen Anteil dabei, was ebenso Pharisäer in aller Regel taten, so sehen die Stoiker ihre Praxis eher darin, durch eine Art von Selbstkasteiung des Körpers zu geistigen Erkenntnisstufen zu gelangen, was auch die Essener für sich so empfanden. Dazu gehörten nicht nur das regelmäßige Fasten, Armutsgelübde, Bestrafungen und strenge Speisevorschriften, sondern auch heilige Handlungen, wie tägliche zeremonielle Waschungen, Andachtszeiten, heilige Mahle, etc. Einen ganz besonderen Stellenwert hatte die Bußtaufe dabei inne, die nicht nur zum Aufnahmeritual gehörte, sondern die als ritueller Gottesdienst verstanden wurde und in dessen Folge eine Geisttaufe – von Gott gewirkt – dem Sohn / Tochter des Lichtes wurde. Der Mensch wird durch diesen Akt nicht nur Mitglied in der heiligen Gemeinschaft und zum Mystiker Gottes, er wird zugleich auch zum lebendigen Tempel Gottes, ja erst jetzt ist er wirklich in der Gemeinschaft mit Gott, wirklich Sohn / Tochter Gottes. Der „alte“ Mensch muß sterben, er muß seine sterbliche Hülle überwinden können und aus einem neuen Geist leben. Die Taufe der Essener ist nicht nur eine Bußtaufe, die eine Abkehr des Menschen von seinen bisherigen Taten manifestiert, sondern zugleich ein spiritueller und mystischer Akt, an dessen Ende die Empfängnis eines besonderen Heiligen Geistes steht, der den Auserwählten befähigt ein vollwertiger Sohn / Tochter Gottes zu sein. Mit diesem Heiligen Geist ist der Auserwählte in der Lage die wahren Absichten Gottes zu erkennen, die Schriften richtig zu deuten, ein heiliges Leben zu führen, ja der Myste wird eins mit Gott in seinem heiligen Geiste. Der Myste verliert in diesem Akt Gottes seine Ursünde, er wird befreit von der Schuld Adams, er wird gereinigt und geheiligt, er wird in mystischer Art und Weise (geistig) in den Vorzustand paradiesischer Verhältnisse versetzt und die Gemeinschaft mit Gott in einem Neuen Bund begründet, in der der Mensch und Gott eins sind, im heiligen Geiste verbunden und in einer direkten Vaterschaft Gottes zu seinen Auserwählten und Vorherbestimmten. Der Myste ist Gottessohn, von Ewigkeiten vorherbestimmt und neu geboren aus Gottes Geist, er wird durch diesen Akt aus dem Machtbereich Satans ausgelöst, in dessen Gewalt der ganze Rest der Menschheit steht, ja dessen Vater der Rest der Menschheit ist. (1. QS 4/ 18 -22)

Diese Theologie erinnert nicht nur stark an Paulinisches Gedankengut, sondern mehr noch an die Johannischen Schriften und hier insbesondere an die Johannesmonologe aus dem Evangelium, die Jesu in den Mund gelegt werden. Was das Johannesevangelium in seiner theologischen Gesamtheit ausführt kann man im Wesentlichen im essenischen Schriftgut wieder finden und hier ganz besonders den Hintergrund zum Verständnis von der Einheit zwischen Gottessohn und Gott. Erst durch den Einblick in das essenische Schriftgut wird klar, wie stark hier essenische Theologie zum geistigen „Vater“ wurde. Das der Focus im Johannesevangelium personalisiert auf Jesus konzentriert wird ist jedoch mit essenischen Gedankengut nicht vereinbar. Denn bei Essenern gibt es nicht DEN Gottessohn, sondern die Gemeinschaft der Heiligen, der Gottessöhne, der Erwählten und Vorherbestimmten. Der Focus liegt also auf einer Gemeinschaft und nicht auf einen Einzelnen. Allerdings klingt auch im Johannesevangelium noch diese theologische Ursprünglichkeit durch. Beispielhaft kann man hier Kapitel 17 / 9 – 19 anführen, wo wir diesen Gemeinschaftssinn wieder vorfinden. Die Verteuflung der Welt bis hin zu der Aussage, dass Israel als Vater den Satan hat, ja die gesamten johannischen Hassreden sind deutliches Gedankengut aus diesen essenischen Kreisen, die davon ausgehen, dass man entweder zu Gott oder zu Satan gehört.
Selbst der Gedanke der mystischen Widergeburt, der im Johannesschriftgut ganz besonderen Stellenwert einnimmt, findet seine Vorläufer bei den Essenern, die in gleicher Art und Weise diesen mystischen Akt zum eigentlichen Hauptinhalt der Theologie erklären.
Man kommt nicht umhin, dass Johannesevangelium als ein einziges Sammelsurium von philonischen, essenischen und platonischen Gedankengängen zu erfassen, dass aus diesen Quellen eine personalisierte Theologie erschuf, die dann auf den Mysten Jesus gelegt wird, der freilich seine Vorläufer schon in anderen Kultformen fand (Dionysios, Herakles, Mithras, Osiris, etc).
In einem Punkt ist jedoch dieser Mysterienkult mit den Essenern und mit platonischem Gedankengut nicht vereinbar, es ist der Tod eines göttlichen Mysten und dessen Opfergang für die unerlöste Welt. Hier geben insbesondere die Essener einen anderen Ansatz, der darin begründet ist, dass Gott aus Vorherbestimmung erwählt und errettet, und nicht aus einem Opfergang und dessen Glauben daran. Dieser theologische Konflikt ist bisher im Christentum insbesondere durch die paulinische Theologie ungeklärt. Denn wozu bedarf es einer Vorherbestimmung, wenn dann doch durch Opfer diese Vorherbestimmung hinfällig wird? Allein zur Befriedung von Gottes angeblichen Rachegelüsten gegenüber einer unheiligen Menschheit scheint ein Opfergang eines Menschen nur schwerlich vermittelbar zu sein, der zudem Gott als grausames Wesen disqualifiziert, der nur durch Blutopfer Befriedigung finden kann. Die Essener schlossen diesen Gedanken grundsätzlich aus und stellten einen noch viel schlimmeren in den Vordergrund, nämlich die Vorherbestimmung in Gut und Böse und damit zugleich auch ein Wertesystem, dass einen Teil der Menschheit als Verdammt und den anderen als Errettet klassifiziert. Hier finden wir dann folglich auch die Einteilung der Menschheit als Kinder des Lichtes und Kinder der Finsternis, Kinder Gottes und Kinder Satans wieder, die besonders beim Johannesschriftgut anzutreffen ist. Und deutlich muß man hier sagen, es waren erstmals die Essener, die von einem wahren Israel sprachen, dass den Begriff von einem Volk oder einer Nation sprengte und den Focus auf ein geistiges Israel lenkte, dass nicht mehr Volk oder Nation berücksichtigte, sondern allein den Erwählungsgedanken kannte und als das wahre Israel darstellte. Es war nicht das Christentum oder ein Paulus, der diesen Terminus erschuf, es waren die Essener die diese Theologie prägten und damit der Nation Israel und dem Volk Israel indirekt den Sinaibund absprach und als verworfen hinstellte, ja als Volk Satans deklassierte und allen anderen Völkern gleich stellte. Das, dass spätere Christentum und hier zuerst Paulus diese Theologie aufgriff und für seine Bewegung verwendete ist wohl der deutlichste Beleg für die enge geistige Verwandtschaft zwischen Essenern und Christentum, die für sich ganz eigenständige Richtungen waren und lange blieben. Das Paulus von den Essenern diese Theologie übernahm ist hingegen kaum zu leugnen und zeugt von seiner eigentlichen religiösen Herkunft, die ganz sicher nicht im Pharisäismus lag, sondern im Essenertum. Allein an der Person Jesus und dessen theologische Deutung als Opfer scheiden sich die Geister.
Für die Essener ist der Glaubensinhalt, Gott erkauft nicht den Menschen durch besondere Zuwendungen wie Opfer, Gnade oder Barmherzigkeiten, sondern durch Vorherbestimmung sind Menschen zu Gotteskindern bestimmt worden, die durch heilige Handlungen in der Gemeinschaft mit Gott leben. Diese Gemeinschaft beruht einzig auf Gottes Ratschluss von Anbeginn der Welt und ist getragen von Gnadenzuwendungen und Barmherzigkeiten von Seiten Gottes für seine Kinder, da diese in einer satanischen Welt – gefallen Schöpfung - leben müssen. Hier haben diese Kinder einen klaren Auftrag, nämlich gegen die Werke der gefallen Menschheit zu kämpfen, gegen Satan anzukämpfen und den Erwählten den richtigen Weg zu Gott zu weisen und vor allem sich für den „Endkampf“ gegen Satan, die gefallenen Engel und seinen engsten Verbündeten den Antimessias (Antichristen) vorzubreiten. Und damit kommen wir zu einem weiteren Schwerpunkt essenischen Glaubensinhaltes, der Messiasglaube.

Es folgt Teil 5. Messiasglaube, Antichrist und Satansglaube

absalom
04.06.2010, 18:25
Es folgt Teil 5. Messiasglaube, Antichrist und Satansglaube

Es ist erstaunlich, wenn man essenische Schriften liest, dann fehlt ein Wort in besonderer Weise, es ist das Wort Ge`ulah = Erlösung. Mochten die Essener keine Erlösung?

Wenn man sich den historischen Textbefund der zweiten Tempelperiode 500 v. Chr- 70 n.Chr. anschaut dann fällt einem geradezu ins Auge, wie wenig Textinhalt sich mit dem Messias beschäftigt. In keiner einzigen Schrift im biblischen oder gar rabbinischen Kontext findet man den Namen eines Messias noch findet man eine ausführliche Beschreibung über das Wesen und die Mission des Messias. Es gibt Andeutungen und Symbolbeschreibungen aber nirgends gibt es eine klar zugeschnittene Lehre oder gar Glauben über und an eine solche Gestalt. Das ist umso beachtlicher, weil gerade aus dem Judentum viele messianische Bewegungen hervorgingen, die jedoch sich im Wesentlichen einem solchen Ansinnen – Lehre über einen Messias verschlossen – und viel mehr apokalyptische Szenarien entwarfen, die das Kommen des Messias oder der Messiasse begleiteten. Stopp wird man hier sagen wollen, es gab doch Messiastraditionen, die schon vor Jesus existierten? Hier müssen wir innehalten, denn es besteht ein großer Unterschied über angenommene Ansichten und Meinungen über einen oder gar mehrere Messiasse oder eine klar definierte Lehre über einen oder mehrere Messiasse! Eine solche Lehre gab und gibt es nicht im „rabbinischen Judentum“, wohl aber Ansichten und Deutungen, die jedoch keinen festen Fuß in Israels bunten Lehrmeinungen fanden. Und dafür gibt es gute Gründe. Denn der Messias gehört zum Jenseitigen Bereich, über das man sich kein Bildnis machen sollte, wie uns die Tora lehrt. Andeutungen und Annahmen ja, aber eben keine verbindlichen Lehren. Genau dieser Fakt ist entscheidend, wenn wir uns zwei Gruppen zuwenden wollen, die genau diesen Rahmen sprengten. Als erste Gruppe die diese Tabu brach waren die Essener und in dessen Folge dann 100 Jahre später die Nachfolger Jesu – die Urgemeinde in Jerusalem und in dessen Folge dann in ganz dramatischer Weise das Judenhellenistische Christentum, das ich ganz bewusst mit Paulus und Johannes namentlich benennen möchte.

Doch schauen wir zuerst auf die Essener, die Vorreiter auch auf diesem Sektor, die auf Grund ihrer Theologie einen ganz besonderen Focus auf den Messias als Endzeitkämpfer legen.
Wenn man sich den Sachstand im essenischen Schrifttum anschaut, dann gewinnt besonders bei ihrem Schriftgut Sacharja 4/12 – 14 an Gewicht und wird zur maßgebenden Bedeutung für eine Messiaslehre.
Der Ursprung von Sacharja liegt in der Perserzeit und verknüpft den Ansatz, dass eines Tages Israel sowohl Königlich - Weltlich wie auch Priesterlich – Geistlich in voller Macht erstehen wird. Für Israel haben diese beiden Messiasgestalten schon früh eine besondere Bedeutung gehabt, denn zugleich stellten diese beiden Gesalbten das vollkommene Israel dar, das als Königreich Gottes und Heiligtum Gottes hier auf Erden Gottes Macht symbolisieren. Als Einheit, die Glaube, Volk und Land zusammen hält. Diese Hoffnung auf die Einheit Israels, auf eigene Staatshoheit, freien Glauben war viele Jahrhunderte von Israel genommen und stellte die Sehnsucht des Volkes dar, das den davidischen Zeiten nachtrauerte.

Für die Essener war hier die Grundlage für einen Messiasglauben vorgegeben, der detailliert weiterentwickelt wurde. Der Königmessias aus dem Hause David und der Priestermessias aus dem Hause Aarons wurden die klassischen Vorbilder für den essenischen Messias.

Bei der Bedeutung der zwei Messiasse überwog der Priestermessias jedoch deutlich dem des Königmessias. Denn der Priestermessias stellte neben weltlicher Tempelmacht auch noch die Gottesmacht dar, der sich selbst die Könige beugen mussten. Der Himmlische Hohepriester war Herr über Könige und Propheten, ja sogar über die Engel Gottes. (Es ist interessant, dass sich dass spätere Papsttum auf eine nahe stehende Schrift der Essener bezog (Testament Naphtali und Levi) und folgenden Satz für sich übernahm: „Das Priesteramt ist größer als die Königswürde“ und daraus seine weltliche Macht über Könige legitimierte.)

Zu diesen zwei Messiasgestallten gesellte sich noch ein dritter Messias hinzu, der mystische Messias, der geheime Prophet, den Moses einst verkündet hatte (Dtn. 18/18).

Die Essener glaubten also faktisch an drei Messiasse und hier lagen sie anderen israelitischen Ansichten gar nicht so fern. Denn alle drei Messiastypen finden sich auch in der breiten rabbinischen Literatur wieder, allerdings ohne Lehrgehalt und Festlegungen in ihren Bedeutungen.
Die Essener verstanden sich in erster Linie als prophetische Bewegung in dieser der Geist der Prophetie lebendig war. Die stärksten Zeugnisse über die Essener die von Außenstehenden geäußert werden betreffen dann auch genau diesen Aspekt. Sie war als ganz besondere prophetische Bewegung zu Ruhm gelangt. Von einem Verlöschen der Prophetie, wie sie in der Makkabäerzeit (Makk. 4 / 44 – 46 + 14/ 41) berichtet wurde ist unter Essenern nichts bekannt. In ihrer Gemeinschaft ist das Prophetentum noch lebendig und aktuell aktiv. Doch stellten sie sich nicht in die gleiche Reihe wie die Vorhersage des Moses und sahen sich wohl eher in der Linie der alten Prophetenschulen des Jesaja und Jeremia.
Das verlöschen der Volksprophetie in Israel war für die Essener ein deutliches Zeichen dafür, dass Israel und seine Repräsentanten von Gott abgefallen sind. Zugleich war der prophetische Geist für die Essener die Legimitation schlecht hin, als die Einzigen – als einzig wahres Israel – die heiligen Schriften richtig auslegen und werten zu können, ja dessen Geheimnisse offenbaren zu können und somit als Einzige das rechte Wissen über den bzw. die Messiasse zu haben. (Der christliche Selbstanspruch ist also auch hier nicht neu!)
In diesem Geiste formierte sich auch die Essenische Gemeinschaft, die aus Priestern, Ältesten/Lehrern und Propheten bestand. Diese Dreiteilung ist kein Zufall, sondern an den Messiastraditionen orientiert und genau diese Einteilung übernimmt auch Paulus für seine Gemeinden.

Die geistige Messiasausrichtung zeigte zudem eine Besonderheit, die nicht darin bestand Erlösung zu finden, denn die Essener waren ja durch ihren heiligen Bund schon erlöst, sondern darin für das Gericht Gottes bereit zu sein, für den Endkampf, den der bzw. die Messiasse gegen den Antimessias führen müssen. Sie, die Essener sind die Armee Gottes auf Erden, die sich geistig für diesen Endkampf rüsten muß. Sie sind die irdischen Gottessöhne des Lichtes, die mit himmlischen Herrschaaren gegen Satan und den Antimessias (Antichristen) schon jetzt kämpfen, nicht mit irdischen Waffen, sondern mit dem Helm des Glaubens, dem Schwert des Glaubens und dem Schild des Glaubens. Sie wurden vor Urzeiten von Gott dafür geschaffen und erwählt, Streiter des Lichtes zu sein. Ihr Anführer wird der Messias sein, in dessen Gefolge sie mit Himmlischen Herrschaaren die gefallenen Engel und die gefallene Menschheit vernichten wird. Bis dahin muß die heilige Gemeinde aber aushalten und wachen, sie muß so manche Heimsuchung erdulden bis der Heilige Gottes offenbar wird. Die sog. Kriegsrolle aus Qumran – auch 1 QM genannt - gibt in seiner Gesamtheit all das hier Erwähnte wieder, siehe auch 1 QSa, 1Q28a, Q177, ff.

Doch schauen wir uns einen speziellen Texte genauer an, den über den Antimessias = Antichristen / Messias = Christos.

4Q 246: 1/2 - 9: König, Zorn kommt über die Welt und deine Jahre werden verkürzt sein (werden) solcherart ist deine Vision, und all das wird über die Welt kommen. Inmitten großer Zeichen (und Wunder) kommt Leid über das Land. Nach vielen Mord und Totschlag 8kommt) ein Fürst der Nationen (und) wird sich erheben … der König von Assyrien und Ägypten (Babylon)…. Er wird der Herrscher über das Land sein …. (alle) werden ihm untertan sein und alle werden (ihm gehorchen.
4Q 246: 2/ 1 - 10: So wird sein Sohn „der Große“ genannt werden und durch seinen Namen gekennzeichnet sein. Er wird der Gottessohn genannt werden, sie werden ihn den Sohn des Höchsten nennen. Doch wie Sternschnuppen, die du in deiner Vision sahst, wird ihr Königreich sein. Sie werden nur ein paar Jahre regieren über das Land, während Völker (andere) Völker zertreten und Nationen (andere) Nationen. Bis sich Gottes Volk erhebt; dann werden alle Ruhe vom Krieg haben. Ihr Königreich wird ein ewiges Königtum sein und ihre Wege werden rechtschaffen sein. Sie werden im Land gerecht urteilen und alle Nationen werden Frieden schließen. Der große Gott wird ihr Helfer sein, Er selbst wird kämpfen und Völker in ihre Macht einsetzen und sie alle vor ihm umstürzen. Gottes Herrschaft wird eine ewige Herrschaft sein, und alle Tiefen der Erde sind sein.

Dieser Text, der leider nur noch in Fragmenten erhalten ist handelt vom Antimessias und seiner schrecklichen Herrschaft über die Erde. Er ist der Sohn des Satans, der sich als Sohn des Höchsten ausgibt und große Zeichen und Wunder tut der in dessen Namen die Weltherrschaft übernimmt, bis die Kinder Gottes ihn stürzen werden.

Als man die die Texte aus Qumran übersetzte staunten viele Wissenschaftler nicht schlecht als sie die Summer der Ergebnisse offenbar wurde. Was schon zuvor jüdische und auch stark umstrittene christliche Wissenschaftler vermuteten zeigte sich nun in seiner ganzen Bandbreite. Ganz wesentliche Elemente neutestamentlicher Textinhalte und frühchristlicher Theologie entstammen dem essenischen und apokalyptisch sektiererischen Umfeld (Persien, Ägypten) des Judentums und des Philohellenismus. Ganz besonders trifft dies auf die apokalyptischen und messianischen Ansichten zu. Diese Ansichten, die im Wesentlichen dem rabbinischen Judentum zwar nicht fremd, jedoch zutiefst suspekt waren wurden zu einer der wichtigsten Stützen christlichen Glaubensinhaltes.

Hier müssen wir kurz inne halten und fragen, was davon übernahm Jesus und seine Anhänger und was fügten spätere Redakteure hinzu?

Glaubte Jesus an eine Satansmacht, die das Judentum, außer den Essenern und apokalyptischen Kreisen, so nicht kannte? Glaubte Jesus an einen Antchristen, auch eine Ansicht, die sonst im Judentum unbekannt ist? Glaubte Jesus an den Messianismus der sich dann in ihm selbst darstellen sollte?

Zieht man die Synoptiker (Markus, Matthäus und Lukas) zu rate, so kann man diese Fragen mit Ja und Nein beantworten. Jesus gebärdete sich nicht wie einer der Messiasdarsteller der Essener, sondern viel eher denen rabbinischer Auffassung – leidender Gottesknecht und doch erscheint er in der Nachfolgeliteratur als ein solcher wie bei den Essenern (Paulusbriefe, Johannesapokalypse, Johannesevangelium, etc). Einen ausgeprägten Satansglauben kann man bei Jesus nicht feststellen und doch gibt es Ansätze für eine solche Annahme. Deutlich wird ein solcher Glaube erst im nichtsynoptischen Schriftgut außer Lukas, der die Henochschrift über die gefallenen Engel zitiert, die übrigens den Essenern als heilig galt und vornehmlich von Paulus und der Johannesapokalypse zitiert wird. Von einem Antimessias scheint hingegen Jesus nichts zu wissen, wenn man sich die Textschichten genauer anschaut.

Es erscheint vielmehr als Summe des Ganzen so zu sein, dass das, was Jesus im Wesentlichen zu besagter Thematik wiedergibt relativ wenig zu sein scheint und sich mit rabbinischen Überlieferungen deckt. Richtig ist aber auch, dass man ziemlich deutlich belegen kann, dass Jesus zumindest einen Teil der Lehren der Essener kannte und diese massiv bekämpfte und das wird um so beachtlicher, denn das was oft pharisäischen Gelehrten in den Mund gelegt wird, entstammt in Wirklichkeit essenischen Glaubens und eben nicht pharisäischer Ausrichtung. Ein überaus wichtiges Ergebnis, dass ernsthafte Nachfragen zu den Absichten der Autoren des N.T. und hier insbesondere der Evangelien aufkommen lässt. Wusste man etwa doch nur zu gut, dass besonders spätere Judenchristen wie Paulus und Gefolgsleute ganz offen und unverholen essenisches Lehrgut in die eigene Theologie übernahm und verkündete, was ich nun schon mehrfach deutlich belegen konnte. Wie konnten die einstigen wirklichen Gegner Jesu, die zudem ihre engsten verbündeten in Herodes und folglich den Römern fanden, zu geistigen Paten eines neuen Glaubens werden, wenn man Jesu Feindschaft zu diesen offenbar werden lies? Hier, so glaube ich, liegt der eigentliche Kern der Problematik zum N.T. und dessen Lehrgut und Historizität. Es ist der massive essenische Einfluß, der sich ganz besonders im hellenistischen Einflussbereich breit machen konnte und zu einer ganz neuen und eigenständigen Theologie – außerhalb des Judentums – führte.

Doch zurück zu den Messiassen der Essener. Die These von den drei Messiassen konnte sich theologisch nicht durchsetzen, die Idee zündete jedoch in einer neuen Idee, die Vereinigung dieser drei Messiasse in einer Person. Dazu verhalfen nicht nur rabbinische Ansätze (anderen Ortes bin ich schon darauf eingegangen), sondern ganz wesentlich war dafür ein historischer Akt. Es war kein geringer als Johannes Hyrkanos, aus dem Geschlecht der Hasmonäer, der für sich in Anspruch nahm die drei Kronen der Würde zu tragen. Er vereinigte in sich das Hohepriesteramt, die Königswürde und gab sich zugleich als Prophet Gottes aus (Josephus / jüdischer Krieg XII / 300). Sein Machtanspruch führte letztlich zum Untergang des damaligen Israels, doch die Idee war nun ganz praktisch geworden. Die Essener stellten sich gegen diesen Machtanspruch durch Rückzug aus der Gesellschaft – stiller Protest – und suchten in der Rückschau auf historische Ereignisse mehr denn je in den Schriften nach deutlichen Anzeichen für das Kommen des Messias und sein Erscheinungsbild. Das spätere Schriftgut der Essener spricht kaum noch von drei Messiassen, sondern nur noch von dem Messias und es ist zu vermuten, auch bei ihnen setzte sich der Universalmessias durch. Bezeichnend dafür ist der Text aus 1Q28b und 1QSb aber vor allem 4Q 369 der vom Erstgeborenen Gottes spricht, einem Universalmessias. Dass in diesem Text die Verwandtschaft zum Hebräerbrief unübersehbar ist – bis hin zum Argumentationsgut, ist von der überwältigenden Mehrheit der Textforscher anerkannt. Aber auch das Qumrantextzitat, das sich in Kolosserbrief 2/7 wieder findet ist ein deutlicher Beleg dafür, wessen geistiger Vater hinter der mythischen Ausarbeitung der Messiasgestalt steht.

In den Qumranschriften und hier besonders in 4Q382 lassen sich darüber hinaus ganz neue Ausschmückungen der Messiasgestalt finden, die unter anderen darin Gipfeln, das der Messias einen prophetischen Vorläufer hat. Noch interessanter ist jedoch in diesem Zusammenhang der Text von 4Q521 der ganz erstaunliches zu berichten weiß. So wird durch den Messias folgendes geschehen, was er seinen zeugen bezeugt: … „Gefangene werden frei gelassen, die Augen der Blinden zu öffnen, Gebeugte aufzurichten … er wird die Toten auferwecken und den Leidenden die frohe Nachricht verkünden … er wird die hungernden sättigen“(7 – 14). Die Parallelen zu Matthäus 11/ 2 -5 und Lukas 7/22 sind nicht zuletzt aus der Aufzählung erstaunlich.
Noch erstaunlicher jedoch sind die Berichte in 4Q521 über das letzte Gericht, die sich fast Wortgleich in Apok. des Joh. 20/4 -6, 1. Kor. 15/12 und Matth. 22/ 30 – 32 wieder finden.

Deutlich lassen sich in den essenischen Schriften die Entwicklungen zum Universalmessias erkennen, die letztlich im selben Messiasselbstverständnis offenbar werden wie sie uns in Teilen der Hebräerbrief, Pauluszitaten und vor allem die Apokalypse des Johannes darstellen.

Deutlich unterschieden sind die Vorstellungen jedoch darin, dass der Messias leidet oder gar sterben müsse. Dieser Einfluß ist den Essenern gänzlich fremd und auch ein Sühn- oder Opfergedanke entzieht sich ihrer Glaubenswelt.

Die Vorstellungswelt über Satan, Antichrist und himmlischen Messias sind jedoch in großer Mehrheit identisch und dies ist ein Tatbestand, der nicht zufällig entstanden ist, sondern deutlich Licht auf die Spätzeit der Urgemeinde wirft.


Es folgt Teil 6.

Martin
05.06.2010, 20:41
Lieber Absalom,
bewundernswert deine Ausarbeitung mit der frühchristlichen Geschichte. Danke vielmals.
Würden wir uns von den "beigelegten Glaubensgütern" unserer Führer aus weltlicher und kirchlicher Herrschaft entledigen, was wäre dann heute ein Christ?
Ich habe schon einige Informationen für ein Firmlingsgruppentreffen aus deinen Textbeiträgen entnommen. Es macht die Sache "rund" um Perspektiven darzustellen die auch in unseren "Genen" enthalten sein können.
Liebe Grüße
Martin

anonym002
06.06.2010, 09:14
Hallo Absalom

Danke für die spannende Ausführung.

Was mich dazu noch interessieren würde (und das nicht erst seit heute ;-) ): Wie kam diese „Vorstellungswelt“ über Satan, Antimessias/Antichrist, gefallene Engel usw in das jüdische, respektive in solche jüdischen Sekten, wie ist diese „Vorstellungswelt“ entstanden, also hier dann mehr dieser Dualismus, vom einem Gott, der Ursprung allen ist, zu dem „Antigott“ und seinem Reich?



Alef

absalom
06.06.2010, 13:24
Lieber Absalom,
bewundernswert deine Ausarbeitung mit der frühchristlichen Geschichte. Danke vielmals.
Würden wir uns von den "beigelegten Glaubensgütern" unserer Führer aus weltlicher und kirchlicher Herrschaft entledigen, was wäre dann heute ein Christ?
Ich habe schon einige Informationen für ein Firmlingsgruppentreffen aus deinen Textbeiträgen entnommen. Es macht die Sache "rund" um Perspektiven darzustellen die auch in unseren "Genen" enthalten sein können.
Liebe Grüße
Martin

Es freut mich Martin, dass dir diese Ausarbeitungen weiterhelfen können.

Liebe Grüße

Absalom

absalom
06.06.2010, 13:41
Hallo Absalom

Danke für die spannende Ausführung.

Was mich dazu noch interessieren würde (und das nicht erst seit heute ;-) ): Wie kam diese „Vorstellungswelt“ über Satan, Antimessias/Antichrist, gefallene Engel usw in das jüdische, respektive in solche jüdischen Sekten, wie ist diese „Vorstellungswelt“ entstanden, also hier dann mehr dieser Dualismus, vom einem Gott, der Ursprung allen ist, zu dem „Antigott“ und seinem Reich?



Alef

Lieber Alef,

die Antwort ist nicht ganz einfach, denn wir reden hier über ganz vielfältige Einflüsse, die einen Zeitraum von nicht weniger als 1000 Jahre umfassen. Aber einmal ganz pauschal geantwortet, ganz sicher ist hier Persien ganz Wesentlich die Quelle dieser Lehren. Insbesondere des Dualismus und in dessen Folge die Satanslehre und noch mehr die Engellehren.

Entscheidend war hier vor allem der Hellenismus, der aus ganz verschiedenen Kulturen ein neues und überaus erfolgreiches Religionssystem hervorbrachte und viele religiöse und kulturelle Vorstellungen vereinigte. Die ganze antike Welt beruht, trotz ihrer Unterschiede, auf diesem System und brachte unter anderem die Hochblüte der Philosophie hervor.

Im Grunde genommen haben auch die Essener versucht die Welt in der sie leben zu erfassen und zu erklären und genau deshalb stehen ihre Lehren so nahe den Erkenntnissen verschiedenster hellenistischer Philosophien obwohl sie ihren Ansatz aus der Tora und den Prophetenschriften entnahmen. Das tat aber auch Philon und suchte daraus die Welt zu erklären – recht erfolgreich in seiner Zeit – ohne allerdings eine Religion damit zu begründen wollen. Später taten es andere Menschen und begründeten eine Religion damit.

Wir haben es also mit ganz vielseitigen Wechselwirkungen innerhalb verschiedenster Religionen und Kulturen zutun, die dann auch ihr Verbreitungsgebiet in der israelitischen Kultur und Religion hinterlassen haben. Israel lebte ja nicht in einer von sich abgesonderten Welt, sondern mitten drin und die Einflüsse auf die israelitische Religion reichen eben von Ägypten bis nach Persien.

Wenn wir heute in der Rückschau auf die Textdokumente der Bibel schauen, so sind diese eben auch ein Produkt ganz langwieriger Entwicklungen und das ist bei den Essenern nicht anders.

Eventuell werde ich noch genauer auf diese Thematik zu sprechen kommen. Im Teil 6 werde ich mich ja den hellenistischen Mysterienkulten stellen und einiges wird man darin schon beantwortet finden.

Noch einen schönen Sonntag!

Liebe Grüße Absalom

absalom
08.06.2010, 12:24
Teil 6

A

Die Mysterienkulte der Antike und ihr Einfluss auf das Frühchristentum

„Wenn wir (Christen) behaupten, der Logos, nämlich Jesus Christus, unser Paidagogos (Lehrer/Erzieher), sei gekreuzigt worden, gestorben, wieder auferstanden und in den Himmel aufgestiegen, so bringen wir doch im Vergleich mit euren Zeussöhnen nichts befremdliches vor. Wenn wir sagen, Jesus sei der Logos Gottes aus Gott geboren, so ist das doch etwas, was wir mit euch (Griechen und Römern) gemeinsam haben, die ihr doch auch den Hermes, den von Gott Kunde bringenden Logos nennt. Und sollte man daran Anstoß nehmen, dass Jesus gekreuzigt worden ist, so hat er auch das mit euren erwähnten Zeussöhnen gemeinsam, die doch auch gelitten haben (Dionysios, Herakles, Osiris, Attis, Mithras, etc). (Justin I. Apol. 21 + 22)


„Diese Nahrung heißt bei uns Eucharistie. Niemand darf daran teilnehmen, als wer unsere Lehren für wahr hält, das Bad zur Nachlassung der Sünden und zur Wiedergeburt empfangen hat und nach den Weisungen Christi lebt. Denn nicht als gemeines Brot und als gemeinen Trank nehmen wir sie; sondern wie Jesus Christus, unser Erlöser, als er durch Gottes Logos Fleisch wurde, Fleisch und Blut um unseres Heiles willen angenommen hat, so sind wir belehrt worden, dass die durch ein Gebet um den Logos, der von ihm ausgeht, unter Danksagung geweihte Nahrung, mit der unser Fleisch und Blut durch Umwandlung genährt wird, Fleisch und Blut jenes fleischgewordenen Jesus sei. Denn die Apostel haben in den von ihnen stammenden Denkwürdigkeiten, welche Evangelien heißen, überliefert, es sei ihnen folgende Anweisung gegeben worden: Jesus habe Brot genommen, Dank gesagt und gesprochen: „Das tut zu meinem Gedächtnis, das ist mein Leib“, und ebenso habe er den Becher genommen, Dank gesagt und gesprochen: „Dieses ist mein Blut“, und er habe nur ihnen davon mitgeteilt. Auch diesen Brauch haben die bösen Dämonen in den Mithrasmysterien nachgeahmt und Anleitung dazu gegeben. Denn dass Brot und ein Becher Wassers bei den Weihen eines neuen Jüngers unter Hersagen bestimmter Sprüche hingesetzt werden, das wißt ihr oder könnt es erfahren.“ (Justin I. Apol. 66)

„Auch die Heiden, aller Einsicht in die geistigen Kräfte bar, messen ihren Idolen dieselben Wirkungen bei. Allein sie täuschen sich mit bloßem Wasser. Zu manchen Kulten nämlich lassen sie sich durch ein Bad aufnehmen, zu den Kulten der Isis oder des Mithras; auch tragen sie ihre Götter zu Abwaschungen heraus. Die Landhäuser, Wohnungen, Tempel und ganze Städte sühnen sie aus durch Besprengung mit überall umhergetragenem Wasser, lassen sich wenigstens zur Zeit der Apollospiele und der Eleusinien darin eintauchen und leben dann in dem Wahne, dergleichen zum Behuf der Wiedergeburt und Straflosigkeit für ihre Meineide vorzunehmen. Ebenso entsündigte sich bei den Alten, wer immer sich durch einen Totschlag befleckt hatte, mit Sühnwasser.“ (Tert. de baptismo 5.)

„Jedoch man fragt, von wem eine solche Auffassung von jenen Dingen vermittelt werde, daß sie zur Entstehung von Häresien dienen. Vom Teufel, versteht sich, dessen Rolle es ja ist, die Wahrheit zu verdrehen, der sogar die Handlungen der göttlichen Sakramente in seinen Götzenmysterien nachäfft. Er tauft auch - natürlich seine Gläubigen und Getreuen; er verheißt Nachlassung der Sünden in Kraft eines Taufbades, und wenn ich noch des Mithras gedenke, so bezeichnet er dort seine Kämpfer auf der Stirn, feiert auch eine Darbringung von Brot, führt eine bildliche Vorstellung der Auferstehung vor und nimmt unter dem Schwerte einen Kranz hinweg.“ (Tert. de praescriptione haereticorum 40)


Was ich hier anführe sind nur einige wenigen Zitate aus den sog. Apostolischen Vätern, die sich dem Thema Christentum und heidnische Mysterienkulte stellen.
Schon früh mussten sich christliche Gelehrte dem Vorwurf stellen, dass sie heidnische Kulte und ihre Ideen kopiert hätten.

Nur wenige Zeugnisse dieser Kritik haben die Zeiten überstanden, denn die Kirche suchte schon früh all diese Schriftzeugnisse zu vernichten. Unsere Quellen zu dieser Kritik sind also äußerst dürftig und doch zeigen die oben angeführten Beispiele deutlich, es gab diese Kritik und es erstaunt nicht, dass gerade auf diesem Sektor die apostolischen Väter eifrig Kampfschriften verfassten, um diese Kritik aus dem Weg zu räumen.
Trotz allem bemühen der Kirche über 1800 Jahre will diese Kritik nicht verstummen und mehr denn je wird gerade durch die Auffindung antiker Zeugnisse diese Kritik immer lauter und vor allem wissenschaftlicher.

Keine Religion entsteht in einem luftleeren Raum, sondern ist immer ein „Kind“ seiner Zeit, seiner Vorkulturen, Vorreligionen und gesellschaftlicher Gegebenheiten. Besonders bei der christlichen Religionsgeschichte ist diese Tatsache ein ganz wesentlicher Faktor, denn diese Religion entstammt nicht nur israelitischen Einflüssen, sondern lässt ein breites Entwicklungsfeld im gesamten antiken Raum erkennen. Vom vorderen Orient bis nach Afrika und Europa lassen sich diese Einflüsse nachvollziehen und bilden ein fast undurchdringbares Geflecht von Entwicklungen, die letztlich zu dem führten, was wir heute als Christentum definieren und diese Religion zur Weltreligion machte.
Vorab muss ich sagen, es ist unmöglich sich allen Einflüssen zu stellen, das würde den Rahmen bei weitem sprengen und deshalb möchte ich gezielt auf einzelne – markante – Einflüsse Bezug nehmen die insbesondere zum vorhergehenden Themenkomplex Stellung beziehen. Im Focus sollen dabei nicht nur markante antike Mysterienkulte stehen, sondern vor allem deren Kultpraxis und ihre Einflüsse auf das Frühchristentum. Ein zweiter Schwerpunkt muß folglich der Einfluß philosophischer Systeme auf die frühchristliche Theologie sein.

absalom
22.06.2010, 09:36
1. Einführung in den Hellenismus (Grundlagen des Hellenismus)

Warum das Thema Hellenismus und Christentum?
Unzählige Bücher wurden zu dieser Thematik schon verfasst und doch ist es den meisten Menschen verborgen, wie tief unsere geistigen – europäischen Wurzeln in Kultur und Religion genau in dem Modell des Hellenismus sind. Unsere westliche Welt ist nicht nur römisch geprägt, nein eigentlich ist sie hellenistisch – römisch. Römisch in unseren gesellschaftlichen Strukturen, hellenistisch - römisch in unseren kulturellen und religiösen Strukturen und Wertevorstellungen. Ganz besonders interessant ist für Religionswissenschaftler dabei, dass sich in der westlichen Kultur und Religion orientalische Einflüsse mit hellenistischen Einflüssen zu einer Kultur und Religion als Erbe antiker Kultur, Religion und Glaubenssysteme mit einer erstaunlichen Integrationskraft weiter entwickelt hat, die über Jahrhunderte hinweg, bis in unsere Zeit das Weltgeschehen lenkt. Ganz besonders die kulturelle Definition der westlichen Welt auf der Basis seines antiken Erbes und der Zusammenfassung der antiken Religion in einer Religion = Christentum, zeigt deutlich welche herausragende Bedeutung noch heute der Hellenismus in unseren alltäglichen Dasein spielt.
Hier einmal hellenistisch – antike Religionen und Philosophien vorzustellen wird die Eigenbestimmung seines Denkens, Glaubens und Religionsverständnis verdeutlichen und zugleich deren geistige Ursprünge und Vorgänger vor Augen führen.
Gehören die Antike und das Christentum zusammen? Ja, so sehen es alle Religionswissenschaftler ohne Ausnahme, denn das Christentum ist im Kulturkreis des Hellenismus entstanden, es trägt seine Wurzeln darin und wesentliche Kernaussagen der christlichen Lehre und Theologie basieren auf den Grundzügen hellenistischen Religions- und
Kultverständnisses.
Gleiches gilt darüber hinaus für unser Ökonomie- und Gesellschaftssystem, bis hin zu unserem Rechtssystem, das dem römischen immer noch ganz ähnlich ist. Noch wesentlicher trifft dies auf unsere Sprach- und Begriffswelt zu, die westlich (hellenistisch-römisch und nicht orientalisch) geprägt ist.
Sich diesen Gegebenheiten zu stellen, hilft eine klare Standortbestimmung zu finden, ja mehr noch, sich selbst und seiner Kultur zu begegnen und zu verstehen, warum man so denkt und glaubt, argumentiert und debattiert, wie wir es tun. Zu erfassen, warum das Christentum in seiner Struktur so ist, wie es ist, warum die Welt in der wir Leben so ist, wie wir sie umgestaltet haben. Dafür gibt es Gründe, die es lohnt zu erkennen, da wir unser aller Geschichte dadurch besser Verstehen und auch zukünftig positiver verändern könnten.


Wenn wir uns dem überaus umfassenden Thema des Hellenismus stellen, der nicht nur eine Zeitepoche beschreibt, sondern mehr noch ein Entwicklungsprozess der Menschheitsgeschichte, so kann dies hier natürlich nur im Rahmen expliziter Themenbereiche geschehen.

Aus diesem Grunde werde ich nicht wesentlich auf die ökonomischen- und auch nur bedingt auf die Naturwissenschaftlichen Errungenschaften des Hellenismus eingehen, sondern das Augenmerk im Wesentlichen auf die religionstheologischen und philosophischen Entwicklungen lenken.

Die Hellenistische Epoche wird heute mit dem Beginn des Weltreiches von Alexander des „Großen“ bis zum Ende des letzten hellenistisch – ptolemäischen Staatsgebildes (Ägypten) durch Augustus bezeichnet. Hellenismus leitet sich von Hellas – Griechenland ab, der Geburtsstätte des modernen Antiken Europa, Vorderasien und Nordafrika. Inbegriff dieses Wortes sind die geisteswissenschaftlichen, ökonomischen, sozialen, kulturellen, politischen und religiösen Veränderungen, die durch die damalige Weltmacht Griechenland, im gesamten Europa, Vorderasien und Nordafrika, zu einer Grundlegenden Neuorientierung der Gesellschaftssysteme und ökonomischen Verhältnisse führte.

Mit dem Beginn des Weltreiches Alexanders, begann nicht nur ein, in seinen Ausmaßen bis dahin unbekannter Eroberungsfeldzug, der alle alten Weltreiche Mitteleuropas, Vorderasiens und Nordafrikas faktisch erfasste, sondern es wurde ein über Jahrhunderte entwickeltes und bewährtes Sozial-, Kultur-, Politik, Ökonomie und Religionssystem exportiert. Geradezu revolutionäre Ideen erfasste die damalige despotische – archaische Welt, die durch Alexander aus ihren Angeln gehoben wurde. Griechisches Denken, wissenschaftliche Errungenschaften, ökonomische Reformen, politische Umorientierung und vor allem Religionsphilosophische Systeme erfassten alle Staaten, die dem Einfluss des Hellenismus ausgesetzt waren.

Ökonomisch lässt sich dieser Sachverhalt nicht nur an einem ausgeklügelten Geld- und Finanzsystem deutlich machen, der diese drei Kontinente zusammen führte und somit zu einem Vorreiter des Welthandelssystems wurde, sondern auch an Agrarreformen, Technologietransfer, Straßenbau, Städtebau und dem Versuch ein weitgehend einheitliches Wirtschaftsystem aufzubauen.

Kulturell wird dies besonders deutlich an der Verbreitung der Schrift und dem Schriftgut, dem griechischen als damalige Weltsprache, der Verbreitung von Schulen zur Allgemeinbildung bis hin zu dem Bau von Theatern und der Förderung der bildenden Künste.

Politisch löst der Hellenismus das despotisch archaische Regierungssystem ab und verschafft dem Volk bis dahin ungehante Freiräume und Mitbestimmungsrechte. Gleich wohl Diadochenreiche entstehen und Königsherrschaften neu gebildet werden, ist die Macht der Regenten nicht mehr so uneingeschränkt despotisch. Die Förderung in Kultur und Bildung ermöglicht zugleich dem einfachen Menschen trotz „niederer Herkunft“ doch zu politischen Ansehen und ökonomischer Macht zu kommen. Gleich wohl sich der griechische Gedanke eines demokratischen Systems nicht durchsetzen lässt, gelingt es doch dem Hellenismus auf der Basis von Mischkulturen, in soweit sozial politische Veränderungen hervor zu bringen, dass sie später zu Trägern neuer Entwicklungssysteme werden (Ägypten, Rom).
Die Eigenstaatlichkeiten werden nicht aufgelöst jedoch mit einander ökonomisch, kulturell und religiös verbunden.
Naturwissenschaftlich findet gerade zu eine Revolution im Weltbild der damaligen Menschheit statt. Das Wissen der großen Kulturen, dass Denken der Großen „Geister“ der Menschheitsgeschichte und die wissenschaftlichen Errungenschaften werden erstmals in einer großen Synopse gesehen und ausgewertet. Überall entstehen Universitäten und Bildungseinrichtungen, die erstaunlichen technischen Fortschritt hervor bringen, der heutige Archäologen nur erstaunen läst. Durch das flexible System des Hellenismus, andere Kulturen in sein umfassendes System mit einzubeziehen, gelingt es ein umfassendes Netz für Wissenschaftstransfer zu begründen. Grundlagen der Mathematik, Physik, Biologie, Medizin, Geographie, Astronomie, etc, etc., finden in der gesamten Koine seine Verbreitung.

Geisteswissenschaftlich findet in einem noch wesentlich weiteren Ausmaß der Transfer statt. Durch die intensiven und auch neu entstandenen Handelsbeziehungen und regionalen Völkerwanderungen verbreiteten sich Religionssysteme unterschiedlichster Art in der gesamten Koine und es entstanden Religionsvermischungen, Religionsauflösungen, Religionsreformationen und Neugründungen in einem ungeahnten Ausmaß. Ob in Ägypten oder Persien, in Europa oder Vorderasien, überall verbreiteten sich auch in den Religionen der Hellenismus und hier insbesondere die Früchte der Aufklärung. Philosophische Denkmodelle finden ebenso ihren Niederschlag wie Konzessionen an die neu errungenen wissenschaftlichen Erkenntnisse.
Ganz besonders die griechische Philosophie, die sich als erste Philosophie überhaupt dem Menschen als Individuum zuwendete und seinen Platz in Staat und Gesellschaft, in der Natur und Kultur, in der Religion und Philosophie selbst zu definieren suchte fand reges Interesse bei allen Völker und Kulturen. Der Gedanke des Individuums, der dem Weltenkosmos gegenübergestellt ist, war gänzlich neu und gerade zu wegweisend für alle Religionssysteme.

Für viel Menschen damaliger Zeit, galt diese Epoche als goldenes Zeitalter, brachte es doch wesentliche Verbesserungen der Lebensumstände und bis dahin ungeahnte Möglichkeiten der Selbstverwirklichung mit sich.


Doch im gleichen Atemzug, verschärfte der Hellenismus insbesondere die materiellen Ungerechtigkeiten in einem bis dahin nicht gekannten Ausmaß. Die Sklaverei wurde zu einem ganz wesentlichen Wirtschaftsfaktor und Bestandteil der Gesellschaftssysteme. Auf Grund regionaler Gegebenheiten kam es zu Unruhen und hier explizit in den naturell armen Gegenden, die weder Bodenschätze noch landwirtschaftlich mit dem neuen Wirtschaftssystem schritt halten konnte. Durch fast völlige Auslöschung des Tauschhandels und der Neubewertung von Wirtschaftsgütern durch Münzwerte wurden nicht selten ehemals reiche Gegenden zu Armenhäusern und Arme zu Reichen. Neue Städte und Wirtschaftsmetropolen entstanden und mehr und mehr verarmte die mehrheitliche Landbevölkerung, die sich nicht selten der Sklaverei verkaufen musste. Mehr denn je, wurden wirtschaftliche – ökonomische Faktoren zum wesentlichen Faktor von Macht- und Kolonialpolitik. Der Hellenismus als kulturell integrative Kraft, der zugleich die kulturellen Eigenheiten und politische Selbständigkeit förderte, verlor dadurch seinen politischen und ökonomischen Einfluss und wurde der Rolle als Weltmacht nicht mehr gerecht. Neue politische- und wirtschaftliche Systeme (römische Republik), entwickelten sich aus dem Hellenismus und begannen diesen abzulösen, gleich wohl die Religion und Kultur im hellenistischen Sinne eine neue Blüte erleben sollte.


Abschließend sei hier gesagt, dass ich mich bemühe so allgemein verständlich wie möglich auf die Thematik des Hellenismus einzugehen. Insbesondere bei meiner Einführung zum Hellenismus, der die Vielschichtigkeit dieser Epoche nur ganz leicht streifen kann.
Besonders in Teil 2 = „Die Philosophien und Religionen des Hellenismus“, wird die Thematik intensiver ausgebreitet, da sie Basis für alle folgenden Themenbereiche ist.

absalom
22.06.2010, 10:03
2. Die Philosophien und Religionen des Hellenismus


Ich möchte auf Grund der Fülle dieses Kapitel in 2 Teile aufteilen (1. Philosophie und 2. Religionsgeschichte im Hellenismus)

Teil 1 Philosophie

Das philosophische Denken Griechenlands beginnt in seinen Sternstunden unter schlechten Vorzeichen, die sich gegen eine allzu archaische Frömmigkeit und trotz des Bemühens um die Einführung sehr fortschrittliche Regierungsmethoden (Demokratie), nur langsam durchsetzen kann. Zu kühn scheinen die Philosophen in ihren Ansichten dem alten Götterglauben und dem daraus hergeleiteten Weltbild zu widersprechen. Als Anaxagoras verkündete, die Sonne sei lediglich ein glühender Stein, da schien die alte Götterwelt Griechenlands zu erbeben und mehr denn je wurde den Großen Geistern der Antike, Gottlosigkeit vorgehalten. Schwer tat sich der „Gottesstaat“ Athen mit der Physik und der Naturphilosophie und doch gelang es ihr um die Mitte des 5. Jahrhunderts v.d.Z. in Athen, der griechischen Metropole Fuß zu fassen. Zu drängend waren die Fragen nach dem menschlichen Dasein, der Umwelt in der Menschen leben und dem Wieso und Warum allen Seins. Die Philosophen schafften es durch ihre Fragestellungen, die Menschen damaliger Zeit davon zu überzeugen, nach den Hintergründen des Daseins zu suchen. Nicht mehr das Dasein als akzeptiertes Faktum steht im Mittelpunkt, sondern die Frage nach dem Warum ist man in diesem Dasein, wird zur Wendemarke des griechischen Denkens und auch Handelns. Damit wird die Philosophie zur entscheidenden Wendemarke in der Geschichte Griechenlands, welche dem hellenistischen Weltreich seine überragende Größe gegenüber anderen Kulturen verdankt. Die Erforschungen auf den Gebieten der Naturwissenschaften und Technik, der Geisteswissenschaften und Soziologie, bescherten Griechenland nicht nur die militärische und ökonomische Vormachtsstellung, sondern auch eine Gesellschaftliche und Kulturelle und stellten zugleich einen entscheidenden Wendepunkt in der Geschichte Europas, Kleinasiens bis nach Persien und Nordafrika dar.

Da ich hier nicht den Raum habe um auf die Entwicklungsgeschichte der Philosophie einzugehen, möchte ich es erstmal damit bewenden lassen.

Griechenland brachte eine ungeheure Anzahl an überragenden Geistesgrößen hervor. Wer kennt nicht solche Namen wie Sokrates, Platon, Perikles, Aristoteles, usw., usw. Begünstigt durch den ökonomischen Aufschwung Griechenlands und den politischen freiheitlichen Bürgerrechten, die seines Gleichen in der ganzen Welt einmalig waren, wuchsen und gediehen die Philosophenschulen. Neben der intensiven Erforschung in Natur und Technik, stellte besonders die Geisteswissenschaft neue Dimensionen des Denkens auf. Dabei ging es nicht so sehr um die Frage des Weltganzen, sondern viel mehr um die ganz praktische Suche nach Lebensführung in der Umwelt, dem Staat und der Gesellschaft (Stoa). Hieraus erklären sich auch die politischen Stellungen der Philosophen und zugleich auch die religionsgeschichtliche Bedeutung der Philosophie, die zunehmend alle gesellschaftlichen Bereiche erfasste.

Am Beispiel der der Stoa, die einen wesentlichen Einfluss auf das Christentum hat und bereits reichlich im neutestamentlichen Schriftgut zitiert wird (Johannes und besonders Paulus), zeigt sich die Bedeutung dieser in der Antiken Welt.

absalom
22.06.2010, 10:04
Die Stoa

Während der hellenistischen Epoche entstanden zu der platonischen und aristotelischen Philosophie alternative philosophische Systeme, von denen zwei sich besonders hervortaten. Dies waren zum einen der Stoizismus und zum anderen der Epikureismus. Beide enthielten Aspekte schon vertrauter Lehren. Neu war jedoch, dass bei ihnen die Ethik in den Mittelpunkt des philosophischen Interesses trat. Beispielhaft möchte ich nun auf die stoische Philosophie eingehen, da wir dieser insbesondere im neutestamentlichen Schriftgut noch des Öfteren begegnen werden.
Entstehung und Entwicklung der stoischen Philosophie
Gegründet wurde die stoische Schule von Zenon, der 333 oder 332 v.u.Z. in Kition auf der Insel Zypern geboren wurde und um 261 verstarb. Er kam als junger Mann nach Athen, nachdem er Schiffbruch erlitten hatte. Dort schloss er sich dem Kyniker Krates an. Nachdem er ein paar Jahre lang Schüler von Krates gewesen war, machte er sich selbständig. Er versammelte seine Zuhörer in einer mit Bildern geschmückten Säulenhalle. Daher kommt auch der Name dieser Lehre, denn das griechische Wort für Säulenhalle ist "Stoa". Unter seinen Schülern waren auch seine Nachfolger Kleanthes aus Assos (331-232 v.u.Z.) und Chrysippos aus Soloi (281-207 v.u.Z.). Die stoische Lehre veränderte sich ausgehend von dem 3. Jahrhundert v.u.Z. bis zu dem 2. Jahrhundert v.u.Z.sehr. Deshalb unterteilt man den Stoizismus in drei Zeitabschnitte: die alten Stoiker, die mittleren Stoiker und die jüngeren oder römischen Stoiker. Zenon, Kleanthes und Chrisippos bezeichnet man als die alten Stoiker.
Die mittleren Stoiker waren Panaetios und Poseidonios. Panaetios wurde um 185 v.u.Z. auf Rhodos geboren. Mit ihm faßte die stoische Philosophie in Rom Fuß. Denn durch seine Freundschaft mit Scipio Africanus fand er Zugang zu einem Kreis von Intellektuellen, die sich mit besonderer Leidenschaft dem Griechentum widmeten. Ein Schüler Panaetios, Poseidonios, errichtete seine eigene Schule auf Rhodos und war in Rom so berühmt, dass ihn viele bedeutende Persönlichkeiten aufsuchten wie Pompejus und Cicero.
Der jüngere Stoizismus prägte sich vorwiegend in Rom aus. Die Stoiker waren als echte Kosmopoliten bekannt. Sie setzten sich für die Gemeinschaft der Menschen ein, sie sahen den Staat als natürlich an und interessierten sich für Politik. Ihre bevorzugte Staatsform war die Monarchie. Im zweiten Jahrhundert nach Christus gab es unter den Stoikern sogar einen römischen Kaiser: Marc Aurel (121-180n.Chr.). Ebenso gehörten zu den stoischen Philosophen auch der Redner und Politiker Cicero (106-43 v.u.Z.) und der Politiker und als Erzieher Neros bekannte Seneca (4v.Chr.-65n.Chr.). Typisch für die stoische Philosophie war auch ihre Offenheit gegenüber unterschiedlichen Gesellschaftsschichten. Ein Beispiel dafür ist der 50n.Chr. geborene Stoiker Epiktet. Epiktet war ein Sklave. Nach seiner Freilassung gründete er seine eigene stoische Schule und wurde so bekannt, dass selbst Kaiser Hadrian ihn aufsuchte.

Grundgedanken der stoischen Philosophie

Die stoische Philosophie ist eine sehr Praxis bezogene Philosophie. Sie ist darauf ausgerichtet, auch im alltäglichen Leben umgesetzt werden zu können.
In der stoischen Philosophie sind Erkenntnistheorie, Naturphilosophie und Ethik stark miteinander verbunden. Erkenntnistheorie und Naturphilosophie sind aber für die Stoiker nur insoweit von Bedeutung, als aus ihnen die ethischen Grundgesetze abgeleitet werden. In der stoischen Philosophie wird die Natur als Prinzip aller Dinge angesehen. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Natur einem vernünftigen Weltgesetz - dem Logos - unterliegt. Aus diesem Grund gibt es für den Stoiker keinen Zufall, sondern alles geschieht mit Notwendigkeit und wird von Gott gelenkt. Die Theologie der Stoiker kreist um den Logos: Gott ist die schöpferische Urkraft, die erste Ursache allen Seins. Er ist der Logos, der die vernünftigen Keimkräfte aller Dinge in sich trägt.
Das gestaltende Feuer, der ordnende Logos, wird als Gott bezeichnet. Für die Stoiker ist der Kosmos, der alles Leben und Denken hervorbringt, selbst ein Lebewesen, dessen Seele göttlich ist. Aus der Vernünftigkeit des Logos folgt eine zweckmäßige und planvolle Ordnung der Dinge und Ereignisse: "Daraus ergibt sich der Gedanke einer teleologisch (= zielgerichtet) vollkommen durchgeordneten Welt, in der, der Zusammenhang von allem eine sinnvolle Ordnung darstellt, die von einer einzigen göttlichen Kraft geplant und schrittweise ins Werk gesetzt wird." (M. FORSCHNER)
Die Ethik der Stoiker, durch die diese wohl am bekanntesten geworden sind, setzt eine Reihe von Ansichten über das Seelenleben des Menschen voraus, die eigentlich nicht der Psychologie zuzuordnen sind, sondern die eher den anthropologisch-dogmatischen Unterbau der stoischen Moral darstellen. Demnach ist es nun zunächst eine grundlegende Feststellung, dass der Mensch außer einem Leib auch eine Seele hat. Diese Seele ist es, die zum einen dem Menschen Selbstbewegung und damit überhaupt Leben verleiht. In diesem Zusammenhang wird auch die Frage nach der Unsterblichkeit der Seele erörtert, da zumindest der vernünftige Seelenanteil immer als etwas Ewiges und Göttliches erschien. Aufgrund ihrer Bekennung zum Materialismus muss die Stoa hier jedoch andere Wege gehen. Nach Zenon ist der gröbere Teil der Seelenmaterie vergänglich, wogegen die Vernunft als feinste Materie unsterblich sein soll. Nebenbei gibt es bei Epiktet und Marc Aurel keine individuelle Unsterblichkeit, wogegen Poseidonios die platonischen Beweise für die Unsterblichkeit aufnimmt, was für den in der Stoa teilweise vorliegenden Synkretismus typisch ist, und bei Seneca wiederum die Unsterblichkeit geradezu ein Grunddogma seiner Lehre darstellt: "Nachdem die Seele, sich reinigend und die anhaftenden Fehler und den Schmerz des sterblichen Lebens abschüttelnd, kurze Zeit über uns geweilt hat, erhebt sie sich zu den Höhen des Weltalls und schwebt unter den seligen Geistern. Es hat sie eine heilige Schar aufgenommen.".

Besonders beachtenswert sind in der stoischen Ethik der Naturrechtsbegriff und das damit zusammenhängende Humanitätsideal. Dabei ist das positive Recht, das durch Staaten und Regierungen gesetzt wird, weder das einzige noch das allmächtige Recht. Es beruht in seiner Gültigkeit vielmehr auf einem ungeschriebenen Recht, das ewig ist und das zugleich ein Richtmaß für alles positive Denken überhaupt darstellt, dem Naturrecht, das nichts anderes ist als das allgemeine, mit der Weltvernunft identische Weltgesetz. Die Überzeugung hiervon gehört zu den unerschütterlichen Dogmen der Stoa. Noch Cicero und Philodem sprachen im gleichen Sinn nach, was schon die Gründer der Schule festgelegt hatten: "Das Naturgesetz ist ein göttliches Gesetz und besitzt als solches die Macht, zu regeln, was Recht ist und was Unrecht."; ähnlich äußert sich auch Chrysipp: "Ein und dasselbe nennen wir Zeus, die gemeinsame Natur von allem, Schicksal, Notwendigkeit; und das ist auch die Gerechtigkeit und das Recht, die Einheit und der Friede.", sowie Heraklit: "Es nähren sich alle menschlichen Gesetze von dem einen göttlichen.", und ebenso gehören Platon mit seiner Ideenwelt und Aristoteles in diese Reihe. Dabei ist der Stoiker der Ansicht, daß das Naturrecht von selbst einleuchtet, weil es mit der Vernunft als solcher gegeben ist. Wer diese nur hat, hat damit auch schon ein Wissen bzw. Gewissen über das, was Recht ist und was nicht; "Wem von Natur aus Vernunft zuteil wurde, dem wurde auch die rechte Vernunft zuteil; darum auch das Gesetz... und wenn das Gesetz, dann auch das Recht.".

Der Stoiker ist ein Realist und weiß als solcher, dass es im Leben auf das kraftvolle Zugreifen und auf entschlossenes Handeln ankommt; "sustine et abstine" ("Ertrage und entsage") lautet deshalb das Motto der gesamten Tugendlehre, die hauptsächlich auf den Willen ausgerichtet ist. In stärkster Gegnerschaft zu Aristoteles und seiner Schule werden die so genannten äußeren Güter wie Ehre, Besitz, Gesundheit, ja selbst das Leben als gleichgültige Dinge behandelt. Das einzige Übel ist die Schlechtigkeit das einzige Gut die Tugend. Der Weise allein ist frei, reich, glücklich, ja den Göttern gleich, der Tor dagegen elend und unwissend.
Lust, Begierde und Furcht, gelten als unvernünftige Regungen, ja als Krankheiten der Seele, welche zu bekämpfen sind. Den Affekten im Sinn der Leidenschaft stehen die edlen Affekte gegenüber: der Begierde der rechte Wille, der entweder Wohlwollen oder Zufriedenheit ist; der Furcht die Vorsicht, die sich in Ehrfurcht und Keuschheit gliedert; der Lust die reine Freude, die aus dem Bewusstsein des tugendhaften Lebens erwächst. Hier wird besonders deutlich, wie sehr die stoische Psychologie von ethischen Interessen geleitet wird, zumal diese förmlich als Tugendlehre auftritt.

Die Stoa zeichnet sich zudem durch seinen Kosmopolitismus aus. So erklärte bereits Epiktet: "Wir sind alle Brüder und haben in gleicher Weise Gott zum Vater.".
Als Kosmopolit ist das Vaterland des Stoikers die ganze Welt, weshalb ihre Anhänger zur allgemeinen Menschenliebe, Wohltätigkeit, Milde und Sanftmut aufrufen. Auch gegenüber anderen Völkern, den Sklaven, den Frauen und den unmündigen Kindern, die ursprünglich durch das römische Recht stark benachteiligt waren, wird die Forderung der Rechtsgleichheit erhoben. Rechtsgleichheit bedeutet jedoch für den Stoiker nicht auch Standesgleichheit! Für den Stoiker sind vor allem Frauen Mittel zum Zweck (Familie) und finden ihre Berechtigung als Lebensschaffende Wesen, dessen Platz nicht in Philosophenstuben zu sein hat, sondern schweigend und verhüllend am heimischen Herd oder in der Kinderstube. Das Züchtigen von Frauen und Kindern gilt als legitimes Mittel für die Sittlichkeitserziehung der Stoiker. Ausgeführt in Milde und Sanftmut wird Züchtigung als natürliche Gegebenheit angesehen.

Als weiteres wichtiges Element ist noch die stoische Logik, welche sich in die Bereiche Rhetorik und Dialektik gliedert. Um die Sprachlehre haben sich die Stoiker große Verdienste erworben. Von ihnen rühren zum großen Teil die üblichen grammatischen Bezeichnungen.


Soviel erst einmal zu einem klassischen Beispiel von Philosophie im Hellenismus, welche sich insbesondere im römischen Reich zu einer neuen Blüte entwickelte.
Philosophie war nicht nur ein Denkmodel, sondern im täglichen Leben praktizierte Lebensphilosophie, die in sich ganz wesentlich auch religiöse Wesenzüge trug.

absalom
22.06.2010, 10:26
2. Die Philosophien und Religionen des Hellenismus


Teil 2. Religionen

Nun möchte ich zur eigentlichen Thematik, die für mich selbst noch interessanter ist vorstoßen, denn hier geht es um antikes Religionsverständnis!

Wir haben uns nun einen ganz kleinen Einblick in die Philosophie erlaubt und dürften verstanden haben, dass wir es in der Antike nicht mit einer primitiven Zivilisation zu tun haben, sondern mit einer bereits sehr komplexen Welt, die in ebenso komplexe Denkstrukturen eingebettet war.

Ebenso komplex waren die vielfältigen Antiken Religionen. In dem Schmelztiegel des Mittelmeerraumes, der über 300 Jahre Hellenistisch geprägt wurde, wo sich ganze Nationen mit anderen Nationen vermischt hatten, wo durch enge Handelsbeziehungen und offene Grenzen ganze Völker quer durch Europa, Asien und Afrika nach neuen Heimaten suchten und durch enge Handelsbeziehungen nicht nur ein reger Warenaustausch, sondern auch kultureller Austausch stattfand, wo die einheitliche Sprache im wesentlichen griechisch war, ist es nur eine Frage der Zeit gewesen, dass sich auch die verschiedensten Religionen begegnen und einander bereichern, einander ergänzen oder ineinander verschmelzen.

Erstaunlicher weise, war der Hellenisierungsprozess in seinem Verlauf ohne tief greifende nationale Widerstände verlaufen. Lediglich in Persien und Judäa gab es Erhebungen gegen die Hellenisierung, die jedoch durch die Integrationsfähigkeit des Hellenismus, anderweitig stattfand. Die Stärke des Hellenismus lag in seiner Vielfalt, die keine kulturellen Grenzen kannte. Zudem erlaubte es der Universalismus des Hellenismus, jeglicher Religion seinen Platz einzuräumen. Der strenge Monotheismus des Judentums erzeugte allerdings in der hellenistischen Welt so manches Unbehagen. Doch dazu in einem anderen Kapitel mehr.

Schon in der Frühzeit Griechenlands zeigten sich die Hellenen offen für viele Kulte und Religionen. In ihrem Glaubensverständnis waren die Götter das himmlische Gegenüber für den Menschen, die sich um sein materielles und moralisches Wohlergehen kümmerten. Zugleich vermutete man schon früh hinter diesen Göttern ein höheres Prinzip einer Gottheit, dem Erschaffer alles Seiende (Platon).

Die offene Annahme von Göttern und Gottheiten und hier insbesondere aus der ägyptischen Religion und orientalischen Religionen, löste jedoch zwangsläufig ein anderes Problem aus, eine schier unglaubliche Anzahl von Göttern, Gottessöhnen, Heroen und anderen mythischen Gestalten. Hier setzte die Philosophie zu ganz neuen Denkmodellen an, die keine allzu große Rücksicht auf alt hergebrachte Kultformen walten ließ, sondern ein eigenes Religionsmodell entwarf. Folgendes Denkmodell sei hierzu angebracht: Den homerischen Göttern war es zu Eigen, dass sie den Tod nicht kannten, für die Philosophie wird daraus der Begriff Ewigkeit und damit zum tragen Faktor des Göttlichen. Allmacht und Allgegenwart kommen hinzu, wodurch letztendlich die Vielgötterei in Frage gestellt wurde. Es können nicht viele Götter allmächtig sein. Als Lösungsmodell für die verschiedensten Seinsweisen der Götter wird im Verlauf der Religionsgeschichte anfänglich von Untergöttern bis hin zu Gottessöhnen und späteren vielfältigen Göttlichkeiten in einem Gott unterschieden. Diese Entwicklungsgeschichte darf man sich nicht als plötzliche Erkenntnis vorstellen, sondern beinhaltet einen Jahrhunderte langen Prozess, der in den Mysterienreligionen seine entscheidende Wende nimmt.

In den Mysterienreligionen, die insbesondere im römischen Reich, welches sich als Erbe des Hellenismus verstand, ihre größten Ausbreitungen fanden und die allesamt Offenbarungsreligionen waren, zeigt sich am deutlichsten der Wandel von alten Kultgöttern. War einst die kultische Verehrung der Mittelpunkt des Volksglaubens, ist durch die Philosophie und ihren Fragestellungen ein ganz neuer Aspekt hinzugekommen. Es waren die Fragen nach dem letzten Sinn des Seines. Der starke Jenseitsglaube der Ägypter und anderer orientalischer Religionen, gewann insbesondere ab dem 3. Jahrhundert v.u.Z. eine immer stärkere Bedeutung. Dies wurde umso mehr begünstigt durch den Prozess von Verschmelzungen verschiedenster Religion und Kulte, die somit zu inhaltlich neuen Religionen in altem Gewand wurden. Ganz deutlich zeigen sich diese Prozesse am Isiskult und Zeuskult. Die Menschen der Antike suchten zudem nicht nur nach den Antworten auf ihre brennenden Fragen, die durch die philosophische Aufklärung entstanden, sondern sie suchten auch die Nähe und Geborgenheit zu dem fernen Olymp der Göttlichkeit, in einer Welt, die einem starken Werte- und Geisteswandel unterzogen war. Lebensphilosophien wie der Stoizismus, der Epikureismus und ganz besonders die der Neuplatoniker, die besonders die Sinnlosigkeit und Verworfenheit menschlicher Taten im Angesicht der vollkommenen Göttlichkeit aufzeigten (siehe auch dazu bei Paulus), schaffte eine immer stärkere Anbindung an mystische Erlöserreligionen. Dieser Trend zeigte sich schon recht früh im Adoniskult und erlebte seine volle Blüte in den vielen Mysterienkulten des Imperium Romanum.

Die Suche nach dem göttlichen Urprinzip und einer Definition der Seinsweise dessen, verschaffte der Religionsphilosophie ungeahnten Zulauf. Insbesondere die neuplatonischen Philosophenschulen entwickelten auf Grundmodellen hellenistischer Philosophie weiterführende Ansätze. So z.B. Plotin: „Der Grund allen Seins ist das eine, zugleich das Urgute und Urschöne, jenseits des Denkens, aber von reiner Aktualität. Aus ihm emanieren im Schritt einer Dreieinigkeit Geist, geistige Seinswirklichkeit und geistige Schau, in Wahrheit ein Geist, der Anteil hat sowohl an dem Einen als auch an der nächsten Emanationsstufe, der Seele“. Das Eine, dessen Abbild und dessen Geist“
Plotin vertritt hier keine gänzliche philosophische Neuschöpfung, sondern führt nur Konsequent Gedanken weiter, wie die des Xenokrates (um 396 v.u.Z.) der eine Dreieinigkeit an die Spitze des Weltganzen setzte, oder Aristoteles (384-322 v.u.Z. - der besonders im Christentum größte Verehrung genießt), der erklärte: „Die Dreiheit ist die Zahl des Ganzen, insofern sie Anfang, Mitte und Ende umschließt“. Martial (ca.40-102 n.Ch.) sah in Hermas den Trismegistos, den dreimal großen Hermas, der allein ganz und dreimal einer ist.
Die neuplatonische Lehre, in Gott, zugleich das reine Sein und den Schöpfer alles Dasein zu sehen, der aus Güte die ewige Welt der Ideen und Seelen erschafft, wirft aber infolge der unvollkommenen Schöpfung Fragen auf, die darin ihre Begründung finden, dass ein präexistenter Fall der Schöpfung diesen Zustand der Unvollkommenheit schaffte, dem zufolge die Seelen zum Zweck der Erziehung in den Kerker des Leibes gebannt sind. Als Erzieher sendet Gott den ihm wesensgleichen Logos, den er ewig mit sich selbst zeugt, der als Mittler zum Menschen herabsteigt und den Menschen mit Hilfe des ihm wesensgleichen Geistes zur Erkenntnis der letzten göttlichen Wahrheit auf einem langen und schweren Erziehungsweg führen will.

In diesem letzten Gedankengang verbindet sich die Konsequenz der Menschwerdung Gottes als göttliche Offenbarung Hieros Logos = heiliges Wort, welches sich selbst entäußert um das Schicksal der Menschen zu teilen und durch Selbstaufopferung des Logos, das erlösende Heil auf den ihm geweihten Menschen zu übertragen. „Freut euch, ihr Mysten, da der Gott gerettet ist, so wird euch aus Mühsal Heil zuteil“. Dieser Mythenspruch wird gerade zu bezeichnend für alle antiken Religionen. Die Zeussöhne nehmen alle Mühen und Leiden der Menschen auf sich um den Menschen aus diesen zu befreien und zu erlösen. Den Nachfolgern und Geweihten gewährt der göttliche Logos dafür das ewige vollkommene Leben, heilt von Krankheiten und schafft materiellen Wohlstand und die Vergebung von moralischen Verfehlungen. Die unzähligen Grabinschriften aus dieser Menschheitsepoche belegen ganz deutlich den Erlösungsgedanken aller mystischen Religionen.

Die religiöse Wende wird auch in der Stoa deutlich. Im sog. Zeushymnus des Kleanthes, der mehrfach im Neuen Testament zitiert wird (ist im Internet zu finden), finden wir ein ganz anderes Bild von Gott wieder als es uns frühe antike Gottesbilder vermitteln. Der ferne Gott des Olymps, offenbart sich als Vater der Menschen, als Mitleidender und Logos.

Wie schon erwähnt finden sich in fast allen Kulten des Späthellenismus die Erlöserfiguren. Ursprünglich altgriechisch Heros, werden nun diese Zeussöhne in ihrer religionsgeschichtlichen Entwicklung Menschen, in denen sich der Logos Gottes offenbart, die Theios Aner = GottMensch sind, die selbst Theos = Gott genannt werden und denen Titel wie z.B. Epiphanes = erschienener Gott, Soter = Heiland, Euergetes = Wohltäter oder sogar als Gottgleich (Neos Dionysos), zugeteilt werden.

Ganz bezeichnend für die Mysterienreligionen sind die Gottessohngestalten, die alle als Logos – Wort Gottes = heiliges Wort, einer übernatürlichen Menschwerdung ihre göttliche Erhöhung fanden. Noch deutlicher wird dies bis auf eine Ausnahme (Mithras) bei ihrem Sterben. So ertrinkt Osiris unter furchtbaren Qualen, Attis stirbt im Akt der Selbstaufopferung an einer sich selbst zugefügten Wunde, Adonis wird von einem besessenen Wildschwein getötet und Dionysos wird von betrunkenen Bauern bei lebendigen Leib zerrissen, ja regelrecht geopfert.

Ein weiteres Element sind die mystischen Weihen = Sakramentum, die sich in Form und Gestallt zwar unterscheiden und doch wesentliche Gemeinsamkeiten aufweisen. So sind der Beginn der Weiheakt immer das Bekenntnis zum Gott und eine Blut oder Wassertaufe allen diesen Kulten gleich. Auch das mystische Mahl, wie z.B. im Mithras-, Dionysos-, Herakleskult, etc., aus Brot und Wasser oder auch Wein (Dionysos) ist kennzeichnend für die Zugehörigkeit dieser Kultgemeinschaften, in denen so Gott als Gastgeber, als substantiell-theophag = als gegenwärtig, gefeiert wird. Auch die darstellhafte Ausschmückung des Gottes mit Symbolen und Figuren oder kleinen Bildnissen und Haustempeln (Nischen) ist diesen Kulten gemeinschaftlich nachweisbar.

Gleich wohl es doch erhebliche Unterschiede im Gottesbildverständnis in den einzelnen Kulturen gibt, lassen sich die Gemeinsamkeiten doch deutlich aufzeigen. Weitere Einflüsse sind bedeutend durch die Weiterentwicklung der Gnosis, auf die ich hier aber nicht weiter eingehen will.
Die religionsgeschichtlichen Entwicklungen führen letztendlich zu einem relativ einheitlichen Reichsgott Verständnis, welches sich unter Aurelian als die „Römische Trias“ und als Trinitas im gesamten Imperium (Trias = drei = Trinitas = Dreiheit) durchsetzt. In ihr vereint sich der Weltengott mit dem jeweiligen Landesgott (Logos) und dem Weltengeist, der alles und jeden durchdringt. Der Neuplatonismus wird zum gängigen Erklärungsmodell dieses Systems (Siehe oben – Bekenntnis des Plotin).

absalom
22.06.2010, 10:34
3. Hellenismus und Judentum

Es mag einem frommen Wunsch entsprechen, wenn man meinen möge, es hätte in der Geschichte Israels nie Fremdeinflüsse auf die Religion gegeben. Allein schon in den 5. Büchern der Weisungen (Moses) lässt sich das ganz deutlich fest machen, wenn man die Tora mit Zeitgenössischen ägyptischen, sumerischen, persischen und babylonischen Überlieferungen vergleicht. Sehr deutlich sind die Spuren des Zweistromlandes und Ägyptens sichtbar, die sich insbesondere in den Ritualanweisungen nachzeichnen lassen (Schlachtopfer, kultische Reinheit, Speisegebote, rechtliche Anweisungen). Noch deutlicher sind die Spuren aus der Epoche der babylonischen Gefangenschaft sichtbar, was nicht nur eine Vielzahl babylonischer Begriffe belegt, die plötzlich im Tenach erscheinen, sondern mehr noch die Reform des Esra und Nehemia belegen, die Israel zu ihrer Zeit zu einem modernen Staat neu aufbauten, nach persischen Vorbild.

Ganz wichtig für die antike Entwicklung des Judentums spielten politische Einflüsse, die bedingt durch die Landvertreibung und Auswanderung der Israeliten ganz neue religiöse Fragestellungen aufwarfen und Bedingungen schafften. Mit dem Ende der Perserherrschaft und dem Beginn der hellenistischen Großreiche entstanden vier Hauptsiedlungsgebiete des Judentums, die zwar untereinander verbunden waren, doch mit der Zeit ganz eigene Entwicklungen bestritten. 1. Das babylonische Exil, welches sehr stark unter persischen Einfluss stand und wo besonders das Schriftgelehrtentum zur Blüte kam. 2. Die zurückgekehrten Juden nach Israel, die durch eine Staatsreform Esras und Nehemia Israel zu einer gewissen Selbstständigkeit führten und Israel zu einem Nationalreligiösen Staat (Gottesstaat) gestalten wollten, den Tempelkult neu initiierten, wichtige Religionsreformen durchführten und somit Israel zu einer neuen – wenn auch kurzen Blüte verhalfen. 3. Griechenland (Korinth) und Italien (Rom), die ursprünglich zumeist aus Alexandrien durch Handelsbeziehungen neue jüdische Enklaven bildeten. 4. Alexadrien und Ägypten, die wohl wichtigste Enklave des Judentums in der Antike. Hier reichen die Wurzeln schon bis in die Zeiten des Moses und wie wir auch aus biblischen Berichten wissen, waren Juden und Ägypter immer sehr eng geschichtlich miteinander verbunden. Alexandrien war die Welthauptstadt des Hellenismus, das New York, der Antike. Hier standen nicht nur die berühmtesten Bibliotheken der Welt, die größten Philosophenschulen und Lehrinstitute für alle möglichen Handwerkskünste, hier war auch die größte jüdische Gemeinde außerhalb Israels ansässig.

Gemeinsam war all diesen Diasporagruppen, dass sie die Tora hatten und ihr nationales Erbe pflegten. Darüber hinaus gab es kein einheitliches Schriftgut und auch in der Praktizierung der Tora gab es wesentliche Unterschiede, die jedoch an sich kein jüdisches Problem sind.

Einen ernsten innerjüdischen Konflikt gab es mit der in der antiken Welt um sich greifenden Hellenisierung. Die Einflüsse der hellenistischen Philosophie waren gerade zu revolutionär und stellten das Judentum vor eine schwierige Frage: Integration in die hellenistische Welt, oder Ausgrenzung von der hellenistischen Welt. Das persische Judentum und das israelitische Judentum widerstrebten dieser Anpassung, hingegen das hellenistische Judentum (daher leitet sich der Name ab) in Ägypten und der restlichen Diaspora schon längst die Assimilation suchte und vollzog.

Das Judentum in Israel zeigte sich anfänglich ebenso offen für die Hellenisierung wie in Alexandria oder anderen Einflussgebieten.
Davon zeugen nicht nur die Bauten in Jerusalem aus dieser Epoche, sondern auch Münzfunde, die die Verschmelzung des Gottes Israel mit Zeus darstellen und schriftliche Belege aus dieser Zeit. Doch es entstand zunehmend eine Gegenbewegung, die sich insbesondere durch die pharisäische Partei kundtat.
In den Makkabäeraufständen (ich gehe einmal davon aus, dass die Geschichte bekannt ist, ansonsten empfehle ich eine kath. Bibel zu lesen, da steht alles drin – Makkabäerbücher), trat dieser Konflikt erstmalig auch militärisch zu tage. Bei diesem Konflikt ging es nicht nur um politische Macht, sondern um eine ganz klare Abgrenzung zur hellenistischen Welt. Zwar konnte Israel die Macht des Hellenismus nicht gänzlich von sich schütteln, doch gelang es gewisse Freiheiten und Eigenstaatlichkeiten zu erzwingen. So auch die Religionsfreiheit.

Ganz anders verlief die Entwicklung in der hellenistischen Welt. Hier versuchte das Judentum seine Weltanschauung in griechischer Sprache und im Rahmen griechischer Philosophie auszuformulieren. Der wohl wichtigste Meilenstein darin ist die Übersetzung und neu Bearbeitung und auch Umschreibung der hebräischen Bibel ins Griechische, die Septuaginta.
Auch zahlreiche andere Schriften der Weisheitsliteratur entstanden zu dieser Zeit (Weisheit Salomons), die zum Teil in den christlichen Bibeln wieder zu finden sind. Diese Schriften insbesondere die Septuaginta wurden vom Judentum (1. Jahrhundert) verworfen und als Fälschungen eingestuft.

Insbesondere in den Lehrschriften zeigen sich die Verschmelzungen von hellenistischer Philosophie und hellenistischen Judentum am deutlichsten. Beispielhaft hierfür sind die Schriften Philos, Demetrios oder Aristobulos.
Einer wichtiger Vermittler zwischen dem jüdischen Verständnis und dem griechischen Denken war Philo von Alexandria. Er stellte das Judentum als eine altehrwürdige Religion dar, die durch einen neu zu verstehenden Monotheismus (nach Plotin) besser mit der aristotelischen oder platonischen Philosophie übereinstimme als der polytheistische Olymp.
Der berühmte Logoshymnus aus dem Johannesevangelium zeugt von der weiten Verbreitung des Philonischen Schriftgutes, welches in der Antike zu Ansehen kam, denn tatsächlich ist dessen Ursprung bei Philon zu suchen und nicht bei israelitischen Juden, die ja genau diese hellenistische Theophilosophie aufs schärfste bekämpften.

Man kann nicht oft genug betonen, dass es dem hellenistischen Judentum in erster Linie darum ging, dass Volk der Israeliten als gleichwertiges Volk unter Völkern, angepasst an die Verhältnisse ihrer Zeit, ohne die Aufgabe eigener Selbstständigkeit, in der hellenistischen Welt zu integrieren. Zum anderen ging es Leuten wie Philo darum die Absonderlichkeiten der jüdischen Religion, dem hellenistischen Umfeld durch zu Hilfenahme von hellenistischer Philosophie nahe zu bringen und wenn nötig auch umzudeuten. Dies geschah mit erstaunlichem Erfolg. Das hellenistische Judentum war damals eine expandierende Religion, die in allen Gesellschaftsschichten der Antike Beachtung fand, hingegen das orthodoxe Judentum massiv bekämpft wurde und um seine Existenz kämpfen musste. Das festhalten an dem strengen Monotheismus, den Geboten und althergebrachten Riten brachte diesem Judentum nur wenig Anerkennung und Freunde ein, doch es sicherte dessen Überleben, hingegen das hellenistische Judentum unter ging.

Historisch findet das Frühjudenchristentum insbesondere im hellenistischen Judentum seine theologischen Vorreiter und Wegbereiter und auch Anhängerschaft. Das Heidenchristentum wird insbesondere bei den Stoikern und Neuplatonisten ihre Anhängerschaft finden. Beide Gruppen sind theologisch bereits im Wesentlichen vereint, im Hellenismus. Die Auflösung der Urgemeinde Jesu findet genau in dieser Tatsache seinen Ursprung!

Nachwort: Ich bin jetzt bewusst nicht auf die Essener eingegangen, da ich zu ihnen ja schon hinreichend Stellung bezogen habe und aufzeigen konnte, dass diese große und wichtige Gruppe durchaus – wenn auch nur bedingt - den jüdischen Hellenisten zu zuordnen ist.

Es folgt Teil 4. Der Hellenismus und das Christentum

Martin
30.06.2010, 15:55
Suuuuuper,
danke Absolalom
LG Martin

absalom
08.07.2010, 12:23
4. Der Hellenismus und das Christentum

Wenden wir uns nun dem eigentlichen Thema zu. Auf Grund der Fülle des Textes teile ich ihn in mehrere Teile auf!

Teil 1.

Unmittelbar nach der Kreuzigung durch die Römer ist die Geschichte Jesu außerhalb des Judentums völlig irrelevant. Jesus ist Jude, seine Familie ist jüdisch, seine Schüler, die „Jünger Jesu“, sind Juden. Alle ihre Hoffnungen und Wünsche richten sich auf das Heil Israels. Gut hundert Jahre später sind die Schüler der Schüler, die so genannten Christen, keine Juden mehr.
Zunächst einmal gibt es zu Beginn keine Christen. Am Anfang gibt es Juden die verkünden: “Jeshua ist ein Meschiach”, “Jeshua ist gestorben und von Gott wiedererweckt, auferstanden worden”, “er ist von Gott erhöht”. All diese Kategorien (“er ist ein Messias”, der Erhöhte des Herrn, der himmlische Hohepriester, etc.), sind jüdische Kategorien, die in ihrer Bedeutung der hellenistischen Welt merkwürdig, fremd und unverständlich für Heiden, erscheinen. Diese Kategorien existieren so dort nicht.


Wenn wir vom Christentum sprechen so stellt sich bereits die erste wichtige Frage, wann beginnt eigentlich das Christentum als eigenständige Religion, unabhängig vom Judentum zu existieren? Kurz zusammengefasst. Es wird dann von einer selbstständigen Religion gesprochen, wenn sie eigene Glaubensgrundsätze hat, eigenes Schriftgut hervorbringt, eigenständige Kulthandlungen und Weiheakte entwickelt. Sich also von dem Ausgangsort entfernt und eigene Wege geht, eine eigenständige Entwicklung beginnt. Die Religionswissenschaft hat sich weitestgehend auf den Beginn des 1. Jahrhunderts festgelegt und sieht anhand etlicher Entwicklungstatbestände denn eigentlichen Ursprung des Christentums nicht im damaligen Palästina, sondern in Korinth, in Alexandrien und Rom. Warum das 1. Jahrhundert?

Wenn wir der Aussage der Apostelgeschichte folgen, war die Urgemeinde keine eigene Religion, sondern fester Bestandteil des Judentums. Sie war fest im jüdischen Kult integriert, lehrte im Wesentlichen jüdisches Lehrgut und hatte auch die Anerkennung des Sanhedrin.
Mit der Zerstörung des Tempels (70 n. u. Z.) und dem Niedergang des kulturellen Mittelpunktes des Israelitischen Kultes (Jerusalem), verlieren sich auch die Spuren der Urgemeinde. Wohl wissen wir, das sich die Reste der Urgemeinde nach Pella, in die Wüste Nizzana zurück zog, doch ein zurück nach Jerusalem gab es für die hebräischen Jesusanhänger nicht mehr. Die Apostel sind alle Tod, das Judentum in seiner Gesamtheit – so auch die Urgemeinde - hatten etliche regionale Verfolgungen durch die Römer zu überstehen und kam dadurch an den Rand seiner Existenz. Ohne geistiges Zentrum und Mittelpunkt, ohne althergebrachte Führung, verlagerte sich in der Zeit ab 70 – 100 (n. u. Z.) der Schwerpunkt nach Alexandrien, dem eigentlichen Sitz des hellenistischen Judentums, welches weitestgehend von der Verfolgung durch die Römer verschont wurde. Hier gab es auch bereits von der Synagoge ganz unabhängige hellenistische – judenchristliche Gemeinden. Ein zweites Standbein waren die von Paulus, Barnabas, Apollo, etc. gegründeten Gemeinden in Italien, Griechenland und Kleinasien, die insbesondere aus Heidenchristen bestanden. All diese Gemeinden wurden in ihrer Bedeutung gestärkt, nachdem Jerusalem keine heilsgeschichtliche Bedeutung mehr hatte und zur römischen Provinzstadt wurde, in dessen geschichtlichen Verlauf Juden der Zutritt zur Stadt bei Tode verboten wurde.

Doch noch ein ganz wesentlicher Punkt spielt eine Rolle, die hellenistische Juden (die oft treue römische Staatsbürger waren) und Heidenchristen, von der Urgemeinde trennte. Es war das festhalten der Urgemeinde am israelitischen Kult und hier insbesondere die enge zum rabbinischen Judentum. Damit war aber auch die Urgemeinde schicksalhaft an alle politischen Ereignisse gebunden, die Israel mit aller härte durch die Römer traf. Die Verfolgung von Juden, die sich nicht in das Gefüge des Imperium Romanum einfügen wollten, traf auch immer die Urgemeinde ganz erheblich mit. Hiervon distanzierte sich nur all zu gern das Frühchristentum, das schon sehr früh darum bemüht war, eine offizielle Anerkennung als Religion im Imperium zu erhalten. Es mag daher nicht verwundern wenn bereits sehr früh (um 120 n.Chr.) polemische Schriften von Heidenchristen gegen die letzten Anhänger der Urgemeinde verbreitet werden, wo z.B. gesagt wird: Wenn das Stroh sein Korn gebracht hat, ist es wertlos (Ignatius).

Zum endgültigen Bruch kam es in der theologischen Auseinandersetzung, von der wir allerdings fast nichts über deren Hintergründe wissen. Schon früh begann die Kirche die Schriftzeugnisse der Nachfolger der Urgemeinde systematisch zu vernichten, (Schafft weg den Sauerteig der Juden aus unserer Lehre / Ignatius); ein böser Engel hat die Judenchristen beschwatzt am Alten Testament festzuhalten (Barnabas um 200). Nur vereinzelt finden wir in sog. Gegenschriften, Zitate aus diesem Umfeld der Urgemeinde. So sagt z.B. Tertullian über den Glauben der Nazarener (nicht ohne Verachtung für ihren primitiven Judenglauben!): … sie glauben … Jesus sei ein Mensch voll des heiligen Geistes, in dem der Engel des Herrn als Messias auftrat.

Man könnte derer Zitate weiterführen, um zu belegen, wie zerklüftet das Verhältnis zwischen diesen Beiden Gruppen war.

Die Wesensmerkmale für eine eigenständige Religion kommen aus diesen frühchristlichen Zentren. Ein eigenes Schriftgut, Kultideen und Glaubensaussagen, die allerdings in sich nicht unterschiedlicher sein konnten. Von einem einheitlichen Glauben im Frühchristentum zu sprechen, ist gelinde gesagt realitätsfremd.

Bereits die „echten“ Paulusbriefe, stellen einen ersten Schritt in die Richtung zur eigenen Religion dar, gleich wohl Paulus diesen Gedanken so noch nicht in sich trägt, glaubt er doch noch daran hellenistische Juden, Heiden und israelitische Juden unter einer Gemeinde - dessen Herr für ihn Jesus ist - zu vereinigen, denn der Herr kommt nach seiner Überzeugung schon in Kürze.
Das er für seine Agitationsbriefe allerdings Überzeugungen und Argumente anführt, welche gerade der israelitischen Urgemeinde nur schwer zuträglich sind, scheint ihm anfänglich selbst nicht bewusst zu sein. Kennzeichen dafür sind nicht nur die ungenügenden Kenntnisse des Paulus über Jesu Lehrgut, welches ihn letztlich auch nicht ernsthaft interessieren, geht es ihm doch um den himmlischen Jesus. Zum anderen Teil, argumentieret Paulus regelrecht unbedarft mit essenischen, stoischen, platonischen, philonischen, jüdischen – hellenistischen – apokalyptischen Lehrgut (Henoch, Eliasapok., etc) bis hin, dass er sich kontinuierlich weigert die hebräischen Schriften (Tanach) zu benutzen und stattdessen sich sehr frei die vom israelitischen Judentum verworfene Septuaginta zu eigen macht. In all seinem Gebaren spiegelt sich in Paulus selbst der hellenistische Jude wieder, dessen Wurzeln nie das israelitische Kultjudentum war, sondern die Diaspora und dessen ganz verschiedenen Einflüsse. Seine Konflikte mit der Urgemeinde, die nur noch ganz abgeschwächt aus der Apostelgeschichte mehr allerdings aus seinen Briefen hervortreten, finden genau hier seine Ursache. Der heftigste Vorwurf der Urgemeinde resultiert genau aus diesen Hintergründen:„Nun hat man uns von dir erzählt: Du lehrst alle unter den Heiden lebenden Juden, von Moses abzufallen, und forderst sie auf, ihre Kinder nicht zu beschneiden und sich nicht an die Bräuche zu halten.“(Apg. 21/21) Dieser Vorwurf, der übrigens ganz berechtigt ist und sich bei weitem nicht nur auf das Beschneidungsritual bezieht, sondern dessen Gewichtung auf dem ersten Teilsatz fällt = von Moses abzufallen, ist ein nicht untypischer Vorwurf an Teile des hellenistische Judentum und ihre entsprechenden Strömungen.
Ohne Zweifel, mit Paulus beginnt die Loslösung vom israelitischen Kult und dessen Gebräuche, welche so in die hellenistische Welt nicht exportierbar waren, sondern an Land (Israel), Volk (Israel) und Glaube (Israels Gott) gebunden war.

Mit dem Untergang Jerusalems als religiöses Kultzentrum und dem Sterben der Repräsentanten der Urgemeinde (Apostel) verlieren sich zugleich auch die Hoffnung und der Glaube auf die baldige Ankunft Jesu. Mit dem Wachsen der Erkenntnis, dass eine baldige Wiederkunft Jesu nicht zu erwarten ist und dem Verlust des Kultzentrums setzt sich auch eine andere Erkenntnis durch, man braucht religiöse Strukturen, Verbindlichkeiten, einen Kult und entsprechende Theologien und man braucht ein Traditionsgut, welches den neuen Verhältnissen angepasst ist. In dieser Einsicht ist die Ursache für das so späte entstehen der Evangelien und des anderen Schriftgutes zu erklären.

absalom
08.07.2010, 12:24
Teil 2.


Unter dem zunehmenden Verlust des Einflusses der Reste der einstigen israelitischen Urgemeinde, entwickelte sich auch das heutige neutestamentliche Schriftgut. Wir wissen aus der Überlieferung der Kirchenväter, dass auch die israelitische Urgemeinde neben dem Tanach eine eigene Schriftliteratur bildete, die eine Logienquelle der Worte Jesu (Urevangelium), kleinere Erzählschriften der Apostel und anderer Lehrer umfasste. Dieses Schriftgut hat allerdings die Zensur der Kirche nicht überstanden. Sehr aufschlussreich ist hier eine Aussage von Hieronymus, die uns die Brisanz dieses Schriftgutes vor Augen hält: 1. "Ein schwieriges Werk ist mir auferlegt, nachdem diese (Übersetzung) mir von Euer Hochwürden anbefohlen wurde, wovon St. Matthäus selbst, der Apostel und Evangelist, nicht wünschte, dass es offen geschrieben werde. Denn wenn das nicht geheim gewesen wäre, würde er (Matthäus) dem Evangelium hinzugefügt haben, dass das, was er herausgab, von ihm war; aber er stellte dieses Buch mit hebräischen Lettern versiegelt her und gab es noch dann auf solche Art heraus, dass das Buch, in hebräischen Buchstaben und von seiner Hand geschrieben, im Besitze der religiösesten Menschen sein sollte; die es auch im Verlaufe der Zeit von denen erhielten, die ihnen vorangingen. Aber dieses Buch selbst gaben sie niemals irgend jemandem zum Abschreiben, und seinen Text erzählten die einen auf die eine Art und die ändern auf eine andere. (Brief an die Bischöfe Chromatis und Heliodorus + de Viris Illustr., III.)

2. Es fand sich das echte und ursprüngliche Evangelium, hebräisch geschrieben von Matthäus, dem Zöllner, in der zu Caesarea von dem Märtyrer Pamphilius gesammelten Bibliothek, "ich erhielt Erlaubnis von den Nasaräern, die zu Beroea zu Syrien dieses benützten, es zu übersetzen", de Viris Illustr., III.

3. "In dem Evangelium, das die Nasarener und Ebioniten benützen", das ich neulich aus dem Hebräischen ins Griechische übersetzte und das von den meisten Leuten (alten Kirchenvätern) das echt Evangelium des Matthäus genannt wird und in chaldäischer Sprache, aber mit hebräischen Lettern geschrieben war. (Komment. Zu Matthäus XII. 13)


4. „Und es traf zu, dass dieses Buch … Stoff nicht zur Erbauung, sondern zur Zerstörung darbot (für die Kirche) und dass dieses (Buch) auf einer Synode approbiert wurde, worauf zu hören die Ohren der Kirche sich schicklich weigerten.“ (Aversus Haer. I. 26) Die Ursache dafür war : Das die Judenchristen, alle übrigen apostolischen Schriften verwarfen und nur dieses Evangelium benutzten (Adv. Haer; I. 26); und die sie glaubten, wie Epiphanius erklärt: „Ebenso wie die Nazarener halten sie fest daran, dass Jesus nur ein Mensch war, vom Samen eines Menschen".

5. Hieronymus bemerkt weiter, das dieses Hebräerevangelium „häufig benutzt“ hat der Origenes, der es Evangelium der 12 Apostel nannte, worin er bestärkt wurde in seinem Glauben an die Vorexistenz der Seele. (Diese Lehre wurde von der Kirche als „jüdische Lehre“ zur Häresie erklärt) (de Viris Illustr, Adv. Haer.)

6. Doch auch andere alte Kirchenväter kannten dieses Evangelium, angefangen von Papias, bis hin zu Julius Afrikanus und Eusebius, welche alle diese Schrift als das einzig echte Evangelium bezeichneten.

Die heutige Textforschung weiß, dass immer wieder dieses „seltsame Schriftstück“ in apostolischer Zeit aufgetaucht ist und etliche Kirchenfürsten es nicht lesen konnten, da es in fremder Sprache (hebräisch) geschrieben war und von daher kaum Interesse fand. Fakt ist auch, die Kirche verwarf dieses Evangelium auf Grund seines jüdischen Inhaltes und der Darstellung des Juden Jesus als natürlicher Menschen und auf Grund der zu jüdisch anmutenden Lehren und stufte es letztlich als gefährlich ein. Fakt ist auch, dass die jüdischen Nachfolger der Urgemeinde dieses allein benutzten und es auch in Synagogen verbreitet war. Soweit kann die Textforschung heute, auf Grund der Zeugnisse der Kirchenväter, den Sachverhalt recherchieren. Die Frage die sich stellt und die einst schon der renommierte kath. Theologe Prof. Alfons Deißler stellte ist, wieso konnte eine Schrift, die von der Mehrheit der großen Kirchenväter als einzig echte und verlässliche Schrift eines Augenzeugen über die Person Jesu und die Lehren Jesu von der Kirche als gefährlich und zu jüdisch eingestuft werden? Was erregte die Angst der frühen Kirche, dass es zu einer regelrechten Jagd nach diesem Schriftgut kam und in Folge dessen zu einer gänzlichen Vernichtung diese Schriftgutes, ja sogar in Folge dessen diese Glaubensgemeinschaften verfolgt und vernichtet wurden?


Mit dem entstehen des Schriftgutes im 1. und 2. Jahrhundert ist auch die intensive Auseinandersetzung um die Person Jesus ausgebrochen. Nach seiner Entjudaisierung folgte nun die Verwandlung Jesu zu einem griechisch sprechenden und denkenden Gottessohn, der seine erste literarische Vollendung im Johannesevangelium erreicht. Hier spricht Jesus in ganz klar hellenistisch belegbaren Aussagen, sein Wortschatz ist neuplatonisch, philonisch und stoisch, seine Begriffswelt ist philosophisch – philonisch bis neuplatonisch und sein Erscheinen ist antiken Gottessöhnen sehr ähnlich. Ein Meisterwerk hellenistischer Juden und philosophisch geschulter Heidenchristen, wie Sprachwissenschaftler den Verfassern dieses Evangeliums bezeugen.

Ein weiterer Wesenzug des gesamten neutestamentlichen Schriftgutes ist, dass es ausschließlich alle Vergleichsstellen zum alten Testament aus der Septuaginta bezieht und auch damit theologisch eine neue Christologie begründet, die mit der hebräischen Version des Tanach nie möglich wäre. Angefangen von der Jungfrau bis hin zum Einritt Jesu in Jerusalem auf zwei Eseln bis hin zu „biblischen“ Zitaten, die angeblich Jesus gesagt haben soll, die allesamt so nicht im hebräischen Tanach stehen, jedoch teilweise in der griechischen Septuaginta, zeigt sich die Bandbreite der theologischen Umdeutungen und Umgestaltungen der Person Jesu auf die Bedürfnisse einer hellenistischen Welt, die es für den neuen Glauben zu gewinnen galt.

Schon um 200 bemerkte Tertullian die zunehmenden Ähnlichkeiten Jesu mit hellenistischen Gottessöhnen und hier insbesondere mit dem Mithraskult. Sein logischer Schluss daraus zeigt jedoch deutlich das Selbstverständnis des frühen Christentums. So argumentiert Tertullian, dass der Teufel selbst Jesus nachäfft in Form ähnlicher Kulte. Das allerdings der Mithraskult schon um 600 v. u. Z. gut bezeugt ist, verschweigt er tunlichst. Gleiches trifft auch auf andere Kulte zu, wie ich schon aufgezeigt habe.
Noch deutlicher wird das gesagte an den theologischen Diskussionen der ersten 3. Jahrhunderte, die davon geprägt sind, das Christentum zur Weltreligion um zu gestalten und damit auch die Person Jesus. Der Wichtigste Faktor ist hier die „Vergottung“ Jesu. Dies geschah schon im entstehen der N.Tlichen Literatur und wurde noch wesentlicher in den folgenden Jahrhunderten betrieben.
Unmöglich kann ich hier die gesamte Entwicklungsgeschichte aufzeigen, jedoch an markanten Beispielen großer Frühchristlicher Theologen anführen: Einer von diesen war Origens, ein alexandrinischer Christ, den sogar Prophyrios (größter Gegner des Frühchristentums) schätzte. Origenes der als einer der größten Redaktoren der neutestamentlichen Schriften hervortrat, war zugleich auch einer der Wegbereiter für ein neues, nach hellenistischen Kulten geprägtes, klar strukturiertes Christentum. Sein hellenistisch geprägtes Bibelverständnis ist bis heute gängige Praxis aller Christen. Gleich wohl er von der späteren Kirche verbannt wurde und ebenso ein Teil seiner Lehren, wurde doch sein Theologieprinzip zur gängigen Praxis christlicher Exegese. Seine neuplatonische Christologie wurde zum Grundbaustein der Lehre der Kirche, die durch seinen christlichen Gegenspieler Tertullian noch seine lateinischen Einflüsse erhielt. In engster Anlehnung an Ammonios Sakkes, der auf dem Timaos Platons fußte, lehrte Origens als Erster eine Dreigliederung Gottes und zugleich der drei göttlichen Teilganzen zueinander als Homoousios (von gleicher Substanz), Logos aus Logos. Das war zur damaligen Zeit so revolutionär für das Christentum, dass Origenes gerade zu mörderische und kriegerische Aktivitäten unter den Befürwortern und Gegner innerhalb des Christentums auslöste. Die Synthese war damit vollzogen. Origenes schafft es sogar durch seine einzigartigen und nie wieder erreichten Auslegungsmethoden, alle großen Philosophen in den Dienst des Christentums zu stellen (z.B. Platon, Aristoteles, etc.), indem er alle christlichen Sätze mit denen der Philosophen in Einklang und Übereinstimmung bringt. Endgültig und ohne Umkehr war das Christentum in der hellenistischen Welt angekommen, ja geisteswissenschaftlich verankert.
Auch wenn Tertullian gegen diesen Neuplatonismus des Christentums ankämpfte = Zitat: „Jeder unserer Handwerker hat Gott gefunden, den Platon nicht gefunden hat. Was haben ein Philosoph und ein Christ, der Schüler Griechenlands und der des Himmels, der Verfälscher der Wahrheit und ihr Erneuerer, ein Dieb und der Wächter der Wahrheit gemeinsam? Mit Christentum haben sie nichts zu tun, wohl aber mit Ohrenkitzel, Torheit, Dämonentum, und nähern sie sich einmal der Wahrheit, sei es Zufall oder Diebstahl“. (Tert.apol. 24,38,42,46; praesc. haer. 7,14; Tert.apol. 19; anima 1f.;spect.17,29; etc); und lieber dem römisch Prinzip folgte, setzte er ebenso auf eine hellenistische Karte, die Stoa. Die Nachfolger Tertullians - insbesondere Cyprian (von ihm stammt das Nazischlagwort: Der Teufel ist des Juden Vater.), haben Tertullians Thesen überarbeitet und für eine kirchliche Einheitsgemeinde zurecht geformt. Er war der Erste, der von einer Trinitas Gottes sprach und damit den römischen Staatskult dem eine Trinitas vorstand dem Christentum anglich. Lactantius, ein hausgemachter Stoiker der insbesondere in all seinen Ausführungen stark an Cicero anlehnt, gibt der Kirche endgültig den römischen Einschlag vor.
Bezeichnend ist für diese Zeit, dass man gar keinen Hel daraus machte, wörtliche Zitate der hellenistischen Philosophen zu benutzen, taten dies ja die Autoren der Johannesschriften und ein Paulus gar selbst auch. Die Rechtfertigungslehre belegt zugleich, dass man die Philosophie als göttliches Hilfsmittel verstand, und zwar überall dort, wo sie sich in das christliche Lehrgebäude einfügen lässt (Origenes). Hier wird sich, von der Kirche, auf die apostolische Tradition berufen, auf Johannes und Paulus, wie schon ausgeführt.
Deutlich wird das gesagte z.B. an Bischof Iustinus (um 165) der sich selbst als Philosoph verstand, ganz offen einen Philosophenmantel und den damals üblichen Philosophenbart trug und ganz massiv die hellenistische Philosophie dem Christentum einverleibte und erklärte, dass das Christentum der Höhepunkt der der Philosophie sei. Sein Popularplatonismus mit kräftigem philonischen - stoischem Einschlag, womit er sich selbst als apologetischer Traditionsnachfolger des Apostel Paulus legitimierte, offenbart die Entwicklung des Frühchristentums gerade zu exemplarisch. Ganz deutlich spricht dafür seine Lehre vom logos spermatikos (der befruchtende Logos) welcher von den alten Propheten schon immer verkündigt worden sei, aber durch die Dämonen verdunkelt worden sei, aber durch die Philosophie offenbar geworden sei. Er ist der Logos Christus, das Mensch geworden Wort, die reine himmlische Lehre. Hier zeigt sich nicht nur deutlich das sophistische Lehrgut, das gerade zu Wortwörtlich übernommen wurde, sondern es beinhaltet zugleich die stoische Lehre über die ablehnende Haltung zu den Kulten.

absalom
08.07.2010, 12:25
Teil 3.

Natürlich gab es auch von Seiten Hellenistischer Philosophen deutliche Worte zu der Inanspruchnahme ihrer Philosophien, Theologien und Kulte für das neue christliche Lehrgebäude.

Insbesondere in Plotin, dem größten Gelehrten der Epoche, sah das Christentum einen ernsten Gegner, der sich vorzüglich im christlichen Schriftgut auskannte. Er selbst empfand das Christentum als: „barbarische Verdrehung platonischen Lehrgutes“. Doch dem Christentum damaliger Zeit sollte noch ein größerer geistiger Gegner begegnen - Porphyrios (234-301 n.Ch.). Porphyrios war nicht nur ein Schüler Plotins sondern auch dessen Biograph. Er war geradezu ein leidenschaftlicher Gegner des Christentums und zugleich wohl auch einer der besten Kenner dessen. Er zeigte nicht nur die Widersprüchlichkeiten der Überlieferungen über Jesu auf, die sich z.B. in den Evangelien befinden, was ja schon Origenes zu erklären suchte, sondern bewies mit hohen Sachverstand, dass, das Christentum in sich ohne eigene Ideen wäre und nur aus Diebstahl vom griechischen Mythos und hellenistischer Philosophie besteht. Er nannte Paulus einen widerspruchsvollen Sophisten, da er schon in seinen Briefen widerspruchsvolles sophistisches Glaubensgut verwandte. Für ihn war das Christentum unlauter und geprägt voller Lügen. Die ersten Bücherverbrennungen der Christenheit galt den Werken des Porphyrios, den es vermochte nicht ein einziger Theologe seiner Zeit, ihn auch nur im Geringsten zu widerlegen, wie Zeitgenossen berichten. Was den genauen Inhalt seiner Werke betrifft, so wissen wir nur sehr wenig - außer aus Zitaten. Es ist davon auszugehen, dass er das Urevangelium kannte - also die historische Überlieferung über Jesus, die längst schon von der Kirche abgelehnt bzw. nur bedingt angenommen wurde. Es mag wohl dahingehend seine Begründung finden, was seine massive Ablehnung einer Göttlichkeit Jesu erklärt (Makarios 3/15 - 4/24; Halbfaß-Porphyriosschriften).
Die massiven Angriffe hellenistischen Philosophen auf das Christentum, die dazu führten das sich immer wieder massenweise Christen vom Christentum lossagten, hatte oft bedrohliche Ausmaße für diese Neue Religion angenommen und erzeugte eine Trendwende in der Theologie des Christentums. Vermehrt traten nun hochgradig geschulte Philosophen und Theologen im Dienste des Christentums auf, die nicht nur vorzügliche Kenner hellenistischer Philosophie waren, sondern mehr noch sich in dessen Mysterienkulten auskannten. Es ist die „Geburtsstunde“ der sog. „apostolischen Väter“, die maßgeblich am Werden und Wachsen einer Religion des Christentums wirkten und auch ihre neutestamentliche Redaktionsarbeit war nicht unerheblich für diesen Entwicklungsprozess.

Ein ganz klassisches Beispiel hierfür ist die Magoigeschichte des Matthäusevangeliums.

absalom
08.07.2010, 12:26
Teil 4.

Es gibt Themen in der Textforschung, da wird leidenschaftlich gekämpft, um jedes Wort gestritten und davon gibt es wahrlich viele im Bezug auf das N.T. Dann gibt es Themen, zu denen man nur wenig Aussagekräftiges hört, es sind die sog. Stiefkinder der Textforschung.

Eines davon und hier herrscht auf ganzer Bandbreite höchste Stille, ist die Frage nach den Magoi, welche zuerst zu Weisen gemacht und dann zu Königen umfunktioniert wurden. Dieses Sondergut des Matthäus wurde schon in frühester Zeit prächtig ausgemalt und zum kulturellen und volkstümlichen Event der Christenheit.

Die ernsthafte Textforschung ist sehr schweigsam (gemessen an den Forschungsergebnissen zu anderen Fachgebieten) und zeigt nur wenig Interesse an diesem Sondergut, dass noch immer eine Menge an Fragen offen lässt. Insbesondere der, wie kommt diese antike Geschichte in das Evangelium.

Ganz sicher wissen die Textforscher, dass allein schon das Wort Magoi einen ganz bitteren Beigeschmack hat, bezeichnet es doch in der jüdisch antiken Literatur eine Personengruppe, welche als Wahrsager, Dämonenzauberer und Mysteriendiener, ein Berufsstand war (JA 10/ 195, 216, de Vita Moysis 1/92). Zugleich kennen diesen Berufsstand natürlich auch die antiken Autoren und Cicero weiß z.B. von ihnen zu berichten, dass sie es waren, welche einst über Alexander den Großen eine wundersame göttliche Geburt voraussagten (Herodot Historien I 120, 128).

Selbst im N.T. taucht, neben Matthäus, diese Gruppe, noch einmal auf. Simon der Magoi (Apg. 8) und auch in Zypern findet man solche (Apg. 13). Hier jedoch mit einem beträchtlichen negativen Hintergrund. Das hier Juden als Magoi anzutreffen sind mag nicht verwundern, wenn man sich dazu Shabbat 75a anschaut, wo wir erfahren, dass es Juden in damaliger Zeit gab, die sich dieser Gruppe von Magoi anschlossen.

Doch auch im Tenach finden wir diese Magoi wieder. Hier ist namentlich Bileam benannt, der einst verkündete, aus dem Hause David wird ein Stern hervorgehen. Allerdings sind sich auch die Autoren des N.T. einig, dass Bileam nur wenig Gutes zugesprochen werden kann (2. Ptr. 2/ 15-16, Jud. 11, etc.). Das deckt sich gänzlich mit der jüdischen Ansicht über Bileam und seine Berufskollegen.

Was wissen wir über diese Magoi? Philo kennt sie persönlich und nennt ihren eigentlichen Ursprung aus Persien kommend, welche sich jedoch über die ganze „Welt“ bis nach Ägypten verbreitet haben (De vita Moysis 1/92). Dieser Aussage stimmt das N.T. zu, die ihre Verbreitung bis nach Zypern erwähnt. Philo berichtet weiterhin, dass diese Magoi hoch gebildete Wissenschaftler waren (De specialibus legibus 3, 100) Was wir auch wissen, dass es nur zwei Gruppen in der Antike gab, welche sich so bezeichneten. Zum einen die Priester des Zarathustrakultes, welche jedoch kaum die Grenzen Persiens überschritten und die Priester des Mithrashkultes, der aus dem Zarathustrismus hervorging, welche im ganzen antiken Raum – von Indien bis nach Germanien anzutreffen sind.
Die mithräischen Magoi waren ähnlich wie die altägyptischen Priester, nicht nur durch den Stand als Priesterkaste hervorgehoben (Priesterkaste der Mader), sondern Kultbewahrer und Meister auf dem Gebiet der Astronomie und Sterndeuter und ebenso auch Missionare, welche ihren Glauben an den „Sohn Gottes“ Mitrash als Weltenheiland verkündeten.
Diese Aussage bestätigt auch der Kirchenhistoriker Eusebius und Origenes (Demonstratio evangelica 9/1 + Homilie zu Numeri 13/7). Insbesondere führt Eusebius aus, dass die Magoi am kaiserlichen Hofe hoch geschätzt sind (Konstantin förderte sie ebenso zeitlebens), weil insbesondere ihre Himmelschauen und Vorhersagen als sehr zuverlässig galt. Nicht selten spielten sie im Machtpoker um den Kaiserthron von Rom eine bedeutende politische Rolle. Insbesondere dadurch gelang es ihnen den Mithraskult im ganzen Imperium Romanum zur vorherrschenden Kultreligion auszuweiten, welcher später als Sol Invictuskult zum ersten römischen Staatskult wurde.
Äußerlich waren die Magoi sehr auffällig durch ihre Rote Kopfbedeckung den phrygischen Mützen erkennbar. Mithras selbst erscheint in Fresken und Skulpturen mit dieser Mütze.
In der S.-Domitilla-Katakombe, wo eine der ältesten christlichen Darstellungen der 4 Weisen (dazu später mehr) dargestellt ist, finden sich ebenso solche Kopfbedeckungen, wie im Mithraskult üblich und gerade die Geburtskirche in Bethlehem verdankte diesem Fakt ihre Verschonung durch die Perser, da sie in ihr auch eine Kultstätte ihres Gottes erkannten.
Diese Kultbedeckung erfreute sich noch lange Zeit als Modeerscheinung und selbst die guten deutschen Gartenzwerge dürfen sich einer reformierten phygischen Mütze erfreuen.

In frühgeschichtlichen Darstellungen der Magoi schwankt die Zahl zwischen 2 und 12 Personen. Doch schon Anfang des 3. Jahrhunderts spricht der Theologe Origenes wegen der drei Gaben Gold, Weihrauch und Myrrhe von drei Männern. Jedoch erst im 6 Jahrhundert setzten sich die Dreizahl und zugleich auch die angebliche Königswürde durch. Klar ist Matthäus verschweigt die Anzahl der Personen.

Wie kommen nun genau die Magoi in das Matthäusevangelium? Hier ist sich die Forschung noch uneins und es gibt verschiedene Thesen dazu. Klar ist, dass im Ursprungstext weder etwas von der Geburt Jesu noch von den Magoi gestanden hat. Diese Texte gehen auf wesentlich spätere Traditionen zurück, welche nicht vor 100 n. Chr. entstanden sein können und wohl frühestens um 120 n. Chr. ihren Eingang in dieses Evangelium gefunden haben können. Hier liegt auch der eigentliche Hintergrund der Magoigeschichte. Ausschlaggebend dafür ist auch das Verbreitungsgebiet dieses Evangeliums.

Doch schauen wir uns erst einmal in der Antike um, ob es eine Vorlage zu dieser Geschichte gibt und man wird nicht lange suchen müssen und wir finden eine solche Geschichte wieder, nämlich aus den späten fünfzigern oder frühen sechziger Jahren des 1. Jahrhunderts, welche uns Plinius der Ältere und Casius Dio überliefert hat (Naturgeschichte des Pl. 30, 6 16 – 17 + römische Geschichte C.D. 63/1-7). Hier berichtet Plinius und Casius, dass ein großes Gefolge von Magoi, kommend aus dem östlichen Reich (Armenien) unter Führung des Königs Tiridates nach Rom zog, um den neuen Gottkönig Nero zu huldigen. Ganz abgesehen von den Huldigungsgeschenken, welche Nero in Übereinstimmung zu Matthäus überbracht wurden, ist erstaunlich, dass besagter Tross, gleich wie bei Matthäus erwähnt, auf anderem Wege zurückkehrt. Erstaunlich ist auch, dass die Sterndeuter laut Matthäus Jesus in einem Haus auffinden und nicht in einer Höhle wie bei Lukas. Dieses Haus „OIKIA“, wie es im griechischen Text heißt, ist ein Wohnhaus und kein Stall oder eine schäbige Behausung, sondern wird in antiken Texten sogar mit Kaiserhaus verwendet. Ein deutlicher Gegensatz zu Lukas!

Tatsache ist, dass der Besuch der Magoi am Kaiserhof des Nero ein außergewöhnliches Ereignis war, welcher sich mehrfach in antiken Texten widerspiegelt. Dass die Reise des Königs Tiridates dann auch noch durch Syrien – im Grenzgebiet zu Israel vorbei ging, mag letztendlich einiges erklären. Denn genau dort, in Syrien entstand das heutige Matthäusevangelium.

Doch noch ein wesentlicher Fakt ist wichtig und hieraus erklärt sich die Bedeutung der Geschichte letztendlich und schlüssig. Der Mithraskult war der schärfste Konkurrent des frühen Christentums und wir wissen aus den Kirchenvätern selbst, dass gerade diese Magoigeschichte gerade bei den Mithrasanhängern nicht ohne Einfluss blieb. Hier ist sich dann letztendlich die Forschung auch einig, diese Geschichte ist eine Missionsgeschiche, welche ursprünglich auf eine ganz bestimmte Gruppe abzielen sollte, welche ihre intensivste Verbreitung gerade in Syrien fand, den Mithrasanhängern. Doch noch ein Fakt ist hier nicht außer Acht zu lassen und dieser ist mit dem Namen Nero eng verbunden. Nero, der als erster Kaiser dem jungen Christentum Grenzen setzte, wird die Huldigung Jesu entgegn gehalten, so zusagen als Pandon und Vis a Vis. Jesus ist der wahre König von Gott bestimmt und nicht Nero. Und genau dieser Fakt wird von späteren Kirchenvätern aufgegriffen, welche die Magoi des Nero als „von Dämonen beschwatzte“ bezeichnen.


Ich meine, eine denkwürdige Geschichte.
Aus dem Hintergrund, dass die Evangelien, so wie wir sie heute vor uns liegen haben, in erster Linie Missionsschriften sind, ist es eine gängige antike Praxis, welche uns hier begegnet. Selbst die römischen Kaiser änderten die Geschichte zu ihren Gunsten und da nahmen sie schon Anlehnung bei den alten Ägyptern (Ramses II), der propagandistisch verloren Kriege zu Siegen umzumünzen wusste.

absalom
08.07.2010, 12:27
Teil 5.

Im Verlauf von einhundert Jahren schaffte es das Christentum sich so der hellenistischen Philosophie zu bemächtigen, dass es kaum noch ernsthafte Gegner aus diesem Spektrum gab. Viel mehr tobte der innerkirchliche Streit zwischen Hellenisten und Lateiner. Neben dem Streit um die kanonischen Schriften, tobte besonders ein Machtkampf unter dem in sich gespaltenen Christentum um die Vorherrschaft. Dies ging sogar soweit, dass 217 n.Ch. ein heidnische Kaiser in die Tumulte einschreiten musste, weil er das öffentliche Leben in Rom gestört sah.
Ein Bild wird uns von Celsus überliefert, welches hier Beispielhaft angeführt werden soll. So berichtet Celsus im späten 2. Jahrhundert, als sich gerade die katholische Kirche konstituiert: „Seit die Christen zu einer Menge angewachsen sind, entstünden unter ihnen Spaltungen und Parteien, und ein jeder wolle sich - denn danach trachten sie von Anfang an - einen eigenen Anhang schaffen. Und infolge der Menge trennen sie sich wieder voneinander und verdammen sich dann gegenseitig; so dass sie sozusagen nur noch eins gemeinsam haben, nämlich den bloßen Namen - im übrigen hält es von den Parteien diese so und jene anders“. (Orig. c. Cels. 3.10) So opferten die einen Christengruppen ohne innere Glaubenskonflikte römischen Kaiserbildern, wenn es von ihnen gefordert wurde, wofür andere hingegen ihr Leben ließen, weil sie es nicht mit ihren Glauben vereinbaren konnten, Kaisern göttliche Huldigungen zu erteilen. Ob so oder so, sie alle nannten sich Christen und beriefen sich auf die Bibel und die wahre Ecclesia zu sein. Für die einen war es Gehorsam gegenüber der Obrigkeit, für die anderen Götzendienst. Es mag nicht verwundern wenn wir erstaunt feststellen müssen, dass es nie eine wirklich große - alle Gläubigen umfassende Christenverfolgung durch das ganze römische Reich gab, gleich wohl wir von den Kirchen anderes schon gehört haben. Es gab regionale Verfolgungen die im Wesentlichen aber davon abhing, welche Prägung diese Christengruppen hatten.

Im frühen 3. Jahrhundert kennt Bischof Hippolyt von Rom 32 konkurrierende christliche Sekten. Am Ende des 4. Jahrhunderts nennt Bischof Philaster von Brescia 128 christliche Sekten und 28 Häretikerpartein.


Der Historiker Carl Schneider berichtet über diese Zeit: ”...Nach dem Vorbild der Philosophenschulen suchten diese Bischöfe (z.B. von Rom) sich durch Traditionsketten zu legitimieren, die möglichst bis hin zu den Aposteln reichen sollten. Dieses Verfahren unterscheidet sich in nichts von dem Bestreben späterer Philosophen, zu Sokrates, oder späterer Herrscher, zu Alexander (dem Großen - Herrscherideal der römischen Cäsaren) die Verbindung zu knüpfen. So entstanden nicht nur gefälschte Bischofslisten, sondern auch die Behauptung, dass Tradition die Reinheit der apostolischen Lehre garantiere. ... Aber die Kämpfe verlagerten sich nur auf andere Ebenen und wurden umso heftiger, je mehr Anhänger der Philosophenschulen und andere Gebildete Christen wurden. Ihnen gegenüber fühlten sich aber die kleinen Handwerker, Sklaven, Ungebildeten, denen das Christentum ein starkes Selbstbewusstsein gegeben hatte, als wahre Philosophen; teilweise wurden sie sogar noch bildungsfeindlicher, je mehr sie Bibelworte und oft unverstandene Begriffe verwenden konnten. Die Streitigkeiten, deren Leidenschaftlichkeit wuchs, hatte im Osten mehr spekulative, im Westen mehr praktische Gründe. Aber scharf lässt sich das nicht trennen. Überraschend ist nur, mit welcher Gehässigkeit sie ausgefochten wurden, besonders in den Zeiten, in denen die Kirche vom Staat in Ruhe gelassen wurde. Bischöfe und Laien, die wie Dionysios von Korinth (ca. 170), sich ehrlich um Frieden bemühten, waren selten und hatten wenig Erfolg. Es gab schon im 2. Jahrhundert zu viele Bischöfe, die ihre Macht besonders über die kleinen Kreise mit dem Charisma veritalis verwechselten” (Prop., Bd. 4-S. 456).

Diese beiden Formen - die hellenistische und lateinische Theologie - der Neuplatonismus und die Stoa, werden zum Maßstab der Kirche, vor der großen Wende – mit der das Christentum seinen Aufstieg zur Staatsreligion begann. Notwendige Reformen dazu waren noch nötig, doch der Weg dahin wurde durch die Theologie geschaffen, die es ermöglicht hat jüdisches Glaubensgut und messianische Hoffnungen, so der antiken Welt anzupassen, dass es die Welt erobert. Der Preis dafür war allerdings sehr hoch, die Verleugnung seiner Herkunft aus dem pharisäischen Judentum, die Verteufelung allen israelitischen und die Verketzerung des Judentums. Es mag nicht erstaunen, wenn z.B. auf der Synode von Elvira (306) es unter strengster Strafe untersagt wird, mit Juden zu essen, Mischehen einzugehen, ja der Kontakt mit Juden den Ausschluss von der Kommunion bedeuteten kann (Syn.Elv.c.16:49;78,etc.). Das Christentum ist hellenistisch geworden und begann mehr und mehr seine israelitischen Wurzeln nicht nur zu verleugnen, sondern zu beseitigen. Nicht nur Kult und Feiertage betraf dies, sondern ganz besonders den Juden Jeschua, der zum hellenistischen Jesus Christos wurde, ein Begriff, den das Judentum so nie kannte.

Noch heute können wir die antiken Bildnisse des Jesus Christos sehen, welcher mit dem Strahlenkranz des Sol-Invictus (römischer Staatsgott) und als Imperator Rex (göttlicher römischer Weltenherrscher), die neue Religion zum Siegeszug in Europa führte. Mit einem jüdischen Rabbi aus dem Dorf Nazareth wäre ein solcher Erfolgszug zu einer religionspolitischen Weltmacht, die letztlich zum einzigen Erbe des Imperium Romanum wurde, nicht zu machen gewesen. Es bedurfte der Integration der antiken Kulturen und Religionen, um diese Erfolgsgeschichte schreiben zu können. Allein das Christentum bot diese integrative Kraft an und hierin liegt das Geheimnis der Erfolgsgeschichte, die auf einem anderen Erdteil ein Mann Namens Mohamed kopierte und dort ebenso zum Erfolg führte. Das integrative Prinzip ist bei beiden Religionen, dem Islam und dem Christentum völlig identisch.

Martin
08.07.2010, 12:30
Lieber Absalom,
wieder meine herzlichsten Dank und für die heissen Tage wünsche ich dir einen leichten kühlen Wind.
LG Martin

absalom
08.07.2010, 14:08
Lieber Martin, gerne doch!

Ich werde mich ab nächster Woche einmal für 5 Wochen in den Urlaub versenden. &hurra

Zumindest habe ich mir selbst versprochen kein Buch anzurühren!

Dir auch einen schönen Sommertag!

Absalom

Martin
08.07.2010, 22:03
Hi Absalom,
eine schönen Urlaub wünsche ich dir. Der Vorsatz kein Buch anzurühren impliziert eine erhöhte durchschnittliche Lesebereitschaft. Na dann, : -)
Ich habe noch 14 Tage bis zu meinem Urlaub. Ich werde im August eine Woche in Taize verbringen. Ich freue mich scon drauf.
LG Martin

Obertonmusik
08.07.2010, 22:24
@Absalom und
Martin

&hängematte

Schönen Urlaub !

absalom
09.07.2010, 00:25
Hi Absalom,
eine schönen Urlaub wünsche ich dir. Der Vorsatz kein Buch anzurühren impliziert eine erhöhte durchschnittliche Lesebereitschaft. Na dann, : -)
Ich habe noch 14 Tage bis zu meinem Urlaub. Ich werde im August eine Woche in Taize verbringen. Ich freue mich scon drauf.
LG Martin

Dann wünsche ich dir eine besonders innige und besinnliche Zeit!

Absalom

Ps.: Ich bin lesesüchtig ggg

absalom
09.07.2010, 00:25
@Absalom und
Martin

&hängematte

Schönen Urlaub !

Vielen Dank!

Mirjamis
09.07.2010, 09:47
Lieber Absalom,
ui, 5 Wochen, so lang bekam ich nie Urlaub.
Gute Erholung und eine ganz schöne Zeit wünsche ich dir.

Auch dir, Martin, wünsch ich eine gute, gesegnete Woche in Taize.

luxdei
09.07.2010, 18:22
Lieber Martin, gerne doch!

Ich werde mich ab nächster Woche einmal für 5 Wochen in den Urlaub versenden. &hurra

Zumindest habe ich mir selbst versprochen kein Buch anzurühren!

Dir auch einen schönen Sommertag!

Absalom

Lieber Absalom,

fünf Wochen kein Buch? Na ja. Kannst ja mal schreiben, ob´s geklappt hat.
Jedenfalls einen wunderschönen Urlaub und gute Erholung wünsche ich.

Gruß
LD

Fisch
09.07.2010, 20:47
Lieber Martin, gerne doch!

Ich werde mich ab nächster Woche einmal für 5 Wochen in den Urlaub versenden. &hurra

Zumindest habe ich mir selbst versprochen kein Buch anzurühren!

Dir auch einen schönen Sommertag!

Absalom

Ich habe ja eine große Vorstellungskraft - aber sie reicht nicht aus - dich ohne Buch, das kann ich mir echt nicht vorstellen.

Ich wünsche dir 5 gute Wochen.

Grüßle
Fischi

absalom
10.07.2010, 17:29
Ach ja... erwischt &beobachten

poetry
10.07.2010, 17:34
:) Ich habe 2 Wochen ohne Notebook, Netbook, PDA und Handy ausgehalten - dafür habe ich Bücher fast verschlungen.

Martin
10.07.2010, 21:12
Lieber Absalom,
ui, 5 Wochen, so lang bekam ich nie Urlaub.
Gute Erholung und eine ganz schöne Zeit wünsche ich dir.

Auch dir, Martin, wünsch ich eine gute, gesegnete Woche in Taize.

Liebe(r)? Mirjamis,
vielen lieben Dank dafür. Wir starten am siebten August. Ich freue mich schon auf Taize. Es ist für mich ein tolle Begegnungsstätte der besonderen Art. Ich fungiere dort unter anderem als Aufsichtsperson für die Firmgruppen aus unserer Gemeinde und lasse mich überraschen welche Aufgaben noch auf mich zu kommen.
Herzlich Martin

Obertonmusik
11.07.2010, 00:49
:) Ich habe 2 Wochen ohne Notebook, Netbook, PDA und Handy ausgehalten - dafür habe ich Bücher fast verschlungen.

Ich besitze solche Sachen gar nicht -
aber trotzdem, das ist beachtlich !!!
Liebe Grüße

godelind
11.07.2010, 01:52
Ich bin stolzer Besitzer eines Handys,alles andere brauch ich nicht schäm
Wobei mein Handy kann weder Kaffee kochen,einen Verband anlegen,Wasser holen noch mich trösten
Da lob ich mir die Menschen die mich in den Arm nehmen,ein Pflaster auf meine Wunde pappen,und im Zeitalter all dieser technischen Errungenschaften es noch fertigbringen einen Brief zu schreiben oder eine Postkarte zu schicken.
Ohne Hilfsprogramme wissen wie man schreibt,das einmal eins können und statt ner mail oder sms einfach da sind.
Und Ihren Weg zu mir finden ohne tom tom oder so.
Die einfach noch wissen wie man gradeaus geht,das 2 und 2 gleich vier sind ohne einen minicomputer fragen zu müssen.
Die es morgens schaffen sich die zähne ohne elektrobürste zu putzen.
Und wenn grad irgendeine technische Errungenschaft nicht zur Hand,noch fähig sind ein Telefonbuch zur Hand zu nehmen,um die Nummer eines Menschen rauszufinden,der ihnen wichtig ist.
Wie einfach doch das Leben sein kann,wenn man will

poetry
11.07.2010, 11:22
OK, ich muss gestehen - ich bin ein Technikjunky. Ich liebe all diese kleinen, prozessorgesteuerten Teilchen und kann mich an so manchem blinkend-piependem Ding echt erfreuen.

Aber ich nehme auch Pflaster ;) und schreibe Postkarten mit so 'nem spitzen Ding (nennt sich Füllfederhalter) und meine Bücher sind noch aus Papier.

:-) poe

Ingo
11.07.2010, 12:54
Schönen Urlaub, lieber Absalom und erhole Dich gut!!!

Ingo

Mirjamis
04.08.2010, 15:30
Bin schon gespannt, wie es weitergeht.

Na, Absalom, hast du es auch wirklich ohne Bücher so lang ausgehalten??????

absalom
04.08.2010, 18:22
Liebe Mirjamis, noch etwas Geduld, noch habe ich Urlaub und die Bücher ja - hm - hat nicht so funktioniert. &buch

&affe

Absalom

absalom
17.08.2010, 15:49
Abschlussbetrachtungen zum Thema Hellenismus und Christentum

Teil 1: Eine Erblast der Geschichte
Teil 2: Satan ist an allem Schuld



Teil 1

Ohne Zweifel, Geschichte kann eine ganz furchtbare Erblast für spätere Generationen sein. An der jüngsten Deutschen Geschichte, die einst von einem dritten Reich träumte, zeigt sich, wie diese bis in unsere Zeit uns prägt. Und hier ist nicht nur der Focus auf Deutsche begrenzt, sondern auf alle Menschen, egal ob in Europa, Amerika, Asien, Afrika oder sonst wo. Der 2. Weltkrieg hat nicht nur Landesgrenzen neu gezogen, sondern hat sich geschichtswirksam im Bewusstsein der Menschheit eingeprägt.

Geschichte ist immer Geschichtswirksam für spätere Generationen. Wie ein Brandsiegel tragen wir Geschichte in uns. Geschichte ist Träger unserer Kultur, unseres Brauchtums, unserer religiösen Vorstellungswelten, ja sie ist Träger unserer Identität und unseres Selbstverständnisses als Volk oder Nation. Wir selbst sind nicht nur Bestandteil von Geschichte, sondern wir selbst sind Gestalter von Geschichte.
In seiner unvorstellbaren Schöpfungskraft gedachte „Gott“ einst uns Menschen diesen Part zu, wir sollen Geschichtswirksam sein. Unser Verhältnis zu Gott ist Geschichtswirksam, wir schreiben Geschichte mit Gott – im wahrsten Sinn des Wortes. Die Unzahl heiliger Büchlein sind allein schon dafür Zeugnis genug.
Doch „schreibt“ Gott mit uns Menschen auch Geschichte? Ist Gott geschichtswirksam, wie nur allzu bereitwillig alle Religionen bekennen und ihr Dasein auf Gott zurückführen? Ist der Zeitlose, Unfassbare, Allmächtige „DASEIENDE“ wirklich Bestandteil unserer Geschichte, unserer Entwicklungen, unserer Religionen, unseres Handeln und Tun, unserer Kriege und Friedenschlüsse, unserer Irrungen und Verwirrungen, unserer Barmherzigkeit und Liebesfähigkeit, etc? Ist Gott mitschuldig an dem elenden Versagen unserer Menschheit, welche sich wohl ehrende ethische und religiöse Ziele gesetzt hat und doch kläglich im Alltag an diesen scheitert? Ist Gott mitschuldig an der Verarmung des Großteils der Menschheit, der Korruption von Gesellschaftssystemen, der Unmenschlichkeit in sog. Verteilungskampf um die Ressourcen der Welt, an kriegslüsternen Treiben von Regierungssystemen oder Diktatoren, an Religionskriegen und Glaubenskämpfen, an Hochreligionen und ihren Machtgelüsten, etc?

Man möchte vorab gleich Nein sagen, Gott in diese Menschheitsgeschichte zu integrieren, man möchte diesen „heiligen Gott“ nicht mit der Geschichte der Menschheit in Verbindung bringen, man möchte Gott nicht diese Irrungen und Verwirrungen zugestehen, man möchte eigentlich Gott aus Allem heraus halten, so der subtile Gedanke. Was hat Gott mit dieser Geschichte der Menschheit zutun, was für eine Geschichtswirksamkeit kann dieser „Gute und Heilige Gott“ in dieser Menschheitsgeschichte offenbart haben?

Der Kreis schließt sich, wenn man eben genau diese ganz heiligen Büchlein und Schriften nimmt, von den alten Hochkulturen angefangen bis in unsere Zeit hinein und nachlesen kann das genau diese Geschichtswirksamkeit auf Gott zurückgehen soll. Das fängt an bei der Auserwählung heiliger Völker – nicht nur Israel verstand sich so, sondern auch die Ägypter, Babylonier, Sumerer, Griechen, Römer, etc -, bis hin zu Gesetzes- und Gebotskodexen und Kriegsbefehlen – bis hin zum Völkermord. In allen diesen alten und neueren Kulturen und Religionen findet sich für das Handeln der Menschen die Begründung in Gottes Anweisungen.

Auf der anderen Seite finden sich aber ebensolche Anweisungen wieder, die das Ethos des Menschen in besonderer Weise hervorheben. Die Liebesfähigkeit des Menschen, die Friedfertigkeit und die Barmherzigkeit des Menschen.

Es verwundert nicht, dass schon sehr früh gelehrte Beobachter heiliger Schriften diese unvereinbaren Kontraste zwischen gebotener Nächstenliebe und Mordbefehlen feststellten und sich fragten, welche Zwiespältigkeit das Göttliche in sich trägt. Die Antworten waren ganz unterschiedlich und zeigen den Einfallsreichtum menschlichen Geistes und doch zeigt es auch unsere allzu menschliche Herangehensweise an diese Thematik.
So wurden „Gott“ sog. Gegengötter angedichtet, welche die guten Absichten des einen Gottes durch andere Götter aus der Götterfamilie zu Nichte machten. Diese Ansicht, die menschliche Eigenschaften auch auf das Göttliche projiziert, findet sich in allen alten Hochreligionen. Oder aber „Gott“ wird ähnlich eines Schauspiels zum Schauspieler, der sich ganz verschiedene Masken aufsetzen kann um seinen Gelüsten oder gar Bedürfnissen entsprechendes Antlitz zu geben. Diese Form der Gottesdarstellung findet insbesondere seit der hellenistischen – philosophischen Epoche eine besondere Gewichtung. Ein weiterer Aspekt ist die Vermenschlichung Gottes, indem sich Götter mit Menschen vereinigen, oder auf wundersame Weise erzeugen. Eine Praxis, die schon bei den alten Pharaonen gang und gebe war, indem sich Gottheiten in Form von Geistbefruchtung selbst ein irdisches Antlitz gaben.

Bei all diesen Formgebungen des Göttlichen kommt ein ganz wesentlicher Punkt zum tragen, es ist die Einbeziehung des Göttlichen in die menschliche Geschichte. Das Göttliche wird auf unsere dimensionale Seinsweise projiziert und für unsere ganz eigene Geschichte vereinnahmt. Das Göttliche wird menschlich, dass Menschliche wird göttlich. Gott wird Mensch und Menschen werden zu Göttern. Die Geschichtswirksamkeit unseres Daseins wird zur himmlischen göttlichen Dimension erhoben und damit aus den irdischen Dimensionen enthoben. Menschliches Tun und Handeln wird zur Göttlichkeit erklärt und somit legitimiert, Geschichte, sei sie noch so Schlimm in ihren Folgen, wird zum göttlichen Akt erhoben, Gott wird zum Täter an der menschlichen Geschichtswirklichkeit. Zorn und Rachegelüste werden diesen Göttern ebenso angedichtet wie Kriegslust und Völkermord. Ja selbst göttliche Liebesakte und göttliche Zwangsschwängerungen sind im Bereich des Möglichen und hier ist Maria nicht die einzige Frau, die für solche Ideen herhalten muß wie uns antike Heldenepose erzählen. Bei Göttern scheint alles möglich zu sein und so steht der Mensch im Spannungsfeld dieser göttlichen Spiele.
Die Griechen ersannen dafür sogar eigene Theaterstücke, die auf sehr eindrucksvolle Weise den Menschen in diesem Schauspiel göttlicher Macht darzustellen wissen. Helden leiden für göttliche Ideen, Menschen werden zum Spielball innergöttlicher Machtkämpfe, böse Götter verführen Menschen um guten Göttern zu schaden, gute Götter verführen Menschenfrauen, um sich Helden zu erschaffen, etc. Das Spektrum an Erklärungskünsten reicht weit in die Tiefen menschlicher Phantasie und Vorstellungskraft.

All diese Denkmodelle, ob nun zelebriert in sog. heiligen Theatern, Kultritualen, heiligen Büchlein, oder in Geschichtserzählungen anderer Art, sind Zeugnis dafür, wie begrenzt der Mensch in seiner Umwelt – dem irdischen Dasein – ist. Es zeugt davon, wie ärmlich unsere dimensionale Seinsweise ausgeprägt ist, es zeugt davon, wie irdisch unser Verstehen von nichtirdischen Verhältnissen ist, es zeugt davon, dass wir Menschen sind.
Schaut man in die Religionsgeschichte der Menschheit zurück, so finden sich immer wieder die gleichen Formen der Darstellung göttlichen Seins. Von der Frühzeit bis in unsere Zeiten hinein hat sich daran absolut nichts verändert. Wir können offenbar nicht anders, als in immer wieder den gleichen Formen Ausdruck auf unsere existenziellen Fragen nach dem Göttlichen geben, indem wir Gott zum Menschen deklassieren und somit auch dessen Handeln und Tun vermenschlichen.

Es scheint für den Menschen inakzeptabel zu sein, dass eventuell Gott eben nicht Geschichtswirksam ist, sondern Gott den Menschen einfach nur Mensch sein lässt. Das dieses unfassbare Wesen, warum auch immer, ein Wesen erschaffen hat, das autonom und mündig in begrenzten Raum und Zeit leben muß. Es scheint unvorstellbar zu sein, dass der Mensch in seinem Wesen boshaft und grausam sein kann, aber ebenso gutmütig und liebevoll und das eben dieser Mensch täglich vor der Entscheidung steht, ohne Gott die richtigen Wege für ein gemeinsames Dasein zu finden. Wie schwer fällt es dem Menschen doch, seiner inneren Ethik und seiner inneren Herzenseinsicht Gehör zu verschaffen, wie schwer ist es doch, die Welt in der wir leben nicht als Eigentum zu betrachten, sondern als Aufenthaltsort auf Zeit, den wir gemeinschaftlich begrenzt „Paradiesisch“ gestalten könnten, wenn wir es denn wollten. Wie schwer ist es doch für uns zu verstehen, dass wir diese Erde mit anderen Lebewesen fair teilen müssen, Unwidrigkeiten nicht als schädlich, sondern Naturgegeben und als Chance zu verstehen, unser Dasein nicht als Non Plus Ultra zu definieren, sondern als Teil vom Ganzen zu definieren. Wie schwer ist es doch, unser Dasein tagtäglich zu reflektieren und Kurskorrekturen vorzunehmen. Um wie viel einfacher ist es doch, Gott zum Zeugen unseres Exklusivstatus zu erklären, unser Tun und Handeln durch Gott zu legitimieren, Gott zum Schöpfer widernatürlicher Gebotsvorschriften oder gar Gesetze zu berufen und all das letztlich deshalb, damit wir in „würdevoller“ Macht leben dürfen über Alles und Jeden, ja sogar letztlich über das Göttliche. Wir schrecken nicht davor zurück, Gott zu vermenschlichen um ihn zum Sündenbock unserer Unzulänglichkeiten zu machen oder noch viel einfacher, Gott seltsamste Opferpraktiken unterzujubeln, damit unsere Verfehlungen unser Gewissen nicht belasten. Gott darf natürlich auch unsere innigsten Machtwünsche äußern und folglich darf Gott zu Ausbeutung, zu Mord und Totschlag ja sagen und wenn es der Sache Gottes oder seiner Diener dient. Wie einfach ist es doch für den Menschen mit einem Gott zu leben, es hat faktisch für Täter und Opfer unglaublich viele Vorteile. Nicht der Mensch selbst steht im Focus seiner Handlungen, sondern immer Gott, der Tätern und Opfern auf gleiche Weise dienen darf. Dem Einen gibt er die Rechtfertigung, den Anderen die Erlösung.

Dieser Universalismus zieht sich wie ein rotes Band durch alle Religionen, gleich welcher besonderen Ethik man huldigt, denn die Ziele sind letztlich immer die Gleichen. Was sich ändert sind nicht einmal die Argumente, sondern die Verpackung und Vermarktung solcher Ansichten.

Als schlaue Menschen – angelehnt an antike Denker – vor über 300 Jahren zu der Schlussfolgerung kamen, der Mensch dreht sich seit Jahrtausenden im Kreis seiner geschichtlichen und ethischen Entwicklung und die Religionen als hausgemachten Feinde der Menschlichkeit erkannte (Humanismus), ersann man neue Wege. Anfänglich noch mit Gott, schon bald gegen Gott und dessen Religionssysteme, glaubte der Mensch ein Gesellschaftssystem aufzubauen, welches ohne Gott und ohne Religionen, jedoch letztlich mit gleichem ethischem Ansatz, ein neues Kapitel der Menschheitsgeschichte aufschlagen wird. Große Denker entwarfen kühnste Strategien um der Menschheit das zu bringen, wonach sich die Menschheit sehnt. Frieden, Liebe, Gerechtigkeit, etc wurden zu den Schlagwörtern dieser Epoche. Wie wir wissen, all diese Visionen scheiterten bis zum heutigen Tag an einem wichtigen Kriterium. Am Menschen selbst und seiner Unmenschlichkeit und Gläubige behauten darüber hinaus steif und fest, an Gott. Das Scheitern all dieser Bewegungen löste zwei ganz unterschiedliche Dinge aus. Zum einen wurden Menschen wieder mit ihren kulturellen und religiösen „Wurzeln“ konfrontiert, die Sicherheit und Geborgenheit in einer „heillosen“ Welt anbieten. Zum anderen wurden Menschen zu einem ganz alten „Gott“ hingezogen, der Materialismus heißt, handfest ist und ebenso Geborgenheit gibt. Losgelöst von jeglicher Religion und deren Konventionen lebt es sich offensichtlich etwas skrupelloser und leichter, gleich wohl diese Menschen nicht erahnen, dass genau dieser Materialismus eines der Grundgüter einer jeden Religion ist. (Ich persönlich kenne keine arme Religionsgemeinschaft.) Diesen „Gottlosen“ geht es folglich um Macht, Einfluss, Gewinn und gesellschaftliches Ansehen, etc und hier unterscheiden sie sich erstaunlicher Weise nicht von Religionen und ihren Anhängern – egal zu welchen Zeiten und an welchen Orten diese Geschichtswirksam waren.

Der Mensch dreht sich im Kreis und endet immer dort, wo seine Geschichte beginnt, beim Menschen selbst und seinem Menschsein.
Doch zurück zu Gott. Gott, der diese ganz spezielle Spezies Mensch erschuf und nur das Gute im Sinn hatte, kann unmöglich den Menschen so schlimm geschaffen haben wie er ist bzw. wurde. Es muß folglich einen ganz tiefen Grund für die tiefen Abgründe selbst heiligster Menschen geben. Wie anders lässt sich erklären, dass ein heiliger Elija zum Massenmörder wird, ein heiliger David ebenso, ja selbst ein heiliger Jesus Gottes Ebenbildlichkeiten als Hunde und Schweine bezeichnen kann, nur weil sie Nichtjuden sind. Natürlich, es gibt das Argument, sie sind ja Auserwählte und die dürfen das, weil Gott es so will. Und Natürlich, auch Heilige dürfen einmal über die Stränge schlagen, und sicher, man muß das Böse bekämpfen. Art und Weise bestimmen ja nicht die Menschen, sondern Gott bei Auserwählten. Die Legitimation von Verbrechen an der Menschheit bedurfte bisher noch nie weniger als eines heiligen Auftrags. Ob biblisches Massenabschlachten, Kreuzzüge oder heilige Pflichterfüllung für Gott und Vaterland in Kriegen. Die Legitimation ist wichtig und welche wäre besser geeignet als Gott? Ja, fast alle Gesellschaftssysteme berufen sich via Eid auf Gott und in verantwortlicher Treuerfüllung. So ist legitimiert, was legitimiert wurde.

An und für sich wäre diese Sache in Ordnung, wenn es da nicht etwas gäbe, womit jeder Eid, jeder Treueschwur, jeder Dienst, jeder Krieg und Frieden, etc konfrontiert würde, die Geschichte. Sie erscheint trotz will fähiger Hingabe zur Geschichtsfälschung und Deutung, wie ein altes Vehikel aus den Urzeiten der Menschheit, dass man nicht abschütteln kann. Wir brauchen Geschichte, wir brauchen unsere Menschheitsgeschichte. Wir brauchen sie zur Reflektion und zur Standortbestimmung, wir brauchen sie als Lehrbuch und als Wegbereiter. Doch diese Geschichte ist blutig, leidvoll, ungerecht, sich wiederholend und für alle Generationen tödlich.
Wie passt ein Gott in diese, so für alle tödliche, Geschichte. Hier und allein nur hier stellt sich die jahrtausende alte Frage nach dem Warum des Menschseins. Warum sind wir so wie wir sind, warum hat uns ein Wesen in ein solches Dasein gestellt, warum kann der Mensch nicht anders wie er es seit Jahrtausenden tut.

Für Religionen – von ihren Anfängen bis Heute, ist die Antwort relativ einfach und je schlimmer die Geschichtsprozesse, je klarer und vehementer die Antwort.

Es folgt Teil 2

Martin
19.08.2010, 21:33
Lieber Absalom,
vielen vielen Dank für deinen Beitrag. Er bringt mir soviele Perspektive über Kulturen und das einige Leben zu Tage. Das ist wirklich sehr gut!
Wenn uns Gott etwas ins Herz gelegt hat so meine ich zu erkennen, dass es bei dir zu finden ist. - L.G. Martin

absalom
20.08.2010, 13:24
Lieber Absalom,
vielen vielen Dank für deinen Beitrag. Er bringt mir soviele Perspektive über Kulturen und das einige Leben zu Tage. Das ist wirklich sehr gut!
Wenn uns Gott etwas ins Herz gelegt hat so meine ich zu erkennen, dass es bei dir zu finden ist. - L.G. Martin

Lieber Martin, ich bin nur ein Suchender....

Absalom

absalom
20.08.2010, 13:25
Teil 2


Wir sprechen Gott frei von aller Schuld oder Mitschuld, Gott spricht uns frei von aller Schuld und Mitschuld.
Theologisch und philosophisch gesehen geschieht genau dieser Sachverhalt eigentlich in allen großen Religionen und Religionsphilosophien.

Der Mensch steht vor einem ganz großen Dilemma bei der Analyse seiner Menschheitsgeschichte. Zum einen lebt der Mensch in einer Welt, in der er sich so unwohl fühlt, dass er diese ständig für seine Bedürfnisse umformen, bekämpfen und zerstören muß. Er ist unglücklich mit seinem Wesenszustand, der unvollkommen und sterblich ist. Darüber hinaus ist ihm die Welt viel zu klein, er braucht mehr, viel mehr, unendlich viel mehr. Mehr Land, mehr Wohlstand, mehr Befriedigung seiner Gelüste und vor allem eine umfassende Wunscherfüllung. Dabei sind ihm jedoch viele Hindernisse im Weg. Zumeist ist es erst die Natur, dann die Naturbewohner und letztlich sind es seine Artgenossen selbst, die störend sind.
Es bleibt jedoch die Gewissheit für den gläubigen Menschen, Gott stellt uns genau in dieses Dasein und wir müssen uns diesem – unserem Dasein stellen.
Die ethischen Fragen nach Leid und Ungerechtigkeit, nach Sinn und Unsinn unseres Daseins, nach Leben und Sterben stehen seit Anbeginn der Menschheitsgeschichte ungelöst im Raum und man mag Gott gar nicht so Recht verstehen wollen, warum wir uns selbst ausgesetzt sind, warum soviel Böses durch uns geschieht, warum wir so sind wie wir sind, warum wir sterben müssen, oft jung und schuldlos, etc, etc. All diese Fragen gipfeln letztlich in allen Religionen darin, dass man nach Ursachen sucht, die nicht bei Gott zu liegen scheinen, gleich wohl er als Schöpfer dieser Erde und uns Menschen angesehen wird. Also folglich auch alle Unvollkommenheit und auch die Sterblichkeit. Wie kann das aber sein, wenn uns Gott auf der anderen Seite, ebenso durch alle Religionen, einen gewissen ethischen und moralischen Lebenswandel offenbart, der für ein Minimum an gemeinsamen und friedlichen Zusammenleben notwendig ist. Hätte Gott bei seiner Schöpfung nicht all die Widrigkeiten bedenken können, die Zukunft unseres Handelns absehen können, Gott uns vor uns selbst schützen müssen? Was ist das für ein Gott, der sich darüber beklagt, in heiligen Büchlein, wie schlimm die Menschen sind, gleich wohl er selbst diese Menschen so geschaffen hat wie sie sind?
Die Antwort aller Religionen ist relativ simpel und einfach auf diesen Sachverhalt und es erstaunt nicht, dass diese Antwort schon lange vor der Bibel oder einem Koran oder anderen heiligen Schriftlein gegeben wurde. Die älteste schriftliche Antwort findet sich auf Keilschrifttafeln in Sumer und diese Antwort scheint bis heute nichts an Kopierungsbedarf verloren zu haben, findet sie sich doch in allen Religionen wieder. Nicht Gott hat Schuld, an unserer irdischen Realität des Menschseins, denn Gott hat uns gut erschaffen, es war ein Antigott und der Mensch selbst, der diesen menschlichen Zustand der Unvollkommenheit und Sterblichkeit verursacht hat. Diese Antwort scheint in sich so logisch zu sein, dass man lange Zeit damit gut leben konnte, ja es geradezu ein Befreiungsschlag des Gewissens für alle Untaten war, denn wir sind ja nur verführte und unvollkommene Wesen, auf die man mit göttlicher Barmherzigkeit schauen müsse. Wir sind die Opfer und deshalb sind wir Täter. Wir sind Mächten ausgeliefert, die weit größer sind, Göttlich sind, als wir und uns arme kleinen Menschen zum Spielball ihrer Machtgelüste machen. Wir können eigentlich nichts dafür, dass wir sind und wie wir sind.
Doch irgendwann stellte sich die Frage, wo kommt dieser Antigott denn her, warum hat Gott diesen geschaffen oder nicht vernichtet, damit wir Menschlein in Frieden mit uns selbst und Gott leben können. Es folgte der nächste theologische Schachzug, der das Freiheitsideal Gottes betont und in der Bibel auch seinen Niederschlag fand, ich lege euch Leben und Tod vor, Segen oder Fluch. Frei sind wir Menschen nun also, frei zu wählen, frei zu sein in unseren Entscheidungen für Gut oder Böse und deshalb muß es ein Positiv (Gott) und ein Negativ (Antigott) geben. Frei sind wir jedoch nur solange, solange wir die Freiheit haben frei zu sein und wer ist schon frei?
Die Frage, warum es eine solche Freiheit (Scheinfreiheit) gibt, was diese uns nützt und vor allem wo diese denn je zum Guten hingeführt hätte bleibt unbefriedigt beantwortet. Der Gedankenansatz, Gott möchte mündige und freie Menschen und nicht Marionetten ist in sich logisch, doch zugleich fragwürdig, denn war es nicht selbiger Gott, der Machthierarchien befürwortete, die von Sklaverei bis hin zur Deklassierung der Frauen reicht, die Könige und Oberpriester als Führungspersönlichkeiten bevorzugt und andere zu Dienern derer abstuft, vom Kastensystem wollen wir da gar nicht erst sprechen. War es nicht selbiger Gott, der sog. Religionsriten einführte, damit Menschen sich in ein Religionssystem einfügen und darin unterordnen, angefangen bei der Beschneidung bis hin zu Glaubensvorschriften? Mit Mündigkeit und Freiheit hat all das nur wenig zutun. All das sind nur kleine Andeutungen auf Nachfragen zu unsrem Dasein und unserem Verhältnis und unserer Beziehung zu Gott.

Der Mensch steht vor einem ungeheueren Fragenkomplex, der offensichtlich unbeantwortet bleibt, denn der Mensch beruft sich in seinem Handeln immer wieder auf den Urheber Gott und somit gerät sein eigenes Dasein unweigerlich in den Focus Gottes. Gott handelt durch uns Menschen, Menschen handeln durch Gott, dass ist die Kernbotschaft aller Religionen und somit ist alles Scheitern und aller Fehl auch immer ein Hinweis auf Gott. Hierin liegt die Ursache, dass Religionen verschwinden – sterben – und neue Religionen geboren werden. Häuft sich die Fehlerhaftigkeit Gottes / der Religionen, werden Götter oder Gott oder eben Religionen zu ungerecht oder geben den Menschen keine befriedigenden Antworten mehr, so entstehen neue Religionen, mit erneuerten Göttern und erneuerten Glaubensaussagen.

Der Wettkampf der Religionen um den wahren und echten Gott ist bis heute nicht abgeschlossen. Dieses Kernfaktum unserer Geschichte zeigt deutlich, dass noch immer keine allgemeinverbindliche Antwort auf die Stellung Gottes in unserem Dasein gefunden werden konnte.

Doch in unserer menschlichen Religionsgeschichte gab und gibt es „Fortschritte“. Lieferten die Sumerer und Ägypter noch ein relativ primitives Gottesbild dem Bronzezeitmenschen, so hat sich insbesondere in der Antike – durch den Einfluss der Philosophie – der Focus zu Gott ganz wesentlich erweitert. Es war der Hellenismus, der die Versöhnung zu Gott oder den Göttern suchte. Nie wurde der sittliche Imperativ so hoch gewertet und propagiert, wie im Hellenismus. Der Religionsphilosophismus erreichte eine Blüte, die endgültig die alten bronzezeitlichen Religionen reformierte oder verdrängte. Neue Religionen schossen „wie Pilze aus dem Boden“ und erweiterten so den Religionshorizont der Menschheit. Neue Gottesideen und Erklärungsmodelle ergriffen die Menschheit und führten zu einer sehr lebhaften Diskussion unter antiken Menschen über Sinn und Unsinn unseres Daseins und unser Verhältnis zur Götterwelt. Platon, Sokrates, Heraklit, Aristoteles, Philon, etc sind Namen, die bis in unsere Zeit hinein überlebt haben und bis heute mit dieser Diskussion verbunden sind.

Zusammengefasst kann man folgenden antiken Erkenntnisstand erfassen: „Anfang und Ursprung allen Seins ist das Eine, das identisch ist mit Gott, mit höchster Qualität und höchstem Glanz. In stufenweiser Entfernung davon ordnet sich die geistige, seelische und materielle Welt. Entfernung vom Einen bedeutet Vielheit, aber auch Verlust an Sein, an Güte, an Licht, Zunahme der Affekte gegenüber Verstand und Vernunft, Zurücktreten des Geistigen hinter dem Materiellen. Der Ort des höchsten Einen ist die wahre Heimat der Seele.“

Die Platonische Aussage, Gott ist das Urgute und Urreine Prinzip, aus diesem könne nichts Negatives kommen, schaffte jedoch ein Spannungsfeld, dass entgegen der Menschheitserfahrung stand, denn das Böse / Ungerechte war bekannt und erfahrbar im alltäglichen Leben. Wie das Urgute und Urreine Prinzip diesen Zustand dulden konnte und vor allem wie der Mensch im Spannungsfeld dieses göttlichen Dramas zum Spielball der Mächte wurde, fand keine Beantwortung.
Genau hier setzt der hellenistische Ansatz an, indem es einen Antigott, ein Visa Vis zu Gott setzt, also wieder ein altes Glaubensprinzip, dass durch göttliche Helden – Halbgötter bekämpft werden muß. Ob Mithras, Dionysios, Herakles, Attis, Hermas, hellenistischer Jesus, etc, etc, all diese Gottessöhne finden hier ihre Entstehung und ihren religiösen Kult. Sie sind die Kämpfer gegen das Urböse, die böse Urschlange (Ugarit), die die Menschheit in den Abgrund gestürzt hat.

Die Grundfrage, woher kommt das Böse, wird auch in der Bibel nicht beantwortet. Es wird vorausgesetzt und später (ab der hellenistischen Epoche) in der Gestalt Satans zur personifizierten Realität erklärt, aber dessen Ursprung wird nicht benannt.

Die Grundfrage ist eigentlich, wo beginnt das Böse und wie definieren wir das „Urböse“, also den Anfang dessen, was wir heute als böse empfinden. Welche Gestalt und Form hatte das Böse eigentlich, bevor es uns als Böses zur Realität wurde? Das Böse beginnt eigentlich mit dem Begriff Vergänglichkeit und steht im Widerspruch zur Ewigkeit. In dem Begriff Vergänglichkeit löst sich der Wert von Gut und Böse auf. Die Frage muss also lauten, wer erschuf die Vergänglichkeit, die immer in sich Vernichtung, Auslöschung und in deren Folge, Dinge wie Abschied, Schmerz und Leiden beinhaltet. Einzig der Ewige Gott, der dieser Vergänglichkeit nicht unterworfen ist, vermag Vergänglichkeit zu erschaffen. ER /ES selbst steht außerhalb dieser Gesetzmäßigkeit, die nur eins bezweckt, Werden und Vergehen. Hier im schöpferischen Dasein Gottes ist der Ursprung für Vergänglichkeit zu finden – Werden und Vergehen. Dieses Werden und Vergehen hat jedoch eine Eigendynamik vom Erschaffer erhalten. Werden und Vergehen können von den Elementen selbst beschleunigt oder verlangsamt werden. Dazu dienen Gesetzmäßigkeiten, die in Raum und Zeit ihre Basis finden. Atome finden sich zusammen und Atome trennen sich wieder. Das Geheimnis des Lebens, des Werdens und Vergehens, finden hier ihren Ursprung. Das Böse ist also erst einmal an sich ein Prozess, der sich ständig wiederholt und an sich überhaupt nicht böse ist, sondern vom Schöpfer als „ewiger“ Kreislauf von Werden und Vergehen erdacht wurde. Allerdings sieht die Sache anders für die aus, die in diesem Prozess eingebunden sind, denn sie müssen sich diesem Werden und Vergehen stellen. Dabei spielt die Frage nach Schuld und Unschuld keine Rolle, denn Pflanzen sind nicht böse und doch sind sie dem Werden und Vergehen unterworfen. Gott selbst, der sich als Herr über Sein oder Nichtsein – also als Schöpfer dessen bezeichnet, hat allen beseelten Lebewesen zudem ein Bewusstsein für dieses Werden und Vergehen gegeben. Egal ob Pflanzen, Tiere oder Menschen, ein jedes Lebewesen kämpft um das Werden und gegen das Vergehen. Hier kommen wir zum nächsten Punkt, der Kampf um die Existenz und genau hier wird das Böse ganz schnell für alle Lebewesen zur bitteren Realität.
Für alle Lebewesen gilt, mit dem Bewusstwerden von Werden und Vergehen beginnt der Kampf um die Existenz und damit ein Widerstand gegen dieses Grundprinzip. Der Überlebenswille ist ein Urinstinkt, der allen Lebewesen zu Eigen ist. Ist es nun böse, wenn man sich diesem Urinstinkt hingibt? Grundsätzlich nein, denn wir werden geboren um zu leben und leben beinhaltet immer auch den Kampf um das Dasein. Das ist eine Realität, in die wir Lebewesen dieser Erde hineingestellt sind. Das muß man akzeptieren und auch als Gottgewollt hinnehmen.
Das eigentlich Böse ist, dass diese Gesetzmäßigkeiten Gottes nicht akzeptiert werden und der „Neid“ auf Gott, dieser Gesetzmäßigkeit nicht unterworfen zu sein, zur Rebellion gegen den Schöpfer führt. Es ist einzig der Mensch, der in diesem Schöpfungskreislauf sich anmaßt, Gottes schöpferische Ideen anzuzweifeln und somit erhebt der Mensch einen Anspruch auf eine eigene Begriffswelt von Gut und Böse. Kein anders Lebewesen dieser Erde tut das. Gut und Böse sind in der menschlichen Realität dem Kreislauf von Werden und Vergehen unterworfen. Allerdings, das Bewusstsein des Menschen ist verschieden von seiner Umwelt. Es ist das Bewusstsein, dass wir der Vergänglichkeit unterworfen sind und nur den schwachen Trost in sich trägt, werdendes Leben selbst zu erschaffen, allerdings auch in dem Bewusstsein, dass dieses vergänglich sein wird. Es ist die Trennung des Menschen von seiner Vorahnung von Unvergänglichkeit, von Gott, die den Menschen zur Abkehr von Gott treibt. Der Mensch kann und will nicht verstehen, dass er endlich ist, dass er begrenzt ist, dass er nicht Gott ist und deshalb macht sich der Mensch selbst zu Gott über alles, selbst über Gott macht er sich zu Gott, indem er Gott andichtet wie Gott zu sein hat und wie nicht, was Gott zu tun hat und was nicht und im besten Falle wird er selbst zu einem Gottmensch oder nennt sich bescheidener Weise Stellvertreter Gottes auf Erden, der selig und heilig spricht, was ihm in den Sinn kommt. Hier liegt das Fundament – der Ursprung aller Religionen, hier liegt der Grundstein aller Glaubens- und Religionsbekenntnisse. Wir definieren Gott und machen Ihn somit zum Patron unserer Religionen. Da aber alle Glaubensaussagen menschlich unvollkommen, fehlerhaft und zweifelhaft sind, bedarf es vieler Religionen, um das Breitenspektrum an „göttlichen“ Erfahrungsaussagen zu erfassen. Hier liegt die Ursache darin, dass es so unglaublich viele Religionen in der Menschheitsgeschichte gab und geben wird. Und es ist auch kein Geheimnis wenn man sagt, je dogmatischer, militanter und aggressiver eine Religion ihre Glaubensgrundsätze vertritt, je erfolgreicher ist diese. Das lehrt uns ebenso die Menschheitsgeschichte.

In dieser Erkenntnis sagte einst Dietrich Bonhoefer: „Vor und mit Gott leben wir ohne Gott. Gott lässt sich aus der Welt hinausdrängen. Unsere Welt ist Gottlos und Gottlos sind unsere Taten.“
ER / ES erlaubt uns diesen Schritt, wir dürfen Gott mit Nichtachtung abstrafen, wir dürfen Ihn aus unserem Dasein verbannen, wir dürfen Ihm wehtun, indem wir uns seiner Liebe verweigern und vor allem ihm unsere Liebe entziehen. Wir Leiden und wir lassen leiden und all das im guten Glauben wir dienen damit Gott.
Umsinnung zu Gott, was eigentlich diesen Prozess beenden könnte wird durch ein eigenes Rechts- und Gut-Böseempfinden verhindert, welches natürlich durch heilige Regeln legitimiert wurde.

Die Logik Gottes entspricht nicht meiner menschlichen Logik! Würde ich es anders sagen, wäre ich ein Lügner. Doch ich verstehe so ganz langsam die Dimension, die Gott selbst durchleiden muss. Doch warum durchleidet Gott, der Schöpfer allen Daseins selbst diese Prozesse? Die Antwort ist so simpel und einfach, wie der Schöpfungsgedanken Gottes. ER selbst ist mit all seinem Wesen Bestandteil dieser Schöpfung. In jedem Atom, in jeder Faser, er ist darin substantiell enthalten. Um es ganz menschlich auf den Punkt zu bringen, schlage ich mein Kind, schlage ich mich selbst, mein eigen Fleisch und Blut, nur dass ich im Gegensatz zu Gott dies selbst nicht physisch spüre, Gott sehr wohl. Die Dimension von Gottes Gegenwart ist so umfassend, dass es all unsere Vorstellungen sprengt. Wie im Guten so auch im Negativen! Jede Anmaßung von Erklärungsversuchen menschlicher Seite findet hier seine Abstrafung durch Unvollkommenheit des Verstehens!


Es ist ein äußerst billiger Weg, seine Selbstverantwortung und Selbstverfehlung auf ein himmlisches Wesen namens Satan oder Böser Gott zu projizieren und dann durch die Annahme von Himmlischen Helden Erlösung von diesen Verfehlungen zu erhoffen. Denn es ist und bleibt des Menschen erste Aufgabe sich selbst zu überwinden und die Welt in der wir leben mit allem was darin ist als Anteil Gottes zu verstehen. Indem man diese Lebensaufgabe ablehnt und einem Satan andichtet gibt man seine persönliche Verantwortung für unser Dasein und für Gott ab und genau das spiegelt sich im Dasein unserer Welt wieder, eine Welt, die durch Leid, Krieg, Armut, Kapitalismus und Ungerechtigkeit geprägt ist.

Gott teilt mit uns Menschen sein Dasein! Der Mensch jedoch bemächtigt sich dieses Daseins und verteilt oder entzieht anderen Menschen dieses Dasein, je nach Machtgegebenheiten und Interessenslagen. Der Mensch selbst macht sich zu Gott und dazu bedarf es keines himmlischen Bösewichtes, sondern nur der menschlichen Anmaßung selbst Gott spielen zu wollen.

Die Konsequenz aus der Religionsgeschichte kann nur sein, keine Religion der Menschheitsgeschichte vermochte es auch nur ansatzweise den Anliegen Gottes für uns Menschen gerecht zu werden. Weder konnte sie diese Anliegen vermitteln, noch diese ansatzweise umsetzen. Der Mensch, wenn er denn den inneren Drang nach Gott empfindet, wird sich diesen Unfassbaren Gott persönlich und ganz individuell stellen müssen, kein Glaubensbekenntnis und keine Religion wird den Menschen davon befreien können. Was der Mensch finden wird, wird so einzigartig und individuell sein, wie es die Schöpfung selbst ist, denn Gott ist ein Gott der Vielfalt im Sein. Doch dazu muß er suchen und das wohl ein Leben lang, wachsen, reifen, erfassen ohne wirklich Gott in all seiner Fülle zu erkennen. Und wenn der Mensch weise ist, macht er keine Religion oder verbindlichen Lehren daraus, sondern Erfahrungswerte und ein lebendiges und gelebtes Zeugnis für die unendliche Liebe Gottes zu allen Geschöpfen und der Schöpfungen, ein lebendiges und gelebtes Zeugnis zu SEINEM DASEIN und unsrem Dasein, ein Leben in einer Welt voller Göttlichkeiten und Gottes DASEIN.

Absalom

Martin
20.08.2010, 21:19
Lieber Martin, ich bin nur ein Suchender....

Absalom

Lieber Absalom,
was suchst du denn? Falls ich dir helfen kann würde ich mich freuen.
LG Martin

Martin
20.08.2010, 21:43
Hallo Absalom,
ich hatte mal vor Jahren von einem Jesuitenppater einen interessanten Gedanken aufgegriffen: "Gott hat die Welt so geschaffen, dass die Welt ohne ihn Leben kann". Einige Impulse aus deinem Text bringen mich genau wieder da hin.
Der damalige Patre hiess Ritzhaupt und ist jetzt verheiratet. Er hat viel über die Liebe Gottes erzählt, dass hat wohl auf sein Leben abgefärbt.
L.G. Martin

absalom
21.08.2010, 11:59
Lieber Absalom,
was suchst du denn? Falls ich dir helfen kann würde ich mich freuen.
LG Martin


Ich möchte mit David Flusser antworten: Die Urabsichten Gottes für eine verirrte Menschheit. Mit meinen Worten: In das Dasein Gottes eindringen. Das möchte ich und das suche ich zu tun und ich suche dabei mich selbst, als Geschöpf dieses Gottes, um den Anliegen Gottes anteilhaftig zu werden.

Ich weiß nicht, ob jemand dabei helfen kann, denn die Antworten und das FINDEN liegt letztlich in einem selbst. Danke aber für dein Angebot. ;-)

Absalom

anonym002
23.08.2010, 22:11
Zitat: Gott teilt mit uns Menschen sein Dasein! Der Mensch jedoch bemächtigt sich dieses Daseins und verteilt oder entzieht anderen Menschen dieses Dasein, je nach Machtgegebenheiten und Interessenslagen. Der Mensch selbst macht sich zu Gott und dazu bedarf es keines himmlischen Bösewichtes, sondern nur der menschlichen Anmaßung selbst Gott spielen zu wollen.



Nun, dieser letzte Teil fasst doch sehr viel zusammen, dass der Mensch für alles einen Sündenbock braucht, um sich rausreden zu können. Und dies findet sich doch in so manchen Religionen. Und sie suchen wiederum eine Lösung daraus.

Dies muss ich aber doch dem jüdischem Glauben zusprechen, dass darin viel mehr von Eigenverantwortung ist, und auch einfach ein Hinnehmen von Gottes „Schicksal“. Da wird weniger, ja kaum von einem Antigott gesprochen, von Satan als dem Gegner Gottes, und wenn dann, untere Einfluss des Christentums, wo dann solche Gedanken wurzeln konnten.

Auch dass alles aus dem Ewigen entspringt, Gutes und „Böses“ wird als von IHM gegeben akzeptiert.



Alef

absalom
24.08.2010, 10:22
Zitat: Gott teilt mit uns Menschen sein Dasein! Der Mensch jedoch bemächtigt sich dieses Daseins und verteilt oder entzieht anderen Menschen dieses Dasein, je nach Machtgegebenheiten und Interessenslagen. Der Mensch selbst macht sich zu Gott und dazu bedarf es keines himmlischen Bösewichtes, sondern nur der menschlichen Anmaßung selbst Gott spielen zu wollen.



Nun, dieser letzte Teil fasst doch sehr viel zusammen, dass der Mensch für alles einen Sündenbock braucht, um sich rausreden zu können. Und dies findet sich doch in so manchen Religionen. Und sie suchen wiederum eine Lösung daraus.

Dies muss ich aber doch dem jüdischem Glauben zusprechen, dass darin viel mehr von Eigenverantwortung ist, und auch einfach ein Hinnehmen von Gottes „Schicksal“. Da wird weniger, ja kaum von einem Antigott gesprochen, von Satan als dem Gegner Gottes, und wenn dann, untere Einfluss des Christentums, wo dann solche Gedanken wurzeln konnten.

Auch dass alles aus dem Ewigen entspringt, Gutes und „Böses“ wird als von IHM gegeben akzeptiert.



Alef


Lieber Alef, sicher, ich weiß darum, dass gerade das Judentum hier oft andere Wege ging. Ich zeigte mit der Ausarbeitung jedoch auch auf, dass es im Judentum ähnliche Ansichten gab und sie gibt es noch immer. Auch der Satansglaube war eine gewisse Zeit im rabbinischen Judentum salonfähig. "Gott sei Dank", hatten solche Einflüsse immer nur wenig Substanz für ein Lehrüberleben.

Es ist letztlich immer die Frage, bedarf man einer Religion und deren Glaubensgrundsätze, um Gott nachfolgen zu können? Gerade im Fall des Judentums und seiner Wirkungsrolle als Mutterreligion (Glaubensvorlage) zweier großer Weltreligionen bestreite ich das ganz entschieden. Ich halte das Wesen einer Kultreligion mit den eigentlichen Anliegen Gottes nur schwerlich vereinbar. Aber ich weiß auch, wir Menschen neigen zum Kultgott, es macht die "Sachlage Gott" doch wesentlich einfacher für uns.


Absalom

anonym002
24.08.2010, 18:06
Lieber Absalom

Da gebe ich dir recht, es bedarf keiner „Religion und deren Glaubensgrundsätze“ (was man dann auch immer wieder darunter verstehen mag), um den Ewigen nachfolgen zu können. „Glauben“ ist durchaus etwas individuelles, so wie wir Menschen eben verschieden sind, und Gott und auch verschieden gemacht hat. So wenig wie man „Gefühle“ über eine Sache von anderen kopieren kann, denn jeder Mensch empfindet anders, Gefühle, Schmerz, Liebe oder Wut haben nun keinen „Gradmesser“. So auch „Glauben“. Sicher aber kann man sich in etwas hineinsteigern.

Schlussendlich nehmen wir alte Überlieferungen zu Hilfe, bewerten sie, klassifizieren und messen andere Schriften aufgrund dessen. Leider, oder vielleicht auch besser, denn der Mensch lernt ja kaum etwas selbst aus der kurzen Vergangenheit, ist so die Beurteilung immer etwas subjektiv.

Kultur ist auf der einen Seite etwas Gutes, aber genau so etwas Zwanghaftes. Wehe, wenn man anders ist. So dann auch ein Gott, der in der Kultur fixiert und verankert wurde, wobei meistens ja Tradition und Legenden einen grossen Einfluss auf diese Kultur haben.

Ich denke, das Judentum hätte ohne „Religion“ nicht überlebt, so ist es doch etwas Substantielles. Ich weiss nicht, ob das Judentum eine Wirkungsrolle als Mutterreligion gehabt haben sollte, denn das Judentum selber veranlasste solches nicht, sondern immer einzelne, die Fremdes mit Eigenem zusammenmischten und zu einer neuen Ideologie entwickelten, waren schlussendlich Gründer einer neuen Religion.

Wenn man aber so in evangelikalen Kreisen sein Leben verbringt, ist man natürlich einseitig geprägt gemäss der Lehre. So hat mir das jüdische Verständnis, diese „Rosinen“ schon den Horizont erweitert.



Alef

Martin
24.08.2010, 22:03
Ich möchte mit David Flusser antworten: Die Urabsichten Gottes für eine verirrte Menschheit. Mit meinen Worten: In das Dasein Gottes eindringen. Das möchte ich und das suche ich zu tun und ich suche dabei mich selbst, als Geschöpf dieses Gottes, um den Anliegen Gottes anteilhaftig zu werden.

Ich weiß nicht, ob jemand dabei helfen kann, denn die Antworten und das FINDEN liegt letztlich in einem selbst. Danke aber für dein Angebot. ;-)

Absalom

Lieber Absalom,
die Beziehung zu mir selbst und das eigene ich zu finden und zu leben, sprich ich selber zu sein wird wohl die größte Herausforderung und auch gleichzeitig das größte Angebot dieses Gottes sein. So einfach und doch so schwierig ist es doch diese Mitte zu finden und aus ihr zu Leben.
Mein persönlicher Wunsch ist es im Alltag eine Betrachtung in meinem Leben zu bekommen welche ein wenig diesem Angebot gerecht wird. Zum Beispiel: Ein Urteil bilden aber nicht verurteilen...
LG Martin

absalom
25.08.2010, 12:08
Lieber Absalom,
die Beziehung zu mir selbst und das eigene ich zu finden und zu leben, sprich ich selber zu sein wird wohl die größte Herausforderung und auch gleichzeitig das größte Angebot dieses Gottes sein. So einfach und doch so schwierig ist es doch diese Mitte zu finden und aus ihr zu Leben.
Mein persönlicher Wunsch ist es im Alltag eine Betrachtung in meinem Leben zu bekommen welche ein wenig diesem Angebot gerecht wird. Zum Beispiel: Ein Urteil bilden aber nicht verurteilen...
LG Martin


Lieber Martin,

diesen Worten kann ich beipflichten.

Vor vielen Jahren sagte "eine innere Stimme" überaus deutlich zu mir: Alle Meere dieser Erde könnten nicht die Tränen fassen, welche ich über dich und deine Taten vergossen habe. Das geschah zu einem Zeitpunkt, als ich glaubte meine religiöse Heimat gefunden zu haben, wo ich meinte Gott ganz nahe zu sein, wo ich dachte, ich bin eigentlich ganz gut.

Die größte Aufgabe ist es wohl, seine gefühlsmäßige Glaubenszufriedenheit, welche sich aus selbst zugesprochenen Glaubensbekenntnissen speist, dem Focus Gottes gegenüber zu stellen und Konsequenzen aus diesem Erkennen zu ziehen. Seinen inneren Schweinehund zu bekämpfen und für sich selbst festzustellen, dass all das nur Stückwerk ist und eben nichts vor Gott bestand haben kann und wird, ist ein bitterer Gang der Selbstüberwindung. Doch diese ist nötig und wichtig, denn nur wer sich selbst annehmen kann, in all seinen Irrungen und Wirrungen, sich selbst als Bestandteil dieser Welt und ihrer Probleme versteht, wird zu dem Bekenntnis kommen, wie es Jesus schon erkannte und tat: Was nennst du mich gut, niemand ist gut außer Gott dem Einen“. Wenn wir das verstanden haben dann werden wir liebesfähig mit unserem Nächsten, denn in all dessen Schwachheit und Irrungen sind auch immer wir auffindbar und somit wird das Gute über das Böse erhoben, indem wir aufhören aufzurechnen und anzurechnen und nicht mehr wetteifern im Unrecht tun, sondern wetteifern im Tun von Rechtschaffenheit. Rabbi Nathan sagte einmal sehr treffend: „Gott spricht: Wenn du deinen Nächsten hasst, weil er so böse ist wie du, werde ich es dir vergelten. Liebst du ihn aber, weil er so gut ist wie du, so werde ich mich deiner erbarmen.“ (Abot de Rabbi Nathan II, 26)


Absalom

Effi
06.01.2013, 21:19
Die größte Aufgabe ist es wohl, seine gefühlsmäßige Glaubenszufriedenheit, welche sich aus selbst zugesprochenen Glaubensbekenntnissen speist, dem Focus Gottes gegenüber zu stellen und Konsequenzen aus diesem Erkennen zu ziehen. Seinen inneren Schweinehund zu bekämpfen und für sich selbst festzustellen, dass all das nur Stückwerk ist und eben nichts vor Gott bestand haben kann und wird, ist ein bitterer Gang der Selbstüberwindung.

Hallo absalom, Alef und andere :-),

dieser Thread ist schon eine Weile alt, aber zumindest für mich deshalb noch lange nicht veraltet ;-). Ich las hier mit Neugier und Interesse. Und nun krieg ich an dieser Stelle obiges und nachfolgendes nicht zusammen. Einerseits Selbstüberwindung... und...



Doch diese ist nötig und wichtig, denn nur wer sich selbst annehmen kann, in all seinen Irrungen und Wirrungen, sich selbst als Bestandteil dieser Welt und ihrer Probleme versteht, wird zu dem Bekenntnis kommen, wie es Jesus schon erkannte und tat: Was nennst du mich gut, niemand ist gut außer Gott dem Einen“. Wenn wir das verstanden haben dann werden wir liebesfähig mit unserem Nächsten, denn in all dessen Schwachheit und Irrungen sind auch immer wir auffindbar und somit wird das Gute über das Böse erhoben, indem wir aufhören aufzurechnen und anzurechnen und nicht mehr wetteifern im Unrecht tun, sondern wetteifern im Tun von Rechtschaffenheit. Rabbi Nathan sagte einmal sehr treffend: „Gott spricht: Wenn du deinen Nächsten hasst, weil er so böse ist wie du, werde ich es dir vergelten. Liebst du ihn aber, weil er so gut ist wie du, so werde ich mich deiner erbarmen.“ (Abot de Rabbi Nathan II, 26)

... und dann Selbstannahme...

Ist es nicht wichtig sich selbst mit den Stärken und Schwächen anzunehmen, um mit beidem sinnvoll und angemessen umzugehen? Die Stärken können uns helfen mit den Schwächen umzugehen. Also, ist es nicht bedeutsam, dass wir beides in uns akzeptieren, um dann sinnvoll und angemessen damit umzugehen.

Mir ist Bescheidenheit sehr sympathisch, unbedingt. Dennoch sollte gutes Verhalten als gut bewertet werden dürfen. Ist es tatsächlich so, dass wir vor Gott die Haltung haben sollten, dass nur er gut ist und dass nichts vor ihm Bestand hat? Wir bestehen doch vor ihm und irgendwie habe ich die Vorstellung, dass es ihm gefallen könnte, wenn wir uns gut verhalten und dass dies dann auch so bezeichnet werden darf, ohne dabei sich zu überhöhen oder gottgleich zu empfinden.

Zeuge
07.01.2013, 07:47
Hallo Effi

Du hast einen wesentlichen Punkt angesprochen. Paulus beschreibt ihn folgendermaßen:
"Ich weiß, daß in mir, das heißt in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt; das Wollen ist bei mir vorhanden, aber ich vermag das Gute nicht zu verwirklichen. ...
Denn in meinem Innern freue ich mich am Gesetz Gottes,
ich sehe aber ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das mit dem Gesetz meiner Vernunft im Streit liegt und mich gefangen hält im Gesetz der Sünde, von dem meine Glieder beherrscht werden.
Ich unglücklicher Mensch" Wer wird mich aus diesem dem Tod verfallenen Leib erretten?" (Röm. 7:24)
Bei allen seinen Anstrengungen kommt der Mensch zur bitteren Erkenntnis, daß er dem Gesetz Gottes niemals gerecht werden kann.

Weiter schlägt Absalom vor, aufzugeben, kein höheres Ziel mehr verfolgen, sich so anzunehmen wie man zur Zeit ist. Und aus diesem Grund auch keine hohe Ansprüche oder Erwartungen an andere Menschen zu stellen.
Nun, für eine individualistisch-egoistische Gesellschaft das Höchste, was sie erreichen kann.

Aber, wenn Adam so gedacht und gehandelt hätte, hätte er nie Eva zur Frau bekommen, sondern hätte sich eine aus der Tierwelt ausgesucht, und sich der Tierwelt angepasst.
Wenn Abraham so gedacht und gehandelt hätte, hätte er nicht als Nomade gelebt, sondern sich einer aus den bestehenden Zivilisationen angeschlossen. Und es hätte weder das Volk Israel noch das Judentum gegeben.

Etwas neues entsteht dann, wenn Gott im Mensch einen Wunsch erweckt, der in der gegenwärtigen Situation nicht erfüllbar ist.
Wenn der Mensch an diesem Wunsch festhält und sich an Gott richtet, von ihm die Erfüllung erwartet, dann verändert Gott die Situation.

Und in dem, von dir angesprochenen Punkt, hat Gott bereits eine Lösung gegeben - die Gemeinde, die ein Leib ist:
"Denn das Gesetz des Geistes und des Lebens in Christus Jesus hat dich frei gemacht vom Gesetz der Sünde und des Todes." (Röm. 8:2)

Die Befreihung geschieht in dem, daß man sich, als einzelnes, individualistisch-egoistisches Wesen, aufgibt, und zum Mitglied der Gemeinde, zum Glied des Leibes Christi wird.
Die Wehrte und Interessen verlagern sich: man jagt nicht mehr individuellen Gerechtigkeit nach, da man Teilhaber der kollektiven Gerechtigkeit geworden ist.
Man muß nicht mehr in allem perfekt sein, sondern nur seine Aufgabe gewissenhaft erfüllen: das Auge braucht nur su sehen, das Ohr - nur zu hören, die Füße - nur zu gehen, u.s.w. u.s.f.
Die Schwächen des einen werden durch die Stärken des anderen ausgeglichen, und so entsteht ein perfekter Leib.
Nur zusammen sind wir perfekt, vollkommen.

Bei Absalom gibt man nur das Streben nach höheren Gerechtigkeit auf, und nimmt sich an, wie man ist.
Bei Jesus gibt man sich selbst auf, mit allem Streben und Annehmen, und wird zum Teil einer neuen Schöpfung.

anonym002
07.01.2013, 11:48
Shalom Effi

„Gut“ ist ein relativer Begriff, der sich nach einem bestimmten Referenzwert misst. So gibt es dann gewisse Gütesiegel, die dann eine entsprechende Qualität aufweisen.

Der Mensch „funktioniert“, oder besser gesagt, er verhält sich nicht so, wozu ihn der Ewige bestimmt hatte. Demzufolge fällt er ausserhalb des Gütesiegels „seht gut“, so wie es in Genesis steht: „und siehe, es war sehr gut“, da er nicht darin lebt.

So wären wohl sozusagen die Rahmenbedingungen gegeben, was für den Ewigen als „gut“ bezeichnet wird. Deshalb, „keiner ist gut (und Jesus schliesst sich hier mit ein, auch er ist NICHT gut vor Gott) als allein Gott“, das nach göttlichen Kriterien.
Das besagt aber nicht, dass Gott nun den Menschen verwirft und in eine ewige Hölle schmeisst, oder dass keine Gemeinschaft mit IHN möglich wäre, er wusste ja, wie er sich verhält. Schon Adam und Eva hatten diese Fähigkeit in sich für ein Fehlverhalten. Das wurde nicht erst durch einen sogenannten Sündenfall oder durch die Schlange in den Menschen gelegt, ansonsten der Mensch nicht als sehr gut bei der Erschaffung bezeichnet worden wäre.

So betrachtet müssen wir vor dem Ewigen kapitulieren, oder wie Absalom schreibt: „…dass all das nur Stückwerk ist und eben nichts vor Gott bestand haben kann und wird, ist ein bitterer Gang der Selbstüberwindung“, oder „…denn in all dessen Schwachheit und Irrungen sind auch immer wir auffindbar und somit wird das Gute über das Böse erhoben, indem wir aufhören aufzurechnen und anzurechnen und nicht mehr wetteifern im Unrecht tun, sondern wetteifern im Tun von Rechtschaffenheit“. Es ist dies die Selbstannahme, Selbsterkenntnis unseres Seins.

Dies besagt aber nicht, dass sich der Mensch nicht auch zum Guten hin entwickeln kann und soll, im Gegenteil. Ja, und sicher darf gutes Verhalten und auch gutes Tun mit „gut“ bezeichnet werden. Denn wie oft steht, dass „… ihm dies zur Gerechtigkeit gerechnet wurde“. Es sind nicht Taten eines anderen, sondern die eigenen.

Es sind wie zwei Treibe, die man im Inneren pflegen oder nähren kann, den Hang zum Guten oder den Hang zum Bösen.
Es lassen sich die zwei Triebe auch einfach als einen darstellen, als dem ICH, dem Sein, wie man es pflegt und hegt. Nur, durch alles „gute“ lässt sich der Hang zum Bösen nicht auslöschen.

Nun, was ist den „Böse“? Keine einfache Frage. Auch Gutes lässt sich aus Eigensucht tätigen. So ist wohl einiges, was von Aussen als Gut bezeichnet wird, im gesamten betrachtet nicht das, was es scheint.
So sagt Jesus: „Wer hört UND tut, der ist wie ein Mann, der sein Haus auf Felsen baute….“

Was hat vor dem Ewigen Bestand?
Das ist natürlich total eine Glaubenssache und je nach Religion und Konfession oder Ideologie verschieden. Und jede beansprucht für sich die allein wahre Erkenntnis. Schwieriges Unterfangen…

Jüdisch nach der Tenach (AT) betrachtet, ist vor allem die Gemeinschaft mit IHM wichtig, welche sicher Bestand hat.
„Glaube“ (emunah) im hebräischen biblischen Sinn bedeutet nicht „ein Dafürhalten von etwas“, wie es Paulus im NT darstellt, oder im Aufsagen eines Glaubensbekenntnisses, welches Gott umschreibt, was da dann zu glauben sei, sondern es bezeichnet das Wissen um den unfassbaren Gott, und ein verantwortungsvolles Handeln vor IHM. Ebenso auch das Wissen, dass ER gnädig und barmherzig ist, wo er dann in unserer Schwäche und unserem Fehlverhalten mit seiner Güte uns nicht aus einer Gemeinschaft ausschliesst und verdammt.

Dies nur kann verschieden ausgeschmückt/gelebt sein, ist eigentlich nicht starr, sondern recht individuell, in der Vielfalt, wie Gott den Menschen geschaffen hat. ER will keinen „Einheitsmenschen“.

Vor dem Ewigen die Haltung haben, dass nur ER gut ist, bewahrt uns sicher vor Überheblichkeit (gegenüber Gott und Menschen) und Stolz, und hilft uns, vor IHM demütig zu sein und zu bleiben.


Gott liebt den Menschen nicht wegen den guten Taten, sondern weil wir SEINE Geschöpfe sind. Das sagt nicht, dass man nicht zum Besseren oder dann auch „Höheren“ streben soll und darf, im Gegenteil, wer aus dieser Gottesgemeinschaft lebt, in dieser Erkenntnis, dass der Mensch „Ben Elion“ ist, ein Sohn des Höchsten, wird sich nicht dessen rühmen, aber versuchen, in dieser Stellung mit allen Schwächen und Stärken, Möglichkeiten und Unmöglichkeiten zu leben.


Nun, es stimmt natürlich nicht, was Paulus da behauptet, dass da irgendetwas von einem angeblichen Gesetz der Sünde frei gemacht haben sollte. Solches sinnen entspricht hellenistischer Philosophie, und hat eigentlich mit dem jüdischen Glauben (und der Lehre des Juden Jesus) und der Tenach nichts zu tun. Denn Hand aufs Herz, wo ist der Christ, der frei vom „Gesetz“ der Sünde ist? Idealismus bringt meist die hässlichsten Früchte, wie man es auch an der Geschichte der Christenheit sehen kann. Und es ist natürlich salopp zu sagen, dass das dann nicht Christen wären... nur, wo ist denn der „wahre“ Christ? Auch ein Christ kämpft täglich mit Sünde und dem „inneren Schweinehund“ und das „Gesetz“ überführt in genau so über sein Fehlverhalten.
Selbstverleugnung nicht ein Verleugnen seiner Selbst und ein werden wie eine anderes, sondern das Erkennen dieses inneren Hanges zum Bösen (Schweinehund), und ein ablegen dessen. Was verleugnet wird, ist ja nicht aus der Welt geschaffen.


Dass der Ewige gerne unser Fehlverhalten vergibt, ist nichts neues, steht schon selbst in der Torah. Und das macht ER selbst ohne „Gesetze des Geistes und des Christus“. Gott ist Gott genug dazu.

Befreiung ist eben nicht das sich einbinden in eine Ideologie, wie die „Gemeinde Jesu“, sondern Selbsterkenntnis in der Stellung vor dem Ewigen, dem sich Hingeben und Leben (Handeln) aus dem. Nein, Gott will nicht, dass wir uns selber aufgeben, denn der ER hat uns ja in Liebe und Vielfalt in diese Welt „erschaffen“, um das zu sein, wozu er uns eigentlich bestimmt hatte.


Nun, es sind schon 2 Welten, jüdisches Verständnis oder was die hellenistische Philosophie und Gedankenwelt sozusagen aus der Lehre Jesu gemacht und in hebräische Texte hineingepresst hatte. Das Judentum konnte sich kaum vor solchen Verwirrungen raushalten und es hat in vorchristlicher Zeit tiefe Spuren hinterlassen. Galiläa war durchzogen von solchen Lehren, Kapernaum (Heimatstadt Jesu) sozusagen ein Sumpf. Und etliches, was so gegen die Pharisäer erhoben wird, ist wohl mehr gegen solche Lehren und Vermischungen.

Zeuge
07.01.2013, 13:57
Der Mensch „funktioniert“, oder besser gesagt, er verhält sich nicht so, wozu ihn der Ewige bestimmt hatte. Demzufolge fällt er ausserhalb des Gütesiegels „seht gut“, so wie es in Genesis steht: „und siehe, es war sehr gut“, da er nicht darin lebt.

So wären wohl sozusagen die Rahmenbedingungen gegeben, was für den Ewigen als „gut“ bezeichnet wird. Deshalb, „keiner ist gut (und Jesus schliesst sich hier mit ein, auch er ist NICHT gut vor Gott) als allein Gott“, das nach göttlichen Kriterien.
Das besagt aber nicht, dass Gott nun den Menschen verwirft und in eine ewige Hölle schmeisst, oder dass keine Gemeinschaft mit IHN möglich wäre, er wusste ja, wie er sich verhält. Schon Adam und Eva hatten diese Fähigkeit in sich für ein Fehlverhalten. Das wurde nicht erst durch einen sogenannten Sündenfall oder durch die Schlange in den Menschen gelegt, ansonsten der Mensch nicht als sehr gut bei der Erschaffung bezeichnet worden wäre.

Mechanisch gesehen besitzt auch Gott die Fähigkeit, Böses zu tun, nur macht er von dieser Fähigkeit keinen Gebrauch, aus moralischen Gründen.
Und solange der Mensch von dieser Fähigkeit keinen Gebrauch machte, war er "sehr gut".
Erst durch den Gebrauch von dieser Fähigkeit verlohr er das Gütesiegel Gottes "sehr gut", und wurde zum Sünder. Darum heißt es "Sündenfall": der Mensch ist aus der göttlichen Höhe des moralischen Verhalten gefallen, was ihn süchtig machte.
Für den ersten Mord muß man sich überwinden. Weiter geht es immer leichter und leichter, bis es zur Gewohnheit, ja, sogar zum Bedürfnis wird.
Aus dieser Gewohnheit dann rauszukommen ist nicht so einfach.


„Glaube“ (emunah) im hebräischen biblischen Sinn bedeutet nicht „ein Dafürhalten von etwas“, wie es Paulus im NT darstellt,

So hat Paulus den Glauben nie dargestellt, sondern als eine Handlung gemäß der Bedingung der Verheißung Gottes.


Nun, es stimmt natürlich nicht, was Paulus da behauptet, dass da irgendetwas von einem angeblichen Gesetz der Sünde frei gemacht haben sollte. Solches sinnen entspricht hellenistischer Philosophie, und hat eigentlich mit dem jüdischen Glauben (und der Lehre des Juden Jesus) und der Tenach nichts zu tun.

"Ich befreie euch von allem, womit ihr euch unrein gemacht habt." (Hes. 36:29)
"Wer die Sünde tut, ist Sklave der Sünde. ...
Wenn euch also der Sohn befreit, dann seid ihr wirklich frei." (Joh. 8:34-36)

anonym002
07.01.2013, 15:37
Nein, es steht nirgends, dass ihn, den Menschen, das süchtig machte, als der Mensch seine erste Verfehlung machte.
Weiter steht auch nichts davon, dass er sich für die erste Verfehlung überwinden musste. Er lies sich schlichtweg von „Ideologien“ verführen, was ihnen vorgegaukelt wurde.

Paulus lehrte einen Glauben aufgrund seiner eigenen ideologischen Bedingung, welche wenig mit der Lehre der Torah zu tun haben. Und der Mensch lässt sich mit schönen Worten und Ideologien verführen… auch heute noch.


Klar befreit und reinigt der Ewige von allem, wo ist da das Problem? Sagte ich doch schon. Dazu gebraucht es aber keiner Ideologie gemäss Paulus, was da nun einzig Rechtfertigen würde, sondern einzig und allein die Hinwendung zum Ewigen.

Naja, und „freie“ Christen gibt es nun mal nicht, es ist, wie Johannes eben ist, heidnische, der Tenach fremde Philosophie. Und auch Christen sündigen fortan, also auch weiterhin der Sünde Sklave….. also doch kein Freisein…

Zeuge
08.01.2013, 10:05
Nein, es steht nirgends, dass ihn, den Menschen, das süchtig machte, als der Mensch seine erste Verfehlung machte.

Das sieht man aus der Menschheitsgeschichte, und an dir. Du kannst es nicht lassen, die Schrift zu verdrehen und Paulus zu verleumden. Das ist eine Sucht.


Weiter steht auch nichts davon, dass er sich für die erste Verfehlung überwinden musste. Er lies sich schlichtweg von „Ideologien“ verführen, was ihnen vorgegaukelt wurde.

Daß man das Gebot Gottes gar nicht so ernst nehmen muß? Gott meint es so? Diese Ideologie herrscht bis heute in allen Religionen. Und die Juden sind da die Vorreiter.


Paulus lehrte einen Glauben aufgrund seiner eigenen ideologischen Bedingung, welche wenig mit der Lehre der Torah zu tun haben.

Na dann zeig doch mal, wo das Mosaische Gesetz fordert, Söhne zu opfern, was Abraham getan hat.


Klar befreit und reinigt der Ewige von allem, wo ist da das Problem?

Durch bestimmte Menschen (Lev. 14:19; Num. 18), was du nicht wahr haben willst.


Und auch Christen sündigen fortan, also auch weiterhin der Sünde Sklave….. also doch kein Freisein…

Nur weil sie der babylonisch-jüdischen Ideologie folgen.

anonym002
08.01.2013, 10:33
Zeuge, bitte lass solchen Quatsch, hast du nichts besseres zu bieten?
Es ist eine unverschämte Unterstellung, was du hier vom Stapel lässt.

Ich verdrehe die Schrift nicht sondern analisiere und bringe sie in den Kontext des Jüdischen.

Weiter verleumde ich keinen Paulus, verglorifiziere ihn einfach nicht und stelle seine Meinung nicht als Gottes Reden dar, was so Kirchenväter gemacht haben, deswegen aber ist das keine Verleumdung des Paulus, wenn man seien Schriften kritisch hinterleuchtet und in den Kontext des AT stellt. Auch wenn es nicht deiner Ideologie entspricht.

Und Christen sündigen nicht, weil sie gemäss deiner Meinung einer babylonischen-jüdischen Ideologie folgen, sondern weil sie genau so Mensch sind wie du und ich.
Und wenn du meinst, dass du über der Sünde stehst, dann würden nicht solche falschen Unterstellungen und Verleumdungen wiederholt gegenüber mir, welche eben diesen Suchtcharakter aufweisen, nicht so zahlreich im Forum stehen.

Zeuge
09.01.2013, 09:11
Ich verdrehe die Schrift nicht sondern analisiere und bringe sie in den Kontext des Jüdischen.

Eben. Und was ist das Jüdusche? Nationalstisch-gesetzliches Denken: Weil wir (biologisch und religiös) Juden sind, seht uns bedingunslose Erfüllung jeder Verheißung Gottes zu. Irrtum!


deswegen aber ist das keine Verleumdung des Paulus, wenn man seien Schriften kritisch hinterleuchtet und in den Kontext des AT stellt.

Das Jüdische ist nicht das A.T., sondern eine Verdrehung dessen.


Und Christen sündigen nicht, weil sie gemäss deiner Meinung einer babylonischen-jüdischen Ideologie folgen, sondern weil sie genau so Mensch sind wie du und ich.

Und daß ein Mensch naturbedingt ein Sünder ist, kommt aus dem Judentum. Warum sonnst darf ein Mensch den Namen Gottes nicht aussprechen?

anonym002
09.01.2013, 11:04
DAS Jüdische liegt im Ewigen, im einzigen Gott JHWH…. Auch wenn da babylonische, ägyptische und hellenistische Elemente (wie sich auch stark im NT breitgemacht haben, und wie schon gesagt, eine längere „Plage“ war) immer wieder sich eindrängen wollten, und sich DAS Jüdische immer wieder mal sich dagegen gewehrt hat.

Nein, es ist eben nicht „national-gesetzliches Denken“, was leider immer wieder falsch in DAS Jüdische hineingepresst wird, und dieser Stempel aufgedrückt wird. Sicher wurde das Gesetz dem Volk gegeben, so wie jeder Staat seine Gesetze hat. Weiter ist aber das Befolgen der Weisungen aus dem Glauben an den Ewigen, und nicht umgekehrt. Oder meinst du, wenn man bei Rot an der Ampel hält, dass das ein national-gesetzliches Denken wäre? Naja…


Wenn du meinst dass das Jüdische eine Verdrehung des AT ist, dann ist DAS Christliche n Absurdum gegenüber der Lehre Jesu, welche (gemeint die Lehre Jesu) aber durchwegs im Rahmen des jüdischen ist. DAS Jüdische ist eben nicht das äussere, was man so gerne an ihnen kritisiert, sondern das bewusste Leben im Glauben an den Ewigen.

Was hat denn das Aussprechen des Namens Gottes nun schon wieder damit zu tun? Sicher nichts, weil im Menschen die Fehlerhaftigkeit gegeben ist.

Das auch du dich ab und zu verfehlst, das kommt sicher nicht aus dem Judentum… es liegt im Mensch. Das heisst aber noch lange nicht, dass er danach süchtig sein soll…


Versuchst du wieder ein Endlosthema zu starten, statt mal auch nur etwas beim Thema zu bleiben? Weiter hatte ich nicht Dir, sondern dem User Effi geantwortet.


Wann begann es?

Zeuge
10.01.2013, 10:07
DAS Jüdische liegt im Ewigen, im einzigen Gott JHWH….

Genau so wie das Christliche und Islamische.


Nein, es ist eben nicht „national-gesetzliches Denken“, was leider immer wieder falsch in DAS Jüdische hineingepresst wird, und dieser Stempel aufgedrückt wird. Sicher wurde das Gesetz dem Volk gegeben, so wie jeder Staat seine Gesetze hat. Weiter ist aber das Befolgen der Weisungen aus dem Glauben an den Ewigen, und nicht umgekehrt.

Nicht national-, sondern nazionalistisch-, das mit Esra angefangen hat.
Als Salomo den Tempel baute, bediente er sich der Hilfe anderer Völker, die den Gott Israel nicht kannten.
Als der zweite Tempel gebaut wurde, gestattete man den Samaritanern nicht mitzubauen, obwohl sie den Gott Israels verehrten. Eine übertrieben nazionalistische Haltung, die zu Kriegen geführt hat.
Ausserden befahl Esra alle ausländische Frauen aus der Ehe zu entlassen, was das Gesetz nicht forderte. Eine übertrieben "gesetzliche" Haltung, die das nachbabylonische Judentum zunehmend geprägt hat.


Was hat denn das Aussprechen des Namens Gottes nun schon wieder damit zu tun? Sicher nichts, weil im Menschen die Fehlerhaftigkeit gegeben ist.

Nein? Na dann muß es eine bewußte(?) Erfüllung folgender Prophezeihung sein:
"Durch ihre Träume, die sie einander erzählen, möchten sie meinen Namen in Vergessenheit bringen bei meinem Volk, wie ihre Väter meinen Namen wegen des Baal vergessen haben." (Jer. 23:27)
Was auch gelungen ist.



P.S. Ausserdem behauptest du immer wieder, die Opfertheologie ist dem Judentum fremd. Etweder kennst du dich im Judentum schlecht aus, oder du verdrehst bewußt die Tatsachen.
Sieh dir mal diese Seite durch: http://juden.judentum.org/judenmission/jesaja-3.htm

anonym002
10.01.2013, 14:03
Was behauptest du wieder für einen Unsinn, und dazu dermassen Off-Topic

Ich habe noch NIE behauptet, dass es im Judentum keine Opfer geben würde, aber ich sagte wohl, dass das nicht mit einer christlichen Opfertheologie zu erklären sei. Warum bringst du dich immer durcheinander?

Ich denke, dass Deutschland einen Nazi"onalismus" hatte, aber nicht das damalige Judentum.


Nochmals eine bitte, bleibe doch etwas sachlicher und besonders auch beim Thema, schade um das Thema....

Zeuge
11.01.2013, 09:09
Ich habe noch NIE behauptet, dass es im Judentum keine Opfer geben würde,

Opfertheologie. Oder kannst du nicht lesen?


Ich denke, dass Deutschland einen Nazi"onalismus" hatte, aber nicht das damalige Judentum.

O doch! Warum sonnst wurden die Samariter von den Juden als eine Art Untermenschen angesehen und auch so behandelt?
Nur hatte dieser jüdische Nazi"onalismus" einen extrem religiösen Charakter, im Gegensatz zum deutschen Nazismus, der auf der E.T. aufgebaut war.

anonym002
11.01.2013, 19:44
Hallo Zeuge

Genau so kommt, es, wenn ein Zitat derart zerstückelt wird.

Ich habe sehr wohl gelesen, und meine Antwort lautete:

Ich habe noch NIE behauptet, dass es im Judentum keine Opfer geben würde, aber ich sagte wohl, dass das nicht mit einer christlichen Opfertheologie zu erklären sei.

Ok, jetzt verstehe ich dich vielleicht, dass du Teilsätze allein aus deiner Ideologie heraus betrachtest um polemik zu treiben…. Und ich weiss auch, dass genau auch das das Problem vom NT ist, dass Verse aus dem AT zerstückelt und in hellenistischer Philosophie betrachtet werden, auf dass sich erfüllt, was überhaut nicht verheissen war….

Untermenschen ???? was sind denn das für absurde Aussagen… du nimmst ein Geschehen aus längst vergangener Zeit, stellst die Situation als Allgemeine und Globale, ja Zeitlos dar....


Nochmals eine bitte, bleibe doch etwas sachlicher und besonders auch beim Thema, schade um das Thema.... es ist mir bekannt, dass du die Themen zerreist.

Es geht hier nicht um deine ideologischen Ansichten, sondern darum, was Damals war, wie es begann.... also mach mal eine Punkt.

anonym001
11.01.2013, 20:12
Wann begann es?

Da war mal Absaloms Beitrag über die "Urchristen" das Thema. Sehr interessant und Aufschlussreich.

Fast könnte man auch Fragen, wann begann es, dass Kain den Abel erschlug? Und die Welt ist immer noch nicht klüger geworten....
Wann begann die Besserwisserei? Und "man/frau" ist derem Hang überhaupt nicht "süchtig", sondern nur die anderen.
Ah... und was haben die Juden nicht alles verbrochen und falsch verstanden.... und überhaupt...
Der Geist macht ja frei, und es leben die Freigeister, frei von Sünde und Gesetz...

Also nochmals zum Thema....

Wann begann es?

Provisorium
11.01.2013, 22:47
Also nochmals zum Thema....

Wann begann es?
Ich glaube es begann, als der Mensch anfing in Schubladen zu denken und sobald er irgendein Stich-oder Reizwort hörte, sich automatisch eine der Schubladen öffnete und der Mensch sich unreflektiert an dessen Inhalt bediente und ergötzte und es für die allumfassende Wahrheit hielt...

Absalom hat das Thema doch so fundiert und wirklich wunderbar treffend dargestellt, ich verstehe eben gar nicht, was man da jetzt konkret für ein Problem mit haben könnte. Aber vielleicht mag mir da jemand auf die Sprünge helfen?

Ich hab' hier auch noch einen Beitrag zum Beginn des Christentums. Wenn man will, entspricht dieser Beitrag "meiner Ideologie" http://www.tabularasa-jena.de/artikel/artikel_328/ ... (http://www.tabularasa-jena.de/artikel/artikel_328/)

LG
Provisorium

Zeuge
12.01.2013, 05:17
Ich habe sehr wohl gelesen, und meine Antwort lautete:


Ich habe noch NIE behauptet, dass es im Judentum keine Opfer geben würde, aber ich sagte wohl, dass das nicht mit einer christlichen Opfertheologie zu erklären sei.


In der, von mir verlinkten, Seite aber steht:

Das Targum Jonathan, das vermutlich aus dem 3. oder 4. Jahrhundert d. Z. stammt, identifiziert den Gottesknecht mit dem Messias. Christopher North schreibt in seiner wertvollen Analyse der jüdischen und christlichen Auslegungen der Gottesknechtlieder des Jesajabuchs, dass sich das Targum auf frühere Traditionen gründen müsse. Denn Juden hätten wohl kaum angefangen, diesen Abschnitt auf den Messias zu beziehen, jedenfalls nicht so qualifiziert wie das Targum, nachdem Christen ihn bereits auf Christus bezogen hatten.
Das heißt daß die Opfertheologie im Judentum genau so vorhanden war, wie im Christentum.

Weiter heißt es auf dieser Seite:

Die kollektive Deutung des Textes war bei den jüdischen Auslegern seit Raschi üblich, obwohl sie, wie North feststellt, früher weniger verbreitet war als die messianischen Deutungen: »Juden gaben die messianische Deutung zugunsten der kollektiven auf als Mittel der Verteidigung gegen die Christen.«
Die kollektive Deuting kam also aus Wiederspruchsgeist zustande.

Raschis neue Lehre über ein stellvertretendes Leiden muss aus christlichen Quellen stammen. Doch er kehrt die Argumente seiner Gegner um, indem er die christliche Lehre auf die Leiden Israels bezieht. Nicht der Tod Christi, sondern die Leiden Israels werden die Welt retten, indem Israel für die Sünden der Kirche sühnt.
Sehr interressant. Wenn Israel dieser leidende Knecht ist, der für die Sünden der Kirche sühnt (Opfertheologie!), dann gehören Juden und Christen zusammen, sie sind ein Volk, denn der leidende Knecht wurde "wegen der Verbrechen seines Volkes zu Tode getroffen." Juden und Christen sind jetzt ein Volk!

Zu einem Volk aber wurden sie durch Jesus. Dadurch daß Jesus gepredigt wurde, sind die Nationen zum Glauben an den Gott Israels gekommen, was wiederum darauf hinweist daß Jesus der Sproß aus der Wurzel Isais ist, der als Zeichen für die Nationen dasteht. (Jes. 11:10)

Und wenn Israel der leidende Knecht ist, dann erst recht der Messias, der seinem Volk vorangehen muß.


Untermenschen ???? was sind denn das für absurde Aussagen… du nimmst ein Geschehen aus längst vergangener Zeit, stellst die Situation als Allgemeine und Globale, ja Zeitlos dar....

Das war kein einmaliges Geschehen, sondern ein mehrere Jahrhunderte langes Verhalten, das die Mentalität der Juden geprägt hat.


Es geht hier nicht um deine ideologischen Ansichten, sondern darum, was Damals war, wie es begann....

Es begann mit einem Zimmerman aus Nazareth, den Gott zum Stein des Anstoßes gemacht hat.

anonym002
12.01.2013, 10:28
@Zeuge

Nun, wie du vielleicht, ja auch nur vielleicht wissen könntest oder wolltest, besteht das Judentum nicht nur aus einem Targum Jonathan, sondern es ist sehr vielschichtig.
Oder soll ich nun das Christentum auf Luther oder die Piusbrüder definieren? Oder eine Sekte wie … naja, ich unterlasse jetzt mal Bezeichnungen.

Diesen Abschnitt auf den Messias zu beziehen, besagt eben keine Opfertheologie, welche mit derer vom Christentum übereingeht. Aber ich denke, du hast meinen Satz: (Zitat) „ich habe noch NIE behauptet, dass es im Judentum keine Opfer geben würde, aber ich sagte wohl, dass das nicht mit einer christlichen Opfertheologie zu erklären sei.“ Immer noch nicht verstanden, und drehst ihn weiterhin beliebig um. Stellvertretendes "Opfer" für andere ist eigentlich dem Judentum fremd, man bringt selber das Opfer dar.

„Raschi“ wird übrigens etwas vorsichtig „behandelt“ und dient weniger als Referenz, trotz seiner Verdienste. Aber das ist ein anderes Kapitel, jeder Mensch ist ein Kind seiner Zeit.


Ach, was, der Zimmermann, jener Jude Jesus war sicher weniger ein Anstoss (noch weniger seine wirkliche Botschaft), sondern dieses hellenistische alexandrinische und babylonische Freigeistertum, welche auch du immer wieder hervorbringst und die aus seiner Lehre gemacht wird.
Und das begann nicht mit jenem Juden Jeshuah, sondern war schon vorher immer wieder ein Problem, dass solche Ideologien den jüdischen Gottesglauben unterwanderten und entstellen.


Wie schon gesagt, es geht nicht um deine Ideologie, sondern darum, „wie begann es?“.


Alef

Zeuge
12.01.2013, 13:38
Nun, wie du vielleicht, ja auch nur vielleicht wissen könntest oder wolltest, besteht das Judentum nicht nur aus einem Targum Jonathan, sondern es ist sehr vielschichtig.

Und jeder kann aus diesem vielschichtigen Judentum raussuchen was immer ihm in den Kram paßt, und behaupten: nur das ist das einzig wahre Judentum?


Diesen Abschnitt auf den Messias zu beziehen, besagt eben keine Opfertheologie, welche mit derer vom Christentum übereingeht.

Doch, auch wenn du es nicht wahr haben willst. Denn der Knecht Gottes sühnt mit seinem Leiden die Sünden anderer.


Stellvertretendes "Opfer" für andere ist eigentlich dem Judentum fremd,

Juda, der Stammvater der Juden, bot sich anstelle von Benjamin an.


Und das begann nicht mit jenem Juden Jeshuah, sondern war schon vorher immer wieder ein Problem, dass solche Ideologien den jüdischen Gottesglauben unterwanderten und entstellen.

Und warum schiebst du sie dann immer wieder Paulus unter? Der wird es in seinem Schriftstudium bei Gamaliel gelernt haben.


Wie schon gesagt, es geht nicht um deine Ideologie, sondern darum, „wie begann es?“.

Nun, es geht auch nicht um deine Philosophie.

anonym002
12.01.2013, 16:09
"Man/frau" nimmt sich nicht das heraus, was einem in den Kram passt, auf dass es genau so allgemeingültig wäre (das machen Leute mit Ideologien) wäre, sondern die Vielseitigkeit sind alles Gedanken, zuzusagen Bausteine für Bausteine,, welche aber immer wieder neu mit der Torah geprüft werden udn entsprechend aktualisiert werden.
Und schon wieder sehe ich, dass du meinen Satz: „Diesen Abschnitt auf den Messias zu beziehen, besagt eben keine Opfertheologie, welche mit derer vom Christentum übereingeht.“ Nicht verstanden hast, sondern sagst etwas anderes dazu.

Sicher „opfert“ man sein Leben für andere, das ist auch weiter kein Problem. Das tun selbst Leute ohne religiösen Hintergrund. Ich spreche aber von Opfern nach der Torah, wenn dir das noch nicht aufgefallen ist…
Warum vermischt du immer das eine mit dem andern? "Opfer" ist nun mal nicht gleich "Opfer"….

Jetzt habe ich ein einem Beitrag vor weiteren mindestens 5 Beiträgen mal Paulus erwähnt, und in meinen über 2500 Beitragen vielleicht 100 mal, wenn es hochkommt. und schon sage ich immer „Paulus"… naja, Paulus gehört mal zum Kontext vom NT, dann ist es natürlich, dass er halt etwas häufiger genannt ist. Und was er, Paulus wirklich bei Gamaliel gelernt hat, ist ja offen….

Weiter vertrete ich keine Philosophie noch Ideologie…

Zurück zum Thema: „wie begann es?“ oder den nächsten Tritt an mein Bein?

anonym002
12.01.2013, 16:31
Ich glaube es begann, als der Mensch anfing in Schubladen zu denken und sobald er irgendein Stich-oder Reizwort hörte, sich automatisch eine der Schubladen öffnete und der Mensch sich unreflektiert an dessen Inhalt bediente und ergötzte und es für die allumfassende Wahrheit hielt...

Absalom hat das Thema doch so fundiert und wirklich wunderbar treffend dargestellt, ich verstehe eben gar nicht, was man da jetzt konkret für ein Problem mit haben könnte. Aber vielleicht mag mir da jemand auf die Sprünge helfen?

Ich hab' hier auch noch einen Beitrag zum Beginn des Christentums. Wenn man will, entspricht dieser Beitrag "meiner Ideologie" http://www.tabularasa-jena.de/artikel/artikel_328/ ... (http://www.tabularasa-jena.de/artikel/artikel_328/)

LG
Provisorium


Aus obigem Link:
Vorchristliche Entwicklungen in der abendländischen Geistesgeschichte

Die natürlichen Wurzeln des Christentums sind nur über die abendländische Geistesgeschichte erklärbar, wobei schon vorchristliche Entwicklungen eine wichtige Rolle spielen. Das Wissenschaftszentrum um die Zeitenwende „mit der erste[n] Universität im modernen Sinn“8 und dem „Bestreben, die Welt aus sich selbst, also rational zu erklären“9, war die von Alexander dem Großen im Jahre 331 v. Chr. gegründete und nach ihm benannte ägyptische Hafenstadt Alexandria, in der die griechische Philosophie und Kultur eine neue und letzte Blüte erlebte. Hier unternahm der Jude Philon (etwa 25 v.Chr.-50 n.Chr.) den kühnen Versuch, die griechische Philosophie, besonders die von Platon, mit der jüdischen Religion zu vereinbaren.

„Philon von Alexandria setzte den Einen Gott des Judentums mit dem Einen Platons gleich“10. Das war nur möglich, wenn der personale jüdische Gott zu einem „negativen“ Gott wurde, der völlig unbestimmbar und unerkennbar sich über allem befand. Die Verbindung dieses „negativen“ Gottes zur Materie und Welt sah Philon durch Platons Ideen hergestellt, wobei der Inbegriff dieser Ideen für ihn der Logos war, die weltdurchwaltende Vernunft. Den Logos nannte Philon Gottes Sohn (ohne dass dem Zeitpunkt entsprechend irgendwie der gekreuzigte Jesus dabei eine Rolle spielte). „Es ist klar zu sehen, wie hier christliche Gedanken vorgebildet sind“.

------------------------

Der ganze Gedanken bildet sich ja gut im Prolog bei JoEv ab.
So wurde der christliche Gott sozusagen namenlos, und alle Eigenschaften in den Sohn hineingelegt.

Aber nicht, dass hier nun über die negative Theologie weiter diskutiert wird, dazu gibt es ja schon den anderen Thread....

Philon wurde noch als „Rechtsgläubig“ erkannt, da er den Logos, oder den „Gottessohn“ insofern nicht verkörperte und die Gültigkeit der Torah bestätigte. Wogegen andere Gruppierungen, wie zB die Minäer wesentlich weiter gingen.

Effi
12.01.2013, 16:43
Hallo Effi

Du hast einen wesentlichen Punkt angesprochen. Paulus beschreibt ihn folgendermaßen:
"Ich weiß, daß in mir, das heißt in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt; das Wollen ist bei mir vorhanden, aber ich vermag das Gute nicht zu verwirklichen. ...
Denn in meinem Innern freue ich mich am Gesetz Gottes,
ich sehe aber ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das mit dem Gesetz meiner Vernunft im Streit liegt und mich gefangen hält im Gesetz der Sünde, von dem meine Glieder beherrscht werden.
Ich unglücklicher Mensch" Wer wird mich aus diesem dem Tod verfallenen Leib erretten?" (Röm. 7:24)
Bei allen seinen Anstrengungen kommt der Mensch zur bitteren Erkenntnis, daß er dem Gesetz Gottes niemals gerecht werden kann.

Mir ist das zu leibfeindlich. Bescheidenheit ist mir eine liebsame Tugend, ebenso wie Selbstkritik, aber derartige Körperfeindlichkeit wie du sie hier zitierst erscheint mir nach heutigen psychologischen und soziologischen Erkenntnissen nicht mehr angemessen. Derartige Selbstzweifel und Selbstabwertungen hinterlassen nämlich meistens ungute Spuren. Der Glaube an Gott ist für mich nichts starres, er entwickelt sich mit der Zivilisation der Menschheit weiter und berücksichtigt die wertvollen Erkenntnisse über unsere physische Konstitution, Psyche und Sozialisation. Heute weiß man, dass Selbstwertempfinden von großer Bedeutung ist, da nur wer sich selbst annehmen kann, auch in der Lage ist, andere annehmen zu können. Wir wissen heute viel Neues über Gehirnentwicklung und die bedeutsame Entwicklung emotionaler Intelligenz. Da ich davon ausgehe, dass diese Weiterentwicklung im Sinne Gottes geschieht, lerne ich aus der zitierten Schriftstelle etwas anderes als du. Ich lese und bin dankbar für neuere Erkenntnisse.

Und die ursprünglichen finde ich interessant zu erfahren... siehe "wie es begann"...

anonym002
12.01.2013, 17:25
Hallo Effi

Ich denke, da hast du etwas wesentliches geschrieben, was so oft missverstanden wird, denn genau in diesem Zitat von Paulus kommt diese fremde (heidnische) Gesinnung hervor und auch seine Gespaltenheit. Die „Verteufelung“ des Leibes (Fleisch) ist nicht allgemein jüdisch oder der Torah gemäss. Lol, aber jetzt habe ich schon wieder über Paulus geschrieben…

Die eigentlich Lehre ist: „…Liebe deinen Nächsten wie dich selbst…“, und das geht nur, wenn man sich selber liebt, und sich selbst annimmt. Nächstenliebe ist keine Unterwerfung eines "Nichtswertigen" gegenüber einem "Grossen". Es ist Grundvoraussetzung, dass man den Nächsten überhaupt lieben kann. Weiter bewahrt dies ein Gleichgewicht zwischen Mein und Dein.
Ich bin wie ich bin, mit meiner Fähigkeit zum Guten wie auch zum Schlechten. Ich bin wie ich bin, ein Gotteskind, angenommen und geliebt und darf darüber glücklich sein. Das gilt natürlich nicht nur für mich. Aber deswegen „beherrscht“ nicht die „Sünde“ die Glieder, sondern ICH gebe jenem Spielraum. Es ist also kein Beherrschen sondern ein „wie handle ich“.

Dazu den Beitrag über Kain und Abel, wo die „Sinnlichkeit“ nicht vor der Türe (auf)lauert, sondern ruht…..
http://gnadenkinder.de/board/showthread.php?26133-Kajin-und-Hewel

Auch ein Teil dessen, wie alles begann… so manch "neues" ist im "Alten" vergessen gegangenen.


Lehit
Alef

Zeuge
12.01.2013, 17:32
Und schon wieder sehe ich, dass du meinen Satz: „Diesen Abschnitt auf den Messias zu beziehen, besagt eben keine Opfertheologie, welche mit derer vom Christentum übereingeht.“ Nicht verstanden hast, sondern sagst etwas anderes dazu.

Es geht dir also nicht um die Opfertheologie selbst, sondern um ihrer Vertreter. Wenn Juden sie vertreten, ist es in Ordnung. Tun's aber Christen, ist es nicht in Ordnung.
Soviel Christenfeindlichkeit.


Sicher „opfert“ man sein Leben für andere, das ist auch weiter kein Problem. Das tun selbst Leute ohne religiösen Hintergrund. Ich spreche aber von Opfern nach der Torah, wenn dir das noch nicht aufgefallen ist…

Und wo ordnest du Abrahams Opfer ein, als er Isaak opferte?


Weiter vertrete ich keine Philosophie noch Ideologie…

Liberalismus ist eine Ideologie, und Religionswissenschaft ist ein Bestandteil der Philosophie.


Ich denke, da hast du etwas wesentliches geschrieben, was so oft missverstanden wird, denn genau in diesem Zitat von Paulus kommt diese fremde (heidnische) Gesinnung hervor und auch seine Gespaltenheit. Die „Verteufelung“ des Leibes (Fleisch) ist nicht allgemein jüdisch oder der Torah gemäss. Lol, aber jetzt habe ich schon wieder über Paulus geschrieben…

Und du machst es absichtlich. Das nennt man Verleumdung.

"Wie unreine Menschen sind wir alle geworden, unsere ganze Gerechtigkeit ist wie ein schmutziges Kleid. ..." (Jes. 64:5)

anonym002
12.01.2013, 17:44
Was soll das nun mit Christenfeindlichkeit?
Also ich habe deine Wortverdreherei satt, was du immer in Aussagen hineinzwängst… wenn ich „A“ sage, so hörst du genau das, wogegen du argumentieren willst…

Abraham hat übrigens schlussendlich den Isaak nicht "geopfert", da wurde ein Widder dargebracht, denn Menschenopfer gefallen dem Ewigen nicht. Aber das solltest du ja wissen.
Und wie wäre es mit „Gehorsam“?

Und wie schon gesagt, Opfer ist ja nicht = Opfer. Leider werden da verschiedene hebr. Wort nur mit diesem einen Wort übersetzt, was dann zu Verwirrungen führt.


Aber das hat nichts mit „wann begann es?“ zu tun.

Provisorium
12.01.2013, 17:55
Aber nicht, dass hier nun über die negative Theologie weiter diskutiert wird, dazu gibt es ja schon den anderen Thread....
Oh nein bitte nicht. Das war auch überhaupt nicht meine Intention jetzt über negative Theologie philosophieren zu wollen. Mir ging es ausschließlich um das Threadthema und da ist der Artikel doch recht aufschlussreich und deckt sich auch weitestgehend mit Absaloms noch viel ausführlicherer Darstellung. Die ganze "Meister Eckhart Geschichte" drumrum darf man gerne ignorieren.

Mir ging es darum, die natürlichen Wurzeln des Christentums herauszustellen, z.B. wie sich die Vorstellung eines dreieinigen Gottes entwickelt hat und das ist ohne Hellenismus nun mal nicht denkbar. Der jüdische Glauben ist doch ebenso wie damalige Philosophische Vorstellungen von den ersten Interpreten des Christentums instrumentalisiert worden, um sich begreiflich zu machen, an was genau man denn nun eigentlich glaubt.
Irgendwie ist das ja auch logisch. Jesus war Jude und ist ohne Judentum nicht denkbar, er lebte darin, das war sein Glauben und sein Leben. Und die damalige Philosophie war quasi das, was heute für uns die moderne Naturwissenschaft ist, sie hat definiert was Wahrheit ist. Und natürlich musste der sich langsam herausbildende christliche Glauben an den damals als wahr angesehenen Vorstellungen messen lassen. Deshalb gab es, wie der Artikel doch eigentlich schön aufzeigt, ja zu beginn auch diese unterschiedlichen Strömungen. Man rang sozusagen um die Wahrheit und legte dann in Konzilsbeschlüssen fest was als Wahrheit betrachtet wurde. Und wer den stärksten Kräften diesbezüglich nicht folgen wollte, wurde über kurz oder lang verdrängt, um nicht zu sagen platt gemacht.

So ist letztlich ja auch der biblische Kanon entstanden. Und weil es so schön passte, hat man die Heiligen Schriften der Juden, von den Christen Altes Testament genannt, für eigene Vorstellungen adaptiert und sich zu Nutzen gemacht. Das Christentum war immer sehr erfolgreich darin, sich bereits bestehende Vorstellungen zu eigen zu machen und auf sich selbst hin zu deuten. Deshalb durfte sich ja auch lange Zeit die Erde nicht um die Sonne drehen, aber das ist eine andere Geschichte...

LG
Provisorium

Effi
12.01.2013, 18:29
Hallo Effi

Ich denke, da hast du etwas wesentliches geschrieben, was so oft missverstanden wird, denn genau in diesem Zitat von Paulus kommt diese fremde (heidnische) Gesinnung hervor und auch seine Gespaltenheit. Die „Verteufelung“ des Leibes (Fleisch) ist nicht allgemein jüdisch oder der Torah gemäss. Lol, aber jetzt habe ich schon wieder über Paulus geschrieben…

Als ich deine Antwort las dachte ich..."dies wird nicht unkommentiert bleiben"... und schon war es geschehen.

@ Zeuge: Nichts für ungut Zeuge, aber ich halte vom separierten Herausstellen solcher Schriftstellen ..."Wie unreine Menschen sind wir alle geworden, unsere ganze Gerechtigkeit ist wie ein schmutziges Kleid" nichts. Was bewirken derartig düsteren und betrüblichen Worte bei dir? Derartige Bibelstellen brächten mich vom Glauben ab, würde ich sie mir zu oft zu Gemüte führen, vor allem so aus dem Kontext gerissen. In deinem kurzen Zitat wird der Begriff Gerechtigkeit, der ein Synonym für Redlichkeit darstellt mit einem schmutzigen Kleid verglichen. Dann das Betonen der Unreinheit. Ja, es ist wie Alef schrieb, wir haben beides in uns, die Neigung zum Guten und die zum Schlechten und auch "Mischmasch" und wir müssen selbstreflektierend unser Tun und Handeln überprüfen, um es bei Bedarf zu korrigieren, zu eichen, positiv auszurichten. Wir sollten Unreinheit nicht beklagen, sondern aktiv damit umgehen.



Die eigentlich Lehre ist: „…Liebe deinen Nächsten wie dich selbst…“, und das geht nur, wenn man sich selber liebt, und sich selbst annimmt. Nächstenliebe ist keine Unterwerfung eines "Nichtswertigen" gegenüber einem "Grossen". Es ist Grundvoraussetzung, dass man den Nächsten überhaupt lieben kann. Weiter bewahrt dies ein Gleichgewicht zwischen Mein und Dein.
Ich bin wie ich bin, mit meiner Fähigkeit zum Guten wie auch zum Schlechten. Ich bin wie ich bin, ein Gotteskind, angenommen und geliebt und darf darüber glücklich sein. Das gilt natürlich nicht nur für mich. Aber deswegen „beherrscht“ nicht die „Sünde“ die Glieder, sondern ICH gebe jenem Spielraum. Es ist also kein Beherrschen sondern ein „wie handle ich“.

Dankeschön! Ja, ich stimme gerne zu! Dem ist nichts hinzuzufügen :-).
Das fasziniert mich, dass so wesentliche Grundvoraussetzungen wie Nächstenliebe damals vor langer Zeit schon so wichtig waren und es heute noch ganz genauso sind. Sie sind elementar und bleibend von Bedeutung.

Gruß,
Effi

anonym002
12.01.2013, 19:11
Hallo Provisorium

Ja, ich habe deine Absicht schon verstanden, und der Artikel zeigt doch einiges auf, eben auch jenen Absatz, den ich zitiert habe, und deckt sich ganz mit dem, was ich anderswo schon gelesen habe.
Also ich fand dein Link ganz spannend…

Und auch die Entwicklung eines „Triade-Gottes“, die ist älter, als man wahrscheinlich denkt, Mit „Vater (El), Sohn (Ba’al) und Mutter“, „Sonne, Mond und Venus“ und den Sternen als die weiteren Söhne/Geschwister, wo aber die Venus hervortrat, einfach oft mit verschiedne Akzenten und Hervorhebungen und Verschiebungen.
So auch, dass der Vater sozusagen verdrängt wird, und der Sohn das Sagen hat bis dahin, dass der Sohn (leuchtender Morgen- udn Abendstern) der Erlöser für seine Geschwister ist. Das alles gehört mit zu den alten semitischen Religionen. Diese Drei-Gestalt als Ur-Typus der Familie.
Aber vielleicht machte ich jetzt zu viele Gedankensprünge...

„Wahrheit“ ist nur Stückwerk und somit relativ, vielleicht in 10 oder 50 Jahren ist sie wieder eine andere. Was gemäss Ideologie nicht sein darf, kann nicht sein. Und was gemäss Ideologie sein muss, ist dann Wahrheit, bis dahin, dass sich die Sonne um die Erde dreht, wie du sagtest.


lehit

Alef

Zeuge
12.01.2013, 22:48
Was soll das nun mit Christenfeindlichkeit?
Also ich habe deine Wortverdreherei satt, was du immer in Aussagen hineinzwängst… wenn ich „A“ sage, so hörst du genau das, wogegen du argumentieren willst…

Und ich habe deine Wortverdreherei satt, was du immer Paulus unterstellst.


Abraham hat übrigens schlussendlich den Isaak nicht "geopfert", da wurde ein Widder dargebracht, denn Menschenopfer gefallen dem Ewigen nicht. Aber das solltest du ja wissen.
Und wie wäre es mit „Gehorsam“?

Gehorsam in einer Sache, die vom Gesetz nicht gefordert wird? Du lehnst das doch strikt ab.



In deinem kurzen Zitat wird der Begriff Gerechtigkeit, der ein Synonym für Redlichkeit darstellt

Im Gegensatz zur Selbstgerechtigkeit. Und aus Werken des Gesetzes kommt nur Selbstgerechtigkeit zustande: ich habe meine Pflicht erfüllt und den Lohn verdient.
Und wenn es heißt "unsere Gerechtigkeit", dann ist damit nur die Selbstgerechtigkeit gemeint.
Paulus schreibt: "Ich bin mir zwar keiner Schuld bewußt, doch bin ich dadurch noch nicht gerecht gesprochen; der Herr ist es, der mich zur Rechenschaft zieht." (1Kor. 4:4)
Nur wen Gott gerecht spricht, der ist gerecht gesprochen.

anonym002
13.01.2013, 10:58
Ich verdrehe dem Paulsu seine Worte nicht, was du mir wieder falsch unterstellst, sondern ich betrachte seine Aussagen kritisch, prüfe sie wie er selber sagte, dass man prüfen sollte und auch seine Meinung ist nur Stückwerk.

Es ist schon komisch, wie zwei verschiedene Ebenen total miteinander vermischt und durcheinander gebracht werden, nur damit eine Ideologie, welche nichts mit den Weisungen Gottes zu tun haben, irgendwie Fuss fassen können. Aber die Ursprünge solches Denkens sind bekannt.

Das Gesetz, die Torah, die Weisungen Gottes wurden nicht als Mittel zur „Selbstgerechtigkeit“ gegeben, und auch nicht als Mittel einer Gerechtigkeit für ein "Seelenheil".

Effi
13.01.2013, 12:32
Im Gegensatz zur Selbstgerechtigkeit. Und aus Werken des Gesetzes kommt nur Selbstgerechtigkeit zustande: ich habe meine Pflicht erfüllt und den Lohn verdient.
Und wenn es heißt "unsere Gerechtigkeit", dann ist damit nur die Selbstgerechtigkeit gemeint.
Paulus schreibt: "Ich bin mir zwar keiner Schuld bewußt, doch bin ich dadurch noch nicht gerecht gesprochen; der Herr ist es, der mich zur Rechenschaft zieht." (1Kor. 4:4)
Nur wen Gott gerecht spricht, der ist gerecht gesprochen.

Aber es gibt ja schon eine Orientierung, was unter gerecht zu verstehen ist. Wie sonst hätten wir eine Vorstellung von gerechtem und fairem Umgang miteinander?

Ich krieg da einiges nicht zusammen.

Da soll es ein Gott und Schöpfer geben, der Menschen zu seinem Ebenbilde erschuf und dann werden alle Begriffe die mit "Selbst" anfangen als negativ empfunden, komisch. So kategorisch, so schwarz-weiß denkend. Es gibt Spektren und Vielfalt... daher auch die Sprache vom "gesunden", ausgewogenen Selbstbewusstsein.
Man weiß doch heute, dass Menschen, die gut auf sich selbst achten können, auch achtsam mit anderen umzugehen vermögen.

Zeuge
13.01.2013, 15:55
Ich verdrehe dem Paulsu seine Worte nicht,

Auf Schritt und Tritt. Denn du interpretierst seine Aussagen gemäß der kirchlichen Lehre. Was die Kirche und du da hineininterpretiert, hat er nie gesagt!


sondern ich betrachte seine Aussagen kritisch,

Du hast noch keine Bibelstelle selbstständig interpretiert, sondern wiederholst nur fremde Gedanken, gewisser jüdischer Kreisen.


und auch seine Meinung ist nur Stückwerk.

Das ist es ja, daß du nur eine Meinung vertrittst, und vom Glauben und Gehorsam keine Ahnung hast.



Aber es gibt ja schon eine Orientierung, was unter gerecht zu verstehen ist. Wie sonst hätten wir eine Vorstellung von gerechtem und fairem Umgang miteinander?

Und woher haben wir diese Orientierung? Wir basteln sie uns selbst zurecht.
Früher galt als gerecht, Sklaven zu halten. Erst nach dem Bürgerkrieg in den USA gilt die Sklavenhaltung als ungerecht.


Da soll es ein Gott und Schöpfer geben, der Menschen zu seinem Ebenbilde erschuf und dann werden alle Begriffe die mit "Selbst" anfangen als negativ empfunden, komisch.

Das Bild Gottes ist die Denkweise Gottes, die er nach und nach bei Gott lernen soll.
Beim Sündenfall hat der Mensch eine andere Denkweise übernomen: "hat Gott wirklich gesagt?" Und seit dem nimmt er die Orientirung nicht mehr von Gott, sondern aus sich selbst.
Und das Wort Gottes wird verdreht, in Frage gestellt, und bekämpft, damit das menschliche Selbst verherrlicht wird:
"Auf, bauen wir eine Stadt (Gesellschaft) und einen Turm mit einer Spitze bis zum Himmel (Religion), und machen wir uns damit einen Namen." (Gen. 11:4)


Man weiß doch heute, dass Menschen, die gut auf sich selbst achten können, auch achtsam mit anderen umzugehen vermögen.

Nur verhältnismäßig: manch ein Sklavenhalter, der gut auf sich selbst geachte hat, ging achtsam mit seinen Sklaven um. So auch Adelige mit ihren Leibeigenen. Und heute Kapitalisten mit den Arbeitern.
Und weil der Mensch so selbstsüchtig ist, müssen Kriege, Bürgerkriege und Revolutionen kommen, damit Veränderungen stattfinden.

"Zur Frau (der Mutter aller Lebenden, der Representantin der ganzen Menschheit) sprach er (Gott):
Viel Mühsal bereite ich dir, sooft du schwanger wirst. Unter Schmerzen gebierst du Kinder." (Gen. 3:16)
"Ihr werdet von Kriegen hören, und Nachrichten über Kriege werden euch beunruhigen. Gebt acht, laßt euch nicht erschrecken! Das muß geschehen. Es ist aber noch nicht das Ende.
Denn ein Volk wird sich gegen das andere erheben und ein Reich gegen das andere, und an vielen Orten wird es Hungersnöte und Erdbeben geben.
Das alles ist erst der Anfang der Wehen." (Mt. 24:6-8)
"Wärend die Menschen sagen: Friede und Sicherheit!, kommt plötzlich Verderben über sie wie die Wehen über eine schwangere Frau, und es gibt kein Entrinnen." (1Tess. 5:3)

Weil die Menschen so selbstsüchtig und "selbstbewußt" sind, kommen Veränderungen, die Gott in seinem Plan festgelegt hat, auf schmerzhafte Weise.

anonym001
13.01.2013, 16:22
Du hast noch keine Bibelstelle selbstständig interpretiert, sondern wiederholst nur fremde Gedanken, gewisser jüdischer Kreisen.
....
Das ist es ja, daß du nur eine Meinung vertrittst, und vom Glauben und Gehorsam keine Ahnung hast.




Zeuge, hiermit verwarne ich dich der Unsachlichkeit, Diffamierung und der Denunzierung. Hast du dich nicht im Griff?

Was unterstellst du immer wieder anderen nach deiner Besserwisserei für Dinge? Das ist doch keine Diskussionsbasis.

Auch deine Ansichten sind nur sehr subjektiv und extrem polarisiert, vergiss das nicht.

Das Thema ist, "wann begann es?" und nicht, dass Zeuge es besser weiss....

Effi
13.01.2013, 16:33
Und woher haben wir diese Orientierung? Wir basteln sie uns selbst zurecht.
Früher galt als gerecht, Sklaven zu halten. Erst nach dem Bürgerkrieg in den USA gilt die Sklavenhaltung als ungerecht.

Lese bitte deine Antwort noch einmal und lass sie wirken. Vielleicht fällt dir dann auch auf, dass es natürlich nicht richtig ist, anzunehmen Sklavenhaltung sei irgendwann einmal als gerecht empfunden worden. Derartiges hatte niemals was mit Gerechtigkeit gemein. Die wollten gar nicht gerecht sein, sie wollten Menschen zweiter Klasse als Sklaven "halten". Es war eine ungerechte Hierarchie fernab von Nächstenliebe und anderen sozialen Grundsätzen, die Gott von den Menschen erwartete und erwartet.


Das Bild Gottes ist die Denkweise Gottes, die er nach und nach bei Gott lernen soll.
Beim Sündenfall hat der Mensch eine andere Denkweise übernomen: "hat Gott wirklich gesagt?" Und seit dem nimmt er die Orientirung nicht mehr von Gott, sondern aus sich selbst.

Die 10 Gebote haben noch immer ihre Bedeutung. Sie bieten bedeutsame Orientierung.


Nur verhältnismäßig: manch ein Sklavenhalter, der gut auf sich selbst geachte hat, ging achtsam mit seinen Sklaven um. So auch Adelige mit ihren Leibeigenen. Und heute Kapitalisten mit den Arbeitern.
Und weil der Mensch so selbstsüchtig ist, müssen Kriege, Bürgerkriege und Revolutionen kommen, damit Veränderungen stattfinden.

Was für welche Vergleiche...

Mein Arbeitgeber ist mein Vorgesetzter mit der Verantwortung eines Vorgesetzten, der gerecht und respektvoll mit mir umgeht. Hoffentlich geht es nicht nur mir so gut. Hoffentlich spürt man auch andernorts diese positiven Entwicklungen. Oder lebe ich in einer anderen Welt?
Und wenn die Bedingungen nicht so gut sind, dann sind wir angehalten daran mitzuwirken, sie zu verbessern.