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Gabriel2
15.02.2007, 00:00
...Nein, ist nicht von mir!!! Ist von einer ganz lieben Freundin. Und es ist das erste von hoffentlich noch vielen, das ich mit meinen Neffen zusammen lesen darf.

Gabriel2




Die zerbrochene Brücke
- Das Opfer des Sohnes bringt uns wieder zum Vater -



Die zerbrochene Brücke


http://www.ttfo.de/bruecke.jpg


Sasu war am Abend nicht in den Bau zurückgekommen. Vater Kima wartete vergeblich auf seinen Sohn, als die Sonne hinter dem Felsen unterging. Alle seine Kinder waren längst wieder gekommen, nur nicht Sasu. Der kleine Bär war wütend am Morgen weggelaufen, weil ihm Mutter Jali verboten hatte, über die Schlucht hinüber zugehen. Kima hatte noch nie zuvor so viel Zorn in den Augen seines Sohnes gesehen, als er ausrief: „Ich hasse dich und deine ständigen Verbote!“ Mutter Jali war ihm noch nachgelaufen, doch er war immer weiter in den Wald hinein gerannt und schließlich über die Schlucht gesprungen. Das letzte Mal, als sie Sasu an diesem Tag gesehen hatten, waren die Bäreneltern schon durch einen tiefen Abgrund von ihrem Sohn Sasu getrennt.

Es war die erste Nacht, in der kein Friede in der Familie einzog. Hätte Kima nicht so hart sein sollen zu Sasu? Aber er selbst wusste nur zu gut, warum er diese Verbote ausgesprochen hatte. Auf der anderen Seite der Schlucht würde keines seiner Kinder überleben können. Alles dort war verdorben, das Futter, das trübe, stinkende Wasser...

Kima hatte es doch den Bärenkindern oft genug gesagt. Warum hatte Sasu denn nicht verstanden? Warum nur, wollte er plötzlich dort hinüber? Jali weinte sich seit Stunden die Augen aus. Kima hielt sie fest im Arm, um ihr Trost zugeben. Während beide in die dunkle Nacht hinaus starrten, war Jali erschöpft wie noch nie eingeschlafen. Doch Kima wachte. Er horchte bei jedem noch so kleinen Geräusch auf, ob es vielleicht doch sein Sohn Sasu auf der anderen Seite des Grabens war. Vielleicht, so hatte Vater Kima gehofft, würde er schon in dieser Nacht zurückkommen wollen. Und wenn es soweit war, wenn er doch nur einmal um Hilfe schreien würde, dann wollte Vater Kima da sein. Doch er hatte die ganze Nacht umsonst gewartet. Kima und Jali waren verzweifelt. Auch wenn sie noch andere Kinder hatten, die ihnen viel Freude bereiteten, weil es starke, kluge und liebevolle Bärenkinder waren, Sasu fehlte.

Am Mittag ging Vater vom Eingang des Baus hinüber in den Wald. Er hielt seine Ohren immer offen, während seine Pfoten ihn schwerfällig Schritt für Schritt an die Schlucht trugen. Nicht mal mehr 2 Tage würde sein Sasu dort drüben überleben. Ach, hätte er doch bloß nicht auf diese Geier gehört, die dem jungen Bären so viele Märchen erzählt hatten, wie schön es dort am Felsen wäre. Alles Lügen, alles gar nicht wahr! Doch Sasu hatte sie wohl oft genug gehört, um es am Ende doch zu glauben. Kima hatte Sasu gewarnt. Aber statt zuzuhören, schlich sich Sasu immer öfter heimlich davon, um diesen Geiern zu glauben. Dabei versuchte auch seine Mutter Jali alles, um ihren Sohn aus Liebe vor den Lügen und dem dunklen Treiben auf der anderen Seite des Grabens zu warnen.
Nichts hatte ihr kleiner Sasu von seinen Eltern noch geglaubt...

Kima stand nun vor dem Abgrund und schaute nachdenklich an die kalte, rutschige und steile Felswand auf der anderen Seite. Noch einmal suchten seine großen Augen alle Felsvorsprünge und Ecken ab, in der Hoffnung, irgendwo da drüben doch seinen Sohn zu entdecken. Aber Sasu war nicht da. Während Kima auf der Wiese stand und wartete, fiel sein Blick in die tiefe Schlucht. Wenn Sasu je wieder zurückkommen wollte, wäre es ein sehr gefährlicher Sprung. Wenn er auch nur einen kleinen Satz zu kurz abspringen und in die Tiefe fallen würde, dann wäre das Sasus sicher Tod.
Kima ging einige Schritte in den Wald zurück und begann Äste zu sammeln. Wieder an der Schlucht angekommen, musste der große, alte Vaterbär jedoch schnell erkennen, dass selbst der größte Ast nicht ausreichte, um bis zur anderen Seite eine Brücke zu bauen. Und dann saß er wieder still am Abgrund und dachte darüber nach, warum Sasu nur gegangen war.

Die Wolken zogen am Himmel vorüber, die Sonne stand hoch über den Bäumen, als es Mittag war. Sein eigener Sohn hatte ihm nicht geglaubt. Sasu hatte doch so viel Schutz und Liebe bekommen von seinen Eltern. Aber als er so wütend gegangen war gestern, hatte er alles vergessen. Sasu glaubte, da drüben gäbe es tatsächlich etwas, dass stärker und besser auf den jungen, kleinen Bären aufpassen könnte, als sein eigener Vater? Noch schlimmer war, dass Kima und Jali spürten, dass ihr Sohn überhaupt nicht mehr sah, wie gut sie es eigentlich mit ihm gemeint hatten. „Diese blöden Verbote“, wie Sasu geschrieen hatte, sollten ihn doch nur beschützen. Doch als Jali ihrem Sohn das erklären wollte, machte Sasu sich nur darüber lustig...

Kima saß noch immer am Rand der Wiese. Noch immer hatte er nicht den langersehnten Schrei seines kleinen Bären gehört. Als die Sonne hinter dem Felsen verschwand und der zweite Abend ohne Rückkehr seines Sohnes ins Tal einkehrte, rollten Tränen aus Kimas tiefschwarze Augen. Er starrte noch immer regungslos in die dunkle Nacht. Das Fell war an den Vorderpfoten schon ganz naß von liebenden Vatertränen. Und doch hingen diese starken Bärenarme schlaff und müde am breiten, stämmigen Körper herunter. Kima hatte Kraft, oh ja, genug, um alle zu beschützen, die zu seiner Familie gehörten. Aber eins wusste Vater Kima auch; all seine Kraft und Größe konnte er nur einsetzen, wenn Sasu auf der anderen Seite des Grabens auftauchen und zurückkommen wollte.

Wieder durchsuchten seine besorgten Augen scharfsinnig die Felskanten. Doch noch immer war nirgends etwas von seinem Sohn zu hören oder zu sehen. Die Zeit war knapp geworden. Da drüben gab es, dass wusste Kima, kein sauberes, frisches Wasser. Wie lange konnte ein kleiner Bär schon ohne Trinken aushalten? Oder wenn er etwas von dem stinkenden Wasser trank- wie lange würde es dauern, bis er krank davon werden würde? Kima brummte tief und seine Stimme hallte traurig durch die Schlucht bis zur anderen Seite hinüber. Schließlich stellte er sich im Morgengrauen auf die Hinterpfoten, sog so viel Luft ein, wie er nur konnte und schrie: „Sasu, komm zurück, sonst musst du sterben! Ich liebe dich, komm zurück!“ Im ganzen Bärental war dieser Schrei zu hören. Auch Jali und ihre Kinder erschraken, als sie die verzweifelte Stimme des so mächtigen Bären hörten. Es war der dritte Tag, der begonnen hatte, seit Sasu gegangen war. Kima aber starrte ins Leere, nichts rührte sich auf der anderen Seite. Sasu musste umkehren, musste wieder zurück zum frischen Wasser und zu sauberem Futter, sonst käme alle Hilfe zu spät. Kima brüllte am Mittag noch einmal, denn er wusste, die Zeit würde bald vorbei sein, in der es noch Hoffnung für Sasu gab. „Sasu, vertrau mir, du musst umkehren, sonst wirst du sterben.“ Aber es blieb still.

Am Abend kam Mutter Jali durch den Wald an Vater Kimas Seite. Nun standen sie wieder beide am Abgrund, blickten hinüber, hofften und weinten... Hätte Sasu sich doch nur für das Leben entschieden und wäre zur Kluft zurückgekommen ...

Plötzlich raschelte es ganz leise hinter einem Felsvorsprung. Erst ein kleines braunes Bärenohr, dann eine schmutzige Pfote, dann zwei verschüchterte, ängstliche Augen- schließlich stand er auf der anderen Seite- Sasu. Es war tatsächlich Sasu! Mutter Jali erschrak beim Anblick ihres Sohnes, denn er war kraftlos, müde, schmutzig. Seine Pfoten waren zerkratzt, tiefe Wunden bluteten aus dem Rückenfell und seine Augen waren trüb.

„Sasu!“, rief Vater Kima erleichtert hinüber. Sasu aber blieb verschüchtert und ängstlich stehen, sank kurz darauf in sich zusammen und lag regungslos auf dem kalten Felsenboden.

Kima wusste, dass Sasu zu schwach war, um noch aus eigener Kraft über den Graben zu springen. Wieder schaute er in die Tiefe des Grabens. Wieder wurde ihm bewusst, Sasu wieder den Sprung nicht überleben. Einen kurzen Moment überlegte Kima. Auch Jalis Mutterherz zerriss beim Anblick ihres Kindes. Gerade wollte Kima sich von der Felskante abstoßen und hinüberspringen, als plötzlich Fosa, Sasus großer Bruder aus dem Wald gerannt kam und Vater Kima zurief: „Ich werd die Brücke sein. Laß mich das für Sasu tun, Vater“. Er hatte die Antwort des Vaters kaum abgewartet. Jede Minute war kostbar, wenn Sasu am wieder Leben sollte. Schon im nächsten Moment sprang Fosa ab, und hielt sich mit den Vorderpfoten am felsigen Untergrund fest. Behutsam leckte er mit seiner warmen Zunge über Sasus Gesicht, bis sein kleiner Bruder erschöpft die Augen öffnete.

„Geh, steig über mich zu Vater.“, rief Fosa ihm zu und baute mit seinem ganzen Körper eine Brücke. Fosas Pfoten zitterten und seine Augen tränten vor Schmerzen, während Sasu über das Fell seines Bruders immer näher an Kima kroch. „Und was ist mit dir, wenn ich drüben bin?“, stockte Sasu einen Moment und blickte in die Augen von Fosa. „Geh nur, geh, du musst leben!“ Kimas starke Pfoten packten Sasus schmutziges Fell und zogen ihn auf den sicheren Boden der Wiese. Fosa sah, wie Kima und Jali Sasu in die Arme nahmen, lächelte, ließ seine Krallen los und stürzte mit einem Schrei in die Tiefe der Schlucht. Kima weinte um Fosa, doch auch aus Freude, weil er Sasu in den Armen hielt.

Die Brücke war zerbrochen, doch vorher hatte sie gerettet, was verloren war.

sandkorn
15.02.2007, 14:28
Lieber Gabriel,

achte bitte darauf, dass die Rechte an Bildern nicht immer auch bei dem liegen, der die Texte verfasste... nur so als Tipp am Rande für irgendwann mal :oops:

Alles LIebe dir
Sandkorn