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Gabriel2
09.03.2007, 21:44
„Ki Tissa – Wenn du zählst“
2. Mose 30,11 - 34,35; 1. Könige 18,1-39

WAHRE FÜRBITTE

Mitten in den Routinearbeiten wie der Auswertung
der Kopfsteuer, Musterung, Waschbecken, Zubereitung
von Salböl und Räucherwerk, Berufung neuer Mitarbeiter,
brach für Mose eine Welt zusammen. Das Volk wollte
nicht länger auf Moses Rückkehr warten und beschloss,
sich einen neuen Führer zu nehmen. Es wäre nahe liegend
gewesen, Moses Vize als Nachfolger einzusetzen, denn Aaron
war von Anfang an Moses rechte Hand uns Sprachrohr
gewesen. Es gehört aber zur Psyche der Masse, in revolutionären
Situationen das Nahe liegende und Vertraute
abzulehnen und sich Fremdem zuzuwenden. Das Fremde
verspricht in solchen Seelenlagen immer etwas Neues,
in dem man besseres bzw. leichteres Leben vermutet.
Daher konnten auch Napoleon, Lenin und Hitler als Fremde und
bis dahin Unbekannte die Massen leichter begeistern als
bekannte Persönlichkeiten. Gastdozenten genießen meist
ein höheres Ansehen als der langjährige Professor vor Ort.
Fernöstliche Kulte locken Leute an, die sonst als aufgeklärte
Menschen an der Kirche oder Synagoge in ihrem Ort
vorbeigehen; fremde Esoterikern aber glauben sie. So entschied
sich das Volk gegen Aaron und schaffte sich als Ersatz
für Mose ein Goldenes Kalb an – mit dem es im Grunde machen
konnte, was es wollte. Aaron durfte dabei nur assistieren, denn
auf den letzten vertrauten Halt wollte man nun doch nicht verzichten.

Mose erfuhr auf dem Berg Sinai von Gott, dass das Volk meuterte
und sich ein goldenes Kalb gemacht hatte. Dass sie sich ein
Stierbildnis gemacht hatten, zeigte, wie sehr ihnen Ägyptens
Götterwelt noch in Erinnerung war.
Sie akzeptierten plötzlich die Götzen derer, unter deren
Auftrag sie als Sklaven gequält und ihre Knaben in den Nil
geworfen wurden. Gott führte die Kinder Israel in nur 3 Tagen
aus Ägypten heraus, er brauchte aber 40 Jahre, um
Ägypten aus ihrer Gesinnung herauszuläutern. Daher
musste das Volk solange in der Wüste umherirren, bis eine
völlig neue Generation herangewachsen war, die Ägypten
und seine Götter nicht mehr kannte. Es ist nur ein kleiner
Schritt zur Bekehrung, aber ein langer Weg, das alte Wesen
aus unserem Sinnen und Trachten herauszubekommen.

Gott verurteilte die Israeliten als halsstarriges Volk, denn
Ihre Hartnäckigkeit verführte sie zur Sünde. Sie waren damals
noch zu stark von Ägypten geprägt. Daher berief sich
Mose hinterher in seiner Fürbitte genau auf diese Halsstarrigkeit
und bat: „Weil es ein halsstarriges Volk ist, verzeihe ihren Frevel.“
Denn dieselbe Hartnäckigkeit, die sie zur Sünde verführte,
verlieh den Juden – bis zum heutigen Tag – die Widerstandskraft,
der ganzen Welt zu trotzen und trotz Ghetto und Pogrome, trotzt
Holocaust und Nahostkriege ihrem Gott und Glauben treu zu bleiben.
Menschen, die vor ihrer Bekehrung lau waren, sind es oft
auch hinterher. So entschieden, wie man vorher im Negativen
war, ist man auch hinterher im Glaubensleben.

Gott sagte zu Mose: „Gehe hinab! Denn dein Volk, das
du aus Ägypten herausgeführt hast, begeht eine große Sünde!“
Hierauf erwiderte Mose: „Warum, o Herr, soll Dein Zorn
gegen Dein Volk entbrennen, das Du mit großer Kraft
und starkem Arm aus dem Land Ägypten herausgeführt
hast?“ Beide sagten hier: DEIN Volk hat gesündigt, nicht
MEIN Volk hat gesündigt. Hieraus wird deutlich, wie hoch
Gott seine Bevollmächtigten einstuft. Von Gott Berufene
tragen Verantwortung! Der Hirte muss für jedes einzelne
seiner ihm anvertrauten Schafe aufkommen. Gott wird das
Blut derer, die uns anvertraut sind, von unseren Händen
fordern ( Hesekiel 3,18 ). Mose argumentierte dagegen:
Wenn Gottes Zorn die Israeliten in der Wüste umbringt,
wird man in Ägypten sagen, der Gott Israels konnte sein
Volk wohl aus Ägypten herausführen, aber nicht ans Ziel
bringen. Damit traf Mose ins Ziel, denn Gott selbst sagte
später in Hesekiel 36,22: „ Nicht um euretwillen, Haus Israel,
greife ich ein, sondern um meines heiligen Namens willen,
den ihr unter den Heidenvölkern entehrt habt.“

Als Gott sah, wie verdorben die Menschen waren,
wandte er sich an Noah. Noah baute ein Schiff, um sich
und seine Familie zu retten, setzte sich aber mit keiner
Fürbitte für die Menschen ein.
Als Gott sah, dass in Sodom und Gomorrha das Maß
der Sünde überlief, informierte er Abraham. Abraham bat
um Verschonung dieser Städte, damit die Gerechten nicht
wegen der Ungerechten mit untergehen. Als jedoch nicht
einmal zehn Gerechte in Sodom zu finden waren, überließ
Abraham die Städte ihrem Schicksal.

Als Gott sah, dass die Kinder Israel ein Goldenes Kalb
zu ihrem Gott erhoben und Gott sie deswegen vernichten wollte,
bat Mose um Gnade für sein Volk. Mose ging noch
einen Schritt weiter als seine oben genannten Vorgänger,
denn falls Gott dem Volk nicht vergeben wollte, wollte
Mose an ihrer Stelle aus dem Buch des Lebens gestrichen
werden. Diese Bereitschaft, sich selbst für sein Volk zu opfern,
zeigte Moses Größe als Volksführer – das bedeutet
wahre Fürbitte. Das unterscheidet ihn von Noah und Abraham.
Mose sprang für sein Volk in die Bresche, ließ sich
auch nicht abhalten, als Gott ihm verlockend anbot, wenn
er das Volk vernichtet hätte, wollte er mit Mose ein neues
Volk anfangen. Mose blieb dabei und bat weiter für sein
Volk! Hier säte Mose den Samen für den wahren Gottesknecht,
der um unserer Missetaten willen bestraft wurde (Jesaja 53,5)
und für die Übeltäter fürbittend eintrat. Mose bot sein Leben
an und Gott verschonte das Volk.

Einen wahren, von Gott berufenen Gemeindeleiter erkennt
man daran, dass er sich für die ihm Anvertrauten einsetzt,
für sie vor Gott in den Riss tritt, sei es durch Fasten und Beten,
oder Gott auf andere Weise zeigt, dass ihm seine
ihm Anvertrauten nicht egal sind, auf deren ein oder
zwei er ebenso leicht verzichten könnte. In diesem Geist
argumentierte auch Paulus, der – obwohl er Christus über
alles liebte – schreibt: „ Lieber wollte ich selbst durch einen
Fluch aus der Gemeinschaft mit Christus ausgestoßen sein,
wenn ich dadurch meine Brüder, meine Volksgenossen nach
dem Fleische, retten könnte“ (Römer 9,3).


Ludwig Schneider