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Lorchen
15.04.2007, 02:35
Du meine Seele, singe

1. Du meine Seele, singe,
Wöhlauf, und singe schön
Dem, welchem alle Dinge
Zu Dienst und Willen stehn.
Ich will den HErren droben
Hier preisen auf der Erd,
Ich will ihn herzlich loben,
So lang ich leben werd.

2. Ihr Menschen, laßt euch lehren,
Es wird sehr nützlich sein:
Laßt euch doch nicht betören
Die Welt mit ihrem Schein.
Verlausse sich ja keiner
Auf Fürstenmacht und =gunst,
Weil sie wie unser einer
Nichts sind, als nur ein Dunst.

3. Was Mensch ist, muß erblassen
Und sinken in der Tod:
Er muß den Geist auslassen,
Selbst werden Erd und Kot.
Allda ists dann geschehen
Mit seinem klugen Rat
Und ist frei klar zu sehen,
Wie schwach sei Menschentat.

4. Wohl dem, der einzig schauet
Nach Jacobs GOtt und Heil;
Wer dem sich anvertrauet,
Der hat das beste Teil,
Das höchste Gut erlesen,
Den schönsten Schatz geliebt,
Sein Herz und ganzes Wesen
Bleibt ewig unbetrübt.

5. Hier sind starken Kräfte,
Die unerschöpfte Macht,
Das weisen die Geschöfte,
Die seine Hand gemacht:
Der Himmel und die Erde
Mit ihrem ganzem Heer,
Der Fisch unzählig Herde
Im großen wilden Meer.

6. Hier sind treuen Sinnen,
Die niemand Unrecht tun,
All denen Gutes gönnen,
Die in der Treu beruhn.
GOtt hält sein Wort mit Freuden,
Und was er spricht, geschicht,
Und wer Gewalt muß leiden,
Den schützt er im Gericht.

7. Er weiß viel tausend Weisen,
Zu retten aus dem Tod,
Ernährt und gibet Speisen
Zur Zeit der Hungersnot,
Macht schöne rote Wangen
Oft bei da sind gefangen,
Die reißt er aus der Qual.

8. Er ist das Licht der Blinden,
Erleuchtet ihr Gesicht,
Und die sich schwach befinden,
Erliebet alle Frommen,
Und die ihm günig feind,
Die finden, wenn sie kommen,
An ihm den besten Freund.

9. Er ist der Fremden Hütte,
Die Wassen nimmt er an,
Erfüllt der Witwen Bitte,
Wird selbst ihr Trost und Mann;
Die aber, die ihn hassen,
Bezahlet er mit Grimm,
Ihr Haus und wo sie saßen,
Das wirft er üm und üm.

10. Ach, ich bin viel zu wenig,
Zu rühmen seinen Ruhm!
Der HErr allein ist König,
Ich eine welke Blum.
Jedoch weil ich gehöre
Gen Zion in sein Zelt,
Ists billig, daß ich mehre
Sein Lob vor aller Welt. »Bouw, was für ein Ding.«
Von Dieter Falk

Ich muss gestehen, dass ich das Lied „Du meine Seele singe“ zuerst - und dabei rede ich von dem ungefähren Zeitraum zwischen 1973 und 1975 - eher musikalisch entdeckt habe. Damals saß ich als Teenie – wahrscheinlich eher gelangweilt – auf den gepolsterten Stühlen des Sonntagmorgengottesdienstes in Siegen–Geisweid und hatte eher Mollakkorde im Sinn. Bei diesem Song gings aber gleich in die „Vollen“: einen gebrochenen Durakkord aufwärts, dann wieder schön abwärts in eleganterer Form und am Ende hoch hinaus in die Gefilde, die jedem Gemeindegesang Höchstform abverlangen. Im Stimmbruch sowieso ... Bouw, was für ein Ding.

Johann Crüger, Komponist und „Sideman“ von Texter Paul Gerhardt bei den meisten Chorälen, fällt also quasi musikalisch mit der Tür ins Haus. Und es geht so weiter: nur wenige Kirchsongs sind so jubilierend, fröhlich. Ja fast musikalisch-sportiv. Bei „Du meine Seele singe“ hat mich die tolle Komposition lange Zeit vom Text abgelenkt, aber mit ca. 13 Jahren war ich für alltagsnahe kirchliche Lyrik auch noch nicht so aufgeschlossen. Wie dem auch sei: kommt Zeit, kommt Verstand für die Botschaft, und die ist in der 1. Strophe schon auf dem Punkt:

Du meine Seele singe,
wohlauf und singe schön
Dem, welchen alle Dinge
Zu Dienst und Willen stehn
Ich will den Herren droben
Hier preisen auf der Erd
Ich will Ihn herzlich loben solang ich leben wird .

Nun führt meine Seele mich mehr zu den Pianotasten als zu den Stimmbändern. Damit habe ich versucht, die hoffungsfrohe, positive Grundstimmung fast country-esk beschwingt umzusetzen. Wie immer findet sich bei den vielstrophigen Gerhardtschen Liedern auch deftige Alltagslyrik, die in den Gemeinden meist nie gesungen wird, ich möchte aber final die Lektüre der letzten 4 Strophen empfehlen (ab :...Er weiß viel tausend Weisen...) . Paul Gerhardt liebt offensichtlich Gott und die Menschen, und das eine geht nicht ohne das andere.

P.S. : Die letzten Strophen erinnern in Ihrem sozialen Bezug an ein bahnbrechendes Lied eines anderen deutschen Dichterfürsten und P.G.-Verehrers: Matthias Claudius in „Der Mond ist aufgegangen“ .

Dieter Falk

Gerhardt
16.04.2007, 15:32
@Lorchen
Die Verbindung von P.Gerhardt zu M.Claudius habe ich nicht verstanden. Koenntest Du das verdeutlichen?
Gruss Gerd