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Samu
21.07.2006, 12:06
Wenn das Leben an seine Grenzen stößt! Ein Einblick in mein Leben, für alle die Gott beschwerlich suchen!

Warum, hat mich Gott geschaffen, warum bin ich hier auf dieser Erde, warum hat mich Gott in dieses Leben hinein gestellt und nicht in ein anderes? Warum bin ich so anders?

Als schwarzes Schaf der Familie sein Dasein zu fristen mag etwas für sich haben und doch steht dahinter doch eine Sehnsucht der Annahme und des Geborgen sein wollen. Doch da ist etwas in mir, was mir nicht erlaubt als „weißes Schaf“ durch die Welt zu gehen. Sind es meine Fragen an die Welt, oder mein Denkschema oder meine Sehnsucht nach einer anderen besseren Welt? Es mag viele Komponenten geben die hier zusammen wirken und im Verlauf der Jahre finden sich auch Antworten dazu.

Als ich mit 14 Jahren an die Grenzen meines Lebens stieß, da ich es schon so Jung an Jahren geschafft hatte mich gesellschaftlich so unmöglich zu machen, einen Staatssystem wo ich nur konnte nicht entsprach, meinen Eltern in heftigster Opposition begegnete, da ich ihren Umgang mit ihrer Biographie verübelte und zudem keinen wirklichen Sinn im Leben auf dieser Erde sah, beschloss ich, meinen selbst zerstörerischen Trip mit größter Freude und Genus zu einem krönenden Abschluss zu führen, ich zog auf den Friedhof um.

Geboren in der DDR, in einer gut situierten kommunistisch geprägten Familie, mit jüdischen Wurzeln und einem tief greifenden Schweigen und persönlicher Distanziertheit, die gerade zu schon als steril zu bezeichnen ist, ist die Frage nach dem Dasein auf dieser Welt, nur die logische Konsequenz, nach dem Woher und Wohin. Beziehungslos und Lieblos, jedoch gut versorgt und verwaltet, so empfand ich mein Leben, das mir schon mit 4 Jahren zu einer unerträglichen Last wurde.

Ich zog also auf den Friedhof, war es schon ein symbolisches Vorgreifen auf das Sterben, das in mir mit 4 Jahren begann? Entsetzen ergriff zu meiner größten Freude meine Umwelt über meine Handlungsweisen, die in einem sozialistischen Staat unmöglich, asozial und als gefährlich eingestuft wurden, wie ich vor einiger Zeit in meiner Staasiakte (genüsslich) nachlesen konnte. Der weg zum Psychiater war vorprogrammiert und ebenso harte Sanktionen der Familie und von Staatsseite. Da stand nun der kleine Junge, mir schwarzer Schuhcreme angemalte, wie ein Indianer auf dem Kriegspfad und freute sich über das allgemeine Entsetzen seiner Umwelt.

Der Psychiater attestierte mir einen scharfen Verstand und reichlich asoziale, staatsfeindliche Energie, die Schule warf mich – nun schon zum 4-mal raus. Meine Reaktion darauf, Alkohol bis zum Koma – 3 Tage lang Intensivstation für mich und Resignation bei meiner Familie, die so gar nicht mit meinen Umtreiben klar kam. Als ich aus dem Krankenhaus floh, da stand ich vor der Frage, wie weiter. Unzufrieden über mein Weiterleben und doch vor die diese Aufgabe gestellt, weiter leben zu müssen, beschloss ich Besserung zum schlechteren. Diesem Staat, dieser Familie, dieser Welt wollte ich keinen Zentimeter meines Daseins schenken, es sei denn sie geben mir auf meine Fragen Antworten.

Genau hier lagen meine Probleme, bei meinen Fragen. Ursache für meine Revolte waren meine Fragen, die schon immer auf Unverständnis gestoßen waren. Schon als Kleinkind „nervte“ ich mit meinen Fragen und meinen Antworten, die mich im Kindergarten regelmäßig in die Besenkammer führten, die mir zum liebsten Ort in meinem Kindergarten wurde. Noch besser wurde es dann in der Schule, die ich selbst als langweilig empfand und regelmäßig mit „meinem Unterricht“ störte und jeder Lehrerschaft in freundlicher Weise die Autorität absprach, was mir einem Dauersitzplatz im Schulsekretariat sicherte. Von meinen Eltern ganz zu schweigen, die mich einfach nur argwöhnisch beobachten und mir reichlich attestierten, dass es besser gewesen wäre, ich wäre nie geboren worden.

Eines Tages gab es einen Lehrer, Herr Ritter hieß er, der sich meiner annehmen wollte, sich nicht von mir schocken ließ und sich mir stellte, der erste Mensch, der mich ernst nahm und verstehen wollte. Der Erste, der nach dem Warum Fragte. Der Erste, bei dem ich das Gefühl hatte davon sprechen zu müssen, was mir geschehen ist. Stunden lang redeten wir und er saß erstaunt da und sagte, mein Junge, ich kann dir nicht helfen, deine Fragen kann ich dir nicht beantworten, doch ich kenne da jemand, der kann dir eventuell helfen. So gingen wir zu einem noch recht jungen Pfarrer, dem ich dann erzählte was mir geschehen ist. Ich erzählte von meiner Familie, ihrer Geschichte und von meiner Geschichte.

Kann man sagen, dass Gott Menschen scheinbar vor unlösbare Aufgaben stellt? Ja, man kann und scheinbar – aber auch nur scheinbar – gibt es keine Lösung für diese Aufgaben! Alles begann als ich 18 Tage alt war und den Kindstod starb, was sich regelmäßig wiederholte. Mein Vater sagte mal zu meinem besten Freund Arne: „Der wollte einfach nicht leben, so als wenn er wüsste, was ihn erwarten würde“. Ich war zwei Jahre alt und das war das letzte dieser Erlebnisse, als ich in der Kindergrippe mal wieder einen Lebensaussetzer hatte und hier wurden wohl die Weichen für mein Leben gestellt, da ich nicht dort sein durfte, wo ich einst her kam. Schwerlich ist zu beschreiben, wie schrecklich es ist, wenn man von der „anderen Seite“ gekostet hat und dann in diesem Dasein, sein Dasein fristen muss, seinen Platz finden muss, seine Wege gehen muss. Hier lag die Ursache meines „Kampfes“ gegen das Leben und gegen diese Welt. Hier lag die Ursache meiner Fragen nach dem Woher und Wohin. Hier lag das Unverständnis meiner Umwelt, die solche Fragen eines Kindes nicht realisieren konnte oder wollte, gab es doch im real existierenden Sozialismus keinen Gott, kein Jenseits, kein Leben nach dem Tod. Und wo war Gott, der mich kleines Wesen so allein mit seinen Erfahrungen ließ? Da war etwas in mir, dass sprach mit mir und da war immer jemand an meiner Seite, doch unfassbar, nicht greifbar, nicht erklärbar seiner Umwelt.

Nun, der Pfarrer gab mir Zuversicht und Hoffnung und wies mir den Weg: „Du selbst musst die Antworten auf deine Fragen finden!“ Ab diesem Tag, bekam mein Leben seine erste von vielen Wendungen und ich begann den Nebel aus meinen Augen zu entfernen, damit ich klar sehen kann, wo mein Platz in dieser Welt ist.

Nachtrag: Ich habe mittlerweile einige Menschen kennen lernen dürfen, die ähnliches erlebten und in ähnlicher Weise, mit ihrem Leben nur schwerlich klar gekommen sind. Eine Junge Frau die wohl noch viel intensiver dieses Kindheitserlebnis verarbeiten musste sagte einmal: Wir sind gebrannte Kinder, mit einem Fuß im Diesseits und einem im Jenseits. Was allerdings wirklich erstaunlich ist, „gebrannte Kinder“ erkennen sich untereinander, was mir wirklich schon mehrfach geschehen ist. Ein Phänomen, welches der Religionspsychologie schon lange bekannt ist, wie ich später in meinem Studium erfahren habe. Noch erstaunlicher ist für mich jedoch, dass ganz ähnliche Biographien dadurch wirksam werden.


Das größte Geheimnis ist nicht Gott, sondern das Leben, in welches uns dieser Gott hineinstellt und wir müssen die Antworten auf dieses Leben finden, dass ist der Größte aller unserer Aufträge! Rabbi Jeremias

Samu

Mirjamis
22.07.2006, 11:47
Lieber Samu,

deine Geschichte rührt mich sehr an.
Ich nehm dich ganz herzlich in den Arm, weil mir die Worte fehlen.

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