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Gabriel2
06.05.2007, 20:24
„EMOR – Sprich“
3. Mose 21,1 – 24,23; Hesekiel 44,15-31

DER TOD UND DAS FEST


Der heutige Wochenabschnitt beginnt mit: „Weiter gebot der Herr dem Mose: Teile (Sprich zu) den Priestern… folgende
Verordnungen mit“, wie sie mit dem Tod und den Festen umgehen sollen. Dabei fällt auf, dass Gott seine Anweisungen
immer mit: „Denn ich bin heilig, der Herr, der euch heiligt“, abschließt.

Gott fordert von den Priestern, dass sie ein Abglanz Seiner Heiligkeit sind. So wie sie nur fehlerfreie Opfer darbringen
dürfen, genauso müssen sie sich bemühen, selbst fehlerfrei zu sein (3. Mose 21,16-23), damit ihr Dienst nicht zum
Gespött und Gottes heiliger Name nicht entweiht wird.

Christen berufen sich auf Christus, der sie zu „Priestern gemacht“ hat (Offenbarung 1,6; 20,6), weichen aber, wenn es um
die damit verbundenen Pflichten geht, auf die vielfach missverstandene „Freiheit in Christus“ aus.

Es war ein außerordentliches Vorrecht, Priester sein zu dürfen, genauso wie es heute ein Privileg ist, von Gott zu
heiligem Dienst berufen zu sein. „Ich bin der Herr, der euch heiligt“, der auserwählt für ein abgesondertes Leben in dieser
Welt. Wenn ein von Gott Berufener nicht Heiliger lebt als ein sonstiger Mensch, ist er vor Gott weniger als ein Mensch.

Zum Image des Priesters gehört, dass er ein Gott geweihtes Leben verkörpert, deshalb soll er sich vom Tod fern halten.
Die Kinder Israel, gerade aus Ägypten gekommen, hatten noch den Totenkult der Ägypter vor Augen. Nicht nur die
Pharaonen gaben ihr Letztes, um königlich bestattet zu werden, auch das allgemeine Volk lebte in Hütten nur um Geld
für eine pompöse Totenstätte zu sparen.

Hier griff Gott ein und sonderte Israel ab, heiligte es zum Leben, denn Er ist das Leben.

„Überlass es den Toten, ihre Toten zu begraben“ (Matthäus 8,22), mahnt Jesus. Um nicht als pietätlos aufzufallen,
machen viele Christen es den Ägyptern nach und wetteifern mit prunkvollen Beerdigungen. So wurden kirchliche
Bestattungen zu einem Kult, alles dreht sich um den Toten.

Gott aber hat sein Volk geheiligt, abgesondert, um anders zu sein als die Welt – um für Gott zu leben.
Dazu gehört, dass man sich von den Toten – bis auf die engsten Familienangehörigen – fern hält.
Unser Respekt gilt mehr den Lebenden als den Toten.

Wer in Israel eine jüdische Beerdigung miterlebt, erfährt, was dieses Gebot meint. Die Beerdigung findet, wenn möglich,
noch am selben Tag des Sterbens statt. Nicht ein Rabbiner bettet den Verstorbenen zu seiner letzten Ruhe, sondern
freiwillige Helfer, die heilige Bruderschaft (Hevra Kadischa), beerdigen den Toten ohne Sarg und Kränze, nur in einen
Gebetsmantel bzw. in ein Tuch eingehüllt, was – wenn man den Verstorbenen so auf einer Bahre sieht – sehr ernüchtern
wirkt und zuweilen makaber an die Realität des Todes erinnert. Am Grab betet man das Kaddisch-Gebet, das nicht ein
Gebet für den Toten ist,

sondern darin verherrlichen die Lebenden (Psalm 30) die Allmacht und Größe des Ewigen.

Ich rate jedem Christen, der prunkvolle Beerdigungen gewohnt ist, davon ab, einer jüdischen Bestattung beizuwohnen,
weil sie für viele abschreckend nüchtern ist. Im Judentum ist eben nicht der Tod, sondern das Leben heilig.

Mir fällt in diesem Wochenabschnitt die seltsame Verbindung der Themen „Tod und Fest“ auf. So unmissverständlich
Gott erklärt, dass „Er, der Heilige, uns heiligt“, genau so unmissverständlich sagt Er, dass dies „meine Feste“ sind, und
dass diese „Feste des Herrn“ (3. Mose 23,2) „ewige Geltung in allen euren Wohnsitzen für euere künftigen Geschlechter
haben“ (3. Mose 23,21). Die hier aufgezählten Feste mit ewiger Gültigkeit sind:

1. Der Schabbat,
2. Passa, das Fest der ungesäuerten Brote,
3. Omer, das Fest der Erstlingsgabe,
4. Schawuoth, das Wochenfest,
5. Rosch Haschanah, das Neujahrs- und Posaunenfest,
6. Jom Kippur, das Versöhnungsfest,
7. Sukkoth, das Laubhüttenfest.

In der Thora (5 Bücher Moses) werden diese Feste viermal beschrieben und dem auserwählten Volk zur Pflicht gemacht.
An den drei Wallfahrtsfesten Passa, Schawuoth und Sukkoth werden sie aufgefordert, nach Jerusalem hinaufzuziehen
und im Tempel vor dem Herrn zu erscheinen. Dass diese Feste ewig gültig sind, erkennt man daran, dass Gott in
heilsgeschichtlicher Zukunft alle Nationen, also die Nichtjuden auffordert, zum Laubhüttenfest nach Jerusalem
hinaufzuziehen. Über dem Volk, das sich weigert, nach Jerusalem zu kommen, um dort gemeinsam mit dem jüdischen
Volk das Laubhüttenfest zu feiern, soll es nicht mehr regnen (Sacharja 14,16-19).

Bei der Festaufzählung sehen wir eine unterschiedliche Formulierung des Arbeitsverbots. Am Schabbat und am
Jom Kippur darf man „keinerlei Arbeit verrichten“, wogegen an den anderen Festtagen nur „keinerlei Werks-Arbeit“
verrichtet werden darf, d.h. an den anderen Feiertagen darf die notwendige Hausarbeit, wie Kochen usw., getan werden,
was am Schabbat und Jom Kippur gänzlich untersagt ist.

Bei allen Festen stellt Gott die Beziehung zu einem historischen Ereignis her, nur beim Schawuothfest, dem Tag der
Gesetzgebung nicht, so als wollte Gott uns zeigen,

dass die Gesetze kein historisch vergangenes Ereignis sind, sonder wie Raschi sagt: „Jeden Tag seien sie neu in deinen
Augen, als ob sie dir an diesem Tag befohlen wären.“

Damit will Gott uns immer wieder zur ersten Liebe zurückbringen:

Ihm von ganzem Herzen, ganzer Seele und mit all unseren Kräfte zu diesen.
Wahrer Gottesdienst ist also ein Leben für den lebendigen Gott und hat nichts mit einem Totenkult zu tun,

was nicht heißt, dass wir den trauernden Hinterbliebenen unsere tiefe Anteilnahme nicht bekunden sollen.
Aber auch hier gilt unsere tröstende Anteilnahme nur Lebenden, den Hinterbliebenen, nicht den Verstorbenen.

„Leben wir, so leben wir dem Herrn, und sterben wir, so sterben wir dem Herrn!“ ( Römer 14,8 )


Ludwig Schneider