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Gabriel2
07.07.2007, 19:49
PINCHAS - Pinehas
4. Mose 25,10 – 30,1; 1. Könige 18,46 – 19,1-21

Zwischen Eifer und Fanatismus

Das Volk Israel ist unterwegs ins Gelobte Land. Und als es sich in Sittim niederließ,
kamen die Moabitinnen und verführten die Israeliten nicht nur zu sexueller Unzucht,
sondern auch zur Teilnahme an ihren heidnischen Opfermahlen, so dass die Israeliten
den Götzen Baal-Peor anbeteten. Das erzürnte Gott, uns so sprach er zu Mose: „Nimm
alle Häupter des Volkes und hänge sie auf!“ Da befahl Mose: „Tötet ein jeder diejenigen
von seinen Leuten, die sich an Baal-Peor gehängt haben.“ Das wer ein Befehl zum
Massaker, der fast das ganze Volk ausgelöscht hätte, denn fast das ganze Volk lag
bereits im Bann des Götzen Baal-Peor.

Mitten in diesen Strafvollzug hinein – 24.000 waren schon umgekommen – kam ein
Israelit und legte sich demonstrativ vor den Augen Mose und des klagenden Volkes zu
seiner moabitischen Dirne. Damit wolle er die von Gott bzw. Mose erteilten Befehle als
lächerlich und altmodisch hinstellen. Da ergriff Pinehas, der Enkel Aarons, seinen Speer
und durchbohrte den israelitischen Mann und das moabitische Weib. Sofort hörte das
Sterben auf, und Gott sprach: „Pinehas hat meinen Zorn von den Israeliten dadurch
abgewandt, dass er denselben Eifer, der mir eigen ist, unter ihnen bewiesen hat; darum
hab ich die Israeliten nicht ganz vertilgt.“

Pinehas’ Glaubenseifer ist heute wieder aktuell, denn in allen Religionen nimmt der
Fundamentalismus zu. Dies ist im Prinzip auch richtig, denn eine Rückkehr zum
Fundament des Glaubens ist schon lange fällig.

Andererseits kann der Fundamentalismus schnell zum Fanatismus umschlagen, das
sehen wir besonders bei den fanatischen Moslems, aber auch bei gewissen orthodoxen
Juden und militanten Christen.

Die Kirche hatte früher ihre fanatische Periode (Kreuzritter, Inquisition), ist dagegen
heute vielerorts dermaßen liberal und farblos, dass man kaum noch erkennt, was das
Fundament der Kirche eigentlich ist.

Zwischen gutem Glaubenseifer und bösem Fanatismus liegt nur eine hauchdünne,
schnell zu übersehende Grenze. Es wird Pinehas oft der Vorwurf gemacht, er habe das
Gesetz in die eigene Hand genommen, er hätte zuerst Mose und den Ältestenrat
befragen, ein Komitee einberufen sollen. Doch während das Volk noch bestürzt auf das
von Pinehas erstochene Paar schaut, bekennt sich Gott zu Pinehas und sagt: „Pinehas
hat an meiner statt geeifert und die Kinder Israel gesühnt.“ Es war also kein falsches
Feuer aus überhitztem Gemüt, sondern gottgewollter Eifer. Dadurch, dass Pinehas zwei
Menschen tötete, rettete er das ganze Volk vor der Vernichtung.

Im Nachhinein besehen ein gewagter Gedanke: Wäre es nicht besser gewesen, wenn
ein heiliger Eiferer angesichts brennender Synagogen und der beginnenden
Judendeportationen Hitler umgebracht hätte? Nach allgemeinem Moralkodex wäre ein
Mord an Hitler natürlich Sünde gewesen, doch das Gewährenlassen Hitlers war mehr
als Sünde, denn es vernichtete 55 Millionen Menschenleben. Der misslungene Versuch,
Hitler am 20. Juli 1944 umzubringen, ging erst von den Militärs aus, als sich bereits
abzeichnete, dass Hitler, ihr oberster Kriegsherr, sie in eine militärische Niederlage
treiben würde. Das Motiv der Absicht, Hitler umzubringen, war nicht, Deutschland vor
dem moralischen Untergang zu bewahren oder Juden zu retten, sonder sollte
Deutschland vor der militärischen Niederlage bewahren. Deutschland hatte die frühe
Stunde verpasst, jene Sunde, die Pinehas auszeichnete, der – wie der Talmud auslegt
– sah, dass sich der Engel des Verderbens näherte und das ganze Volk vernichten
würde, wenn er nicht sofort eingreifen würde. Glaubenseifer ist das kleinere Übel, das
uns vor dem größeren, dem tödlichen Fanatismus, bewahrt.

Als Gott sein Volk beauftragte, eine Ortschaft zu vernichten (5. Mose 13,13-19), verbot
er ihm Beute zu machen; es musste alles verbrannt werden.

Das zeigt den Unterschied zwischen echtem und falschem Eifer. Wenn Protestler durch
die Straßen ziehen und dabei Geschäfte plündern, hat das nichts mehr mit
idealistischem Eifer zu tun, sondern ist Habgier. Nachdem Pinehas seine Tat vollbracht
hatte, segnet ihn Gott mit dem Segen des Friedens, damit er nicht in einen Mordrausch
verfallen sollte, sondern zur seelischen Ausgeglichenheit zurückfinden konnte, damit
aus seinem Glaubenseifer kein Fanatismus würde.

Nach dem Jom-Kipur-Krieg 1973 weinte Israels Regierungsschefin Golda Meir, dass
israelische Soldaten gezwungen wurden, arabische Soldaten zu töten. In Maleachi 3
verheißt Gott, dass vor dem Messias der bahnbrechende Bote Elia einherziehen wird.

Ausgerechnet Elia, der neben Pinehas wie kein anderer ein Eiferer war, sich nicht
scheute, Götzenaltäre niederzureißen und eigenhändig die Baalspriester umzubringen.
Bevor der Messias kommt, wird Gott seinen Eifer zeigen, der alle Völker richten wird,
die gegen Jerusalem gezogen sind. d.h. die Tage vor dem Kommen des Messias sind
von Gottes Eifer geprägt.

Wohl dem der zwischen Göttlichem Eifer und satanischem Fanatismus unterscheiden kann!

Noch einmal: der Unterscheid zwischen heiligem Glaubenseifer und bösem Fanatismus
ist äußerst schwer zu erkennen. Eines der wichtigsten Merkmals ist, ob dabei
persönliche Motive eine Rolle spielen oder ob es allein um Gottes Sache geht. Wenn
moslemische Führer Jugendliche dazu aufrufen, im Kampf gegen Israel als
Selbstmordterroristen in den Tod zu gehen, und ihnen dafür ein Paradies versprechen
in dem 70 vollbusige Frauen auf sie warten, dann ist das ebenso ein Verbrechen, wie
die Hexenverfolgung im Mittelalter.

Wer sich dagegen uneigennützig für die Heilighaltung des Volkes Gottes einsetzt,
gehört zur Glaubensfamilie des Pinehas, der durch sein rechtzeitiges Handeln dem Volk
größeres Unglück erspart hat – was nicht heißt, dass man wie Pinehas gleich zum
Speer greifen muss.

Fanatismus macht blind, Glaubenseifer dagegen öffnet die Augen für Gefahren,
die andere nicht sehen.


Ludwig Schneider