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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Zum Verständnis der Tora und andere Einsichten



Samu
31.07.2006, 00:19
Der berühmte jüdische Philosoph Maimonides wurde einst gefragt, warum es in der Bibel so viele Widersprüche gibt. Seine Antwort: Weil die Bibel ein Buch von Menschen geschrieben - für Menschen geschrieben - über Menschen in ihrer Beziehung zu Gott, geschrieben ist! Ist der Mensch nicht widersprüchlich? Deshalb ist die Bibel widersprüchlich! Hätte Gott die Bibel geschrieben, wäre sie nicht widersprüchlich aber wir könnten sie nicht verstehen, denn wer kann schon Gott verstehen, seinen Willen erfassen? Es ist ein großer Gewinn in diesen Widersprüchen für den Menschen, denn in dieser Widersprüchlichkeit, kann sich ein jeder Mensch wieder finden. So lehren es die alten Meister - Rabbinen!

Mögen diese Sätze nicht gerade zu eine ketzerische Aussage des berühmtesten Toragelehrten des Judentums sein, für alle „bibelgläubigen Menschen“ – sprich in diesem Fall Christen (ich kenne keinen echten Juden, der bibelgläubig ist)? Wie kann das Judentum, für die auch die Tora (nicht 5. Bücher Mose – das ist falsch! – zumindest für Juden), bedingt „heilig“ ist eine solche Aussage gelten?

Dieser scheinbare Widerspruch lässt sich einzig und allein im Verständnis des Judentums zu den Schriften des Tenach erklären. Am folgenden Beispiel möchte ich das einmal erklären.
Das Gesetz:
Die irrtümliche Annahme von dem Begriff „Gesetz“ wie in unserer heutigen Rechtssprechung, die auf die Römer zurückgeht, kannte man damals überhaupt nicht in Israel. Der Gott Israels war nie ein Gesetzgeber, sonder ein Mitzwoth - Geber. (die Menschen haben aus dem Mitzwoth ein Gesetz und ein Dogma gemacht). Man achtet und ehrt das Tenach aber es verpflichtet zu nichts. Die Tora allein gilt als Wegweisung. Das heißt aber nicht das sie unantastbar ist - ganz im Gegenteil - es soll um sie gerungen werden und das bedeutet auch immer zugleich, sie muss lebbar gehalten werden. Dafür gibt es z.B. den Talmud, der sich bis in unsere heutige Zeit (in erweiterten Ausführungen) immer wieder neu mit dieser Wegweisung auseinander setzt. Alle anderen Schriften der Bibel sind nur Ergänzung. Deshalb haben der Talmud, die Mischnah und die vielen anderen Schriften, viel mehr Bedeutung im Judentum als das Tenach an sich selbst. Doch genau hier liegt eines der Geheimnisse des Überlebens Israels in den Stürmischen Zeiten von Revolutionen, kulturellen Veränderungen und durch immer wieder kehrende Aufklärungen, die unser menschliches Dasein von Epoche zu Epoche erfassen und eigentlich alte Religionen und Kulturen oder Gesellschaftssysteme hinwegfegt. Deshalb lebt unser Judentum auch noch nach über 6000 Jahren, da wir uns immer und immer wieder den Fragen der Zeit stellen und nicht dem Alten verhaftet bleiben, wozu uns ja gerade die Propheten ermutigt haben - endlich loslassen, sich auf Gott stellen, neue Wege gehen, immer wieder Gott neu suchen, ein ewiger Kreislauf mit neuen Fragen und neuen Antworten. Das erübrigt keines Wegs eine Bibel, da sie nicht als starres und stillstehendes Schriftwerk angesehen wird.

Viele Wegweisungen Gottes, die für die Entwicklung Israels notwendig waren, sind in sich heute kaum durchführbar oder haben sich durch Gott selbst erübrigt und doch wurden sie nicht weggelassen oder als schlecht gebrandmarkt, sondern sind erhalten als ewiges Zeugnis des Heilshandeln Gottes an seinem Volk. Hier liegt eine Ursache für die Zahlreichen Bundesschlüsse Gottes mit seinem Volk, die in sich immer ganz neue Schwerpunkte setzten. Die Entwicklung vom Stammesglauben zu einem Volksglauben schuf in sich Veränderungen, die Gott – teilweise auch mit aller Härte – seinem Volk schenkte, um ein Überleben als erwähltes Volk und zugleich auch als geheiligtes Volk zu ermöglichen.

Die Worte des Maimonides finden in dieser Entwicklungsgeschichte der Menschen Israels, mit und durch Gott, seine Berechtigung. Ich glaube das ist ein sehr gesundes und offenes Verständnis für einen Zugang zur Bibel und macht sie gleichzeitig nicht unglaubwürdig, sondern bestätigt gerade zu ihre lebendigen Erfahrungen, die Menschen mit Gott gemacht haben und da sich ein Jeder in diesem Buch wieder finden kann, wird sie um so mehr zum lebendigen Buch. Mehr will die Bibel nach jüdischem Verständnis nicht sein, ein Buch der Wegweisung. Die Schreiber des 2.Timotheusbriefes bringen es in ganz gesunder Ausdrucksform für den christlichen Leser auf den Punkt: „Du aber bleibe bei dem, was du gelernt und wovon du dich überzeugt hast. Du weißt, von wem du es gelernt hast; denn du kennst von Kindheit an die heiligen Schriften, die dir Weisheit verleihen können, damit du durch den Glauben an Christus Jesus gerettet wirst. Jede von Gott eingegebene Schrift ist auch nützlich zur Belehrung, zur Widerlegung, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit; (3/14-17)“.

Das die Autoren dieses Briefes nicht die späteren Neuen Schriften meinen konnten, liegt auf der Hand, da diese noch nicht einmal existierten oder erst im entstehen waren. Die Schreiber übernehmen gerade zu Wörtlich das jüdische Schriftenverständnis, wenn gleich sie es natürlich für ihre Zwecke wenden.
Nicht nur die Möglichkeitsfrage nach Weisheit wird hier angeführt, sondern auch der Sinn der Schrift erläutert, zur Belehrung, Widerlegung, zur Besserung und Erziehung zur Gerechtigkeit, was an sich nichts anderes aussagt, sie ist eine nützliche Wegweisung für das Leben, jedoch keine Gesetzmäßigkeit.

Doch auf was fußt die Aussage des Maimonides noch? Nach jüdischem Verständnis könnte sich Gott nie und nimmer in der Bibel gänzlich offenbaren - kein Buch der Welt könnte ihn fassen. Es ist eben nur Stückwerk, wie Paulus schon wusste - aber da Gott kein Stückwerk ist, kann die Bibel nur Stückwerk unseres Erkennens sein. Kein Buch der Welt könnte je vollkommen sein, dies kann nur Gott. Auch mit dem Begriff Heilig geht das Judentum sehr vorsichtig um und in der Tat, sind eigentlich nur die 10 Gebote das Heilige in der Tora. Man weigert sich zudem von der Bibel als heiliges Buch zu sprechen, da in ihr selbst so viel Mord, Krieg, Elend, Versagen des Menschen - ja der gesamten Menschheit enthalten ist, dass man fragen müsste, was hat das mit der Heiligkeit Gottes zu tun? Wenn im 2. Tim. von Heiligkeit gesprochen wird, so meinten die Autoren sicher nicht den Mord und Totschlag, sondern die Erkenntnis die daraus resultiert, das Gott uns etwas anderes gewiesen hat und dieser Aspekt, der mag etwas heiliges in sich tragen - nämlich den Heilswillen Gottes für uns armselige Menschen. Das Gute nehme an und sinne um, so sind eigentlich die Kernbotschaften der Schriften, die den Leser ständig begleiten.

Wenn dir die Tora zur Last wird, so entledige dich dieser Last, wenn die Tora dir zum Gewinn wird, so behalte sie wie ein Schatz in deinem Herzen und fange an sie zu leben. Diese Binsenweisheit zeigt das richtige Verständnis zur Tora, die eine dogmatisches Verständnis, eine bindende Gesetzlichkeit nicht kennt, denn so wissen es schon die alten Rabbinen, Liebe kann man nicht per Gesetz verordnen und Freiheit nicht durch Gesetze erzwingen. Beides schließt sich gänzlich aus, doch Liebe und Freiheit sind die Grundpfeiler des jüdischen Glaubens.

Auf diesen Pfeilern ruhte Jeschuas Verständnis für seine Mission. Freiheit und Liebe waren seine innersten Beweggründe für seine Toraerfüllung, aus Liebe und Freiheit gab er sich hin, nicht auf Grund von Gesetzen, denn kein Gesetz der Welt hätte ihn zwingen können sein Leben freiwillig hinzugeben für so viele! Seine Selbstaufopferung resultieren in der Erkenntnis: „Denkt nicht, ich sei gekommen, um die Tora und die Propheten aufzuheben. Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen. Amen, das sage ich euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird auch nicht das kleinste Jota der Tora vergehen, bevor nicht alles geschehen ist. Wer auch nur eines von den kleinsten Geboten aufhebt und die Menschen entsprechend lehrt, der wird im Himmelreich der Kleinste sein. Wer sie aber hält und halten lehrt, der wird groß sein im Himmelreich.“

Genau in diesen Worten liegt der Grundaufruf Gottes zu seinem Volk Israel!
Deshalb spricht schlussfolgernd Jeschua auch: „Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr!, wird in das Himmelreich kommen, sondern nur, wer den Willen meines Vaters im Himmel erfüllt. Viele werden an jenem Tag zu mir sagen: Herr, Herr, sind wir nicht in deinem Namen als Propheten aufgetreten und haben wir nicht mit deinem Namen Dämonen ausgetrieben und mit deinem Namen viele Wunder vollbracht? Dann werde ich ihnen antworten: Ich kenne euch nicht. Weg von mir, ihr Übertreter der Tora!“

Doch was bedeutete für Jeschua Toraerfüllung?
„Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen. Bei euch soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll euer Sklave sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele.“

Dieses sich Hingeben im Sinne der Tora kann nur aus Liebe – Nächstenliebe und Freiheit – des Dienens, erwachsen, jedoch nie aus Angst (vor Gott), Logik (Lohndenken - Himmel oder Hölle), Pflichterfüllung (ich muss es tun), Unterwürfigkeit (blinder Gehorsam) oder sonstigem geschehen. Einzig die Erfüllung durch Gott, vermag diesem Ansinnen den richtigen Impuls verleihen. Deshalb warnt Jeschua eindringlich vor blinden Aktionismus und Buchstabenerfüllung, welche doch immer an den Anliegen Gott vorbei gehen muss.

Maimonides ruft zum Suchen auf, er ruft zu dem Finden auf, in dem Buch der Wegweisungen und mahnt zugleich, sich nicht diesem Buch hinzugeben, sondern sich Gott hinzugeben. Seine Worte: „Hätte Gott die Bibel geschrieben, wäre sie nicht widersprüchlich aber wir könnten sie nicht verstehen, denn wer kann schon Gott verstehen, seinen Willen erfassen?“, mahnen uns, sich dem Willen Gottes für unser ganz persönliches Leben zu stellen und eben nicht idealisierten Geschichten nachzutrauern, sondern selbst zur beispielhaften Geschichte zu werden, die Wegweisungen Gottes in unserem Leben sichtbar werden zu lassen. Das diese Wege dann dennoch ganz einzigartig sind, nie nach Schema B – Bibel - verlaufen werden, dürfte klar sein, denn sonst hätten wir nicht Biographien von Menschen in der Bibel, die sich nie gleichen oder über einen Kamm scheren lassen.

Sinnet um, sagte einst Jeschua zu seinen Talmidim (Nicht: kehrt um!), erneuert eure Sinne, schärft eure Sinne, orientiert eure Sinne – auf Gott, denn allein ihm ist das unmögliche möglich: Als die Jünger das hörten, erschraken sie sehr und sagten: Wer kann dann noch gerettet werden? Jesus sah sie an und sagte zu ihnen: Für den Menschen ist es unmöglich in das Reich Gottes zu kommen, für Gott aber ist alles möglich. Da antwortete Petrus: Du weißt, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt. Was werden wir dafür bekommen? Jesus erwiderte ihnen: Amen, ich sage euch: Wenn die Welt neu geschaffen wird und der Menschensohn neben dem Thron der Herrlichkeit sitzt, werdet ihr, die ihr mir nachgefolgt seid, auf zwölf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten. Und jeder, der um meines Namens willen Häuser oder Brüder, Schwestern, Vater, Mutter, Kinder oder Äcker verlassen hat, wird dafür das Hundertfache erhalten und das ewige Leben gewinnen. Viele aber, die jetzt die Ersten sind, werden dann die Letzten sein, und die Letzten werden die Ersten sein.


Samu