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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Aräologische Betrachtungen



absalom
07.02.2012, 14:45
Achtung viel Text!

Es scheint im Wesentlichen an der Öffentlichkeit vorbei zu gehen, dass sich auf dem Gebiet der Religionswissenschaften und hier ganz besonders bei der sog. Biblischen Archäologie in den letzten 20 Jahren erstaunliches tat und tut.
Kaum ist z.B. in der medialen Öffentlichkeit bekannt, dass sich Israel in den letzten 20 Jahren zum größten archäologischen Weltprojekt entwickelt hat. Doch woher kommt das immense Interesse – gerade in den letzten 20 Jahren – Israel regelrecht zu durchwühlen.
Sicherlich hat es auch etwas mit den politischen Verhältnissen im Nahen Osten zu tun. Sicherlich auch mit solchen Entwicklungen wie man sie in Gaza beobachten kann, wo durch skrupellose Neubebauungen archäologische Spuren unwiederbringlich vernichtet werden. Es scheint kein Interesse an Geschichte in Gaza zu geben. Ähnliches kann man im Westjordanland beobachten. Auch durch den Bau des sog. „großen Walls“, der „Schutzmauer“ durch Israel zum Westjordanland, wurden Notgrabungen großen Stils notwendig, denn diese Mauer zieht sich durch empfindliches archäologisches Gebiet. Doch allein darin liegt sicher nicht der große Grabungseifer verschiedenster Institutionen – von Staaten, Kirchen bis hin zu Universitäten – die erhebliche Summen in das Großprojekt „heiliges Land“ – insbesondere in den letzten 10 Jahren - investieren.
Finkelstein, Direktor des archäologischen Institutes der Uni Tel Aviv sieht einen der Gründe schlicht und ergreifend darin endlich Antworten auf die entscheiden Fragen der Bibel zu finden. Denn längst geht es nicht mehr darum biblische Archäologie zum Beweis der heiligen Schriften zu betreiben, sondern um die Frage, was sind die heiligen Schriften. Diese Fragestellung resultiert letztlich aus der Geschichte der sog. biblischen Archäologie, die einst nur als Beweismittel für die biblischen Überlieferungen herhalten musste. Das hat sich in den letzten 60 Jahren grundlegend geändert und wohl mehr noch in den letzten 20 Jahren. Denn die Ergebnisse sind für die große Mehrheit der Forscher ernüchternd und für Enthusiasten oft enttäuschend.

Man mag jedoch verwundert sein, dass die Ergebnisse der gewaltigen Grabungsaktionen bis auf wenige Sensationsfunde (z.B. Grabstätte des Herodes, Ossarium des Kajaphas, etc.) nur wenig öffentliches und mehr noch fachliches Echo hinterlässt. Fast eine unheimliche Stille macht sich breit und dies auf Seiten der „kritischen Theologie“ ebenso wie auf Seiten der „bejahenden Theologie“. Ob Judentum oder Christentum, es herrscht bedächtiges Schweigen auf allen „Fronten“. Ein Grund dafür mag sicher die unglaubliche Fülle an Informationen sein, die es gilt auszuwerten und in einen historischen Kontext zu stellen, was sicher etliche Zeit brauchen wird. Doch ein weiterer Grund ist hier zu nennen, der Kritiker und Nichtkritiker vor ein neues Problem stellt, die Ausgrabungsfunde zwingen alle Seiten zu einem neuen Verständnis zu den heiligen Schriften, die archäologische Schlacht in ein Für und Gegen die Bibel, kann so nicht weitergeführt werden, denn die archäologischen Funde geben kaum noch Anlass dazu so subtil diese Kontroverse zu führen (Finkelstein, Silbermann). Diesen Aussagen schließen sich fast einmütig alle Forscher auf diesem Sektor an.
Doch worum geht es bei diesem neuen Verständnis zu den heiligen Schriften.
Finkelstein und Silbermann fassen den Sachverhalt so zusammen. Wer die Bibel als Geschichtsbuch versteht wird besonders durch die neuesten Grabungsfunde eine herbe Enttäuschung erleben und doch wird geschehene Geschichte in ihr ganz lebendig. Dieser scheinbare Widerspruch liegt einfach darin begründet, dass wir in der Bibel tatsächliche Geschichte und Geschichten finden, die jedoch so nie stattgefunden hat, sondern aus ihrem wirklichen Geschehen in die Bibel integriert und neu interpretiert wurde. Beispielhaft dafür ist die Landnahme des Josia, die Entstehungsgeschichte der Tora, die Königsgeschichten, etc und für das N.T. das Leben Jesu, dass völlig neu bewertet werden muß.

Um letzteres einmal beispielhaft aufzugreifen, so möchte ich den Leser nach Nazareth führen, wo in den letzten 10 Jahren die umfassendsten Ausgrabungen die je dort stattfanden, durchgeführt wurden. Auslöser war ein sog. Zufallsfund in einem Ladengeschäft innerhalb des heutigen Stadtzentrums von Nazareth, wo ein palästinensischer Christ in seinem Ladengeschäft einen alten Keller freilegen wollte. Was als harmloses Unterfangen anfing sollte schon bald – von der Weltöffentlichkeit unbemerkt, für Fachkreise jedoch extrem beachtet zu einem der größten Sensationsfunde werden. Denn man stieß mitten in Nazareth auf nichts Geringeres als auf ein römisches Bad. Es mag für den Außenstehenden nichts besonderes sein, doch für die Fachwelt war dies eine Sensation, die einen regelrechten Grabungseifer auslöste. Dieses Bad war nur ein Bruchstück dessen, was dann zum Vorschein kam, es war ein Badehaus – eine große Therme die aus der Zeit Jesu stammt. In Nazareth – diesem kleinen Dorf eine große römische Therme? Wie passt das zusammen, ging man doch bisher davon aus, Nazareth sei ein kleines unbedeutendes rein jüdisches Dorf vor den Toren der Großstadt Sepphoris – einer hellenistischen – jüdischen geprägten Großstadt. Das warf Fragen auf, die es zu beantworten galt. Infolge dieses Fundes wurden umfangreiche Vermessungen des antiken Nazareth vorgenommen und diese deckten sich mit historischen Quellen, Nazareth war ein kleines Dorf von höchstens 400 Bewohnern. Doch wie passt in so ein Dorf eine Therme? Und dazu noch im Zentrum? Bisher ging man davon aus, dass der sog. antike Marien-Brunnen das Zentrum des Dorfes bildete. Kurzer hand legte man diesen Brunnen frei und stellte fest, dieser wurde in byzantinischer Zeit verlegt. Anhand der noch heute erhaltenen byzantinischen Wasserzuleitung brauchte man nur dieser „neuen“ Wasserleitung folgen um an den Ausgangsort des Brunnens zu gelangen, der einst im Zentrum vom antiken Nazareth stand. Das Erstaunen der Forscher war groß, als man den ursprünglichen Standort vor dem ehemaligen Haus des Joseph (heute in der Verkündigungskirche) lokalisieren konnte. Die große Therme lag also in antiker Zeit vor dem Dorf, doch warum? Diese Frage fand erst eine entscheidende Antwort, als man in historischen / antiken Aufzeichnungen fündig wurde. Galiläa, dass wussten die Forscher, war hauptsächlich von den letzten Heimkehrern aus dem babylonischen Exil bewohnt. Vornehmlich waren das Leute aus dem Hause David, also Nachfahren des Königshauses. Herodes der Große und vor ihm auch andere Herrscher hatten ein wachsames Auge auf diese Heimkehrer. Insbesondere die Tempelpriesterschaft der Sadduzäer schaute mit argwöhnischen Augen auf die Galil und mit ihm die römische Besatzungsmacht. Ausgrabungen in der ganzen Galil belegen diese Tatsache. Nirgendwo in Israel hat Herodes so viele Militärstützpunkte angelegt wie in der Galil. Die Galil galt als aufrührerisch und politisch gefährlich. Doch was macht die Therme dort? Vermessungen brachten es an das Tageslicht, Nazareth war ein fester Garnisonsstützpunkt / Militärlager einer römischen Militäreinheit, der eine Therme gebaut wurde. Sie sollte nicht nur das hellenistische Sepphoris schützen, sondern auch als Eingreiftruppe in Galiläa fungieren.
In Folge dieser Erkenntnisse wurde das antike Nazareth nun genauer unter die Lupe genommen und trotz dichter heutiger Besiedlung Ausgrabungen durchgeführt. Es ist unbestreitbar, Nazareth war ein jüdisches Dorf mit deutlich hellenistisch geprägter Kultur – ähnlich wie Sepphoris. Dies beweisen nicht nur die freigelegten mehrheitlich griechischen Inschriften (Graffiti) auf Hauswänden, sondern auch Münzfunde. Ein besonderes Interesse galt auch dem vermeintlichen Haus des Joseph des bekanntlich zum Großteil in Italien in einer Kirche steht. Erneut wurde dieses Haus / Mauern gründlich untersucht und darüber hinaus umfangreiche Grabungen durchgeführt. Die Ergebnisse sind beeindruckend. Joseph der in Wirklichkeit nicht nur ein einfacher Zimmermann war, sondern Baumeister sich nannte, hatte eine Taubenzucht und Weinanbau betrieben und selbst Feigenbäume konnte man in seinem großzügigen Anwesen feststellen. Dass Joseph zum sog. gehobenen Mittelstand gehörte war lange schon bekannt, dass allerdings viele beobachtete Beispiele der Gleichnisreden Jesu aus dem Garten des Joseph entstammen war neu. Das, dass Haus des Joseph schon kurz nach Jesu Tod als sein Heimathaus lokalisiert wurde zeigen Graffiti im Mauerwerk, die erst jetzt entdeckt wurden. Wie das Haus nach Italien kam wurde dank des Vatikans nun auch erklärt. Es hat tatsächlich eine Urkunde aus ihren sog. verschlossenen Archiven den Archäologen vorgelegt, die belegt, wie ein gewisser Angelos – ein reicher byzantinischer Christ - die Mauern vor den Moslems in Sicherheit brachte. Untersuchungen am Mauerwerk in Italien haben zweifelsfrei die Identität mit den Mauerresten in Nazareth belegt.
Doch auch die israelischen Wissenschaftler staunten nicht schlecht, als sie bei Sichtung alter Texte des Judentums aus dem Mittelalter auf Hinweise zu diesem Badehaus gestoßen sind. Man hat sie einfach jahrhunderte lang ignoriert. So fuhr einst Rabbi Moshe Bassola (1480 – 1560) aus Ancona im hohen Alter in das heilige Land um seine davidischen Verwandten zu suchen - Bericht 1542: „Wir kamen von Kfar Kanna, erreichten am nächsten Tag Nazareth, wo der Jesus der Christus lebte, die Bewohner (von Nazareth) erzählten mir, dass es dort ein heißes Badehaus gab, wo die Mutter Jesu einzutauchen pflegte im Caldarium.“ Die Sensation war scheinbar perfekt, Jesu Mutter in einem römischen Badehaus? Gläubige Juden in einem römischen Badehaus, dies scheint unvereinbar zu sein, es sei denn, sie haben sich den hellenistischem Judentum angeschlossen, dass einen großen Liberalismus zum Hellenismus befürwortete (Abschaffung der Beschneidung, Aufhebung der Speisegebote, etc). Dieses Bild mag so gar nicht in die Glaubenswelt Jesu passen und doch wirft gerade diese Episode große Fragen auf. Hat z.B. deshalb Jesu seine Mutter so der Gottesferne beschuldigt?
Fakt ist, Jesus wuchs ganz unmittelbar in römischer Gesellschaft auf, in einem zutiefst geprägten hellenistischen Umfeld, in der Gesellschaftssprache der Galil, die griechisch und nicht aramäisch oder hebräisch war.
Bei weiteren Ausgrabungen im Umfeld von Nazareth fand man auch eine gut ausgebaute Straße, die direkt von Sapphoirs durch den Ortskern nach Nazareth führte und auf regen Verkehr schließt. Nazareth lag nicht am Ende der Welt, sondern mitten zwischen hellenistisch geprägten Siedlungen. Denn auch weitere Ausgrabungen in Kana, Magdala, etc. brachten erstaunliches zu Tage. Alle frühen Wirkungsstätten Jesu waren vornehmlich von hellenistischen Juden bewohnt. Insbesondere trifft dies auf Magdala zu.
Leider lässt die heutige Bebauung von Nazareth keine weiteren Grabungen zu. Was man jedoch zudem weiß ist, dass die 12 und auch 10 Legion in Nazareth Truppen fest stationiert hatte. Das ist in soweit wichtig, weil insbesondere diese beiden Legionen geradezu schicksalhaft das Ende Israels Eigenstaatlichkeit bereiten sollten.
Darüber hinaus konnte bei Ausgrabungen zweifelsfrei der beherrschende Einfluß essenischer Gemeinden belegt werden. Die Feindlichkeit der Galil zum Tempel und deren Ritualpraxis war gerade zu sprichwörtlich. Hier decken sich Herodianische Ansichten mit den Essenern und findet wohl auch seine Begründung, warum Herodes der Große die Essener und auch Pharisäer so massiv förderte (z.B. Schenkung eines Stadtteils an die Essener in Jerusalem (am Essenertor). Das Jesus besonders im weiteren Verlauf seiner „Mission“ in Essenergebieten wirkte, ja sogar sein letztes Mahl in dem vor Sadduzäern sicheren Essenerstadtteil abhielt, lässt tief blicken. Das selbst sein großer finanzieller Gönner Lazarus ein gemäßigter Essener war, brachten umfangreiche Ausgrabungen an dessen Wohnort zu Tage.
Das der Einfluß der Essener groß in Israel war, wurde schon allein aus den antiken Schriften z.B. von Josephus oder Philo geschlossen, heute weiß man, dass man diese Schilderungen eher unterbewertet hat.
Erfreulich mag für Neutestamentler sein, dass man insbesondere dem Johannesevangelium erstaunliche historische Genauigkeiten zuschreiben kann. Ein Faktum, dass selbst israelische Wissenschaftler überrascht. Beispiel dafür sind Ausgrabungen in Kana, Jerusalem (Schiloach und Bethesda Teich). Hier übertrifft das Johannesevangelium in seiner Beschreibung der Orts-Verhältnisse sogar alte jüdische Quellen an Genauigkeit. Auch das wirft viele Fragen auf. Dem Matthäus- und Lukasevangelium konnte man hingegen etliche Falschaussagen belegen. So z.B. die Darstellung des Lukas, dass in Kafar Nachum die Häuser mit Dachziegeln gedeckt waren. Keines der Häuser war mit Dachziegeln gedeckt, sondern wie Johannes richtig beschreibt, mit Schilf. Nicht ein einziges Tonfragment oder Bruchstuck eines Dachziegels konnte gefunden werden.
Unerfreulich mag hingegen für so manchen Neutestamentler und auch antiken Judentumsforscher sein, dass zweifelsfrei ein ganz erheblicher Einfluß einer anderen Religion auf Teile des Judentums – insbesondere der aus Babylon kommenden Juden – archäologisch belegbar ist. Klar belegbar gab es einen intensiven kulturellen Austausch zwischen Ekbatana (religiöses und politisches Zentrumder Magoi) und dem Norden Israels – die Galil. Das diese Religion deutliche Spuren bei den Essenern hinterlassen haben weiß man nicht erst seit der Auffindung der Schriftrollen von Qumran, sondern bereits seit der Lektüre der Philoschriften. Beispielhaft sei die Lehre angeführt, dass es einen Kampf zwischen Licht und Finsternis gibt / Gut und Böse, der letztlich durch Saoschjant der von einer Jungfrau geboren wird, entschieden wird und die unvergängliche Welt herbeiführen wird und dann die Toten zum Gericht auferstehen werden. Dass diese Berührungspunkte zwischen Judentum und Meder sehr alt ist, kann man aus 2. Kön. 17/6 erkennen, denn genau in ihrem Gebiet wurden einst Juden von den Assyrern angesiedelt und genau diese wurden in der Galil angesiedelt. Und, dass selbst ein Daniel vornehmlich in Ekbatana wirkte sei nur am Rande bemerkt, wie auch, dass Ester in Ekbatana eine jüdische Kolonie gründete. (Ihr Grab wird dort noch heute verehrt). Letztlich mag es auch nicht verwundern, dass ausgerechnet beim Pfingstwunder (Apg. 2/ 9) diese Gruppe mitten im Kreis der Jünger erscheint.
Letztlich muß man zur Kenntnis nehmen, was ein über 80 köpfiges Wissenschaftlerteam in dem Monumentalband „N.T. und antike Kultur“ zusammenfasst, das Judentum hatte in der Antike keine klar definierbare zusammenhängende Religionsauffassung, es war in sich tief zerrissen, es war ein Korpus vielfältiger Ausprägungen, das vom Hellenismus vielfältig beeinflusst war, wie alle Religionen damaliger Zeit. Selbst der tiefe Konflikt der theologischen Gottesbilder, der einst Nord- und Südreich zutiefst spaltete war in der Antike mehr als deutlich präsent. Auch die Schaffung eines einheitlichen Schriftwerkes der Tora im 800 – 600 Jahrhundert v. Chr. konnte diese Spaltung nicht überwinden, sondern schuf immer wieder neue Spaltungen. Zu Zeiten Jesu war es das tiefe Zerwürfnis zwischen den Hauptgruppen Sadduzäer, Essener und Pharisäer, die sich unversöhnlich gegenüber standen.
Der unüberwindbare Zwiespalt zwischen dem Elohim der Freigeister (z.B. Propheten) und des Jhwe (z.B. Priesterschaft) trägst sich bis weit nach der Zeit Jesu fort. Einen Eindruck davon kann man in den Zeugnissen der zigfachen innerisraelischen Bürgerkriege finden, die sich auch in der Zeit Jesu unvermittelt fortsetzten. Wem mag es heute verwundern, so fragt auch Finkelstein, dass solche Kultstätten des Elohim wie z.B. sie noch zu Zeiten Jesu auf dem Karmel in Konkurrenz zum Jerusalemer Tempel betrieben wurden, gerade beim einfachen Volk mehr Zulauf fand als der priesterliche Pomp nach hellenistischen Vorbild. Zumal die Jerusalemer Tempelsteuer letztlich dem Jupitertempel in Rom zuflossen. Dieses Baumheiligtum auf dem Karmel z.B., das mehr dem althergebrachten Glauben der Vorväter entsprach, konnte natürlich in der Welt der priesterlichen Schriftreligion nur Ablehnung finden, doch beim Volk haben diese alten „abrahmitisch – kanaanitischen“ Heiligtümer immer den größeren Zulauf gefunden. Israel ist übersäet von solchen heiligen Höhlen, Heinen, Bergen und Bäumen, Kultstätten also, die dem einfachen Volk mehr behagten als königlich – priesterliche Zentralbauten, die Unsummen an Kosten verursachten und in aller Regelmäßigkeit zur Verarmung des Landvolkes und folglich zu Aufständen führten, wie archäologisch klar belegbar ist. Das Resümee mag letztlich nicht überraschen wie Silbermann schreibt, dass Volk Israel führte mehr Kriege mit sich selbst als mit umliegenden Feinden.
Es mag dann letztlich auch nicht verwundern, dass neue Bewegungen innerhalb der israelitischen Gesellschaft immer aus der Wildnis emporwuchsen, nie aus den heiligen Hallen der Tempelstadt. Auch ein Johannes – als Täufer bekannt, kommt zweifelsfrei aus einem solchen alten Höhlenheiligtum, wie Ausgrabungen belegen und ganz in der Tradition seines Ziehbildes Elija, in Opposition zu Machtzentren und wem mag es verwundern, natürlich aus der Galil und im widerstreit zu den Schriften der Priesterschaft.
Es mag eine innere „Rache“ des Herodes des Großen gewesen sein, dass er nach dem Umbau des Tempels anordnete, die Opfertiere im Tempelinneren zu halten, zu versorgen und zu schlachten, was einen erbärmlichen Gestank auslöste, wie auch Josephus zu berichten weiß, denn die Fäkalien flossen nur spärlich ab. Das dann sogar die Aborte der Priesterschaft nahe dem Allerheiligsten gebaut wurden mag zu der köstlichen Aussage Jesu geführt haben, die uns der Talmud erhalten hat.

Die Archäologie in Israel hat seit zwanzig Jahren einen unglaublichen Wandel durchlebt und man darf gespannt sein, was von idealisierten Bibelbildern unserer heutigen Zeit am Ende übrig bleiben wird.

Eine Frage die mich persönlich nach monatelanger Sichtung der schriftlichen Grabungsergebnisse umtreibt ist die Frage bin ich Elohist? Darüber natürlich auch die ketzerische Frage, welchen religiösen Ansichten frönte letztlich der Davide Jesus, der wohl zu Lebzeiten schon Jesus genannt wurde und eben nicht Jeshua, wie die heutige große Mehrheit israelischer und christlicher Wissenschaftler erklären.

In diesem Sinne freudiges Weiterlesen und Studieren

Absalom

luxdei
07.02.2012, 20:13
Lieber Absalom,

vielen Dank für Deine Mühe!! Der Text ist mehr als interessant. Nach der Lektüre werde ich nun erstmal verdauen und sacken lassen müssen. Die Frage nach Jesu Überzeugungen, die Frage, aus welchen Richtungen er geprägt wurde, kam mir auch sehr schnell in den Sinn. Ein griechisch geprägtes Umfeld .... Spannend.

Gruß
LD

Mirjamis
08.02.2012, 12:42
Danke Absalom für den Bericht.
Mir gehts wie Luxdei - ich muss das erstmal verdauen.

Fisch
08.02.2012, 16:05
Ich habs mir ausgedruckt und lese es sobald ich bisschen Zeit habe *gespannt bin*

Lieben Gruß
Fisch

absalom
14.02.2012, 03:10
Es ist ein spannendes Thema, dass viele althergebrachte „Bilder“ in Frage stellt viele neue Fragen aufwerfen.
Heute möchte ich erneut spezifischer aus dem Grabungsfundus berichten. Dieses mal nicht zum N.t., sondern über die Besiedlungsgeschichte des Landes Israel.

Israelische Forscher haben insgesamt 3 wesentliche große Besiedlungsperioden Israels entdeckt. Nicht beachtet sind hierbei Ansiedlungen von 5000 v.Chr.!

Die erste umfassende große Besiedlungswelle Israels konnte in die frühe Bronzezeit (um 3500 – 2200 v.Chr.) lokalisiert werden. Auf dem Höhepunkt dieser ersten großen Besiedlungswelle konnten ca. 100 kleinere Dörfer und größere Stadtansiedlungen lokalisiert werden. Insbesondere – ja fast ausschließlich traf diese erste Besiedlungswelle das heutige Westjordanland, dass damals eine überaus üppige Vegetation aufweisen konnte (z.B. dichte Eichenwälder).
Um 2200 v.Chr. wurde fast das gesamte Gebiet geräumt und war unbesiedelt. Bis heute ist nicht ganz klar, warum dieser Landstrich so abrupt verlassen wurde. Zum einen lassen sich deutlich Kriegsspuren nachweisen, die mit Sicherheit auf heftige Kriegszüge der Ägypter und Völkern aus dem Zweistromland ereignet haben, aber auch klimatische Veränderungen können in Betracht kommen.
Erst 200 Jahre später tauchen wieder erneute Besiedlungsspuren auf, die kurz nach 2000 v.Chr. zu einer erneuten Besiedlungswelle führten. Anhand archäologischer Ausgrabungen dieser zweiten Besiedlungswelle kann man diesen Zustrom sogar zahlenmäßig einordnen. Binnen relativ kurzer Zeit (ca. 100 Jahre) haben sich ca. 40000 Menschen – auch hier wesentlich – im Westjordanland angesiedelt. Erstaunlich ist besonders bei dieser zweiten Besiedlungswelle, dass ein überaus effizientes und kompliziertes Netz aus dörflichen, städtischen und äußerst wenigen befestigten Anlagen entstand, das eng miteinander verflochten war. Tatsache ist, dass fast keine Stadt aus dieser Epoche Stadtmauern oder Befestigungswälle hatte. Das ist überaus erstaunlich und hängt ganz eng mit der Vormachtsstellung Ägyptens zusammen. Ohne Zweifel haben wir es hier mit der Besiedlung durch die sog. Kanaaniter zutun. Größere und bedeutende Städte entstehen in dieser Zeit in Hazor, Hebron, Jerusalem, Bethel, Silo oder Sichem. Lediglich im direkten Bergland blieb die Besiedlung äußerst dünn. Um 1600 v.Chr. lebten ca. 45000 Menschen in ca. 250 Siedlungen.
Des Weiteren konnte auch der Besiedlungszustrom deutlich aufgezeigt werden. Die beiden ersten großen Besiedlungswellen kamen aus dem Osten und breiteten sich gen Westen aus. Auch die dritte Besiedlungswelle, die jedoch wesentlich langsamer und auch geringfügiger ausfiel (um 1200 .v.Chr.) kam zweifelsfrei aus dem Osten.

Keramikfunde aus den ersten zwei Besiedlungswellen lassen auf einen regen Handel mit Ägypten schließen. In Ägypten und in Kanaan wurden zahlreiche Funde für diese Handelstätigkeit gefunden. Insbesondere Oliven und Wein war ein Exportschlager der Kanaaniter.
Erstaunlich ist auch, dass die erste, zweite und auch dritte Besiedlungswelle ähnliche Baustrukturen aufweisen, was darauf Rückschließen lässt, dass wir es hier mit Menschen aus demselben Kulturkreis zutun haben.
Im Verlauf der zweiten Besiedlungswelle kann man zudem deutlich die Entwicklungen zu einer Städtekultur feststellen. Darauf verweisen deutlich verlassene Dörfer und das anwachsen der Städte und ihrer Bevölkerung.
Großen Aufschluss über die Besiedlung der ersten und zweiten Welle gaben nicht nur Tonscherbenfunde und Keilschrifttafelfunde, sondern auch Tierknochen, die von Forschern als überaus interessant eingestuft werden. Insbesondere bei den wenigen Ortschaften im Bergland wurden fast ausschließlich Ziegen- und Schafknochen gefunden, Knochen von Schweinen wurden jedoch auch gefunden. In den Ballungsgebieten / Städten fand man hingegen einen hohen Anteil an Rinderknochen, seltner Schaf- und Ziegenknochen, die von Schweinen fehlen hier gänzlich. Deutlich lässt sich erkennen, dass die Bewohner des Berglandes noch die traditionelle Tierhaltung damaliger Beduinen beibehalten haben, wozu auch Schweinezucht gehörte, hingegen in der Nähe von Städten Rinderzucht betrieben wurde, was ebenso auf eine intensive Landwirtschaft hinweißt. Das fehlen von Schweineknochen in den Stadtgebieten ist jedoch der weit aus interessanteste Aspekt. Gleich wie in Ägypten, wurde hier auf jegliche Schweinezucht und dessen Verzehr – nämlich - bei den Kanaanitern verzichtet. Also ganz anders wie in den Gebieten des Berglandes oder heutigen Gebieten in Libanon, Jordanien, Syrien und Persien. Woher diese Sitte des nicht Schweine essen rührt liegt übrigens weiterhin im Dunkeln der Geschichte. Tatsache ist, dass es bereits um 3000 v.Chr. keine Spuren von Schweinezucht oder Knochenfunde von Nutzschweinen außerhalb des Berglandes gab (es sei den von Wildschweinen die auf natürlichen Weg verendeten).

Die zweite Besiedlungswelle fand – wie wir aus historischen Quellen entnehmen können – unter der Herrschaft der Ägypter statt, die dem Land Kanaan ganz offensichtlich einen großen wirtschaftlichen Aufschwung brachten und im Vergleich zu anderen Regionen des „Nahen Ostens“ überaus friedliche Zeiten.
Diese Verhältnisse endeten schlagartig ab 1300 v.Chr. und in dessen Folge geschieht auch die dritte Besiedlungswelle 1200 v.Chr.. Dazu später mehr.

Die drei Besiedlungswellen entstammen zweifelsfrei dem gleichen Kulturkreis, wie die ersten beiden, was Keramikfunde deutlich belegen. Die Herstellung solcher Tongefäße hat sich in den Jahrhunderten kaum verändert und ebenso wenig die künstlerischen Gestaltungen von Keramik, die überaus schlicht und einfach gehalten wurde. Bewohner des Berglandes, wie die Stadtbewohner benutzten die gleichen Gegenstände und lebten auch in relativ gleichen Kulturverhältnissen. Ebenso spärlich und einfach wie die Keramikfunde, sind gefundene religiöse Artefakte aus der Frühzeit der zweiten Besiedlungswelle. Mehrere Altäre konnten im Hochland und den Städten freigelegt werden, die fast ohne Zierden ausgeschmückt waren. Nur selten konnte man Tonfiguren finden und unklar ist man sich bis heute über die wirkliche Bedeutung dieser Figurenfunde. Anders als in Ägypten oder Babylon fehlt ihnen jeglicher Anschein von Kultfiguren. Noch interessanter sind die Bestattungsriten aller drei Besiedlungswellen. Sie unterscheiden sich kaum voneinander und auch hier ist die Stadtkultur der Berglandregion anfänglich noch völlig identisch.

Faktisch gibt es zwischen den Bewohnern des Berglandes – den Hirten und der Stadt/Landbevölkerung der Ebenen keine Unterschiede außer im Verzehr von Schweinefleisch. Das ändert sich ebenso mit der dritten Besiedlungswelle. Hier finden sich ebenso keinerlei Schweinekochen mehr in den Besiedlungsschichten des Berglandes.

Offensichtlich haben wir es in allen drei Besiedlungswellen mit dem gleichen Kulturkreis zutun, der sich jedoch durch die politischen Verhältnisse um 1300 v.Chr. grundsätzlich ändert. In die Spätzeit fällt auch die erste historisch verbürgte Erwähnung von Israel auf der sog. Merenptah Stele.

Lange Zeit wurden wenige einzelne Inschriften und die biblischen Berichte als Maßstab für eine Geschichtsdatierung Israels angenommen, leider nicht die Archäologie, wie Prof. Israel Finkelstein beschreibt. Ebenso schlussfolgern anerkannte Israelische Archäologen, man hat faktisch bei der Suche nach Hinweisen auf Israels Geschichte ein Jahrhundert an den falschen Stellen gegraben. Nicht in Jericho, nicht Bethel, Lachisch oder Hazor, etc muß man nach Israel suchen, sondern im Bergland, dort, wo die Bergbewohner lebten. Wohl war schon durch frühere Ausgrabungen klar geworden, dass die erste, zweite und dritte Besiedlungsschicht eng kulturell und religiös miteinander verbunden war, aber als die dritte Besiedlungsschicht entstand, war die zweite Besiedlungsschicht schon mindestens 100 Jahre in Schutt und Asche gelegt oder verlassen worden, Jericho sogar seit 2000 v.Chr. weitestgehend unbesiedelt geblieben. Der plötzliche und schnelle Niedergang der prachtvollen Städte von Kanaan kann heute sehr gut an Hazor nachvollzogen werden. Jetzt kann man noch die 1,80 Meter hohen Palastmauern des Königstempels von Hazor besichtigen, die von einer verheerenden Feuersbrunst noch immer Rot erscheinen. Ausgrabungen von Griechenland bis in die Türkei zeigen für den Untergang Kanaans 1400 – 1300 v.Chr. ganz ähnliche Spuren der Verwüstung. Was ist geschehen? Ägypten und die Hethiter leisteten sich im 1400 - 1300 Jahrhundert v.Chr. erbitterte Schlachten um die Vorherrschaft im Nahen Osten. Als unter Ramses und Hattuschili der erste bekannte Friedensvertrag der Weltgeschichte geschlossen wurde, weil beide Großreiche wirtschaftlich und militärisch geschwächt in einer Pattsituation gegenüber standen, ergriff eine dritte Großmacht – die Mykenenischen und Anatolischen Völker – (z.B. Philister, Tjeker, Schekelesch, Danaer, Weschesch, etc) die Chance zum Großangriff, zuerst auf das Hethiterreich, das binnen kürzester Zeit überrannt und völlig vernichtet wurde bis an die Grenzen Ägyptens. Ramses der III beschreibt diese Streitmacht als Seefahrervölker. Infolge ihrer Invasion wurde nicht nur das heutige Gebiet von Griechenland, Türkei, Libanon, Syrien, verwüstet, sondern auch Kanaan regelrecht dem Erdboden gleich gemacht. Insbesondere das in brand stecken von Städten war eines ihrer deutlichen Kennzeichen, dass Furcht und Schrecken verbreitete. Faktisch wurde die kanaanitische Hochkultur damit ausgelöscht.

Der archäologische Durchbruch kam folglich, als man sich intensiver mit dem Bergland und hier mit der dritten Besiedlungsschicht und dessen Standorten beschäftigte, denn es war offensichtlich, dass die erste Besiedlungsschicht und die zweite Besiedlungsschicht den Kanaanitern zugewiesen werden muß. Beide Besiedlungsschichten wurden nachweislich Opfer von Kriegsgeschehen zwischen Ägypten und angreifenden Völkern. Noch klarer wurde dieser Sachverhalt, als man die zweiten Besiedlungsschichten im Bergland genauer untersuchte. Sie wurden nicht verwüstet, sondern einfach verlassen.

Für die Archäologie stellte sich die Frage, wohin ist die Mehrheit der städtischen Kanaaniter verschwunden und wo ist die Bergbevölkerung abgeblieben? Wurden die Kanaaniter mehrheitlich getötet und ist dessen Rest mit der Bergbevölkerung östlich des Jordan gezogen? Oder haben sie sich ins verbündete Ägypten zurückgezogen?

Klar und deutlich konnte die Archäologie eine Antwort geben, sie sind über den Jordan gen Osten geflohen und von dort auch wieder zurückgekehrt, in ein völlig verwüstetes Land. Ein Teil zog wieder in die Ebenen und baute ein kleinstädtisches Leben wieder auf. Ein anderer Teil blieb jedoch im sicheren Bergland. Weit ab von den ehemaligen kanaanitischen Städten konnten in den letzten Jahren über 250 Ansiedlungen entdeckt werden. Wenn auch sehr primitiv und äußerst spärlich ausgestattet ist doch die Bauweise gleich der zweiten Besiedlungswelle. Ein Unterschied ist jedoch offensichtlich, es sind Wehrdörfer zumeist auf Bergspitzen. Offensichtlich hat die Katastrophe, die einst über Kanaan kam die neuen Bewohner überaus wachsam gemacht und mehr noch, wehrhaft. Ganz in der Tradition der Bergbewohner aus der zweiten Besiedlungsschicht waren es auch hier wieder sog. Hirten, die neben geringer Landwirtschaft besonders die Viehzucht betrieben. Neu ist, sie halten keine Schweine mehr!
Deutlich zeigen sich in der dritten Besiedlungswelle auch Unterschiede zu den nun neu entstehenden kanaanitischen Ortschaften auf, die insbesondere sich an der Baukultur der Küstenbewohner – der Philister orientiert. Gleiches trifft auch auf neu entstehende Kultstätten zu. Offensichtlich hat zwischen Kanaanitern und Philistern ein enger kultureller und religiöser Austausch stattgefunden. Noch deutlicher wird dieser Sachverhalt an den Namensgebungen der Götter. Immer deutlicher treten Götter der Philister in Kanaan auf. Schon bald (im Verlauf von ca. 200 Jahren) finden sich nur noch vereinzelt die alten kanaanitischen Gottesbegriffe wie z.B. EL, Elohim, Zebaoth, JAWH, Mot, etc. Hier ein Gebet an EL aus den Tonarchiven von Ugarit vor der Zerstörung der kanaanitischen Hochkultur: „Oh EL! Oh Söhne EL! Oh Versammlung der Söhne EL! Oh Zusammenkunft der Söhne EL, sei gnädig, oh EL, sei Stütze, oh EL, EL, eile, EL, komm schnell, zur Hilfe Zaphons, zur Hilfe Ugarits, mit der Lanze, oh EL, mit der erhobenen, oh EL. mit der Streitaxt, oh EL, mit der zerschmetternden, oh EL.“
Ganz im Gegensatz scheinen die Bergbewohner zu stehen. Sie entwickeln eine ganz eigene Kultur, die sich unübersehbar (siehe z.B. Gebet) an den alten Gegebenheiten im Westjordanland orientieren. Israelitische Religionswissenschaftler und Archäologen sehen heute darin die eigentliche Geburtstunde des Volkes Israel.
Diese Behauptung muß sich natürlich an weiteren Fakten belegen lassen, denn sie steht gänzlich im Widerspruch zu der biblischen Geschichte oder doch nicht?

Bei Ausgrabungen in Israel ist man gezielt den Spuren der Josuageschichte gefolgt, weil sie als einzige zusammenhängende Geschichte ganz wesentliche Ortsangaben vermittelt. Zudem verweisen die Gebietsangaben auf die genauen Grenzen Judas im 7. Jahrhundert und das macht stutzig! Schon bei den Ausgrabungen in Jericho hat man in den zwanziger Jahren berechtigte Zweifel an der Josuaversion verlautbaren lassen. Bei neueren Grabungen konnte man nun durch modernste Technik belegen, Jericho hatte nie Mauern. Auch das Argument, durch Verwitterung sei von den Mauern nichts mehr zu finden (Lehmbauweise), konnte klar widerlegt werden (ich verweise hier auf die umfangreiche wissenschaftliche Lektüre von z.B.: Leonard A. The Late Bronze Age, Singer I. Egyptians, Canaanites and Philistines in the Period of the Emergence of Israel, Finkelstein I. The Archaeologie of the Israelite Settlement, etc, etc).
Schon früh ist man auch bei der Abrahamsgeschichte auf seltsame Eigenheiten gestoßen. So sind z.B. Kamele in Israel nicht vor 900 – eher ab 800 (Knochenfunde) belegt. Auch Assyrische Quellen belegen, dass erst ab Mitte des 700 Jahrhunderts v. Chr. Kamele als Lastentiere gebräuchlich wurden. Doch noch ein Fakt ist erstaunlich, bereits Isaak soll Kontakt mit Philistern gehabt haben, diese sind jedoch nachweislich (historische und archäologische Belege) erst um 1200 v. Chr. in Kanaan. Und erst im 11. – 10. Jahrhundert sind feste Städte der Philister entstanden. Ganz deutlich wird der Sachverhalt an der Erwähnung des Ortes Gerar in den Texten über Isaak. Nachweislich stammt diese Stadt, die komplett bis zu ihren untersten Schichten ausgegraben wurde erst aus der Zeit 1150 – 900 v.Chr.. Ebenso aufschlussreich ist die Geschichte von Edom, das erstmals im 8. Jahrhundert v.Chr. durch assyrische Quellen belegt ist. Ausgrabungen haben zweifelsfrei die ersten Besiedlungen genau in dieses Jahrhundert datieren können. Erst im 7 – 6 Jahrhundert erscheint Edom als politische Größe, was archäologisch sogar erklärbar wird. Edom entwickelte sich von einer lukrativen Handelsstation zu einem eigenständigen Kleinkönigreich. Schon längere Zeit ist bekannt, dass ein Großteil der Orte aus den sog. Stammvätergeschichten eigentlich in die Zeiten des 7 – 5 Jahrhunderts v. Chr. gehören. Ähnliches, und hier kommen wir zu Josia, findet sich bei der Josiageschichte wieder. Zu Zeiten Josias gab es z.B. die Städte Ezjon-Geber, oder Arad nicht. Erst in der Eisen- bzw. Spätbronzezeit taucht diese Stadt archäologisch greifbar auf. Fast 20 Jahre hat man allein an Arad gegraben, um den sagenhaften König von Arad aus den Zeiten Josias zu finden, bisher ergebnislos und die Grabungen sind beendet, weil es faktisch nichts mehr zu ergraben gibt. Und was ist mit der geschichtsträchtigen Stadt Hesbon, im Osten jenseits des Jordan? Die umfangreichen Ausgrabungen waren ernüchternd, es gab diese Stadt nicht zu Zeiten Josias, ja nicht einmal eine kleinste Behausung konnte gefunden werden, doch eine große Siedlung aus der Eisenzeit zeigte sich den Archäologen. Auch Bet-Schean wurde intensiv durchgraben. Schon in den 20er Jahren hat man dort seltsame Gebäude entdeckt die sich in der Folgezeit als ägyptische Festung offenbarte. Josua muß in seiner Zeit an ihr vorbei gezogen sein und Funde belegen, die Festung war bis um 1200 v.Chr. besetzt – von Ägyptern. Und selbst in Meggido wurde man fündig, denn man konnte für die Zeit von 1294 – 1153 v.Chr. eine ununterbrochene ägyptische Militärpräsenz durch ausgiebige Funde belegen. Noch ein ganz bemerkenswertes Beispiel bietet Hazor das jüngst durch Prof. Amnon Ben-Tor (hebräische Universität) aufs Gründlichste erneut ausgegraben wurde. Hazor hatte offensichtlich durch seine Lage eine lange Besiedlungszeit, die von 2000 v.Chr. bis 1300 v. Chr. reicht. Eine blühende Stadt, die bis 1300 von Kriegswirren verschont blieb. Weder ist eine Einnahme durch Israeliten belegt, noch finden sich Spuren etwaiger Kriegshandlungen vor 1300 v. Chr.. Hazors Schicksal endete gleich all der anderen Städte in Kanaan. Ein letzter Beleg aus der langen Liste archäologischer Studien sei mit Ai erwähnt. Ai und Jericho gehören zu der ersten großen Besiedlungswelle, die durch Kanaaniter gegründet wurden. Die Ausgrabungen an Ai ergaben zweifelsfrei, dass gleich wie Jericho, diese Stadt zu den Zeiten Josias längst verfallen und verlassen war.

Die Archäologen Israels und aus der archäologischen Fachwelt, sind nach Abschluss der meisten Ausgrabungen zu folgendem Fazit gekommen. Ausnahmslos alle Städte der Landname Josias waren entweder schon längst nicht mehr bewohnt, oder waren unter direkter ägyptischer Verwalten mit starken Militärposten versehen, oder aber sie existierten noch gar nicht. Es gibt weder Kriegsspuren aus dieser Zeit, noch lässt sich ein Volk Israel als greifbare Größe auch nur im Entferntesten erkennen. Weder in kanaanitischen, noch in ägyptischen oder assyrischen Quellen gibt es auch nur den kleinsten Hinweis auf eine solche Streitmacht des Josia, oder aber auf eine solche Völkerwanderung. Erstaunlich ist darüber hinaus, dass alle Ortsangaben und geographischen Hinweise zu Ortschaften – sowie Gebräuche und Wortbegriffe (dazu später mehr) in das 7. – 5. Jahrhundert v.Chr. gehören. Was man belegen kann ist, dass ein Bergvolk / Hirten mit der dritten Besiedlungswelle um 1200 v.Chr. aus dem Osten und nicht aus dem Süden (Ägypten) das Bergland Israels strategisch besetzte und im Verlauf von 500 Jahren sich bis in die Ebenen ausbreitete, die historisch dann auch namentlich Erwähnung finden – die Israeliten. Zudem scheint es so zu sein, dass dieser Volksstamm einst mit den Kanaanitern in völliger Einheit und Symbiose zusammen lebte, die gleichen Sitten und Gebräuche, ja fast die selben religiösen Bräuche inne hatte, oder um es mit Silberman sinngemäß zu schreiben, kulturell und auch genetisch sind Israeliten und Kanaaniter im wesentlichen Punkten ein und das selbe Volk, dass sich durch die Ereignisse der zweiten Besiedlungswelle und durch die Katastrophe von 1300 und der dritten Besiedlungswelle zu unabhängigen Völkern entwickelten. Und genau in diese Zeit gehört auch eine Ägyptengeschichte, die für sich sogar eine historische Grundlage, für einen ganz kleinen Teil der damaligen Bevölkerung Israels, in ägyptischen und kanaanitischen Quelltexten findet. Es ist der angestrebte Bau des Suezkanals unter Necho II. (610 bis 595 v. Chr.), der im großen Stil sog. Flüchtlinge (z.B. vor den Assyrern) zu seinem Großbauprojekt verpflichten wollte und auch hat (Zwangsarbeit).

absalom
14.02.2012, 13:23
Angesichts der Ergebnisse jahrelanger intensiver Forschung stellt sich die Frage, sind die ersten Bücher der Bibel Freierfindungen oder aber Geschichten, die ein historisches Geschehen in sich tragen. Grundsätzlich, so Finkelstein, geht es genau um historische Geschehnisse, die in einem anderen geschichtlichen Kontext gestellt wurden. Viele Erzählungen können heute ohne Zweifel den tatsächlichen Geschehen zugeordnet werden. So ist die Landnahme in der Abrahamsgeschichte nichts weiter als das Spiegelbild einer vielschichtigen Geschichte der Landnahme der Kanaaniter, die in ihrer ersten Besiedlungswelle auch nicht in unbewohntes Gebiet kamen, sondern bereits Stammesansiedlungen insbesondere von Jägern vorfanden. Es ist nur eine Frage der Zeit, so israelische Forscher, bis wir dem historischen Abraham in Keilschrifttafeln begegnen werden. Andere Person / Helden der hebr. Bibel (z.B. Noach) wurden schon entdeckt. Dass, das historische Umfeld der Abrahamsgeschichte dann in die Epoche des 700 Jahrhunderts verlagert wurde, zeigt nur auf, welche langen aber auch episodenhaften Überlieferungsstränge bis dahin erhalten geblieben sind. Noch deutlicher wird das gesagte am Josuabuch das in Kap. 15/21- 62 die komplette politische Situation zu Zeiten des Königs Josias darstellt. Und damit landen wir auch gleich beim Autor / den Autoren dieses Schriftgutes, die von der großen Mehrheit der Archäologen und Religionswissenschaftler in Josia und seinem Hofstaat angesehen wird. Dafür gibt es unglaublich viele Gründe und einige möchte ich hier anführen. Zum einen sind es die Feldzüge Josias, die deckungsgleich zum Buch Josua, und jetzt auch archäologisch belegbar, stattgefunden haben. So wurde z.B. in Jericho und Ai durch die Assyrer eine befestigte Wehranlage errichtet, die in der Tat in den Zeiten Josias zerstört wurde. Doch noch mehr Parallelen sind gerade zu auffallend. Es geht dabei um die Einnahme des verheißenen Landes durch König Josias, der die Schwäche Assyriens für sich nutzen wollte, um die Gebiete des verlorenen Nordreiches (Israel) aus der Hand der mit Assur verbündeten Philister und Kanaaniter zu entreißen. Noch deutlicher kann man diesen Sachverhalt an Josias Thronbesteigung 639 v.Chr. festmachen. Mehr denn je, lag bei Josias Machtantritt der Traum von einem geeinten Volk Israel in weiter Ferne. Nicht nur Juda selbst war ein bedeutungsloser Vasall Assyriens, auch das abgespaltene Nordreich (Israel) existierte nicht mehr. König Josia sah die Ursache für diesen Zustand in dem Abfall Israels von Gott und der Missachtung der Gesetze des Bundes also schlicht und ergreifend in der Götzenahnbeterei. Zudem wusste Josias aus der Geschichte des Volkes Israel, dass die Uneinigkeit der Stämme und ihre unterschiedlichen Kultpraktiken und Glaubensansichten, es Assur erst ermöglicht hatten das Nordreich zu vernichten und das Südreich zum Vasallen zu machen. Israels Stärke, und das hatte sich schon unter David gezeigt, war nur in einer Gemeinschaft stark genug, um den umliegenden Großmächten zu trotzen. Die heilige Gemeinschaft war der Schlüssel zum Erfolg.
Schon Richard D. Nelson hat die Prallelen in der Josua- und Josiageschichte erkannt. Es fängt mit der göttlichen Auftragserteilung Josias an, die ebenso bei Josua zu finden ist, führt weiter zu einem Treuegelöbnis auf den von Gott auserwählten Anführer, bis hin auf die Einschwörung auf ein Buch des Gesetzes des Moses, dass die Einheit des Volkes sichern soll. Zumindest lässt der archäologische Befund die Kriegszüge von König Josia klar erkennen, die eines Josua finden sich an keinem Ort. Doch das Buch Josua gibt selbst Aufschluss über die Probleme des Königs Josia. Ganz im Widerspruch zu dem Buch Josua, das einerseits von einer völligen Besetzung Kanaans spricht, sagt gleiches Buch ebenso aus, dass es noch Gebiete zu erobern gilt. Dazu gehören die Gebiete der Philister (die wie schon ausgeführt nicht in die Erzählepoche eines Josuabuches gehören), phönikische Stützpunkte im Norden und man höre und staune, das Buch Richter berichtet, dass weder Megido, noch Beth-Schean oder Geser erobert sind. Hier spiegelt sich genau die politische Situation des 7. Jahrhunderts wieder. Die Zeiten eines geeinten Königreiches unter einem König muß im 7. Jahrhundert eine unglaubliche Sehnsucht hervorgebracht haben und genau diese Sehnsucht wird im Buch Josua auf den neunen König Josia projiziert.
Doch zurück zu den historischen Nachprüfbarkeiten. Das Buch Richter erzählt von Zeiten der Volksstämme ohne Zentralgewalt = Königtum. Dieses politische System entstammt dem gleichen System, wie es Kanaan in einem relativ losen Stadtstaatenbund jahrhunderte lang vorlebte. Die Kanaaniter lebten in sog. Stammesverbänden, die sich Herrschaftsgebiete aufteilten. Eine zentrale Führung, wie sie im Umland gang und gebe war fehlte. Das war Kanaans große Schwäche, die Uneinigkeit unter den Stämmen und in Folge dessen das Auseinandertriften der ursprünglichen gemeinsamen Interessen. Ganz genau wie im Buch Richter beschrieben bekämpften sich auch die kanaanitischen Stammesverbände je nach Interessenslagen. Spiegelt sich hier die Vorgeschichte Kanaans im Buch Richter wieder? Oder wiederholt sich hier nur Geschichte?
Der historische Befund ist klar, Kanaan stand bis 1300 unter einem strengen Regiment der Ägypter, das Kriege im eigenen Herrschaftsbereich nicht duldete. Ab 1400 bis 1200 änderte sich diese Situation. Kanaan war sich zunehmend selbst überlassen. Alte Interessenskonflikte brachen auf und neue Bündnisse wurden geschlossen. Faktisch die gleichen Situationen, wie sie sich im Buch Richter abspielen. Im Gegensatz zum Buch Richter zerfiel die kanaanitische Hochkultur und ging in seinem Verlauf in anderen Kulturen unter – insbesondere der Philister und folglich der Assyrer. Doch was ist mit den Bergbewohnern? Wie die archäologischen Befunde belegen reorganisierten sich diese in neuen Dorfgemeinschaften und es ist gerade zu offensichtlich, begründeten neue Stammesverbände, die sich zwar als lose Stammesverbände über mehrere jahrhunderte hielten, doch nicht unter den massiven kulturellen Einfluß der vorrückenden Philister kamen. Genau von diesem Widerstand erzählt das Buch Richter und endet letztlich in der Erkenntnis, dass nur durch eine geeinte Streitmacht der Bedrohung durch die Philister beizukommen ist. Denn nicht nur die Philister stellen zunehmend eine Bedrohung für die Bergstämme dar, es kündigt sich eine neue – alte Macht auf der Weltbühne an, die Assyrer. Archäologisch kann man sehr gut das Vorrücken der Bergstämme in die Ebenen Israels nachvollziehen. Ihre einfache – fast schon spartanische Lebensweise hinterließ zahlreiche Spuren. Und hier wird es archäologisch deutlich, die Bergvölker tragen zwar noch deutliche Spuren ihrer frühkanaanitischen Kultur in sich, doch sie haben sich weiterentwickelt und vor allem anders entwickelt als die kanaanitischen Ebenenbewohner, die sich überaus deutlich kulturell den Philistern und Assyrischen Einflüssen angeglichen haben. Das Buch Richter beschreibt zugleich, dass auch israelitische Stämme mit diesem Kulturkonflikt zu kämpfen haben und es verwundert nicht, dass es vornehmlich die Nordstämme sind, die vom Buch Richter so gemaßregelt werden. Sie waren die Ersten, die sich in den Ebenen ansiedelten und somit frühzeitig mit den neuen kulturellen Verhältnissen eng in Berührung kamen. Archäologen bescheinigen dem Buch Richter in den Situationsbeschreibungen eine richtige Widergabe, allerdings nicht in den Verhältnissen kurz nach Josua, sondern viele Jahrhunderte später. Eine ganz ähnliche Situation spiegelt sich dann in den Zeiten König Josias wieder.
Wir treffen also im Buch Richter auf echte Geschichte, die allerdings in frühere (man beachte, alles bezieht sich auf die Zeit vor Christus – Zeitrechnung) Jahrhunderte gehört. Deutlich tritt für die Archäologie zu Tage, dass wir es nun mit zwei Völkern gleicher ethnischer und kultureller Herkunft zu tun haben, die sich jedoch ganz gegenteilig entwickelt haben und sich nicht mehr miteinander identifizieren. Spätestens hier entwickelt sich zumindest für ein Volk eine eigene Herkunfts- und Identifikationslehre, nämlich für die Israeliten. Historisch gesehen ist in diesen Entwicklungen der Beginn der biblischen Frühaufzeichnungen zu lokalisieren, die zweifelsfrei an frühkanaanitische und ägyptische Kulteinflüsse gebunden sind.

Mirjamis
14.02.2012, 15:38
Hallo Absalom,
hab wieder alles mit großem Interesse gelesen, bin aber jetzt ganz schön verwirrt.
Muss man jetzt die ganzen Zeitangaben, die bisher zur Geschichte Israels zur Zeit des alten Testaments bekannt waren, in Frage stellen?

absalom
14.02.2012, 17:56
Liebe Mirjamis, man muß es nicht, aber in der Wissenschaft ist dies schon vor vielen Jahren geschehen, selbst auf Wikipedia ggg

absalom
14.02.2012, 17:57
Wo ist nur Moses?, fragte einst schon der selige Martin Buber und gleich lautend fragte David Flusser, wie kann ein solcher Mann keine Spuren hinterlassen, außer in Überlieferungen anderer Menschen über ihn?

Auf welchem Weg hat Moses seine Anvertrauten durch den Sinai geführt? Die Vermutungen darüber füllen ganze Bibliotheken, Scharen von Archäologen haben fast jeden Stein im Sinai umgedreht. Die Bibel selbst erleichtert die Forschung nicht: Sie nennt zwei unterschiedliche Fluchtrouten. Die eine, die nördliche, führte auf der großen, Ägypten und Palästina verbindenden Heerstraße am Mittelmeer entlang. Die andere, die südliche, verlief östlich der Bitterseen, entlang des heutigen Kanals, zum Ufer des Golfs von Suez. Gemeinsam ist beiden nur der Ausgangspunkt: die Stadt Ramses.
Die archäologischen Befunde der Sinaiforschung sind gleich Null. Nicht eine einzige Spur einer Massenauswanderung hat man bis heute gefunden. Und so fragen israelitische Archäologen nicht zu unrecht, wie es sein kann, dass eine Heerschar von 600000 Menschen zuzüglich Unmengen an Tieren, Wagen und vor allem Material keinerlei Spuren hinterlässt. Selbst kleinere Völkerwanderungen hinterlassen überaus reichlich Spuren, doch nicht die Völkerschar des Moses. Finkelstein bemerkte dazu, wenn es ein Wunder in der Bibel gibt, dann ist es der Auszug aus Ägypten, denn Israel schaffte es, sich völlig spurenlos und lautlos 40 Jahre im Sinai aufzuhalten.
Der radikalste Moses-Biograph, der Alttestamentler Martin Noth, der die Moses-Legenden zerpflückt hat wie kein anderer, kommt am Ende seiner Überlegungen zu dem Schluss, dass man nur eines sicher von Moses wüsste: dass er auf dem Berg Nebo im heutigen Jordanien begraben liegt. Also hat er gelebt.

In Israel ist das Thema Moses ein heißes Eisen, denn mit Moses beginnt die eigentliche Geschichte Israels Gestalt anzunehmen. Für gläubige Juden ist die Tora des Moses heilig und von Gott gegeben. Erduldet man es zwangsläufig, dass die biblische Archäologie einen biblischen Tatbestand nach dem anderen durchleuchtet und auf Grund der Ergebnisse in Frage stellen muß, hört bei Moses die Gemütlichkeit auf. Erbittert stehen sich religiöses Establishment und Wissenschaft unversöhnlich gegenüber.
Es geht an die Grundsubstanz wenn wir nach Moses Fragen, und gerade deshalb kommt man nicht um die zwiespältigen und widersprüchlichen Überlieferungen zu Moses und den Geschehnissen um Moses herum, erklärte schon David Flusser.
Kaum ein israelischer Wissenschaftler bezweifelt heute die Geschichtlichkeit des Moses, doch sehr wohl die Geschichtlichkeit der Geschichte.
Allein schon die Zahlenangaben widersprechen all dem, was man heute über die Bevölkerungsmengen im alten Ägypten aber auch in Kanaan weiß. Des Weiteren steht auch die Wanderung einer so großen Menschenmasse in keinem Verhältnis zu den örtlichen Gegebenheiten des Sinai und letztlich Kanaans. Allein die Trinkwassermengen und die Nahrungsmittelversorgung für Mensch und Tier erreicht Größenmaße, die selbst eine Hochkultur wie Ägypten vor unlösbare logistische Probleme gestellt hätte. Ja selbst die Fäkalmengen hätten bis heute Spuren im Sinai hinterlassen müssen.

Es hilft jedoch kein Argument in ein Für und Wider, denn der Auszug woher und wohin auch immer scheint eine Geschichtsrealität zu sein, die eben nicht an Menschenmassen festgemacht werden muß, sondern am Endprodukt, der Überlieferung. Und ohne Probleme, die Archäologie erkennt in Israels Frühgeschichte gleich zwei solcher Auszüge, die sehr eng mit Ägypten verknüpft sind und zugleich mit der Landnahme in Kanaan in Verbindung stehen. Es ist die erste und zweite Besiedlungsphase von Kanaan. Die erste Phase wird heute mit der Stammväter und Josefsgeschichte verbunden, die zweite jedoch mit dem Einfall der Seefahrervölker und der Flucht der Bergbewohner und Ebenenbewohner aus Kanaan in östliches und mit Sicherheit auch in ägyptisches Hoheitsgebiet. Und es kann durchaus sein, dass Ägypten als Gegenleistung von seinen mittellosen Flüchtlingen Fronarbeit abverlangte. Historisch ist dies durchaus belegbar. Und es mag den Historiker nun auch nicht verwundern, dass genau davon ägyptische Quellen berichten. Mehr kann die Archäologie nicht dazu sagen, denn bis heute fehlen jegliche Hinweise für eine langfristige Bleibe von Kanaanitern oder Israeliten in Ägypten in diesem Zeitraum. Zumindest wird kein Volk Israel auch nur in einer einzigen ägyptischen Inschrift in dieser Zeit erwähnt, sehr wohl aber Hirtenvölker auch aus Kanaan inkl. der Kanaaniter selbst.

Bei den Grabungen in Israel waren Forscher immer wieder erstaunt wie wenig kulturellen und künstlerischen (Darstellerischen) Einfluss die ägyptische Kultur auf Kanaan hatte. Offensichtlich waren die Kanaaniter nicht unglücklich mit der ägyptischen Besatzungsmacht, brachte sie doch Wohlstand und Frieden, doch an ihren künstlerischen - kulturellen und Bautechnischen Errungenschaften scheint es nur wenig Anteil zu geben. Ähnliches zeigt sich auf dem Gebiet der Herrschaftsstrukturen und Politik. Kanaan blieb seiner Kleinstaaterei und seinen Provinzialsystemen stets treu. Noch weniger Einfluss kann man auf religiösen Gebiet erkennen. Die Kulte Ägyptens sind zwar auch in Kanaan zahlreich bezeugt, doch fast ausschließlich nur in den ägyptischen Koloniesiedlungen und Militärstützpunkten. Ganz anders sieht es da jedoch auf dem Sektor der Wirtschaft / Ackerbau und Viehzucht und Handel aus. Hier gibt es einen regen Austausch an Technologien und einen umfassenden Warenaustausch. Doch noch auf einem anderen Gebiet hat Ägypten einen überaus prägenden Einfluss auf Kanaan, es ist die Gesetzgebung und auch die moralischen Werteordnungen bis hin zu Fragen des Ehe- und Familienrechts. Hier ist eindeutig, - wie Keilschrifttafelfunde belegen, Kanaan sehr Ägypten verbunden und hebt sie deutlich von den Nomadenvölkern östlich des Jordan ab. Und so verwundert es auch nicht, dass viele religiöse und gesellschaftliche Werteordnungen in Ägypten, Kanaan und dem späteren Israel (Bibel) im Wesentlichen identisch sind.

Doch noch ein Fakt lässt Historiker und Archäologen in den Bibelberichten aufhorchen. Es sind vor allem Kultgegenstände, die im Land Kanaan so nicht gebräuchlich sind aber sehr wohl in Ägypten. Angefangen beim Stab des Moses, die auch ägyptischen Priester und gelegentlich Pharaonen als Machtsymbol mit sich trugen, bis hin zu so spektakulären Sachen wie der Bundeslade, dessen Vorbild ägyptischer Kulttruhen entspricht oder gar des Bundeszeltes, dass ganz eindeutig den Priesterzelten (Kultzelten auf Kriegszügen als Ersatz für Tempel) nachempfunden ist. Keinerlei dieser Einflüsse lassen sich in Kanaans Siedlungen oder in den Bergregionen finden. Hier muß man davon ausgehen, dass diese Artefakte von Menschen aus Ägypten nach Kanaan eingeführt wurden und dann mit den Stammesgruppen in den Bergregionen in Verbindung gebracht wurden. Da es allerdings keinerlei archäologische Funde solcher Kultgegenstände gibt lässt sich nur schwer einschätzen, wie diese Gruppe aus Ägypten mit den Ortsansässigen in Verbindung brachte. Desgleichen ist schwer zu sagen, ob wir es hier mit einer Gruppe aus der zweiten Besiedlungswelle zutun haben, die dann doch sehr lange in Ägypten verblieben sein muß oder aber mit Menschen aus der dritten Besiedlungswelle, die relativ kurz in Ägypten ansässig war. Fakt ist jedoch, dass Moses, der durchaus eine kleinere Gruppe aus Ägypten nach Kanaan führte über ein gutes Wissen ägyptischer Kultgegenstände (siehe auch Einrichtung des Kultzeltes) bis hin zur Kultpraxis hatte. Die Gemeinsamkeiten ägyptischer und späterer israelitischer Kultgegenstände, Gesetze und Gebräuche ist ein gut belegbarer Fakt. Allein schon dieser Sachverhalt lässt kaum Zweifel daran, dass ein charismatischer Führer eine Gruppe von Menschen aus Ägypten führte, die dann in Kanaans Bergregionen ganz wesentlichen Einfluss gewannen und einen Religionskult einführten, der so den Kanaanitern Fremd war. Erstaunlich ist jedoch, dass neben dieser religiösen Neuentwicklung ganz wesentliche Elemente (z.B. Gottesnamen) aus der kanaanitischen Tradition beibehalten wurden, es also zu einer Verschmelzung verschiedener Elemente kam. Erst beim späteren Tempelbau werden sich wieder deutlich kanaanitische Elemente durchsetzen.

Interessant dabei ist für die Archäologie, dass neben der Entwicklung einer Priesterschaft mit Kultheiligtum und religiösen Satzungen, bis in die Zeiten Jesu eine ununterbrochene Verehrung der alt hergebrachten – einheimischen Kultstätten nie abbrach, sondern sich beim Volk größter Beliebtheit erfreute. Weder Priesterschaft und Tempel noch Königsherrschaft vermochten diesem Trend effektiv etwas entgegen zu setzen. Und in diesem Zusammenhang bescheinigt die Archäologie König Hiskia und anderen Königen eine maßlose Übertreibung wenn sie davon sprechen alle Kultheiligtümer ausgerottet zu haben. Die große Mehrheit der Kultheiligtümer blieb in der Geschichte Israels unzerstört und ist durch natürlichen Verfall verschwunden.

absalom
15.02.2012, 21:27
David und Salomo, die großen Könige Israels

Es schien in den 1960 Jahren eine Weltsensation zu sein, als man verkündete, Salomos Pferdeställe gefunden zu haben. Archäologen aus dieser Zeit möchten heute darauf nicht mehr angesprochen werden, wohl aus dem Wissen heraus, vor lauter Euphorie viele wissenschaftliche Fehler begangen zu haben. Selbst der große israelische Archäologe Yadin, der die „Sensationsfunde“ von Megiddo, Hazor, usw. gemacht hat, erklärte, ich habe mich von den biblischen Berichten leiten und verleiten lassen, ich hätte es eigentlich besser wissen müssen. Welch eine Einsicht!

Heute weiß man, dass die sog. Ställe aus den Zeiten Ahabs sind und dies ist nicht nur archäologisch belegbar, nein selbst die Assyrer bescheinigten Ahab diese furchteinflößende Streitmacht in Megiddo.

Seit der Peinlichkeit von Megiddo ist man vorsichtig geworden und schaut sich das Umfeld sehr viel genauer an.

Um sich an das Thema der Königreiche heranzuwagen gingen israelische Archäologen zu einer ganz neuen Systematik über, nämlich Großflächengrabungen, die extrem Zeitaufwendig und kostenintensiv sind zu meiden und nur punktuell, an der Bibel orientiert, Probegrabungen durchzuführen. Lohnt sich eine Grabungserweiterung durch ausreichend Funde bestätigt, wird diese dann in einer Großflächengrabung getätigt. Der große Vorteil ist, innerhalb kürzester Zeit ein umfassendes Bild über den Zustand von Siedlungen (Bebauung, Baustile, etc) und deren Lebensverhältnisse zu gelangen. Ebenso wichtig war ein ganz neuer Ansatz. Man wollte sich einen Eindruck über die Bevölkerung des Landes verschaffen. Das bedeutet, wer wohnte in den Zeiten dieser Könige wirklich im Land, wie viele Menschen lebten in diesem Land, wo waren die Wirtschaftsmetropolen, was wurde erobert und vernichtet oder aufgebaut, etc, etc.
Die Fragen an die Archäologen von Seiten der Religionswissenschaften waren unglaublich vielfältig, so Ussishkin (Schüler Yadins und Professor für Archäologie an der Universität Tel Aviv).

Kurz gefasst kann man folgende Ergebnisse für diese Zeit zusammenstellen:

- Das Bergland wurde teilweise verlassen und aufgegeben – Einzug in die Ebenen besonders im Norden – Sesshaftwerdung und im Wesentlichen Ende der Hirtengemeinschaft.
- Die Besiedlungsspuren zeigen, dass in den Zeiten Davids und Salomos höchsten 5000 Menschen im Süden lebten, ca. 45000 im Norden. Israel war noch immer sehr dünn besiedelt.
Hauptsiedlungsgebiet war der Norden und es lebte dort eine Mischbevölkerung verschiedener Völker.
- Der Süden war sehr dünn besiedelt und gegenüber dem Norden wirtschaftlich unterentwickelt. Es wurden ausnahmslos ärmliche Dörfer in einfachster Bauweise entdeckt.
- Jerusalem war im Vergleich zu den Städten im Norden ein größeres Dorf in sehr einfacher Baustruktur. Keinerlei Anzeichen für Palastanlagen konnte bisher in Jerusalem für diese Zeit entdeckt werden und auch keine Spuren einer Tempelanlage. Letzteres wäre erklärbar durch die mehrfachen Zerstörungen Jerusalems.
- Jerusalems Tempel –laut Beschreibung der Bibel – entspricht exakten Bauvorlagen kanaanitischer Tempelanlagen, die mehrfach in Israel ausgegraben wurden. Archäologen vermuten heute, dass auf dem Tempelberg bereits ein solcher kleiner Tempel stand (Heiligtum von Salem, dass bereits in der Bibel erwähnt wird), der durch die Israeliten erweitert oder umgebaut wurde, um den Kultgegenständen Raum zu schaffen. Die Einrichtung und Gestaltung des Tempels entspricht in ganz wesentlichen Bereichen ägyptischen Tempelvorlagen. Ein kompletter Neubau wird heute ausgeschlossen.
- Kriegshandlungen zwischen Philistern und Israeliten können anhand zerstörter kleinerer Philistersiedlungen stattgefunden haben.
- Im Norden hat erstaunlicher Weise – ganz im Gegensatz zu den Darstellungen der Bibel – in den Zeiten Davids und Salomos die Ausbreitung und das Widererstarken kanaanitischer Siedlung stattgefunden. Größere kanaanitische Stadtsiedlungen entstanden genau in ihrer Epoche.
- Die große Mehrheit der Israeliten oder richtiger Proto-Israeliten lebt in Dorfgemeinschaften und kanaanitischen Stadtsiedlungen. In diesen kanaanitischen Stadtsiedlungen sind keinerlei Kriegshandlungen auszumachen. Man geht von einem friedlichen Miteinander aus.
- Vielzahl an Kultstätten (Naturheiligtümer) im ganzen Land
- Kriegszüge im Norden sind nicht belegbar.


Schaut man sich den Grabungsbefund an, so wird man unweigerlich an 1. Kön. 10/27 erinnert: „Und der König machte das Silber in Jerusalem [an Menge] den Steinen gleich, und die Zedern machte er an Menge den Maulbeerfeigenbäumen gleich, die in der Niederung [wachsen].“ Es fragt sich, woher dieses Silber kam und vor allem, wo ging es hin? Zumindest lassen die archäologischen Ausgrabungen weder auf sagenhaften Reichtum noch auf königliche Größe schließen. Das ist der nüchterne Tatbestand, der ganz besonders an Teilen der ausgegrabenen Davidsstadt in Jerusalem deutlich wird. An dessen Ärmlichkeit hat sich auch zu Salomons Zeiten nichts geändert.

An der Geschichtlichkeit eines David oder Salomon wird heute nicht mehr gezweifelt aber auch hier an der Geschichtlichkeit der Geschichten. Denn der Archäologie zeigte sich ein ganz anderes Bild.
Es scheint kein Widerspruch zu sein, dass sich das Volk Israel eine Monarchie zulegte, denn die Zeit nötigte gerade zu Israel seine Kräfte zu bündeln, nämlich gegen die Philister, die sich zunehmend der fruchtbaren Ebenen bemächtigten. Anhand von Ausgrabung von Philisterstädten, dürfte der Kampf Davids mit einer äußerst primitiv bewaffneten Kampftruppe, nur schwerlich zu schaffen gewesen sein. Es scheint mehr als offensichtlich zu sein, dass ihm seine Landsleute die Kanaaniter massiv mit Kriegsleuten und Waffen geholfen haben. Das ergeben zumindest die Auswertungen verschiedener Kampfgebiete (Siedlungen) bei den Philistern. Noch ein weiterer Grund spricht dafür, es ist das friedliche Zusammenleben von Kanaanitern und Proto-Israeliten, die noch immer eine Volksgemeinschaft bildeten, jedoch mit verschiedenen Kultformen (z.B. eigene Priester) aber gleichem Gottesbildern. Besonders letzten Fakt bestätigen die zahlreichen Naturheiligtümer, die sich nicht von kanaanitischen Kultanlagen unterscheiden und besonders in Proto-Israelischen Neuansiedlungen gebaut wurden.
Es mag aus der Rückerinnerung der Schreiber der biblischen Geschichten als Götzendienst angesehen werden, was unter David und zu den Zeiten Salomons unter den Proto-Israeliten an Kultgewohnheiten praktiziert wurde und letztlich wird Salomon dafür auch verantwortlich gemacht (1. Kön. 11). Die Autoren schreiben aus einer Rückschau und haben eventuell nicht mehr gewusst, dass die Proto-Israeliten nur das taten, was sie mindestens tausende Jahre zuvor auch taten. Ihnen war weder eine Tora bekannt noch besaßen sie anderweitig ausgefeilte Religionskodexe. All das kommt erst im 7. Jahrhundert. Sie waren mehrheitlich Analphabeten, die in einfachen Dörfern lebten und kaum aus den Grenzen dieser archaischen Gesellschaft ausbrechen konnten.
Nimmt man die Bibel und sucht nach Spuren der heutigen archäologischen Erforschung Israels, dann muß man den Blick von den großen Zentralgestalten weglenken und zwischen den Zeilen suchen um fündig zu werden. Hier wird man dann fündig und findet die Bestätigung der archäologischen Ergebnisse. So finden wir im Buch der Richter den Hinweis, dass die angeblichen Versuche zur Säuberung in der Nordhälfte fehlgeschlagen sein sollen, und es soll kanaanäische Enklaven gegeben haben und aus diesem Grund, dass die Andersgläubigen in der Nordhälfte nicht vernichtet wurden, soll später das abgespaltene Nordreich Israel vernichtet worden sein, und das angebliche spätere Südreich Juda soll als "besseres" Reich gegolten haben, weil im Norden sich die Kanaanäer mit den jüdischen Stämmen vermischt haben, und dies soll die Sünde sein, die später zur Fremdbesetzung des nördlichen Teils führte (siehe z.B. Richter 1,21; 1,27-35 ff).

Ein Tatbestand erscheint besonders den Archäologen und Religionswissenschaftlern als äußerst seltsam. Folgt man den Ausführungen der Königsgeschichte und dem Buch der Richter, so erscheinen die Nordstämme als äußerst götzendienerische Völker, die sogar von Salomo und später Rehabeam mit schweren Joch belegt wurden. Doch wenn man sich den Befund der Ausgrabungen im südlichen Israel anschaut, so widersprechen die biblischen Schilderungen den archäologischen Tatsachen. Der Süden war ärmlich und sehr dünn besiedelt und auch die Behauptung, es gäbe im Süden keine Kanaaniter, ja nicht einmal eine kanaanitisches Weib mehr, was geheiratet werden könnte (Richter) ist schlichtweg falsch. Fakt ist, es gab sie, wenige, aber es gab sie wie zweifelsfrei belegt werden konnte und das noch lange Zeit. Ein realistisches Bild der eigentlichen Machtverhältnisse wird ganz nebenbei in 2. Könige 14,9 realistisch beschrieben: Juda ist die "Distel auf dem Libanon", Israel ist die "Zeder auf dem Libanon".

Bibelhistoriker sind sich heute weitestgehend einig in der Analyse der biblischen Erzählungen aus Könige und Richter. Wir haben es hier mit Erzählstoff zu tun, der definitiv aus dem Südreich entstammt, das verfeindet dem Nordreich gegenüber stand und nichts unversucht lässt, sich selbst als die wahren Israeliten hervor zu heben. Dieser Sachverhalt ist auch archäologisch greifbar. Denn es gibt ganz offensichtlich zwischen den Bevölkerungsgruppen im Süden und Norden nicht nur einen großen wirtschaftlichen Unterschied, sondern auch einen zunehmend kulturellen und religiösen, der spätestens in der Bildung zweier Königreiche offenbar wird, als das Nordreich sich einen eigenen und anderes gearteten Kultmittelpunkt schafft. Allein schon an der Vielzahl der sog. Höhenheiligtümer, die über den ganzen Norden verbreitet sind zeigt sich wie wenig der Süden mit seiner Tempelstiftung Zulauf fand. Jerusalem war damals weder Mittelpunkt Israels, was die Ärmlichkeit dieses Dorfes belegt, noch war es ein anerkannter Kultort und somit eben auch kein Pilgerort. Das dieser Zustand nachweislich bis weit in die Antike bestand haben sollte zeigt, dass das biblische Bild von einem Volk, einer Religion und einem Gotteskult keine Realität war, sondern nur frommes Wunschdenken des letzten Königreichs, des Südens, dass unter König Josia militärisch versuchte sein Herrschaftsgebiet – durch die in seiner Herrschaftszeit entstandenen „Bibel“-Schriften – auf den Norden auszuweiten und zu legitimieren. Wie die Geschichte zeigt, haben ihm auch hier die Nordstämme jegliche Hilfe verweigert und seinen Bestrebungen eine deutliche Abfuhr erteilt.
Gab es zu Davids Zeiten wirklich ein großes geeintes Königreich, das nur einem Kult frönte? Eigentlich widerspricht die Bibel „zwischen den Zeilen“ selbst diesem Bild und es entspricht auch nicht den Forschungsergebnissen damaliger Zeit.
Doch was waren die Hinderungsgründe für ein geeintes Israel, an dem letztlich alle Könige Israels scheiterten? Diese Frage, die schon seit Jahrzehnten die Bibelhistoriker und Religionswissenschaftler beschäftigt kann nur eine Antwort finden und diese liegt letztlich genau dort begründet, wo sich schon Kanaanäer voneinander trennten - nämlich in Kanaanäer und Proto-Israeliten und in dessen Verlauf dann Nordisraeliten von Südisraeliten. Es ist das Gottesbild und dessen Kult, welches sich in ganz unterschiedliche Richtungen entwickelte und erst im 7. – 5. Jahrhundert durch die Entstehung der Bibelschriften und mehrfacher Reformationen miteinander redaktionell versöhnt und neu gestaltet wurde. Doch all dieser Bemühungen, scheiterte bis weit in die Antike hinein dieser Versöhnungsversuch, denn bis in die Zeit Jesu stehen sich genau diese Gottesbilder und Kultansichten unversöhnlich gegenüber und führen erneut zu Spaltungen und letztlich – wie schon so oft in der Geschichte Israels – zur nationalen Katastrophe (70.Chr., etc).

Vieles von diesem Religionskonflikt lässt sich in den Prophetenschriften wieder finden, die oft schonungslos mal die eine Seite, mal die andere Seite angreifen. Deutlich lässt sich trotz aller Redaktionen noch heute allein schon an der Kultkritik herauslesen, welcher Prophet zu den Nordstämmen oder Südstamm gehört, ein beweisendes Indiz für die archäologischen Forschungsergebnisse und die folgenden Rückschlüsse von Bibelhistorikern und Religionswissenschaftlern.

luxdei
15.02.2012, 23:09
Vielen besten Dank, dass Du uns all die wissenschaftlichen Erkenntnisse hier in einer verständlichen, nachvollziehbaren Form darlegst!!
Sehr beeindruckend alles.

Gruß
LD

absalom
16.02.2012, 08:45
Lieber Luxdei,

danke, keine Ursache. Ich finde es ja selbst sehr spannend und habe mich die letzten Monate mit Unmengen an Literatur damit auseinander gesetzt. Schade ist nur, dass "man" nur Bruchstückhaft und zusammenfassend alles wieder geben kann, denn richtig spannend sind eigentlich nur all zu oft die Geschichten die hinter den Forschungsarbeiten stehen. Klassisches Beispiel ist hier Megiddo, wo man längst - eben durch assyrische Textbelege - wusste, wer eigentlich der Erbauer war und doch dieses Wissen einfach wieder verloren gegangen ist und dann durch Grabungsarbeiten sich daran erinnert wurde, doch keiner es wagte dem großen Archäologen den Erfolg zu rauben. Es menschelt eben überall.

Letztendlich finde erstaunlich, dass mich persönlich all das nicht überrascht und eventuell gibt es so etwas wie einen Instinkt, der mich schon immer sehr misstrauisch gegenüber den Bibelberichten machte. Wer weiß.

Absalom

Mirjamis
16.02.2012, 11:57
Danke, lieber Absalom,
dass du uns teilhaben lässt an all den Forschungen.
Wer weiß, was da alles noch ans Tageslicht kommt.

luxdei
16.02.2012, 13:39
Wer weiß, was da alles noch ans Tageslicht kommt.

Menschenwerke, Mirjamis, Menschenwerke. Und doch Belege dafür, dass auch die Genarationen vor uns bestrebt waren, dem/der Höchsten nahe zu kommen. Und wenn ich Absaloms Ausführungen recht verstehe, waren all diese Menschen nicht anders als wir. Auch sie suchten (spirituellen) Sinn, interpretierten das Weltgeschehen aus ihrem Blickwinkel, fragen, bekamen Antwort, strauchelten, standen wieder auf. Und auch sie hatten - so ganz ohne geoffenbarte Schrift - keine andere (Un-)Gewissheit als die eigene.

absalom
17.02.2012, 11:41
Menschenwerke, Mirjamis, Menschenwerke. Und doch Belege dafür, dass auch die Genarationen vor uns bestrebt waren, dem/der Höchsten nahe zu kommen. Und wenn ich Absaloms Ausführungen recht verstehe, waren all diese Menschen nicht anders als wir. Auch sie suchten (spirituellen) Sinn, interpretierten das Weltgeschehen aus ihrem Blickwinkel, fragen, bekamen Antwort, strauchelten, standen wieder auf. Und auch sie hatten - so ganz ohne geoffenbarte Schrift - keine andere (Un-)Gewissheit als die eigene.


Sicher waren im Wesentlichen die Beweggründe, Gott gerechter zu werden oder gar nahe zu kommen. Allerdings waren es auch Machtbestrebungen - besonders in der Königszeit - die einen ganz wesentlichen Faktor spielten. Die Schriften selbst stellen nämlich so manche Entwicklungen ganz ernsthaft in Frage, sei es die Einsetzung von Königen, oder den Tempelkult, der besonders bei späteren Generationen (Propheten) zu regelmäßigen Infragestellungen führte. Und trotz aller redaktionellen Beschönigungen, das Volk stand immer gespalten den religiösen Treiben der Kultelite gegenüber. Und die Geschichte sollte letztlich auch hier Klärung schaffen, denn ein Großteil der Kultformen dieser „Religionselite“ ging durch den Verlust des Tempels einfach unter, trotz aller Beschwörungen so mancher biblischer Autoren, die vom ewiglichen Kulttreiben träumten. Das dann später sehr viel vergeistigt wurde und in jenseitige Sphären verlagert wurde, mag zwar theologisch legitim sein, ändert aber nichts daran, dass vieles von dem was angeblich Gott geboten hat, vom Lauf der Geschichte gefressen wurde. Bisher, und das lehrt uns gerade die Archäologie, hat noch jedes menschliches - religiöses Gerde von Ewiglich und Wahrhaftig sich der Geschichte beugen müssen und sind zu Staub zerfallen oder im besten Fall zu Ruinen geworden. Bedauerlich erscheint mir persönlich dabei, wie viel „Opfer“ für religiöse – rein menschliche Ambitionen gebracht wurden, die letztlich doch nur Windhauch bleiben. Es ist letztlich eben doch so, wie du selbst schreibst, es bleibt nur die eigene Gewissheit übrig, die den Menschen näher oder ferner zu Gott bringt. Kein Kult, Ritual oder Schrift oder Bekenntnis / Botschaft kann den Menschen vor dieser persönlichen Aufgabe erlösen. Eventuell braucht der Mensch noch einmal 2000 Jahre um zu begreifen, dass wir uns selbst um Gott bringen, wenn wir anderer Leute religiösen Erfahrungen einfach nur kopieren und auf uns beziehen und fraglos praktizieren. Was dabei herauskommt sind zumeist nur Perversionen, die dann sich in religiösen Wahnhandlungen entladen. Die Religionsgeschichte aller Religionen ist ein trauriges Beispiel dafür. Und genau das fängt bereits in biblischen Geschichten an, wo sogar dann Völkermord mit angeblichen Gottesbotschaften legitimiert wird und geht wie ein rotes Band bis in unsere Zeiten hinein. Aber „Gott sei Dank“ gibt es immer wieder Menschen – auch schon in der Bibel, die sich der „heiligen Kühe“ annehmen und diese gnadenlos als menschlichen Religionswahn entlarven.

Absalom