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celavie
21.11.2007, 13:48
10 Leitsätze zum christlich-jüdischen Verhältnis
von Peter von der Osten-Sacken
In den letzten Jahrzehnten sind mit Blick auf das christlich-jüdische Verhältnis wichtige Erkenntnisse gewonnen oder wiedergewonnen worden. Dazu hören:
1. Juden und Christen leben in der Bindung an denselben Gott, auch wenn sich Glaube und Leben beider Gemeinschaften auf unterschiedliche Weise Ausdruck verschaffen.
2. Die Kirche ist durch Jesus Christus mit der sehr viel älteren Geschichte Gottes mit seinem Volk Israel auf Dauer verbunden.
3. Christen haben mit Juden deren Heilige Schriften (Jüdische Bibel / Altes Testament) gemeinsam und sie bekennen sich zu dem Juden Jesus von Nazareth als Messias. Durch beide Tatbestände stehen Christen in einem besonderen Verhältnis zum jüdischen Volk.
4. Die Erwählung Israels (die Zuwendung Gottes zu Israel) ist deshalb, weil Israel Jesus nicht als Messias anerkennt, nicht beendet. Sie bleibt vielmehr nach Aussage des Neuen Testaments gültig (Paulus, Römerbrief, Kap. 9-11, bes. Kap. 11). In der Kirchengeschichte ist dies zum Schaden von Juden und Christen oft vergessen, verdrängt oder bestritten worden.
5. Die Beziehung von Christen zu Juden schließt die Achtung der jüdischen Gemeinschaft in ihrem Selbstverständnis ein. In einem durch Achtung bestimmten Verhältnis sind stets auch kritische Fragen in bestimmten, konkreten Zusammenhängen möglich.
6. Das "Gesetz" (= die 5 Bücher Mose / die Tora) hat in biblisch-jüdischem Verständnis eine sehr viel reichere Bedeutung als das Wort "Gesetz" in christlicher Sicht. Für Israel ist das Gesetz / die Tora Unterpfand der Erwählung und bindendes Wort Gottes, Gabe und Verpflichtung.
7. Beide Gemeinschaften - Juden und Christen - haben dasselbe Recht auf ihre Wahrheitsgewissheit und dasselbe Recht, ihr durch Wort und Schrift Ausdruck zu verschaffen. Dies gilt im Sinne des Grundgesetzes, aber auch gemäß heutiger kirchlicher Auffassung.
8. Angemessen ist ein Zugang auf das jüdische Volk im Sinne des Gesprächs, des wechselseitigen Hörens und Verstehens, des Fragen und Antwortens. In einem solchen Gespräch kommt wie von selbst das zum Ausdruck und wird das bezeugt, wovon jede Seite lebt. Solche Gespräche werden jedoch verengt und letztlich beendet, wenn sie mit dem Ziel geführt werden, den anderen zu "bekehren".
9. Das christlich-jüdische Verhältnis wird dann eine heilsame Zukunft haben, wenn es von Vertrauen bestimmt ist. Gefragt ist entsprechend ein glaubwürdiges, sich bewährendes christliches Verhalten.
10. Der jüdische religiöse Denker Martin Buber hat einmal gesagt, Juden und Christen hätten ein Buch und eine Hoffnung gemeinsam. Das Buch kommt aus der Vergangenheit, die Hoffnung ist auf die Zukunft (Reich Gottes) gerichtet. Zwischen beiden liegen die Aufgaben und Chancen der Gegen

Quelle: http://www.bcj.de/leitsaetze_osten_sacken.html

zum besseren Miteinander und Verständnis.
Cela

anonym002
21.11.2007, 21:20
Nun, ich wäre der letzte, der sich gegen jüdisch-christliche Verständigung wehrt.

Schön auch, dass Martin Buber zitiert wird.

Nur, weshalb wird im nächsten Atemzug, zu diesen sicher nicht schlechten Leitsätzen, den Juden das Heil abgesprochen?
Diese Gesinnung trennt mehr, als dass man an anderen Dingen aufbauen kann. Ich weiss, es sind nicht alles so, aber es christliches Dogma.



Lehit

Alef

celavie
21.11.2007, 21:35
wo wird ihnen das Heil abgesprochen??

anonym002
21.11.2007, 21:37
Muss man sie, die Juden denn Evangelisieren?

celavie
21.11.2007, 22:03
nein, das sagt in dem Text auch niemand...du hast anscheinend nicht richtig gelsen, lieber Alef

anonym002
21.11.2007, 22:13
Doch habe ich, richtig gelesen ...

aber ich habe geschrieben, dass im nächsten Atemzug dies so gemacht wird.

Was beabsichtigt die Verständigung zwischen Juden und Christen? Ist es wirklich eine Versöhnung, wo man den anderen auch das Heil zuspricht, ohne irgendwelche Absicht, dass man sich damit das Tor für die Missionierung öffnen kann?

Aber meine letzte Frage ist immer noch offen.


Lehit

Alef

Shomer
21.11.2007, 22:25
Lieber Alef

Ich nehme einmal an, Du hast diese Aussage
Muss man sie, die Juden denn Evangelisieren? missverstanden. Soll nicht gerade das Gegenteil damit rübergebracht werden? Will man damit nicht zum Ausdruck bringen, dass die Juden nicht evangelisiert werden müssen oder sollen?

Es gibt gemäss meiner Erkenntnis zwei verschiedene arten, Juden zu missionieren, die eine wäre einmal ihnen einen christlichen Christus zu bringen und ihnen einzureden, dass es sich dabei um den jüdischen Messias handelt. Die andere Art der Mission ist die, dass wir zunächst einmal von ihnen lernen, was sie über den Messias wissen und dann kann man sie ja mal fragen, was sie über Jeshuah gehört haben.

Ein Freund von uns war früher Baptistenpastor. Heute arbeitet er mit orthodoxen Rabbinen zusammen in gegenseitiger Wertschätzung.

Hi celavie:

Diese offizielle Verlautbarung täuscht leider darüber hinweg, dass die Juden und die Christen nicht denselben Gott anbeten. Der jüdische Gott ist nämlich EINER und trägt gemäss Torah den Namen JAHWEH (siehe meine Signatur), der christliche Gott heisst "Gott" oder "Herr" und ist dreieinig. Der jüdische Mashiach wurde am achten Tag beschnitten, der christliche Christus war das Christkind. In der ganzen Bibel ist vom Laubhüttenfest die Rede - nirgends aber von Weihnachten. Der jüdische Elohim JAHWEH Zebaot verbietet Götzendienst, der christliche Gott aber verlangt demnächst wieder einen Weihebaum mit urheidnischen Zeremonien im Haus.

Wenn wir uns diese Fakten einmal zu Gemüte führen, dann müssen wir uns einmal fragen, ob nicht vielleicht zwei verschiedene Religionen mit diametral entgegengesetzten "Wahrheiten" vorliegen, die durch eine neuartige Toleranz von offizieller Seite unter dem "Grossen Bruder" mit der Zahl sechshundertsechsundsechzig vereinigt werden sollen - Islam inklusive.

So blöd es klingen mag: ich persönlich bevorzuge die "wahre" Wahrheit, auch wenn es Schlargi nicht passt, wie in anderen Threads z. B.

generalissime
22.11.2007, 00:39
&schulterzuck Also nun bin ich aber wirklich rat- und sprachlos, wie man hier einen großen Haufen Schießpulver so ungeschützt hinlegen kann.

Bevor es zu großer streitender Diskussion kommt, etwas zur sachlich-objektiven Meinungsbildung:

Im Auftrag des Magazins chrismon fragte Emnid Anfang Dezember 2004: „Glauben Christen, Juden und Muslime an denselben Gott?“

Eine Frage, die jeder Gläubige der angesprochenen Religonen verneinen müsste, da es zu den Glaubensgrundsätzen aller drei angesprochener Religionengehört, dass ihr einziger Gott auch exklusiv diese Ausschließlichkeit für sich beansprucht.

Der Großteil der Befragten in Deutschland ist aber anderer Meinung, da sie die Auffassung vertreten, dass Christen, Juden und Muslime an denselben Gott glauben, d.h. sie folgen der Ansicht, dass alle diese drei monotheistischen Religionen des Vorderen Orients als so genannte „abrahamitische Religionen“ (Religionen, die Abraham als Stammvater anerkennen) aus einer Quelle stam-men und daher folgerichtig auch an denselben Gott glauben.
Einer der großen Unterschiede zwischen Christentum einerseits und Judentum wie Islam ande-rerseits - das Verbot sich ein Bildnis ihres Gottes zu machen - ist auch Kernbestand des Christen-tums (das 2. der 10 Gebote), dort jedoch aus kirchengeschichtlichen Gründen verändert worden. Ein Sechstel der Befragten (16 %) sehen eine christlich-jüdische Gemeinsamkeit, die sie gegen den Islam abgrenzen. Allerdings sind es auch ein knappes Drittel der Befragten, die den Gott jeder der drei Religionenfür sich belassen und nichts Gemeinsames sehen. Dieser Auffassung wird insbesondere in denNeuen Bundesländern zugestimmt (43 %), während es in den Alten Bundesländern nur ein Viertel der Befragten sind (26 %).

generalissime

samu
22.11.2007, 00:52
Shalom Celavie,

erstmal danke für den Text. Der Tenor ist positiv und doch stimmt er mich gerade aus jüdischer Sicht nachdenklich. Es wäre in diesem Fall doch etwas weiser gewesen mit jüdischen Menschen so etwas zu erarbeiten.

Ich möchte um der Verständigung willen auch das ganz konkret begründen und hoffe dadurch einen kleinen Beitrag zum jüdischen Verständnis einfügen zu können. Denn es gehören zum Dialog immer zwei und nicht nur eine Seite.


1. Juden und Christen leben in der Bindung an denselben Gott, auch wenn sich Glaube und Leben beider Gemeinschaften auf unterschiedliche Weise Ausdruck verschaffen.

Bereits dieser Satz offenbart eine ganz große Schwierigkeit. Zum einen wird die Bindung an denselben Gott erkannt und zugleich wird der Glaube an denselben Gott als unterschiedlich betont. Wie ist das möglich?


2. Die Kirche ist durch Jesus Christus mit der sehr viel älteren Geschichte Gottes mit seinem Volk Israel auf Dauer verbunden.

Hier wird ein jeder Jude ernsthafte Nachfragen stellen müssen. Jesus war Jude und lebte niemals außerhalb der Grenzen seines Judentums, außerhalb den Grenzen seiner mosaischen Religion. Wie kann es dann möglich sein, dass mosaische Religion und christliche Religion so fremd gegenüber stehen?


3. Christen haben mit Juden deren Heilige Schriften (Jüdische Bibel / Altes Testament) gemeinsam und sie bekennen sich zu dem Juden Jesus von Nazareth als Messias. Durch beide Tatbestände stehen Christen in einem besonderen Verhältnis zum jüdischen Volk.

Dieser Punkt ist leider nicht wahr und ich gäbe viel dafür, wenn der erste Satz des 3. Artikels stimmen würde. Wahr ist, das christliche A.T. beruht im Wesentlichen auf der Septuaginta, welche vom Judentum einstimmig als Schriftfälschung schon seid über 1900 Jahren verworfen wird. Gerade bei diesem Punkt bleiben christliche Theologen (aus Verlegenheisgründen) einer vollen Anerkennung des hebräischen Tanach (aus theologischen Gründen) schuldig. Der zweite Satz erscheint mir unverständlich.



4. Die Erwählung Israels (die Zuwendung Gottes zu Israel) ist deshalb, weil Israel Jesus nicht als Messias anerkennt, nicht beendet. Sie bleibt vielmehr nach Aussage des Neuen Testaments gültig (Paulus, Römerbrief, Kap. 9-11, bes. Kap. 11). In der Kirchengeschichte ist dies zum Schaden von Juden und Christen oft vergessen, verdrängt oder bestritten worden.

Lobend seien hier die letzten Sätze zu nennen. Der erste Satz ist jedoch nur bedingt richtig. Dem Judentum stellt sich eine Messiasfrage, aus ihrem Religionsverständnis, überhaupt nicht.
Wir sprechen hier von zwei ganz verschiedenen Grundvorstellungen. Alles Hoffen und Erwarten Israels gilt einzig Gott, welcher dann auch über das kommen des Messias entscheiden wird (was Jesus selbst sogar so aussagt.)



5. Die Beziehung von Christen zu Juden schließt die Achtung der jüdischen Gemeinschaft in ihrem Selbstverständnis ein. In einem durch Achtung bestimmten Verhältnis sind stets auch kritische Fragen in bestimmten, konkreten Zusammenhängen möglich.

Auch hier ein Lob an den Vorsatz. Der letzte Satz sollte jedoch nicht nur von „möglich“ sprechen, sondern von notwendig. Denn Juden haben, auch aus ihrem neu erlangten religiösen Selbstbewusstsein (nach 1700 Jahren verordneten Schweigen), etliche Anfragen an das Christentum und sein religiöses Selbstverständnis und das ist und wird nicht unbedingt zu leichten Antworten führen. Gerade Martin Buber hat hier vor zu hohen Erwartungen gewarnt.


6. Das "Gesetz" (= die 5 Bücher Mose / die Tora) hat in biblisch-jüdischem Verständnis eine sehr viel reichere Bedeutung als das Wort "Gesetz" in christlicher Sicht. Für Israel ist das Gesetz / die Tora Unterpfand der Erwählung und bindendes Wort Gottes, Gabe und Verpflichtung.

Ist es Unwissenheit? Schon das zweite Wort wird einen Juden verschrecken müssen. Denn in Wirklichkeit ist Tora und Mitzwoth Wegweisung und nicht Gesetz. Kein Gesetz der Welt kann zu Glauben, Hoffen, Lieben und Herzensnachfolge verpflichten. Es sind und bleiben Akte der absoluten Freiwilligkeit. Ein Gesetz schließt in sich jedoch jeglichen Freiheitsgedanken aus. Der zweite Satz relativiert dann ja doch noch etwas das Gesetzesverständnis.



7. Beide Gemeinschaften - Juden und Christen - haben dasselbe Recht auf ihre Wahrheitsgewissheit und dasselbe Recht, ihr durch Wort und Schrift Ausdruck zu verschaffen. Dies gilt im Sinne des Grundgesetzes, aber auch gemäß heutiger kirchlicher Auffassung.

Diese Worte möchte ich mit aller Zustimmung unterstreichen. Bleibt zu hoffen, dass es auch in der Realität ankommt.



8. Angemessen ist ein Zugang auf das jüdische Volk im Sinne des Gesprächs, des wechselseitigen Hörens und Verstehens, des Fragen und Antwortens. In einem solchen Gespräch kommt wie von selbst das zum Ausdruck und wird das bezeugt, wovon jede Seite lebt. Solche Gespräche werden jedoch verengt und letztlich beendet, wenn sie mit dem Ziel geführt werden, den anderen zu "bekehren".

Darauf setze ich meine innigste Hoffnung. Es setzt allerdings eins voraus, dass man dem Israeliten zugesteht, dass ihre ureigenste Geschichte Israels nicht zu theologischen Zwecken durch andere Religionen benutzt wird. Das ist in meinen Augen der springende Punkt von misstrauischem Argwohn vom Judentum gegenüber dem Christentum (geistige Enteignung).



9. Das christlich-jüdische Verhältnis wird dann eine heilsame Zukunft haben, wenn es von Vertrauen bestimmt ist. Gefragt ist entsprechend ein glaubwürdiges, sich bewährendes christliches Verhalten.

Hier horche ich sehr auf und schaue hoffnungsvoll in die Zukunft.

10. Der jüdische religiöse Denker Martin Buber hat einmal gesagt, Juden und Christen hätten ein Buch und eine Hoffnung gemeinsam. Das Buch kommt aus der Vergangenheit, die Hoffnung ist auf die Zukunft (Reich Gottes) gerichtet. Zwischen beiden liegen die Aufgaben und Chancen der Gegenwart.

Auf was Buber hier ursprünglich verweißt ist der Ruf Gottes aus Jesaja, der allen Nationen gilt.

In diesem Sinn stimme ich in den Gesang Jesajas (45/ 18 – 24) ein.


So viel zu meiner ganz persönlichen Betrachtung zum Thema. Ich begrüße ausdrücklich diesen kleinen und zarten Ansatz eines aufeinander Zugehens.


Samu

hhuber
22.11.2007, 01:27
Ja so können wir doch noch hoffen!¨!¨

Luchs
23.11.2007, 05:42
@celavie und samu

Finde ich gut und interessant, wie ihr da versucht euch anzunähern und erst mal das Positive und Verbindende zu sehen.

Nur so ist ein Dialog überhaupt möglich.