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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Studium über den Philipperbrief ( Teil 1 )



David
06.08.2006, 20:48
Schriftlesung:

1 Paulus und Timotheus, Knechte Christi Jesu, an alle Heiligen in Christus Jesus in Philippi samt den Bischöfen und Diakonen:

Der erste Satz ist schon charakteristisch für den Ton dieses ganzen Briefes. Hier schreibt ein Freund an seine Freunde. Denn mit Ausnahme des Briefes an die Thessalonicher und der kurzen Mitteilung an Philemon, beginnt Paulus seine Briefe stets mit der Feststellung, dass er zum Apostel berufen sei. So beginnt er zum Beispiel den Brief an die Römer mit den Wor-ten: Paulus, ein Knecht Jesu Christi, berufen zum Apostel (1. Kor. 1, 1; 2. Kor. 1, 1; Gal. 1, 1; Eph. 1, 1; Kol. 1, 1). Aber auch in den übrigen Briefen hebt er zunächst die Stellung hervor, die er offiziell einnimmt. Er begründet damit, woher er das Recht zum Schreiben nimmt, und warum die Briefempfänger die Verpflichtung haben, auf ihn zu hören. Doch im Gegensatz zu den anderen Briefen, schreibt er diese Begründung an die Philipper nicht. Es ist auch nicht erforderlich, denn er weiß ohnehin, dass sie auf ihn hören werden. Er ist gewiss, dass sie dieses aus liebendem Herzen tun werden. Von allen Gemeinden, die Paulus gegründet hat, stand ihm die Gemeinde zu Philippi am nächsten. Darum schreibt er an sie nicht als Apostel, sondern als Freund an seine Freunde. Auf einen Titel aber erhebt er auch ihnen gegenüber Anspruch, auf den Titel, ein Knecht Jesu Christi zu sein, “doulos”, wie es in der autorisierten Bibelübersetzung lautet. Doch doulos ist weit mehr als ein Knecht, denn das Wort doulos bedeutet heißt Sklave. Ein Knecht konnte kommen und auch gehen, wenn er wollte, er konnte sich auch einen anderen Herrn suchen. Ein Sklave dagegen bleibt auf immer das Eigentum seines Herrn. Indem Paulus sich selbst hier als Sklaven Jesu Christi bezeichnet, tut er damit dreierlei.

1. Er stellt fest, dass er ganz und gar das Eigentum Jesu Christi ist. Jesus Christus hat ihn geliebt und ihn teuer erkauft (1. Kor. 6, 20), und er kann daher niemals jemand anderem als ihm gehören.
2. Er stellt fest, dass er Jesus Christus unbedingten Gehorsam schuldig ist. Der Sklave hat keinen eigenen Willen. Der Wille seines Herrn ist auch sein Wille, und so entscheidet der Herr allein über sein Leben. Paulus hat also keinen Willen außer dem Willen Jesu Christi. Er kennt auch keinen anderen Gehorsam als nur den Gehorsam gegenüber seinem Herrn und Heiland.
3. Und ein Drittes kommt hinzu: Im Alten Testament wurden die Propheten stets als Knechte Gottes bezeichnet (Amos 3, 7; Jer. 7, 25). Auch Mose, Josua und David wird dieser Titel zu-erkannt (Jos. 1, 2; Richt. 2, 8; Ps. 78, 70; 89, 4. 21).

Die Bezeichnung Knecht Gottes galt als der höchste Ehrentitel. Wenn Paulus diesen Titel für sich in Anspruch nimmt, dann betrachtet er sich damit in aller Demut als ein Nachfolger der Propheten. Er zählt sich damit zu den Großen Gottes. Wer sich als Christ als Sklave Jesu Christi bezeichnet, der ist damit keineswegs in kriecherischer oder verächtlicher Weise un-terwürfig, sondern so wie es ein lateinischer Ausspruch frei übersetzt ausdrückt: “Ihm zu die-nen, heißt ein König sein!” Ein Sklave Jesu Christi zu sein heißt zugleich, in Wirklichkeit die vollkommene Freiheit zu erlangen. Paulus ist ja der heidnische Name, während Saulus der hebräische Name des Apostels ist. In seiner Funktion als Heidenapostel (Gal. 2, 7 - 8) be-nutzte er stets seinen heidnischen Namen. Sein Mitarbeiter Timotheus, der ebenfalls ein be-sonderes Interesse an den Heiligen in Philippi hatte (Phil. 2, 20), war offenkundig auf irgend-eine Art und Weise von der Gefangenschaft des Apostels in Mitleidenschaft gezogen worden (2, 19. 23). Dennoch tritt Timotheus nicht als Mitverfasser des Briefes auf, sondern wird nur mehrmals in der dritten Person erwähnt (2, 19 - 24). Mit der Anrede “Heilige” meint nun Pau-lus hier nicht, dass die Philipper ohne Sünde waren. Das griechische Wort, das mit heilig ü-bersetzt ist, lautet hagios. Heilig ist jedoch eine irreführende Übersetzung, weil sich damit für den heutigen, modernen Menschen sofort die Vorstellung an eine fast weltfremde Frömmig-keit verbindet. Zu oft verbinden sich damit bunte Kirchenfenster, aber nicht das wirkliche Le-ben oder der lärmende Alltag. Obwohl die Bedeutung des Wortes heilig unschwer zu erken-nen ist, lässt es sich nicht ganz einfach übersetzen. Das griechische Wort “hagios” und das entsprechende hebräische Wort “kadosh” werden meistens mit heilig übersetzt. Im jüdischen Denken verbindet sich mit dem, was als heilig bezeichnet wurde, vor allem die Vorstellung, dass etwas ganz anders ist.

In gewissem Sinne bedeutet es, von dem übrigen abgesondert zu sein. Um das besser verstehen zu können, untersuchen wir einmal, in welcher Weise das Wort heilig im Alten Testament gebraucht wurde. Bei der Festlegung der besonderen Vorschriften, die beachtet werden sollten, heißt es von den Priestern: Sie sollen ihrem Gott heilig sein (3. Mose 21, 6). Die Priester sollten sich also von den anderen Menschen grundsätzlich unterscheiden. Schließlich waren sie für eine besondere Aufgabe und für ein besonderes Amt vorgesehen worden.

Oder: Die Mitte des Tempels war das Allerheiligste (2.Mose 26, 33). Es unterschied sich von allen anderen übrigen Plätzen und Gebäuden. Das Wort heilig wird auch auf das jüdische Volk selbst angewandt, denn es heißt, das Volk Israel ist ein heiliges Volk (2. Mose 19, 6). Sie waren also dem Herrn heilig, und das bedeutet, Gott hatte sie von allen anderen Völkern abgesondert, damit sie ihm gehören sollten (3. Mose 20, 26). Es heißt: Von allen Geschlech-tern auf Erden hat Gott sie allein erkannt! (Amos 3, 2). Damit unterschied sich das Volk Israel von allen anderen Völkern, weil sie im Plan Gottes eine ganz besondere Stellung einnahmen und weil Gott mit ihnen ganz bestimmte Absichten verfolgte. Doch das Volk Israel weigerte sich, im Leben und auch in der Geschichte die Rolle zu spielen, die Gott ihm zugedacht hat-te. Als Gottes Sohn in diese Welt kam, da erkannten sie ihn nicht, sie lehnten ihn ab und sie kreuzigten ihn. Und so wurden ihnen jene Vorrechte, die ihnen Gott einst zugedacht hatte, entzogen und danach auf die Gemeinde Jesu übertragen. Die Gemeinschaft der Gläubigen wurde von nun an das neue, das auserwählte Volk. So wie es der Apostel Petrus in 1. Petr 2, 9 sagt: “Ihr aber seid das auserwählte Geschlecht, die königliche Priesterschaft, das heilige Volk, das Volk des Eigentums, dass ihr verkündigen sollt die Wohltaten dessen, der euch be-rufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht!” Darum sollten die Christen von jetzt ab hagios sein, so wie einst die Juden hagios, also heilig gewesen waren. Doch worin besteht nun dieser Unterschied? Paulus redet die Menschen als Heilige in Christus Jesus an. Niemand kann die Briefe des Paulus lesen, ohne dass ihm auffällt, wie oft Wendungen wie in Christus, in Christus Jesus, im Herrn vorkommen. Der Ausdruck in Christus Jesus kommt bei ihm 48 mal, in Christus 34 mal und in dem Herrn 50 mal vor. Für Paulus war das “In Christus Sein” ganz offensichtlich das Entscheidende am christlichen Glauben überhaupt.

Die Heiligen in Philippi waren für Gott abgesondert, sie waren in und für Christus abgeson-dert, obwohl sie in Philippi lebten. In seinem Gruß an alle Heiligen hebt Paulus die Bischöfe und Diakone (Tit. 1, 5. 7) eigens hervor. Die Bischöfe waren in den frühchristlichen Gemein-den für die Herde, also für die seelsorgerliche Seite verantwortlich (Apg. 20, 17. 28), wäh-rend die Diakone besondere Dienste der Fürsorge in der Gemeinde versahen (Apg. 6, 1 - 6).