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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Studium über den Philipperbrief ( Teil 1b)



David
07.08.2006, 16:35
Schriftlesung:

5 für eure Gemeinschaft am Evangelium vom ersten Tage an bis heute;
6 und ich bin darin guter Zuversicht, dass der in euch angefangen hat das gute Werk, der wird's auch vollenden bis an den Tag Christi Jesu.

In Vers 6 sagt Paulus, er sei guter Zuversicht, dass Gott, der das gute Werk unter den Philippern angefangen habe, es auch vollenden werde bis zu dem Tag Jesu Christi. Im griechischen Text wird an dieser Stelle ein Bild gebraucht, das sich in der Übersetzung leider nicht wiedergeben lässt. Es geht dabei darum, dass Paulus zwei besondere Worte benutzt, und zwar für anfangen und für voll-führen. Und beide Begriffe sind Spezialausdrücke für den Beginn und das Ende eines Opfers. Bei den Griechen war jedes Opfer mit einem Eingangsritual verbunden. Am Altarfeuer wurde eine Fackel entzündet; danach wurde die lodernde Fackel in eine Schale mit Wasser getaucht; auf diese Weise reinigte die geheiligte Flamme das Wasser, und mit diesem gereinigten Wasser wurden dann sowohl das Opfertier als auch die Menschen besprengt, damit sie heilig und rein wurden. Dann folgte die sogenannte heilige Stille, in der die Andächtigen zu ihrem Gott beten sollten. Darauf wurde ein Korb mit Gerste herbeigebracht, mit dem das Opfertier und der Boden rings um das Tier bestreut wurden. Alle diese Handlungen leiteten das Opfer ein, und der dafür offiziell verwendete Ausdruck war das Verb, das Paulus an dieser Stelle benutzt. Die hier von Paulus benutzten Begriffe beschrie-ben die Ausführung des gesamten Opfers bis in die kleinsten Einzelheiten hinein. Der ganze Satz bewegt sich seiner Formulierung nach in einer Atmosphäre des Opfers. Paulus denkt in Begriffen und Bildern, die mit dem Opfer zusammenhängen. Paulus sieht also das Leben jedes Christen als ein Opfer an, das wir Jesus darbringen sollen. Dasselbe Bild gebraucht er auch im Römerbrief. Dort heißt es (Röm. 12, 1), die Römer sollten ihre Leiber zum Opfer bringen, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig sei.

Der Tag, an dem Jesus Christus kommt, wird wie das Kommen eines Königs sein. An diesem Tag sollen die Untertanen des Königs ihm ihre Gaben als ein Zeichen ihrer Treue und Liebe darbringen. Und die einzige Gabe, nach der Jesus sich sehnt, sind wir selbst und unser Leben. Unsere höchste Aufgabe besteht darin, unser Leben in Jesus Christus darzubringen. Dazu sind wir nur durch die Gnade Gottes im Stande. Von dem Augenblick an, in dem wir den Weg des christlichen Glaubens einschlagen, beginnt die Gnade Gottes zu wirken und uns darauf vorzubereiten, uns Jesus Christus völlig darzubringen. Wenn wir seine Gnade uneingeschränkt auf uns wirken lassen, wird er in seiner Barmherzigkeit dieses Werk vollenden, und wir selbst werden uns ihm dann als Geschenk darbieten können.

Wenn also Paulus an die Philipper denkt und für sie betet, dann erfüllt ihn eine große Zuversicht. Das Perfekt des Verbs, das mit: “ich bin ... guter Zuversicht” übersetzt ist, deutet an, dass Paulus sich in dieser Sache eine ganz feste Überzeugung gebildet hat, von der er nicht abweicht. Weshalb aber ist er so zuversichtlich? Weil er eben ganz sicher ist, dass Gott das gute Werk, das er bei den Philippern angefangen hat, ... auch vollenden wird.

Schriftlesung:

7 Wie es denn recht und billig ist, dass ich so von euch allen denke, weil ich euch in meinem Herzen habe, die ihr alle mit mir an der Gnade teilhabt in meiner Gefangenschaft und wenn ich das Evangelium verteidige und bekräftige.

In diesem Abschnitt wird der Gedanke der christlichen Partnerschaft nachdrücklich hervorgehoben. Es gibt bestimmte Dinge, die Christen miteinander teilen sollen.

1. Alle Christen haben teil an der Gnade. Christen sind Menschen, die gemeinsam an der Gabe der Gnade Gottes teilhaben. Sie fühlen sich zueinander hingezogen, weil alle zu Schuldnern des gnädigen und barmherzigen Gottes geworden sind.
2. Alle Christen haben teil an dem Wirken des Evangeliums. Sie haben nicht nur eine Gabe emp-fangen, die sie miteinander teilen, sie haben auch eine gemeinsame Aufgabe übertragen bekommen. Diese Aufgabe besteht in der Förderung und Verbreitung des Evangeliums. Paulus benutzt hier zwei Worte, um damit auszudrücken, in welcher Weise Christen sich des Evangeli-ums annehmen sollen. Er spricht von der Verantwortung und von der Bekräftigung des Evangeliums. Mit der Verantwortung (apologia) des Evangeliums ist die Verteidigung gegen Angriffe von außen gemeint, die Verteidigung des Evangeliums gegen die Beweisführung und gegen An-schuldigungen der Gegner des Christentums. Christen sollen also bereit sein, ihren Glauben zu verteidigen und die Hoffnung zu begründen, die in ihnen lebt. Mit der Bekräftigung des Evangeli-ums ist ein innerkirchlicher Vorgang gemeint (bebaiosis), nämlich die Stärkung im Glauben unter den Mitchristen. Wir Christen sollen das Evangelium also fördern, indem wir es gegen seine Wi-dersacher verteidigen und indem wir den Glauben und die Hingabe an das Evangelium unter seinen Anhängern vertiefen und stärken.
3. Alle Christen haben teil am Leiden um des Evangeliums willen. Die Philipper hatten teil an der Gefangenschaft des Apostel Paulus, indem sie nämlich Anteil daran nahmen. Jeder Christ, der um des Evangeliums willen Leiden auf sich nehmen muss, sollte Trost und Stärke in dem Be-wusstsein finden, dass er nicht allein duldet. Er gehört zu der großen Gemeinschaft jener, die zu allen Zeiten und überall lieber um ihres Glaubens an Jesus Christus willen gelitten haben, aber ihren Glauben an Christus nicht verleugneten.

Schriftlesung:

8 Denn Gott ist mein Zeuge, wie mich nach euch allen verlangt von Herzensgrund in Christus Jesus.

Alle Christen bilden eine Gemeinschaft mit Christus. In dem 8. Vers drückt Paulus sich sehr anschaulich aus. Er sagt: “Ich verlangt nach euch von Herzensgrund in der Liebe Jesu Christi.” Das griechische Wort für Herzensgrund bezeichnete die höher gelegenen inneren Organe wie Herz, Leber und Lunge. Dort befand sich nach Auffassung der Griechen der Sitz aller Gemütsbewegungen und Gefühle. Paulus will damit also sagen: Mich verlangt nach euch mit dem ganzen Mitleid Jesu Christi. Ich liebe euch, so wie Jesus Christus euch liebt. Die Liebe, die Paulus für seine Freunde empfindet, ist nichts anderes als die Liebe Jesu Christi. In einem Kommentar zu dieser Stelle heißt es: Der Gläubige kennt kein anderes Verlangen als das nach seinem Herrn. Sein Puls schlägt mit dem Puls Jesu Christi, sein Herz klopft mit dem Herzen Jesu Christi. Wenn wir wirklich eins mit dem Herrn Jesus sind, dann geht seine Liebe durch uns auch auf unsere Mitmenschen über, auf die Menschen, die er liebt und für die er gestorben ist. Von daher sind Christen nichts Geringeres als Teilhaber an der Liebe Jesu Christi.

Und so kann Paulus Gott als Zeugen für seine Gefühle für die Philipper aufrufen. Er ist sich zwar bewusst, dass sie ihm nicht in das Herz sehen können, doch er weiß, Gott kennt sein Innerstes. Die Liebe, die er für sie empfindet, stützt sich auch nicht auf ein rein menschliches Interesse. Sie geht vielmehr von dem Herrn Jesus Christus selbst aus. Und diese Liebe Christi hat Paulus so sehr er-füllt, dass die Liebe, die der Apostel nunmehr empfindet, die Liebe Christi selbst ist. Und damit zeigt diese Aussage an, wie echt und wie ernst gemeint sein Lob für die Gemeinde ist. Jemand sagte einmal, wir leben heute, nach Zeiten des Gefühlsüberschwangs, in einer Phase, wo Gefühle geäch-tet werden. Jeder Ausdruck von Wärme oder innerer Bewegtheit scheint verdächtig. Oder zu min-dest hält man das alles für unwesentlich und nicht zur Sache der christlichen Existenz dazugehörig. Immer wieder wird versichert, dass die christliche Liebe mit dem Gefühl nichts zu tun habe. Aber gibt es eine wirkliche Liebe ohne ein starkes und tiefes Empfinden für den andern? Ist die christliche Liebe etwa so übernatürlich, dass sie zugleich auch schon unnatürlich ist? Paulus ist da ganz ande-rer Ansicht! “Mein Zeuge ist Gott, wie ich mich sehne nach euch allen mit der Herzlichkeit des Chris-tus.” Denn auch die Christliche Liebe ist darin der natürlichen Liebe gleich, dass sie sich nämlich die wirkliche Gegenwart des andern, das Zusammensein mit ihm wünscht. Paulus sehnt sich nach den Philippern, und er schämt sich dieser Sehnsucht nicht. Er verbirgt sie nicht als etwas Inhaltsleeres oder Unwürdiges vor Gott, sondern macht Gott selbst zum Zeugen für seine Liebe zu ihnen. Das Merkmal, das ein christliches, geheiligtes Sehnen von dem bloßen, natürlichen Verlangen unter-scheidet, ist folgendes: das christliche Sehnen ist nicht mehr ein Sehnen im Ich, sondern ein Seh-nen mit der Herzlichkeit des Christus.

Darum trägt der Bote Jesu nun eine brennende Liebe in seinem Herzen. Es ist nicht eine dogmati-sche Formel, sondern mächtige Wirklichkeit, dass die Liebe Gottes ausgegossen ist in unser Herz durch den Heiligen Geist (Röm. 5, 5). In dieser göttlichen Liebe sehnt Paulus sich nach den Philip-pern. Diese nicht mehr vom Ich regierte, sondern von der Herzlichkeit des Christus bestimmte Liebe ist auch keine auswählende mehr, eine Liebe, die sich nach persönlichen Freunden oder nach sym-pathischen Leuten umsieht. Nein, es ist eine Liebe, die ohne Unterschiede alle umfasst. Es ist keine Liebe, die kühl und abstrakt ist, die nicht künstlich und gewollt ist, sondern die sich als echt und wahr in einem lebendigen, warmen Strom allen zuwendet, die Heilige in Christus Jesus sind. Es liebt sie in der Herzlichkeit des lebendigen Christus.

Schalom David