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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Abenteuer auf vier Rädern 1



Larson
20.04.2008, 00:01
Abenteuer auf vier Rädern in Canada

"Gott vertrauen ist eine Sache und ist sicher auch gut", sprach ich Thomas, meinen Cousin an, "aber Gott versuchen ist eine sehr ernste Sache. Damit treibt man keinen Scherz." Ich sprach diese Worte an einem regnerischen Abend des Juli 1981 im canadischen Gray Creek, gelegen am schönen Cootenay Lake, zu meinem Cousin, dem Sohn des jüngsten Bruders meines Vaters.

Wir hatten eine Probefahrt mit Thomas' Valiant, einem 68er Modell von Chrysler, absolviert und mir waren einige Überraschungen bereitet worden. Vorsorglich hatte Thomas mich darauf hingewiesen, daß "mit den Bremsen etwas nicht stimme" und daß auch die Lenkung "ein wenig ausgeschlagen" sei. Thomas hatte recht. Beim Bremsen mit dem alten Valiant war das gleiche Verfahren anzuwenden, wie bei der alten Wasserpumpe im Hause meiner Großmutter in Schleswig-Holstein, bei der ich als kleiner Junge oft zusammen mit meinen Eltern die Ferien verbrachte. "Acht mal schnell pumpen und dann dreimal langsam!"

Nur, weil die Auffahrt zum Grundstück meines Onkels eine etwa dreißig Meter lange Steigung war, schaffte ich es, den Wagen rechtzeitig vor dem Kühlschrank in der Küche zum Halten zu bringen. Hier fielen die oben zitierte Worte.

"Tja", erwiderte mir Thomas nach einigen respektvollen Schweigesekunden in seinem etwas holperigen Deutsch, "du kannst meinen Wagen benutzen wann immer du willst. Nur..." "...ein paar Reparaturen sind nötig, ich weiß. Das hattest du mir schon nach Deutschland geschrieben." setzte ich seine Rede fort. "Na, dann weißt du ja Bescheid."

Die nötigen Reparaturen dauerten beinahe fünf Wochen. Von den Bremsen abgesehen waren die Vorderachse zu reparieren, die Halterung der Batterie war beinahe durchgerostet, faustgroße Löcher im Blechkleid und dutzendweise andere Kleinigkeiten. Wurde ein Teil befestigt, brach ein anderes entzwei.

Die Bremsleitung beispielsweise: Es gab keine Originale mehr zu kaufen. Also kauften wir Meterware. Doch die Anschlüsse für die Radbremszylinder paßten nicht. So schliff ich mir in Ermangelung sachgerechten Werkzeugs einen dicken Zimmermannsnagel aus dem Fundus meines Onkels zurecht und bördelte mit dessen Hilfe sowie einem Kugelkopfhammer die Bremsleitungsenden um. Und es paßte! Die Bremstrommeln schliff ich aus, befestigte neue Bremsbacken und allmählich schien es so, als seien die notwendigsten Teile wieder instandgesetzt. Die Löcher in der Karosserie schloß ich mit Blechen aus Aluminiumabfällen, befestigt wurden sie mit Blechschrauben direkt im umgebenden Blech. Das verlieh dem alten Valiant ein absolut unverwechselbares Aussehen.

Das große Problem war, daß immer wieder Teile benötigt wurden, die es nur im knapp 80 KM entfernten Creston zu kaufen gab. Es war unmöglich vorauszusehen, was als nächstes benötigt wurde. Und wegen einer Bremsleitung mal eben so an die 160 Km zu fahren, das war selbst im sonst so sorglos-großzügigen Canada unrationell. So mußten wir immer wieder warten, bis ohnehin eine Fahrt in die Stadt nötig wurde.

Doch allmählich ging das große Werk seinem Ende zu und eines schönen Tages führten wir die erste Probefahrt duch - und waren beide, Thomas gleichermaßen wie ich, begeistert. Abgesehen von einem unangenehmen Laufgeräusch der Lichtmaschine schnurrte der 4,2-Liter Sechszylinder des alten, ehrwürdigen Valiant wie ein verliebter Kater. Einige Kleinigkeiten waren noch einzustellen, die Fahrt zur großen Stampede in Calgary konnte beginnen.

Eines Freitags ging es los. Thomas, sein jüngerer Bruder Rainer und ich hatten uns auf die ca. 650 KM lange Fahrt nach Calgary aufgemacht. Der Regen der ersten vier Wochen war herrlichstem Sommerwetter gewichen, die Sonne brannte auf uns und des alten Valiant Blechkleid herab, als wolle sie uns für die vergangenen Regenwochen entschädigen, von den Bergen herunter jedoch wehte noch eine angenehm kühle Brise durch die geöffneten Autofenster. Ruhig und gleichmäßig schnurrte der Valiant vor sich hin, und brachte uns Meile um Meile unserem Ziel Calgary, und damit der Stampede und - vor allem - Thomas Freundin Tara näher. Die Straße war leer, ganz selten nur begegneten uns andere Fahrzeuge.

Die leere Straße. Eine weites Tal durchfuhren wir. Nahezu ursprüngliche Natur. Nur wenige Anzeichen menschlicher Eingriffe in diese grandiose Bergwelt des südlichen British Columbiens. Klare Luft unter dem vom hellen Blau am Horizont zum dunklen Blau im Zenith wechselnden Firmament. Die Luft duftete nach Wald, nach Erde, nach Sonne. Luft wie klarer, fruchtiger Wein. Lichtüberflutete Bergwände - seit wieviel Jahrtausenden mochten diese Steinriesen schon so majestätisch ins Licht ragen? Die Sicht so deutlich, daß man glaubte, an den gleichmütig stillstehenden Tannen deren Nadeln zählen zu können. Das Fahren - ein Rausch. Herr Gott, Vater im Himmel, wie ist das unwirklich schön. Geschenk an meine Seele nur aus Gnade und Freundschaft.

Ich träumte in Gedanken versunken vor mich hin und geriet in einen Zustand zwischen Phantasie und Wirklichkeit - Fahrt durch die Unendlichkeit Gottes - Fahrt auf die Ewigkeit zu, mein Weg zu Dir.
Meile um Meile glitt das grauasphaltierte Band der Straße unter unserem treuen Valiant hinweg, Stunde um Stunde saßen wir still und staunten, genossen Gott, der uns solche unvergleichlichen Stunden gewährte.

An einem Rastplatz hielten wir an, um unsere Körper ein wenig zu entspannen und sie, die sich nicht an der Landschaft sattsehen konnten, mit stärkender Nahrung zu versorgen. Rainer, der sich ein paar hundet Meter entfernt hatte und sich durch einige gymnastische Übungen Bewegung verschaffte, entdeckte auf seinem Rückweg zu uns ein Rinnsal, welches aus dem Kühler des braven Valiant rann. Das war übel. Weit und breit gab es keine Möglichkeit, an Wasser zu kommen. Der Kühlwasserstand war zwar noch nicht besorgniserregend niedrig, doch als wir die Motorhaube öffneten, bemerkten wir, daß der Kühler mehrere Löcher aufwies, aus denen das Wasser nach außen drang. Bis zur nächsten Tankstelle mochten es noch gute 100 Kilometer sein. Wir taten das Einzige, was uns richtig erschien: In aller Eile packten wir unsere Siebensachen zusammen und starteten wieder. Wenn dem Wasser schon kein Einhalt zu gebieten war, wollten wir es wenigstens nicht auf dem Rastplatz davonlaufen lassen.
Um den Motor erst gar nicht zu heiß werden zu lassen, drehte ich, der ich diese Etappe fahren sollte, die Heizung auf volle Leistung und ließ den Wagen recht verhalten laufen. Einige Steigungen waren zu überwinden und die Kühlertemperatur erreichte ein paarmal kritische Werte. Doch schließlich erreichten wir eine Tankstelle, an der wir den Kühler auffüllen und auch einen Vorrat an Bord nehmen konnten.
Weiter ging die Fahrt.

Wir hatten die südliche Route genommen und ließen jetzt die Berge allmählich hinter uns. Es begann Abend zu werden.

Ich mag mich irren. Doch ich glaube, wer noch nie einen Sonnenuntergang in den Prärien des canadischen Westens erlebt hat, dem ist etwas wundervoll Schönes entgangen.

Larson
20.04.2008, 00:02
Wir drei hatten den Wagen in der Gegend um Stavely erneut angehalten, um ein kleines Picknick zu uns zu nehmen. Schräg links vor uns stand der glutrote Feuerball der Sonne dicht über dem Horizont und färbte unsere Umgebung ein in eine wahre Orgie von Rot in allen seinen Schattierungen. Die wenigen dünnen Wolken am Himmel wurden von diesem Rot von der Unterseite beleuchtet und bildeten mit ihrem Lichtsaum einen bezaubernden Kontrast zur der uns beinahe ertränken wollenden Flut immer dunkler werdender und schließlich ins Violette spielender Farben. Schließlich, in einer letzten Explosion von Farben, welche zum Schluß in ein zartes Türkis übergingen, sank die Sonne hinter den Horizont.

Wir drei standen noch eine Weile staunend, in meinem Hals hatte sich ein Kloß gebildet, der nur langsam weichen wollte. Die gewaltige Größe Gottes und seine Liebe zum Spiel mit Farben, sein Spaß daran, uns drei winzige Menschen zum Staunen zu bringen, hatte uns für eine Weile sprachlos werden lassen. Danke!

Nach Abschluß unseres frugalen Mahls aus der mit Eiswasser gefüllten Kühlbox starteten wir zur letzten, etwa achtzig Kilometer messenden Etappe nach Calgary. Die Straße war hier flach, kaum daß kleine Steigungen dem ehrwürdigen Valiant den Weg erschwerten. Die Luft war merklich kühler geworden und so hatten wir keinen Wasserverlust mehr zu befürchten; Thomas konnte, ohne daß er Rücksicht auf eine eventuelle Überhitzung des Motors zu nehmen hatte, zügig fahren.

Am Abend so gegen 21:00 Uhr brachte Thomas den Wagen vor dem Hause der Hansens, den Eltern seiner Freundin, zum Stehen. Herzlich wurden wir willkommen geheißen.

Der Vormittag des kommenden Tages, Samstag, war für Besorgungen verplant, Thomas hatte allerhand für seine Eltern zu organisieren und zu bestellen, alles Dinge, welche in Creston oder gar in Gray Creek nur schlecht oder gar nicht erhältlich waren. Vor allem jedoch mußten wir versuchen, für den alten Valiant einen anderen Kühler zu bekommen, denn eine Rückfahrt nach Gray Creek unter ähnlichen Bedingungen, wie bei der Herfahrt war ausgeschlossen. Das Risiko einer ernsten Panne war zu groß.
Wir klapperten zu diesem Zwecke mehrere Schrottplätze ab und Thomas wurde schon ziemlich einsilbig, nachdem wir den fünften oder sechsten Platz ohne Erfolg abgesucht hatten.
Schließlich - wir hielten vor einer weiteren Autoverwertungsanstalt, schlug ich vor, erst einmal zu beten.
Danach betraten wir den Platz, auf dem etliche Kunden warteten. Während wir uns unter die Wartenden mischten, trat Thomas einen Schritt zurück und stolperte - über genau den Kühler, den wir benötigten, um dem alten Valiant wieder auf die Sprünge helfen zu können. Teuer zwar, mit $60,-, doch erschwinglich - und das Ersatzteil war in gutem Zustand.

Der Nachmittag verging mit dem Einbau des "neuen" Kühlers und am Samstagabend konnten wir uns zufrieden die Hände reiben: der neue Kühler paßte besser als der alte, welcher kein Originalersatzteil gewesen war, und hielt absolut dicht.

Wir verbrachten ein interessantes und anregendes Wochenende in Calgary und machten uns am Montag wieder auf den Rückweg. Ohne weitere Panne oder Behinderung erreichten wir Gray Creek.

Fisch
20.04.2008, 06:31
Hallo Larson

du hast eine wunderbare Art deine Geschichten die das Leben mit dir schreibt uns wiederzugeben. Herzlichen Dank, dass du uns dran teilnehmen lässt.

Lieben Gruß
Fisch

Larson
22.04.2008, 20:32
Und immer wieder die Bremsen...

An einem Wochenende hatten mein Cousin und ich uns vorgenommen, nach Vancouver zu fahren, um dort dessen Schwester zu besuchen. Sie absolvierte in einem dortigen Krankenhaus ein Praktikum im Rahmen ihrer Ausbildung zur Krankenschwester.

Im Laufer mehrerer Fahrten hatten Thomas und ich festgestellt, daß der gute alte Valiant Bremsflüssigkeit verlor. Nicht eben viel, jedoch genügend, um unsere Sorge nicht einschlafen zu lassen. Wir konnten nicht feststellen, an welcher Stelle sich das Leck befand. Also hatten wir künftig immer eine große Dose "breakfluid" - Bremsflüssigkeit - dabei, um im Bedarfsfalle nachfüllen zu können, und zwar bevor Luft in das Bremssystem gelangen konnte. Auf die Fahrt nach Vancouver nahmen wir zwei besonders große Dosen mit.

Es war schon ziemlich später Nachmittag, als wir aufbrachen. Es regnete - nein, es goss wie aus Eimern - und die Fahrerei gestaltete sich anstrengend und mühsam. Das Licht des Valiant war nicht besonders hell und wir hatten ganz besonders achtzugeben. Thomas fuhr den ersten Abschnitt und lange Zeit unterhielten wir uns über Gott und die Welt. Schließlich gelangten wir an eine längere Gefällestrecke. Ich machte meinen Cousin aufmerksam: "Wir sollten dringend nach der Bremsflüssigkeit sehen. Es würde mich stören, wenn Du beim Bremsen plötzlich ins Leere trätest." "So?", entgegnete Thomas ungerührt, "weißt Du eigentlich schon, was auf Deinem Grabstein stünde?" "Keine Ahnung", erwiderte ich, "bisher hatte ich nur wenige Gründe, mir darüber Gedanken zu machen Aber jetzt..."

Er fuhr weiter. Dreimal mußte ich ihn drängen, bevor er schließlich nachgab und auf einem kleinen Rastplatz anhielt. Als wir den Deckel öffneten um nach der Bremsflüssigkeit zu sehen, war der Behälter leer! Sogar mein unbekümmerter Herr Cousin wurde ein wenig verlegen.

Ab jetzt kontrollierten wir regelmäßig alle zwei Stunden den Flüssigkeitsstand.

Es war Nacht geworden. In den Bergen wurde das Fahren besonders heikel, der Regen draschte mit solcher Vehemenz hernieder, daß die Sichtweite auf unter dreißig Meter sank. Die Straßen waren recht eng und dennoch donnerte uns so etwa jede halbe Stunde ein Log Truck entgegen, mit Höchstgeschwindigkeit wie es aussah, und scheuchte uns beinahe in den Straßengraben. Irgendwann waren wir beide so müde, daß die Weiterfahrt einem Selbstmordversuch gleichgekommen wäre. So steuerten wir den nächsten Campinplatz an. Während wir dort das Zelt aufstellten, ließ der Regen urplötzlich nach, und wir konnten einigermaßen trocken in unsere Schaffutterale schlüpfen.

Ein wenig zerknittert, sonst jedoch guter Dinge, nahmen wir am nächsten Morgen nach einem knappen Frühstück den Rest der Strecke nach Vancouver unter die Räder.

In der Stadt verbrachten wir ein angenehmes Wochenende und füllten die Zeit mit allerhand Besichtigungstouren und anderen touristischen Unternehmungen. Vancouver ist zwar eine zwar große, mir jedoch dennoch angenehme Stadt, die ich mochte.

Den Rückweg am Sonntagabend traten wir wiederum bei heftigem Regen an. Deshalb entschlossen wir, von Vancouver aus in die Staaten zu fahren, und dort eine Weile parallel zur canadischen Grenze zu fahren.

Das Wetter wurde besser und im Laufe des fortschreitenden Tages sogar schwül und heiß. Nach einer guten Karte bewegten wir uns vornehmlich auf Nebenstraßen. Das waren zwar nur geschotterte Straßen, doch dafür gab es dort wirklich keinen Verkehr. So konnten wir den alten Valiant "fliegen" lassen, daß die Schottersteine unters Bodenblech knallten.

Am späten Nachmittag querten wir bei Grand Forks wieder die Grenze. Als wir am Südende des Christina Lake in ein kleines Städtchen hineinfuhren, ging es ziemlich steil bergab. Gleich beim Ortseingang regelte eine Ampel den um diese Zeit glücklicherweise nicht besonders starken Verkehr. Diese Ampel war rot, und Thomas bremste also allmählich ab, um rechtzeitig den alten Valiant zum Stehen zu bringen. Als er wenige Meter vor der noch immer roten Ampel auf die Bremse trat, um den Wagen anzuhalten, hielt dieser jedoch nicht etwa wie beabsichtigt an, sondern wir rauschten beinahe ungebremst über die beampelte Kreuzung, um auf der anderen Seite schließlich mit klopfendem Herzen und ein wenig außer Atem stehen zu bleiben. Eine stinkende Wolke umhüllte unseren Valiant.

Wir waren beide etwas blaß um die Nase, als wir ausstiegen. Unsere Untersuchung ergab, daß am linken Hinterrad die Bremsleitung geplatzt war - die einzige Bremsleitung, die wir bei der Reparatur nicht ausgetauscht hatten. Einige Steine der nachmittäglichen Gravel Roads mochten das ihre zu dem Bruch beigetragen haben.

Wir beratschlagten uns - was war zu tun? Quasi ohne Bremsen zu fahren in dieser bergigen Gegend, das war ein beinahe kriminelles Unterfangen. Doch wir wollten nach Hause! Mit der lädierten Bremse würden wir jedoch nicht schnell genug fahren können, um die letzte Fähre über den Kootenay Lake noch zu erreichen. Den Kootenay Pass auf dem Highway No. 3 ohne richtig funktionierende Bremsen zu nehmen wäre andererseits noch krimineller als kriminell gewesen.

Nachdem wir eine Weile ohne weitere Ergebnisse hin und her überlegt hatten, sagte Thomas: "Ok. fahren wir den Pass. Es ist mein Wagen - ich fahre!"

Dagegen war grundsätzlich nichts einzuwenden. Doch nach kaum einer halben Stunde übermannte Thomas die Müdigkeit. "Wenn ich nur wüßte, welche von den acht Spuren ich fahren soll, die ich sehe", jammerte er. "Halt' an, ich fahr' weiter", entgegnete ich. Nach einem kurzen Halt übernahm ich das Steuer. Wir waren kaum ein paar Minuten gefahren, als Thomas eingeschlafen war.

So fuhr ich - und es war eine der anstrengendsten Autofahrten, die ich jemals in meinem Leben gemacht hatte. Den Kootenay Paß aufwärts gab es naturgemäß kaum Probleme, da brauchte ich die Bremsen ja nicht. Bei der gemäßigten Berganfahrt hatte ich genügend Zeit, immer wieder einen Blick an den besternten Himmel zu werfen. Selbst durch das nicht sonderlich reinliche Autofenster konnte ich erkennen, wie herrlich klar und brilliant die Sterne funkelten. Doch als es dann wieder abwärts ging, begannen die Probleme. Die Strasse führte knappe 1800 m hoch und der Valiant war nicht gerade ein Leichtgewicht - an die zwei Tonnen mochte er wohl wiegen - und kam infolgedessen immer wieder schnell in Schuß. Die alten Trommelbremsen hatten mit dem Vehikel schon im Normalfall ihre liebe Mühe. Die Automatik hatte nur drei Fahrstufen - meistens fuhr ich in der niedrigsten, während ich immer wieder versuchte, die Kurven einzuschätzen und mit welcher Geschwindigkeit der Valiant sie ohne auszubrechen nehmen konnte.

Mehrere Male geriet ich auf die Gegenfahrbahn, wenn ich mich verschätzt hatte. Einmal - es war kurz vor Mitternacht - hielt ich an, um Bremsflüssigkeit nachzufüllen, welche natürlich durch die geplatzte Bremsleitung noch schneller davonrann, als bisher. Der gute Thomas indessen verschlief diesen Halt. Dann ging es weiter. Inzwischen hatte sich auch meiner eine "milde Müdigkeit" bemächtigt. Doch trotz aller widrigen Umstände überquerten wir den Paß ohne Unfall. Nur, als ich in der Nähe von Creston auf die Straße am Kootenay Lake nach Gray Creek einbog, wachte Thomas einmal kurz auf. Gegen halb zwei Uhr nachts erreichten wir die Farm seiner Eltern - hundemüde, doch wohlbehalten.

Einundzwanzig Jahre später bin ich den Kootenay erneut gefahren, diesmal in umgekehrter Richtung, also von Creston aus in Richtung Kelowna. Diesmal allerdings mit einem wohlgewarteten und bärenstarken Leihwagen im Beisein meiner Frau und unserer beiden jüngeren Töchter. Das frischte meine Erinnerung an die damalige Nachtfahrt wieder auf. Mit leichtem Schauder dachte ich an jene Nacht zurück, als ich die steilen Hänge wiedersah und mich erinnern konnte, welche heiklen Kurven um die riesigen Felsbrocken herumführten, und um die teilweise abgrundtiefen Bachbetten. Sicher, es war wohl eine ordentliche Portion jugendlicher Leichtsinn dabei, als wir uns damals entschlossen, ohne wirksame funktionierende Bremsen den Summit Paß zu fahren. Andererseits spürte ich auf dieser Fahrt sehr deutlich, daß unser großer Freund und Bruder mit auf der Sitzbank saß. Und zwar trotz unseres Leichtsinns - oder gerade deswegen?.