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geliebtes Korn
11.06.2008, 14:35
Du bist ein Gott, der mich sieht


Weißt du, wie viel man von Katzen lernen kann?
Was... du verstehst ihre Sprache nicht?
Ich lernte zu verstehen und lerne jeden Tag wieder.
Katzen, unsere Katzen, erzählen eine wundersame, traurige Geschichte, die doch sehr viel mehr erzählt, als man zunächst denken würde.&luftkuss


Vor einiger Zeit hatte ich einen roten Kater, der ebenso gemütlich wie pummelig und verschmust war.
Er war nicht mehr der Jüngste.
Wir hatten ihn aus einem Tierheim zu uns geholt, weil er der einzige war ,der immer übrig blieb, wenn Tiere ein neues Zuhause bekamen.
Mal ehrlich- wer interessiert sich auch wirklich für einen alten, schwerfälligen Kater, der das ganze Jahr über Haare verliert, wo er geht und steht; der nur weiche Dinge fressen kann, weil die Zähne nicht mehr richtig kauen konnten und der seine eigenen Gewohnheiten hatte, die kein Mensch einzuordnen wusste...?

Aber unsere Kinder wollten ihn: weil er der einzige war, der bei der ersten Begegnung zwischen Mensch und Tier sitzen blieb, ohne vor den aufgeweckten Kindern zu flüchten.
Er blieb sitzen, ließ sich geduldig streicheln, hinter den Ohren kraulen und Mama durfte die Formulare in der Zwischenzeit ausfüllen.
Liebevoll und so voller Freude besorgten wir sofort die nötigen Utensilien: Futter, Vitamine für „Senjoren“, Spielsachen für Katzen, die dieser alte Kater nie benutzte, ein Katzenkörbchen und... na ja das passende für Katzen- Geschäfte, wenn du weißt, was ich meine...
Die Kinder waren aus dem Häuschen. Geduldig ließ der Kater Paul das Treiben in seinem neuen Zuhause über sich ergehen.
Am ersten Abend, als die Kinder schliefen, es ruhiger wurde im Haus, polterte es an der Tür zwischen Schlafzimmer und Küche.
Paul war wohl die plötzliche Stille unheimlich geworden, so öffnete er kurzerhand mit aufgestellten Pfötchen die Tür und legte sich sachte an mein Fußende.

Ich war davon in den ersten Tagen wenig erfreut, denn am Morgen fand ich so jedes Mal den halben Pelz als lose Haarbüschel zu meinen Füßen, während der alte Paul sich genüsslich gähnend streckte und zum Fressnapf trottete.
Die Monate vergingen. Paul war ein Mitglied der Familie geworden.
Abends riefen wir den im Dorf stromernden Kater immer ins Haus, dann legte er sich auf meinen Arm und schlief bei Musik oder Fernsehen ein.
Gingen mein Mann und ich ins Bett, ging Paul verschlafen mit... die Haarbüschel übrigens waren wie erwähnt nicht wie üblich bei Katzen saisonbedingt, sondern bald schon hatte ich so meine eigene Technik, morgens zu beseitigen, was er vom Fell in meinem Bett fallen gelassen hatte, damit abends wieder der Platz sauber für ihn bereit war.

Paul wurde mein Liebling. Treu legte er sich zu mir, sah nach den Kindern, fast so fürsorglich wie ein Vater, wenn sie weinten, stupste sie liebevoll mit der warmen Nase an, bis sie wieder lachten...
Paul hatte oft gezeigt, wie dankbar und froh er über seine Familie war.
Snoopy, der kleine, schwarze Babykater, der im Frühjahr einzog, kostete dem alten Herrn viele Nerven.
Doch bald brachte er dem jungen Kerl alles bei, was Kater so wissen und können muß.
Lief der junge Kater über die Straße, stupste der besorgte Paul ihn mit Bestimmtheit wieder in den Hof zurück... wollte Junior spielen, bot Paul seinen wedelnden Schwanz als Trainingsinstrument an...
Abends kamen beide ins Haus. Während Snoopy seine Kräfte austoben musste für die Nacht, legte sich der alte Rote immer wie von einer Uhr gesteuert in meinen Arm und schlief erschöpft schnurrend ein...
Der Alte sah auf den Junior, ließ die Entfernungen größer werden, schaute dem Kleinen beim Mäusejagen zu und half ihm beim Fressen der erlegten Beute.
Paul wurde älter, auch Snoopy wuchs schnell.
Die Schritte des jungen Kater waren leichtfüßig, voller Energie- Paul aber fiel das Gehen immer schwerer.
Wir hatten schon eine Weile den Verdacht, dass Pauls Augen nicht mehr so deutlich sahen.
Am Morgen eines schulfreien Tages, wurde es traurige Gewissheit.
Paul war am Abend nicht nach Hause gekommen, doch am Morgen schleppte er sich müde zum Fressnapf. Ich war ein wenig wütend auf ihn, denn ich hatte in der Nacht oft am Fenster gerufen und schlecht geschlafen aus Sorge.
Ich legte ihn mit ernsten Worten der Besorgnis ins Bett und hoffte, er würde den verpassten Nachtschlaf unverzüglich nachholen ( im übrigen ist uns klar, dass Katzen im Allgemeinen nachtaktiv sind- doch unsere nicht)
Doch wenig später stand Paul an jenem Tag schon wieder an der Tür und wollte an die frische Luft.
Hätte ich ihn nicht gehen lassen sollen? Wäre ich doch meinem Mutterinstinkt auch hier gefolgt... doch ich öffnete die Tür und rief ihm nach „Paß auf dich auf!“
Gibt es keine Zufälle, so war es bittere Fügung von Ereignissen, dass wir eine Stunde später mit allen Kids im Auto unseren alten Roten auf der Straße fanden.
Wir selbst waren die Ersten, die ihn sahen, mit weit aufgerissenen Augen und doch schimmerte sein Fell in der Sonne, als schlief er nur...

Können Katzen weinen? Ich bildete es mir in jenen Tagen ein.
Snoopy war wie wir unter Schock.
Wir begruben den alten Kater und brauchten Tage, um uns und den Kindern klar zu machen, dass wir am Abend nicht mehr auf den roten Paul warten mussten.
Snoopy fraß wenig, schlief lange. Wie sehr Paul fehlte.
Würde es einen Tierhimmel geben, so träumten wir mit den Kindern, würde Paul nun ganz frei von Schmerzen durch das Gras schleichen und Gott würde alles heilen und bestens für ihn sorgen.
Abends war ich allein, wenn mein Mann in die Rehaklinik zurück fuhr- schwere Stille, wenn ich mich dann an Paul erinnerte.
Beten wurde schwer, weil ich traurig war.
„Vielleicht war es gut, Vater, für den alten Paul, aber die Traurigkeit bei den Kindern und mir will einfach nicht so schnell vergehen.“
Kann man einen Kater so vermissen? Ich wunderte mich über mich selbst. Und doch verstand ich, warum gerade ältere Menschen oft so an ihren Haustieren hingen...

Eines Abends aber schenkte Gott, etwas, was uns zeigte, wie sein Vaterherz schlägt...&luftkuss

Es klingelt an der Tür. Mein Mann hielt ein winziges Fellknäul in den Händen.
„Ich habe es im Lichtkegel der Scheinwerfer auf der Straße entdeckt. Er ist rot, siehst du?“ Damit drückte er mit das Fellbündel in die Hand und fuhr in die Klinik.
Er fror, zitterte, hätte die kalte Nacht nicht überlebt oder wäre ohne Frage von einem Auto überfahren worden mitten auf der Straße.
Sachte wusch ich sein Fell etwas sauber, wärmte Milch auf und gab ihm davon in einer kleinen Spritze in seinen hungrig jammernden Mund.
Als ich ins Bett ging, tapste der kleine Findling über mein Gesicht, lies sich auf meinem Kopfkissen fallen und schnurrte zufrieden.
„Kann es sein? Du schenkst mir einen roten Kater? Hast du meine, unsere Traurigkeit gesehen und das ist dein Geschenk an uns?“
Ich legte meine Hand zum Wärmen an das kleine Knäul und staunte.

Wenn ich heute unseren roten Kater anschaue, wieder mal zum Tierarzt muß, weil er von kleinauf kränklich ist und anders als andere Katzen ,selbst, wenn wir wissen, er wird nicht so alt, wie gesunde Katzen...er ist etwas Besonderes.
Wenn ich ihn sehe, abends in meinem Arm liegend und zufrieden schnurrend, dann möchte ich ihm am liebsten gedanklich eine Geschenkschleife umbinden.
Wann immer ich nicht mehr viel weiß vor Streß, Ärger oder Traurigkeit- lasse ich mir seine „Geschichte“ von Neuem erzählen und mein Herz atmet auf.
&luftkuss
Ich weiß, wann immer er sich zu mir setzt, mein roter Kater erzählt etwas von Gottes Liebe, von seiner Art, meine Tränen zu trocknen und mir neue Aufgaben zu geben, wann immer es Zeit ist.
Du bist ein Gott, der auch auf Kleines sieht- ein Gott, der mich sieht.

Ein Kater kann viel über Gott erzählen ... glaubst du mir jetzt?

Fisch
11.06.2008, 18:35
Ein Kater kann viel über Gott erzählen ... glaubst du mir jetzt?

Ja, ich glaube dir.


Eure Geschichte ist sehr anrührend, herzlichen Dank liebes Körnchen. Bei euch Katze zu sein, muss himmlich sein :)

Grüßle
Fischi

Larson
12.06.2008, 19:28
Eine anrührende und schöne Geschichte. Danke!
Larson