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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Abbas Waisenkinder



geliebtes Korn
18.07.2008, 19:44
(&errötenentschuldigt die Länge)


Bunte Blumen an den Wänden, längst mit Schmutz verschmiert...
In der Mitte schart sich eine Gruppe laut grölender Kinder um Peter und Danny, die sich auf dem Boden wälzen und prügeln.
„Schlag ihm die Zähne aus, Peter!“
„Danny, Danny...!“
Sie schreien, stampfen und feuern ihre „Kämpfer“ an, als ginge es um ihr Leben.
Dabei weiß keines der Kinder, worum es eigentlich hier gerade geht.
Längst haben sich die „Banden“ in zwei Lager geteilt- auf der einen Seite Peters „Fans“; die hinter allem stehen, was ihr cooler Anführer sagt...
Und unwesentlich lauter hört man die Rufe von „Dannys Freunden“, denen es egal ist, womit der Streit begonnen hatte oder wer „Recht“ hatte, als der Streit ausbrach- hauptsache ihr Danny gibt dem Feind endlich, was er „verdient“ hat...

Die Mädchen werden unruhig in der Puppenecke.
Susi reißt Marie wutentbrannt die Kette vom Hals. „Meins, du hast es mir gestohlen!“
Grete versucht zu schlichten, doch am Ende hat eines der Mädchen sie zornig gebissen, bis aus der Wunde Blut quillt...

Tommy hat Langeweile, steht allein an der Wand und beginnt ziellos, planlos Striche und Figuren daran zu kritzeln.
„Das darfst du nicht, das ist verboten.“ Daniel stemmt die Arme in die Seiten und ermahnt Tommy mit ernsten, strengen Worten wie ein „Großer“...

Ines und Martin hören Musik.
Eigentlich mögen sie sich, doch als die CD ausgewählt werden soll, die sie zusammen hören wollen, bricht ein Wortgefecht aus, das mehr als alle Schläge der Welt verletzt und schließlich fällt der Recorder zu Boden und zerbricht wie die Kinderfreundschaft selbst...

Lukas hat Kopfweh und ruft verzweifelt in das chaotische Zimmer: „Bitte, hört doch auf! Wißt ihr denn nicht, wir dürfen nicht streiten, nicht schlagen, nicht zerstören... habt ihrs vergessen?“ Doch niemand hört seine kleine, dünne Stimme, selbst als er sich wackelig auf das Stühlchen stellt und noch einmal an die „Zimmerregeln“ erinnert, wird er einfach übersehen.

Lucy hat sich in ihre Kuscheldecke eingehüllt und knabbert an den Fingernägeln...

„Ach hör doch auf, Lukas. Die Regeln sind doch längst egal. Wer interessiert sich denn noch dafür? Meinst du, dass du etwas Besseres bist?“ schreit Tony ihn mit tiefrotem Gesicht an.
Er zieht an der Lehne des Stühlchens und mit einem dumpfen Knall fällt Lukas auf den Boden.
Benommen liegt er dort und als er wieder auf die Beine kommt, wirft er voller Schmerz, Wut, Enttäuschung über die Rücksichtslosigkeit der anderen die Blumenvase an die Wand...

Gini wimmert in der Zimmerecke. Ihr Bauch tut schrecklich weh...

Alexander blickt verträumt aus dem Fenster, sieht sehnsüchtig den Vögeln am Himmel nach und zählt die Regentropfen, die unaufhörlich an der Scheibe abperlen.
Wie so oft denkt er an die Zeit, als er noch bei seinem Vater wohnte.
Doch die Tränen lassen seine Blicke verschwimmen, als er an den Autounfall denkt.
Leere macht sich breit in seinem Herzchen.
Kevin stößt ihn grob an und reißt ihn aus den Gedanken: „Na du Träumer, hast wieder Heulstunde? Ein Junge weint nicht, du Waschlappen!“
Kevin setzt um, was er früher so oft von seiner Mutter gehört hatte, wenn er aus Angst vor der Dunkelheit weinend Schutz bei ihr gesucht hätte und dann doch nur die Füße an den Glassplittern der Bierflaschen aufgerissen und von der lieblos abwehrenden Mutter aus dem Zimmer geschickt worden war. „Jungen weinen nicht, niemals.“...

Vini stottert ungehört Worte ohne Bedeutung in den Raum, unterhält sich mit sich selbst, denn zu lange ist sie schon hier, um zu wissen, dass es niemanden geben wird, der ihr wirklich zuhört...

Plötzlich springt Anna auf, lässt die Lieblingspuppe aus den Ärmchen gleiten und irrt durch das riesige, chaotische Zimmer.
„Wir brauchen Hilfe, da muß doch jemand sein...“
„Vergiß es, wir sind auf uns allein gestellt!“
„Aber die Tür...“ stammelt sie.
„Tür? Wohin sollte die gehen?“
„Wir waren doch nicht schon immer hier so allein, oder?“
„Was glaubst du denn? Niemand ist da außer uns!“
„Aber die Zimmerregeln, das Essen, die Bettchen... all das kann doch nicht von niemandem kommen.“ Mischt sich Lukas ein.
„Zimmerregeln- du schon wieder. Hast du denn nie geschrien? Hast du noch nie dagegen verstoßen?“
„Doch, habe ich“ stammelt Lukas traurig und wird nachdenklich.
„Siehst du, keiner interessiert sich, ob es etwas „Größeres“ gibt, dass uns Regeln und Essen gibt, denn wenn da wer wäre... mal ehrlich, wir sind hier und bleiben hier, keiner hilft uns, so war das schon immer!“ Georg ist schon sehr lange hier im Zimmer. Jeden Tag hat er erlebt, wie sich gestritten, geschlagen oder verletzt wird.
„Aber...“ stottert Vini nervös.
„Nichts aber- hört auf. Die Kratzer bluten ein bisschen, aber alles verheilt von allein.“
Alexander springt vom Fensterbrett.
„ als mein Vater mich früher auf den Schoß nahm, hatte ich nie Angst. Und wenn er mit mir Würstchen grillte, dann lachten wir...“
„So was gibt’s doch gar nicht.“
„Doch ich kann mich gut daran erinnern. Er sagte immer, bevor ich zur Schule ging, dass er mich lieb hat“
seine Stimme wird zittrig, doch seine Augen glänzen, als er davon erzählt.
Die Schlägerei zwischen Peter und Danny hat inzwischen aufgehört und die beiden Streithähne haben blutige Nasen und zerraufte Haare.

„Ich, ich habe ein Foto von meiner Mama- seht ihr?“ Jenni wühlt eifrig in ihrer Hosentasche und zieht ein zerknülltes Bild hervor.
„Ja und? Das sind doch alte Geschichten, nichts wichtiges!“
„Doch, für mich schon, denn schaut doch, meine Mama hielt mich als Baby in den Armen. Sie hatte mich lieb“
„Ach ja? Und deshalb bist du hier, oder?“ in Gregor steigt die Wut auf. Er reißt Jenni das Foto aus den Fingern und zerreißt es.
„Alles Quatsch, Liebe oder so was gibt’s nicht. Jeder muß sehen, wie er überlebt!“
Jenni weint...
„Es muß jemanden geben, der uns liebt!“
Anna will nicht aufgeben und legt ihren Arm um die schluchzende Jenni.
„Glaubt ihr denn wirklich, dass irgendein „Großer“ uns mag? Man, seid ihr dumm! Die Großen schlagen uns Kleine, sie sind wütend, wenn wir gegen ihre Regeln verstoßen. Sie geben Versprechen, die sie nicht halten und sind irgendwann sowieso einfach verschwunden...“
Gregor erinnert sich und gefangen in diesen Erfahrungen an seine Eltern stampft er wütend auf den Boden, bis ihm die eigenen Füße schmerzen.

Anna sieht sich um- alle hier sind so: wütend, verletzt, traurig, blutige Nasen, Bisse...
Ihre Blicke suchen, suchen nach Hilfe, nach irgendwas...
Während nun der nächste Streit in eine Prügelei übergeht und sich die meisten der Kinder wieder dem zuwenden, finden Anna, Jenni, Alexander, Gini und einige andere unbemerkt eine Tür.
Gemeinsam strecken sie sich und schaffen es, die schwere Klinke herunter zu drücken.
„Wir brauchen Hilfe, gegen Ginis Bauchweh, für die blutenden Wunden, wir brauchen so etwas wie Alexanders Vater.“

Fortsetzung... folgt

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