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daVinnci
09.09.2015, 15:07
...werden die Spender manipuliert?

Was Organspender wissen sollten, aber selten gesagt wird:

* Jeder Spender ist ein Lebendspender, denn Organe von Toten sind nicht transplantierbar.

* Es gibt keinen Hirntot. Der Begriff Hirntot ist ein Begriff "de Jure" und schützt den Transplanteur vor
Strafverfolgung.

* Das Transplantationsgeschäft ist ein Milliarden-Geschäft.

* Profitiert der Organ-Empfänger tatsächlich von einem neuen Organ, wenn wir es ganzheitlich betrachten?

* Jeder Mensch hat das Recht auf ein würdevolles Sterben!


Wenn wir die Gesellschaft tatsächlich über die Organspende aufklären würden, bekommen wir keine Organe mehr. Prof. Dr. Rudolf Pichlmayr, Transplantations-Mediziner, UNI-Klinik Hannover (verstorben)

Näheres unter www.initiative-kao.de (http://www.initiative-kao.de)


Süddeutsche Zeitung 03. 03. 2012

Todeszeitpunkt und Organspende
Hirntote reagieren auf Schmerz.2012-03-03 15:29:22
Erst der wissenschaftliche Fortschritt hat Ende der 1960er-Jahre die Organtransplantation ermöglicht. Jetzt zeigen wissenschaftliche Befunde, wozu ein angeblich "hirntotes" Gehirn noch in der Lage - und wie wackelig das Konzept ist. Im Dezember 2008 stellte die "President's Commission on Bioethics" der USA (http://www.sueddeutsche.de/thema/USA) fest, dass angesichts neuer Forschungsergebnisse nicht sicher gesagt werden könne, dass ein Hirntoter tatsächlich tot sei. Sein Gehirn könne noch die Temperatur regulieren, auf Infektionen reagieren - etwa mit Fieber - oder mit dem Hormon ADH die Urinausscheidung regulieren. Mit feinen Messinstrumenten aufgenommene Muster des "hirntoten" Gehirns deuteten gar darauf hin, dass es auf Schmerz reagiert.

Ist die Organspende (http://www.sueddeutsche.de/thema/Organspende) noch zu retten?", fragte der Arzt Stephan Sahm angesichts dieser Befunde 2010 in der FAZ. "Der Versuch, den Hirntod naturwissenschaftlich zu fundieren, ist gescheitert." In der Debatte um die Organspende und den Hirntod ging es aber nie allein um Wissenschaft. Der Philosoph Hans Jonas hat schon 1974 dafür plädiert, am klassischen Todeskonzept festzuhalten, und davor gewarnt, das Hirntodkonzept zu instrumentalisieren und in den Dienst der Organbeschaffung zu stellen.

Eine Klärung, wie tot Hirntote sind, wird kaum gelingen. Ob bald nach dem Hirntod (http://www.sueddeutsche.de/thema/Hirntod) der Tod des Menschen eintritt, wie die Bioethik-Kommission der USA vermutet, lässt sich nicht prüfen. Diese Annahme sei vielmehr eine sich selbst erfüllende Prophezeiung, wie Sabine Müller, Leiterin der Arbeitsgruppe Neurophilosophie, Neuroethik und Medizinethik an der Berliner Charité bemerkt hat: "Patienten mit der Diagnose Hirntod werden entweder Organspender oder ihre künstliche Beatmung wird abgestellt."



PS: Ich bin kein Spender und kein Empfänger.

Provisorium
09.09.2015, 17:09
...werden die Spender manipuliert?Was meinst du denn mit manipuliert? Also ich finde nicht, dass da jemand manipuliert wird. Um Spender zu werden muss man einen Organspendeausweis ausfüllen, auf dem dann genau festgehalten ist, was man will und was man nicht will. So kann man dort z.B. auch ganz klar zum Ausdruck bringen, dass man keinesfalls spenden möchte, oder nur ganz bestimmte Organe und andere Organe eben nicht.

Man muss sich also bisschen damit auseinandersetzen und in dieser Auseinandersetzung ist man frei und ich wüsste jetzt nicht, inwiefern da jemand manipulieren sollte/könnte.


* Jeder Spender ist ein Lebendspender, denn Organe von Toten sind nicht transplantierbar.Na ja, also das kommt jetzt auf die Definition von Leben und Tod an. Logisch ist aber, dass ein Spender nur dann spenden kann, wenn seine Körperfunktionen noch soweit intakt sind, dass die Organe eben noch "gesund" sind. Sprich, das Herz/Kreislaufsystem muss noch (künstlich) aufrecht erhalten sein, sonst ist spenden ja unmöglich!

Also jeder, der sich mit der Thematik auseinandergesetzt hat, wird dieser Sachverhalt klar sein, sonst hat er das dahinterliegende "Prinzip" nicht verstanden. Deshalb finde ich es falsch zu behaupten, dass es nur selten gesagt würde, wie eine Organspende nur möglich sein kann und funktioniert! Da muss sich der Betroffene aber wirklich gar nicht informiert haben, wenn ihm nicht bewusst ist, dass z.B. sein Herz noch schlagen muss, damit eine Transplantation möglich ist!


* Es gibt keinen Hirntot. Der Begriff Hirntot ist ein Begriff "de Jure" und schützt den Transplanteur vor
Strafverfolgung.Das stimmt so auch nicht. Natürlich kann das Hirn eines Menschen tot sein, wenn alle Hirnfunktionen eben unumkehrbar ausgefallen sind. Allerdings gibt es zurecht eine Diskussion darüber, ob Hirntot denn auch gleichzusetzen ist, mit insgesamt tot! Darüber kann und muss man reden, aber das ändert ja nichts daran, dass es natürlich den Hirntot, also den irreversiblen Ausfall aller Gehirnfunktionen gibt.


* Das Transplantationsgeschäft ist ein Milliarden-Geschäft.Kannst du das bitte seriös belegen.


* Profitiert der Organ-Empfänger tatsächlich von einem neuen Organ, wenn wir es ganzheitlich betrachten?Ich finde selbstverständlich ja! Herzkranke Menschen z.B. bei denen es so schlecht steht, dass sie ein neues Herz brauchen, sind nicht mehr leistungsfähig und leiden schon bei minimalen Belastungen und starker Luftnot. Denen geht es also richtig schlecht. Wenn sie aber ein neues Herz bekommen, sind sie sehr bald schon wieder belastbar, können z.B. problemlos laufen, es geht ihnen einfach gut! Also wenn das kein Profitieren ist, dann weiß ich ja auch nicht...


* Jeder Mensch hat das Recht auf ein würdevolles Sterben!Selbstverständlich, aber dem steht doch die Organspende nicht entgegen.


PS: Ich bin kein Spender und kein Empfänger.Ich habe seit 1998 einen Organspendeausweis und meine Organe dürfen sehr gerne komplett einen oder mehreren anderen Menschen implantiert werden, wenn mein Hirn tot sein sollte. :-)

LG
Provisorium

Lior
09.09.2015, 19:51
Also ich würde mich Provisorium weitestgehend anschließen. Auch ich denke nicht, dass hier potentielle Spender manipuliert werden. Es ist mehr als einfach an die entsprechenden Informationen heranzukommen. Allenfalls könnte man behaupten, dass die mediale Darstellung oft etwas einseitig oder den Sachverhalt vereinfacht. Aber auch hier gibt es durchaus auch eine in den Medien beobachtbare Auseinandersetzung mit dem Thema. Und wenn wir Wikipedia als Minimalstreferenz nehmen... auch dort ist es erwähnt.

Zugegeben, die Motive hier ein neues Kriterium für den Tod festzumachen, kann man skeptisch sehen oder zumindest kontrovers diskutieren. Aber selbst wenn wir annehmen, dass die Motive einer Neubeurteilung tatsächlich rein “egoistischer“ Natur waren, weil die Transplantationsmedizin hier „eigene“ Interessen verfolgte, ist das kein Argument um dieses neue Kriterium abzulehnen. Es ginbt einen Unterschied zwischen den Motiven für eine Änderung (die es immer geben wird) und der Rechtfertigung dieser Änderung. Im Alltag kommt es immer wieder vor, dass z.B. Menschen aus persönlichen Gründen einen Rechtsstreit bemühen, in dessen Folge es zu einer Neubewertung bestehender Gesetze kommt.

Was nun die Formulierung „jeder Spender ist ein Lebendspender“ betrifft, würde ich Provisorium zustimmen wollen – das ist letztlich eine Definitionsfrage. Betrachte ich den lebenden Menschen aus einer biologischen Perspektive und Definiere den Tod als biologischen Tod des Organismus als ganzem, dann kann man sicherlich von einer Lebendspende sprechen insofern der Körper durch künstliche Hilfe noch funktioniert. Nehme ich eher eine ontologische Perspektive ein und Definiere den Tod über den Tod als Person, dann kann das Hirntodkriterieum durchaus zulässig sein. Wer wie auf der Seite eine Organentnahme mit dem Ausschlachten eines Autowracks gleichsetzt, müsste sich dann nämlich die Frage stellen, ob ein Auto noch wirklich fährt wenn nur noch der Motor läuft, aber niemand mehr am Steuer sitzt. Auch hier kann man natürlich kontrovers diskutieren, wo die Seele oder die Person sitzt, und ob sie - wie Hans Jonas es ja glaube ich vertrat - nicht Ganzheitlch im Körper sitzt. Aber das muss man nicht so sehen. Was mir hier in den Sinn kommt ist die Frage, was wäre wenn wir einem Menschen nach dessen Hirntod einen Computerchip einsetzen, der den Herz-Kreislauf reguliert und vielleicht sogar noch rudimentäre Bewegung steuert? Würden wir hier davon sprechen, dass der Mensch noch am Leben ist, nur weil sein Herz-Kreislaufsystem noch computergestützt funktioniert und der Computer ruckartige Bewegungen ermöglicht? Ich persönlich würde das ja verneinen.

Ich für meinen Fall bin ebenfalls seit Ende der 90er Organspender. Und ich persönlich würde sogar soweit gehen die Organspende zu einer moralischen Pflicht zu erklären. Natürlich akzeptiere ich, wenn jemand Organspende für sich ablehnt. Ich würde jedoch aus Gründen der Gerechtigkeit hier eine Änderung befürworten, nachdem jene die ablehnen Spender zu sein auch ihrerseits keinen Anspruch auf eine Spende haben – oder nur in jenen Fällen, in denen kein anderweitiger, seinerseits zur Spende bereiter Empfänger vorhanden ist. Sofern sie überhaupt den Empfang eines Spenderorgans Spende wünschen. Aber darüber hinaus bin ich der Meinung, dies ist eine Entscheidung, die jeder mit sich selbst und seine Gewissen vereinbaren muss.
Viele Grüße
Lior

Provisorium
09.09.2015, 21:21
Und ich persönlich würde sogar soweit gehen die Organspende zu einer moralischen Pflicht zu erklären. Natürlich akzeptiere ich, wenn jemand Organspende für sich ablehnt. Ich würde jedoch aus Gründen der Gerechtigkeit hier eine Änderung befürworten, nachdem jene die ablehnen Spender zu sein auch ihrerseits keinen Anspruch auf eine Spende haben – oder nur in jenen Fällen, in denen kein anderweitiger, seinerseits zur Spende bereiter Empfänger vorhanden ist. Sofern sie überhaupt den Empfang eines Spenderorgans Spende wünschen. Aber darüber hinaus bin ich der Meinung, dies ist eine Entscheidung, die jeder mit sich selbst und seine Gewissen vereinbaren muss.Mhhmm, interessant! Also ich würde es auch gerne sehen, wenn jeder Bürger, jede Bürgerin verpflichtet wäre, sich bzgl. der Organspende zu informieren und den jeweiligen persönlichen Wunsch schriftlich zu dokumentieren. Diese Verpflichtung würde ich übrigens auch gerne noch auf eine Patientenverfügung erweitern wollen, weil ich da große "Defizite" in unserer Gesellschaft sehe und generell der Meinung bin, dass sich die Menschen verstärkt auch mit dem Thema "Sterben und Tod" auseinandersetzen sollten, bzw. eben müssten!

Aber das ein Mensch, der selbst kein Organ spenden möchte, dann auch keinen Anspruch auf ein Organ haben soll, finde ich problematisch. Generell, so finde ich, muss jedem Menschen, unabhängig von seinen persönlichen Sichtweisen, jedwede Behandlungsmethode offen stehen. Denn man könnte dann tatsächlich von einer Art Manipulation sprechen, wenn man die Menschen dem Konflikt aussetzen würde, dass sie nur dann ein Organ bekommen können, wenn sie auch eines spenden würden. Sowas übt dann ja schon Druck aus und hat durchaus manipulativen Charakter.

Aber es stimmt auf jeden Fall, dass das Thema Organspende viel stärker ins Bewusstsein der Menschen dringen sollte. Ich persönlich kann jetzt auch gar nicht so wirklich begreifen, weshalb man seine Organe nicht "teilen" möchte.

LG
Provisorium

daVinnci
09.09.2015, 23:51
daVinnci: Jeder Mensch hat das Recht auf ein würdevolles Sterben!

Selbstverständlich, aber dem steht doch die Organspende nicht entgegen.


Provisorium, definiere bitte einmal was würdevolles Sterben für Dich beinhaltet?

Wer für sich, nach der Auseinandersetzung, die Entscheidung getroffen hat ich bin ein Organspender, dann ist es doch o.k.!

Jedoch ca. 90 % aller Organentnahmen entscheiden Andere.

Lior
10.09.2015, 03:04
Mhhmm, interessant! Also ich würde es auch gerne sehen, wenn jeder Bürger, jede Bürgerin verpflichtet wäre, sich bzgl. der Organspende zu informieren und den jeweiligen persönlichen Wunsch schriftlich zu dokumentieren. [...]Das wäre eine Lösung, sozusagen eine Pflicht zur Stellungnahme. Aber es wären auch andere Modelle denkbar – z.B. das Modell der Widerspruchserklärung wie es in Spanien gehandhabt wird. D.h. jeder ist potentieller Organspender es sei denn, er verweigert ausdrücklich seine Zustimmung. (Das gilt übrigens soweit ich weiß auch für Urlauber aus z.B. Deutschland)


Aber das ein Mensch, der selbst kein Organ spenden möchte, dann auch keinen Anspruch auf ein Organ haben soll, finde ich problematisch. Generell, so finde ich, muss jedem Menschen, unabhängig von seinen persönlichen Sichtweisen, jedwede Behandlungsmethode offen stehen.Ich würde gerne näher erläutern, weshalb ich dem nur bedingt zustimmen würde. Letztlich ist das Problem der Organvergabe ja auch ein ökonomisches, weil es viel zu wenig Organe für zu viel Empfänger gibt. Umgekehrt könnte man also argumentieren, dass es jenen gegenüber unfair wäre, die selbst bereit zur Spende wären, wenn jene, die sich dieser verweigern, bei einem eigenen Bedarf im selben Umfang Nutznießer sein können. Würden wir hier von einer Versicherung sprechen, wäre es vermutlich unstrittig, dass Menschen die nicht ins System einzahlen selbst keinen Anspruch auf Versicherungsleistungen haben – oder nur auf eine minimale Grundversorgung. In Bezug auf die Organspende sehe ich die Situation nicht wesentlich anders, denn hier wird mit der Verweigerung billigend in Kauf genommen, dass ein anderer potentiell stirbt. Das mag zwar das gute Recht des Nicht-Spenders sein (auch wenn ich es wie gesagt für unmoralisch halte), aber wieso sollte er im Gegenzug im selben Maße von dem System profitieren? Natürlich müsste man Spendenverweigerer nicht kategorisch ausschließen, aber eine entsprechende nachrangige Position oder zumindest einen Bonus für Spendenbereite in der Vergabe von Warteplätzen halte ich durchaus für angemessen.


Denn man könnte dann tatsächlich von einer Art Manipulation sprechen, wenn man die Menschen dem Konflikt aussetzen würde, dass sie nur dann ein Organ bekommen können, wenn sie auch eines spenden würden. Sowas übt dann ja schon Druck aus und hat durchaus manipulativen Charakter. Das wiederum könnte man durchaus so sehen. Aber ist das Bonusheft für den Zahnarzt in deinen Augen auch schon eine Art Manipulation? Oder die Wertsteigerung durch ein Scheckheft beim Auto?^^ Nein, ganz im Ernst, grundsätzlich gilt das doch für jede moralische oder juristische Regelung, oder nicht? Das also zu einem bestimmtes Verhalten angehalten wird, ist in meinen Augen keine unangemessene Manipulation, sondern eine Frage der Regelung des sozialen Miteinanders. Moralische Verpflichtungen nehmen uns eben in Pflicht – und nötigen uns gerade auch da, wo sie kein Vergnügen bereiten. Das ist jedoch Sinn und Zweck der Moral – diese aufgrund ihres „manipulativen“ Charakters abzulehnen würde in das Chaos begierdegeleiteter Beliebigkeit führen, oder nicht?

Lieben Gruß
Lior

firefly
10.09.2015, 08:19
ob Organspende eine "Christenpflicht" ist, weiß ich nicht. Mir scheint, nehmt es mir bitte nicht übel, manchmal sogar, dass dieses Thema unter Christen viel mehr negativ diskutiert oder abgelehnt wird, als unter anderen Menschen. (aber das kann subjektiv täuschen)
Moralisch oder menschlich sollte wohl jeder zumindest Erwachsene mal darüber nachdenken und persönlich sein FÜr und Wider abwägen, denn sich nicht damit zu beschäftigen, verstehe ich als ignorieren menschlicher Schicksale.

Ob es gesetzlich geregelt werden muss, dass Menschen sich Zeit nehmen, um sich mit einem solchen moralischen Thema zu beschäftigen- manchmal scheint es so, aber vielleicht liegt es an meiner positiven Denkweise über uns Menschen und meinen naiven Glauben an Menschlichkeit, dass ich hoffe, dass es auch ohne Gesetze in die Herzen und Köpfe vordringt.

Ich bin Organspender, registriert für Blut- und Knochenmarksspende seit längerem.
Warum... als mein Sohn kurz nach der Geburt damals erkrankte an den Nieren aufgrund einer angeborenen Fehlbildung, war mir klar, dass es Menschenschicksale gibt, bei denen man eben nicht "erst einzahlen" kann in die Gemeinschaft (mal salopp und überspitzt ausgedrückt).
Hilflos stehen Eltern der betroffenen Kinder da und hoffen, dass ein Wunder geschieht.

Ich habe damals das Für und Wider abgewogen, als dieses Thema bei weitem noch nicht so offen in der Öffentlichkeit diskutiert wurde. Ich habe nie meine Entscheidung bereut.

Selbst wenn ein Mensch durch "eigenes Verschulden" oder ungesunde Lebensweise etc. ein Organ verloren hätte... selbst dann möchte und kann ich nicht einschränken und meinen, diesen Menschen stände kein Organ zu, wie leider manchmal diskutiert würde.
Ich selbst gebe, was ich zu geben in der Lage bin, denn ich glaube, dass dieses momentane Leben für mich nicht das Ende ist, also warum behalten, was ich im Tod nicht mehr brauchen werde?
;-)

firefly

daVinnci
10.09.2015, 08:42
* Jeder Mensch hat das Recht auf ein würdevolles Sterben!


Selbstverständlich, aber dem steht doch die Organspende nicht entgegen.



Siehe: www.initiative-kao.de

Sunigol
10.09.2015, 09:09
Ich glaube, wenn jemand hirntot nach Definition ist, dann ist alles, was ihn als Person ausmachte, unwiederbringlich weg. Unabhängig davon, ob einzelne Körperfunktionen und Reflexe vielleicht noch intakt sind. Wenn man es also hinkriegt, diesem Körper die noch lebensfähigen Organe zu entnehmen, ohne ihm Schmerzen zuzufügen, dann soll es mir von daher gesehen recht sein.

Sorgen macht mir eher, dass das System auf verschiedenste Weise korrumpiert werden kann, wenn Empfänger mit genügend großen Geldbeträgen winken und Ärzte oder Kliniken dafür empfänglich sind. Dafür gabs ja schon Beispiele. Ich glaube, dass hier nur Transparenz und öffentliche Kontrolle wirksam helfen. Wie man das mit der Privatsphäre der Spender und Empfänger vereinbaren kann, weiß ich spontan auch nicht, aber irgendwas wirkungsvolles sollte man sich hier ausdenken. Vielleicht muss man die Privatsphäre in manchen Situationen ein bisschen einschränken (wohlgemerkt: einschränken, nicht aufheben).

Was das Ganze mit Christenpflicht zu tun hat, ist meiner Meinung nach erklärungsbedürftig. Wer behauptet denn, Organspende sei eine Pflicht speziell oder besonders für Christen? Bitte mit Belegen.

Und mit dem Begriff "moralische Pflicht" habe ich große Bedenken. Wenn es erst mal die "moralische Pflicht" zur Organspende gibt, sinken die ethischen Standards bei den Organisationen und Kliniken, weil man ja dank allgemeiner Pflicht nicht mehr so überzeugend sein muss. Auch für solche Effekte gibt es Beispiele.

daVinnci
10.09.2015, 13:33
Ich habe nie meine Entscheidung bereut.

Firefly, Bereuen kannst Du das auch erst während der Transplantation.


..., also warum behalten, was ich im Tod nicht mehr brauchen werde?


Stimmt, die Organe benötigen wir nach dem Tod nicht mehr, aber wenn wir sie geben sind wir noch nicht tot!

daVinnci
10.09.2015, 13:41
...denn hier wird mit der Verweigerung billigend in Kauf genommen, dass ein anderer potentiell stirbt.

Lior, wir sterben nicht weil wir krank werden, sondern wir sterben weil wir sterblich sind! Auch mit einem neuen Organ, wenn es angenommen wird!

Ich kenne zwei Menschen die für "Hirntod" erklärt wurden, aber sich heute noch des Lebens freuen, weil die nahen Angehörigen keine Zustimmung für eine Transplantation gaben. !!!

daVinnci
10.09.2015, 13:52
Lior: Auch ich denke nicht, dass hier potentielle Spender manipuliert werden.

Nun, dann schau bitte einmal auf die Rückseite Deines Organspendeausweises. Dort steht zum ankreuzen: " Ja, ich gestatte, dass nach der Feststellung meines Todes meinem Körper Organe entnommen werden."

Hier wird also den Menschen suggeriert, dass Ihnen erst nach dem Tode die Organe entnommen werden. Das ist aber nicht der Fall. Der Mensch stirbt erst (unwürdig) durch die Organentnahme. Hier also beginnt schon der Betrugsversuch! :-(

Warum wohl steht auf den Organspendeausweisen nichts von "Hirntot"?

Nochmals Prof. Dr. Rudolf Pischlmayr: "Wenn wir die Gesellschaft tatsächlich über die Organspende aufklären würden, bekommen wir keine Organe mehr."

Sunigol
10.09.2015, 13:57
Jedoch ca. 90 % aller Organentnahmen entscheiden Andere.
Und wer sind diese Anderen? Nach geltender Rechtslage können das ja, wenn es keinen Spenderausweis gibt, nur die Angehörigen entscheiden, oder? Der Arzt kann zwar den Hirntod feststellen als Voraussetzung für die Entnahme, und er kann dabei (genug bösen Willen unterstellt) auch Leute für hirntot erklären, die noch quietschlebendig sind, aber er kann die Organspende nicht anordnen.

daVinnci
10.09.2015, 14:00
Ich glaube, wenn jemand hirntot nach Definition ist, dann ist alles, was ihn als Person ausmachte, unwiederbringlich weg.

Dieser irrigen Ansicht sind sehr viele.

Aber was macht eine Person denn zum Menschen? Was ist weg? "Hirntote" haben noch Kinder entbunden.

Provisorium
10.09.2015, 14:10
Provisorium, definiere bitte einmal was würdevolles Sterben für Dich beinhaltet?Das kann ich gerne machen, wäre dir aber auch sehr dankbar, wenn du deinerseits mal meine Fragen an dich beantworten könntest. Ich wollte nämlich gerne wissen, inwiefern du da bzgl der Organspende Manipulationen siehst und ich hätte gerne seriöse Belege dafür, dass das ein Milliardengeschäft sein soll.

Aber bzgl. des würdevollen Sterbens lässt sich gar nicht so einfach eine allgemeingültige Definition finden, denn die Wünsche der Menschen, bzgl. des eigenen Sterbens, sind ausgeprochen unterschiedlich. Es gibt Menschen die können und wollen nur sterben, wenn (bestimmte) Angehörige und Freunde dabei sind und andere wollen tatsöchlich lieber allein sein.

Hinsichtlich der Organspende könnte man z.B. sagen, dass der Tod eines Menschen gerade dadurch eine besondere Form von Würde verliehen bekommt, wenn seine Organe einem anderen Menschen noch viele schöne Lebensjahre bescheren.

Ich halte es persönlich jedenfalls nicht für sehr würdevoll, wenn ich an irgendeiner Maschine hänge, die künstlich meinen Herzkreislauf aufrecht erhält, während mein Hirn, oder zumindest mein Großhirn und der Hirnstamm, keinen Mucks mehr von sich gibt. In diesem Zustand dürfen meine Organe also sehr gerne entnommen werden. :-)

LG
Provisorium

daVinnci
10.09.2015, 14:27
Das kann ich gerne machen, wäre dir aber auch sehr dankbar, wenn du deinerseits mal meine Fragen an dich beantworten könntest. Ich wollte nämlich gerne wissen, inwiefern du da bzgl der Organspende Manipulationen siehst und ich hätte gerne seriöse Belege dafür, dass das ein Milliardengeschäft sein soll


Gerne! Zum Organspendeausweis habe ich schon geschrieben. Die Verteilungsskandale und die erfolgten Manipulationen, so wie die erfolgte Verurteilung von Transplantations-Medizinern, solltest Du per Medien mitbekommen haben. (deshalb wundert mich schon Deine Frage)

Das Milliardengeschäft ist auch keine "Blackbox". Z.B. kostet eine Herztransplantation 150 bis 300 tausend Euro. Ohne pharmazeutische Folgekosten. Den Rest magst Du selbst aus rechnen.

Der Deutsche Berufsverband für Pflegekräfte e.V. (DBfK) stellt fest:
"Die Würde des Menschen und die Achtung vor dem Tod treten gegenüber den Interessen der Transplantationsmedizin und wirtschaftlichen Interessen zurück".

Provisorium
10.09.2015, 14:28
Das wäre eine Lösung, sozusagen eine Pflicht zur Stellungnahme. Aber es wären auch andere Modelle denkbar – z.B. das Modell der Widerspruchserklärung wie es in Spanien gehandhabt wird. D.h. jeder ist potentieller Organspender es sei denn, er verweigert ausdrücklich seine Zustimmung. (Das gilt übrigens soweit ich weiß auch für Urlauber aus z.B. Deutschland)Ach komm! Da ist man dann als Spanien-Urlauber automatisch Organspender, wenn man dem nicht ausdrücklich widerspricht?


Ich würde gerne näher erläutern, weshalb ich dem nur bedingt zustimmen würde. Letztlich ist das Problem der Organvergabe ja auch ein ökonomisches, weil es viel zu wenig Organe für zu viel Empfänger gibt. Umgekehrt könnte man also argumentieren, dass es jenen gegenüber unfair wäre, die selbst bereit zur Spende wären, wenn jene, die sich dieser verweigern, bei einem eigenen Bedarf im selben Umfang Nutznießer sein können. Würden wir hier von einer Versicherung sprechen, wäre es vermutlich unstrittig, dass Menschen die nicht ins System einzahlen selbst keinen Anspruch auf Versicherungsleistungen haben – oder nur auf eine minimale Grundversorgung. In Bezug auf die Organspende sehe ich die Situation nicht wesentlich anders, denn hier wird mit der Verweigerung billigend in Kauf genommen, dass ein anderer potentiell stirbt. Das mag zwar das gute Recht des Nicht-Spenders sein (auch wenn ich es wie gesagt für unmoralisch halte), aber wieso sollte er im Gegenzug im selben Maße von dem System profitieren? Natürlich müsste man Spendenverweigerer nicht kategorisch ausschließen, aber eine entsprechende nachrangige Position oder zumindest einen Bonus für Spendenbereite in der Vergabe von Warteplätzen halte ich durchaus für angemessen.Mhmm, ich verstehe schon wie du das siehst, aber die einzige Reglementierung, die ich mir persönlich vorstellen könnte, wäre eine bevorzugte Behandlung eines bereitwilligen Spenders, wenn er ein Organ genauso gut brauchen könnte, wie ein Nichtspender, also wenn das Organ bei beiden passen würde. Es ist ja so, dass nun nicht jeder z.B. das provisorische Herz haben könnte, denn vielen wäre es vielleicht zu klein, oder zu groß und die Blutgruppe passt nicht. Dann kann gerne derjenige bevorzugt mein Herz haben, dem es passt und der selbst Spender ist, im Gegensatz zu dem, dem es zwar auch passen würde, der aber nicht spenden wollte. Obwohl das ja eigentlich gar nicht meine Art ist, weil ich persönlich unterscheide nicht auf diese Weise zwischen den Menschen. Also ich würde es auch daVinnci geben...:-)


Das wiederum könnte man durchaus so sehen. Aber ist das Bonusheft für den Zahnarzt in deinen Augen auch schon eine Art Manipulation? Oder die Wertsteigerung durch ein Scheckheft beim Auto?^^ Nein, ganz im Ernst, grundsätzlich gilt das doch für jede moralische oder juristische Regelung, oder nicht? Das also zu einem bestimmtes Verhalten angehalten wird, ist in meinen Augen keine unangemessene Manipulation, sondern eine Frage der Regelung des sozialen Miteinanders. Moralische Verpflichtungen nehmen uns eben in Pflicht – und nötigen uns gerade auch da, wo sie kein Vergnügen bereiten. Das ist jedoch Sinn und Zweck der Moral – diese aufgrund ihres „manipulativen“ Charakters abzulehnen würde in das Chaos begierdegeleiteter Beliebigkeit führen, oder nicht?Ja ok! Es ist keine moralische Manipulation, sondern eine Regelung des sozialen Miteinanders! Verstanden! Da hast mich aber fein manipuliert...:-)

LG
Provisorium

daVinnci
10.09.2015, 14:34
Ach komm! Da ist man dann als Spanien-Urlauber automatisch Organspender, wenn man dem nicht ausdrücklich widerspricht?



Für Österreich gilt das auch. Das Gesetz entstand unter dem Einfluss der Lobbyisten der Transplantations Industrie.

Auch in D wollte eine Lobby der T.-Industrie das auch durch drücken. Es scheiterte aber zum Glück im Bundestag.

Aber die Hauptfrage ist, was passiert wenn der Widerspruch nicht vorhanden ist oder sogar aus "versehen" nicht gefunden werden will? :-(


Ich glaube so schwer ist die Antwort nicht: Ran ans "Ersatzteillager"!!

Provisorium
10.09.2015, 14:36
Gerne! Zum Organspendeausweis habe ich schon geschrieben. Die Verteilungsskandale und die erfolgten Manipulationen, so wie die erfolgte Verurteilung von Transplantations-Medizinern, solltest Du per Medien mitbekommen haben. (deshalb wundert mich schon Deine Frage)Das, was manipuliert wurde, war die Reihenfolge auf der Transplantationsliste, aber in der Frage bzgl. des "Für und Wider" der Organspende wird man doch nicht manipuliert.


Das Milliardengeschäft ist auch keine "Blackbox". Z.B. kostet eine Herztransplantation 150 bis 300 tausend Euro. Ohne pharmazeutische Folgekosten. Den Rest magst Du selbst aus rechnen.Ähh, die Operationen sind so teuer, aber deine Aussage suggerierte, dass da mit den Organen Milliarden verdient werden. Die Organe sind aber eine Spende, die kosten also gar nichts.


Der Deutsche Berufsverband für Pflegekräfte e.V. (DBfK) stellt fest:
"Die Würde des Menschen und die Achtung vor dem Tod treten gegenüber den Interessen der Transplantationsmedizin und wirtschaftlichen Interessen zurück".Oh hör mir bloß mit dem DBFK auf! Ich bin selbst Teil des DBFK und da sitzen nur Totalversager und Wichtigtuer, die noch nie auch nur irgendetwas Gutes für die Pflege und die Ethik des Berufes des Krankenpflegers getan haben!

LG
Provisorium

Lior
10.09.2015, 14:37
Lior, wir sterben nicht weil wir krank werden, sondern wir sterben weil wir sterblich sind! Auch mit einem neuen Organ, wenn es angenommen wird!Hallo DaVinnci, natürlich sterben wir auch mit einem neuen Organ irgendwann, aber inwiefern widerspricht das dem von mir gesagten? Natürlich sterben wir alle einmal. Aber Fakt ist doch, wenn es mir möglich ist einem Sterbenden zu helfen und ich ihm diese Hilfe verweigere, nehme ich seinen Tod billigend in Kauf. Das gälte unter gewissen Umständen für ein Nein zur Organspende ebenso wie in anderen Fällen. Nun hat natürlich jeder das Anrecht auf seinen eigenen Körper, und sicherlich kann man niemanden zwingen Organe zu spenden, die man selbst noch benötigt. Und hier wird es dann eben interessant, ob ein hirntoter Mensch unserer Auffassung nach diese noch benötigt oder nicht, sprich ob er noch am Leben ist. Was wieder zu der Frage führt, ob ich Leben über die rein biologische Funktion des Körpers definiere, oder ontologisch über das Wesen der Person und der integrativen Funktion des Bewusstseins. Von der Beantwortung dieser Frage hängt es dann auch ab, ob ich eine Nicht-Spende als unmoralisch weil dem anderen eine mögliche Hilfe vorenthaltend betrachte.
Ich hatte oben schon ein Bild skizziert, dass mich rein intuitiv daran Zweifeln lässt, ob ein Mensch noch am Leben ist, nur weil seine Körperfunktionen aufrechterhalten sind. Das war der Gedanke was passiert, wenn radikalst formuliert einem Mensch der Kopf abgetrennt werden würde, der Herz-Kreislauf aber maschinell aufrecht erhalten werden würde. Würden wir von einem Lebenden sprechen, wenn sein kopfloser aber von einer Maschine „am funktionieren gehaltener“ Körper von seinen Angehörigen beispielsweise in einem Rollstuhl durch die Gegend gefahren werden würde? Wie siehst du das, DaVinnci?

Ich kenne zwei Menschen die für "Hirntod" erklärt wurden, aber sich heute noch des Lebens freuen, weil die nahen Angehörigen keine Zustimmung für eine Transplantation gaben. !!! Da ich die beiden Fälle nicht kenne, kann ich zu diesen speziell nichts sagen – außer dass es in meinen Augen eine glückliche Ausnahme ist, dass du gleich zwei dieser Menschen kennen darfst. Grundsätzlich kann es immer zu einer falschen Diagnose und einer fälschlichen Feststellung des Todes kommen. Das ist eine bedauerliche aber leider vermutlich unvermeidbare Tatsache. Die Frage ist nun aber die, welches der Kriterien als das Sicherste gelten kann – aber leider bedeutet „das Sicherste“ nicht zwingend auch absolut fehlerfrei. Die von dir angesprochenen Fälle sind insofern in meinen Augen kein Argument gegen das Hirntod-Kriterium. Lediglich ein Hinweis darauf, dass auch dieses Kriterium nicht perfekt ist – oder die Menschen, die sich seiner bedienen.

Provisorium
10.09.2015, 14:41
Aber die Hauptfrage ist, was passiert wenn der Widerspruch nicht vorhanden ist oder sogar aus "versehen" nicht gefunden werden will? :-(Du siehst da also "verschwörerische Kräfte" am Werk, richtig?

LG
Provisorium

daVinnci
10.09.2015, 14:44
Provisorium: Ähh, die Operationen sind so teuer, aber deine Aussage suggerierte, dass da mit den Organen Milliarden verdient werden. Die Organe sind aber eine Spende, die kosten also gar nichts.



Ach ja stimmt, jetzt wo Du es sagst! Ich vergas, die Krankenhäuser arbeiten ja auch alle ehrenamtlich und die Pharmaindustrie gibt alles kostenfrei. ;-)

Lior
10.09.2015, 14:47
Ach komm! Da ist man dann als Spanien-Urlauber automatisch Organspender, wenn man dem nicht ausdrücklich widerspricht?
Wie DaVnnci schon darauf hingewiesen hat... ja, genau das.

Mhmm, ich verstehe schon wie du das siehst, aber die einzige Reglementierung, die ich mir persönlich vorstellen könnte, wäre eine bevorzugte Behandlung eines bereitwilligen Spenders, wenn er ein Organ genauso gut brauchen könnte, wie ein Nichtspender, also wenn das Organ bei beiden passen würde. [...] Ja, einem solchen Modell würde ich ebenfalls den Vorzug geben. Bei der Vergabe von Organen spielen ja sowieso ganz unterschiedliche Faktoren mit eine Rolle - ein kleiner Bonus für Spendenbereite würde bei absolut gleicher Lage diese bevorzugen, aber einen Nicht-Spender nicht grundsätzlich ans Ende der Warteliste verbannen, weil er eben aufgrund anderer Faktoren doch eher in Frage kommt als ein anderer.

Ja ok! Es ist keine moralische Manipulation, sondern eine Regelung des sozialen Miteinanders! Verstanden! Da hast mich aber fein manipuliert...:-) Naja, ich hoffe du nimmst es mir nicht übel.^^

Provisorium
10.09.2015, 14:48
Ach ja stimmt, jetzt wo Du es sagst! Ich vergas, die Krankenhäuser arbeiten ja auch alle ehrenamtlich.Nein, die Krankenhäuser arbeiten selbstverständlich nicht ehrenamtlich, aber was willst du denn jetzt eigentlich sagen? Willst du behaupten, dass aufgrund der saftigen Einnahmen für ein Krankenhaus, Menschen, die eigentlich noch eine frohe Zukunft vor sich haben könnten, organmäßig ausgeschlachtet und getötet werden?

Provisorium
10.09.2015, 14:56
Wie DaVnnci schon darauf hingewiesen hat... ja, genau das.Das wusste ich noch nicht! Mhmm, die gehen aber ran! Aber gut, dann werden sich ja zumindest die Österreicher und Spanier da ihre Gedanken gemacht haben. Und wie sieht da jetzt die Verteilung aus? Gibt es da mehr Spender, oder mehr Verweigerer?


Ja, einem solchen Modell würde ich ebenfalls den Vorzug geben. Bei der Vergabe von Organen spielen ja sowieso ganz unterschiedliche Faktoren mit eine Rolle - ein kleiner Bonus für Spendenbereite würde bei absolut gleicher Lage diese bevorzugen, aber einen Nicht-Spender nicht grundsätzlich ans Ende der Warteliste verbannen, weil er eben aufgrund anderer Faktoren doch eher in Frage kommt als ein anderer.Ja ok, damit könnte man leben. Oder halt nicht...:-)


Naja, ich hoffe du nimmst es mir nicht übel.^^Niemals!

Sunigol
10.09.2015, 15:14
Dieser irrigen Ansicht sind sehr viele.
Das ist jetzt nicht gerade eine argumentative Glanzleistung. Dass viele dieser Ansicht sind, ist meiner Meinung nach ein Indiz dafür, dass es vielleicht doch keine irrige Ansicht ist.

Hirntod bedeutet "das irreversible Ende aller Hirnfunktionen aufgrund von weiträumig abgestorbenen Nervenzellen." Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Hirntod

Das wird da noch genauer beschrieben, insbesondere auch, was unter "irreversibel" zu verstehen ist. Und wenn man sich an diese Definitionen hält (und nicht hastig einen Patienten für tot erklärt, weil man an seine Organe will), dann bin ich zuversichtlich, dass derjenige tatsächlich aufgehört hat, eine Einheit von Körper und Geist zu sein.

Das ist der entscheidende Punkt, dass die Kriterien für Hirntod sorgfältig und objektiv geprüft werden, dass die Wartezeiten eingehalten werden, dass verschiedene Ärzte unabhängig voneinander zu der Diagnose kommen und so weiter. Wer nicht daran glaubt, dass das so gemacht wird, der soll auf seinem Spenderausweis "Nein" ankreuzen und ist damit aus der Sache raus.

Das mit der "Christenpflicht" hast du übrigens auch noch nicht erläutert. Oder war das nur der Aufhänger, um das hier zu posten?


Aber was macht eine Person denn zum Menschen? Was ist weg?
Seine Persönlichkeit, seine Seele, sein Verstand, sein Bewusstsein. Nenn es, wie du willst.


"Hirntote" haben noch Kinder entbunden.
Eine Entbindung per Kaiserschnitt erfordert auch nicht allzuviel Beteiligung der Schwangeren.

Sunigol
10.09.2015, 15:51
Aber die Hauptfrage ist, was passiert wenn der Widerspruch nicht vorhanden ist oder sogar aus "versehen" nicht gefunden werden will? :-(

Ich glaube so schwer ist die Antwort nicht: Ran ans "Ersatzteillager"!!
Ich glaube, in dem Fall hilft ein Blick in die gültige Rechtslage: Keine Entnahme ohne vorherige Zustimmung. Es reicht also nicht, keinen Widerspruch zu finden. Man muss die Zustimmung finden, um zu dürfen. Alles andere ist illegal und gibt, wenn es bekannt wird, einen Riesenskandal. Und dass alles irgendwann bekannt wird, daran kann nach Guttenberg und Ed Snowden auch kein ernsthafter Zweifel mehr bestehen.

Aber eigentlich weißt du das alles, denn du hast selber geschrieben "scheiterte im Bundestag". Warum du deine Verschwörungstheorie trotzdem hier ausbreitest, verstehe ich wirklich nicht.

Provisorium
10.09.2015, 16:34
Und dass alles irgendwann bekannt wird, daran kann nach Guttenberg und Ed Snowden auch kein ernsthafter Zweifel mehr bestehen.Der war gut! :-)


Aber eigentlich weißt du das alles, denn du hast selber geschrieben "scheiterte im Bundestag". Warum du deine Verschwörungstheorie trotzdem hier ausbreitest, verstehe ich wirklich nicht.Ja genau, ich spüre hier auch gewisse "verschwörungstechnische Ängste". Aber wenn man mal weiß, in was für einen "Zustand" sich ein Mensch befindet (befinden muss), der überhaupt für eine Spende in Frage kommt, dann muss man wirklich keine Angst mehr haben. Es ist ja nicht so, als würde man von der Organmafia irgendwo entführt und dann organmäßig ausgeschlachtet....

daVinnci
10.09.2015, 19:49
Aber eigentlich weißt du das alles, denn du hast selber geschrieben "scheiterte im Bundestag". Warum du deine Verschwörungstheorie trotzdem hier ausbreitest, verstehe ich wirklich nicht.

Ach, Sunigol, lies doch bitte richtig.

daVinnci
10.09.2015, 19:52
Seine Persönlichkeit, seine Seele, sein Verstand, sein Bewusstsein. Nenn es, wie du willst.



Der Mensch lebt aber seine Seele ist weg? Wahrlich Sunigol, Du bist ja ein ganz Grosser.

Lior
10.09.2015, 20:41
Das wusste ich noch nicht! Mhmm, die gehen aber ran! Aber gut, dann werden sich ja zumindest die Österreicher und Spanier da ihre Gedanken gemacht haben. Und wie sieht da jetzt die Verteilung aus? Gibt es da mehr Spender, oder mehr Verweigerer?
Ich bin mir offen gesagt nicht sicher. Wenn ich mich recht erinnere, haben sich die Zahlen mit Einführung dieser Widerspruchslösung etwas mehr als verdoppelt – regional teilweise sogar vervierfacht. Kann aber sein, dass die Zahlen sich hier in den letzten Jahren nochmal geändert haben. Umgekehrt meine ich mich aber zu erinnern, dass nur 20% der in Deutschland Befragten, die einer Organentnahme zustimmen würden, tatsächlich auch einen Spenderausweis haben. Zwar kann es natürlich sein, dass einige der Aussagen nur Lippenbekenntnisse darstellen, aber viele führen den organisatorischen Aufwand bzw. die Notwendigkeit selbst aktiv werden zu müssen als Grund an, weswegen sie sich noch nicht um einen entsprechenden Ausweis gekümmert haben. Wenn man bedenkt, dass auf eine Million Menschen nur ich glaube zuletzt waren es ca. 15 Spender kommen, ist das schon bedauerlich.
Was das Verteilungssystem in Spanien betrifft, da kann ich nichts dazu sagen - da bin ich auch nicht informiert. Ich meine mich aber dunkel erinnern zu können, dass es von seiner Struktur als deutlich sinnvoller beurteilt wurde, weil es nur eine staatliche Behörde gab, die sich um alles kümmert - von der Verteilung bis zur Angehörigenbetreuung. Ich meine hierzulande gibt es da deutlich mehr Bürokratie....

Lior
10.09.2015, 20:48
Ich glaube, in dem Fall hilft ein Blick in die gültige Rechtslage: Keine Entnahme ohne vorherige Zustimmung. [...]
Aber eigentlich weißt du das alles, denn du hast selber geschrieben "scheiterte im Bundestag". Warum du deine Verschwörungstheorie trotzdem hier ausbreitest, verstehe ich wirklich nicht.
Um hier vielleicht einen etwas zielführenderen Hinweis zu geben..... Ich denke DaVinnci hat hier in Beitrag 18 auf das in Spanien und Österreich etablierte Modell der Widerspruchslösung Bezug genommen, dem gegenüber er mit seiner Bemerkung kritische Bedenken äußert. ....

Provisorium
10.09.2015, 22:03
Ich bin mir offen gesagt nicht sicher. Wenn ich mich recht erinnere, haben sich die Zahlen mit Einführung dieser Widerspruchslösung etwas mehr als verdoppelt – regional teilweise sogar vervierfacht. Kann aber sein, dass die Zahlen sich hier in den letzten Jahren nochmal geändert haben. Umgekehrt meine ich mich aber zu erinnern, dass nur 20% der in Deutschland Befragten, die einer Organentnahme zustimmen würden, tatsächlich auch einen Spenderausweis haben. Zwar kann es natürlich sein, dass einige der Aussagen nur Lippenbekenntnisse darstellen, aber viele führen den organisatorischen Aufwand bzw. die Notwendigkeit selbst aktiv werden zu müssen als Grund an, weswegen sie sich noch nicht um einen entsprechenden Ausweis gekümmert haben. Wenn man bedenkt, dass auf eine Million Menschen nur ich glaube zuletzt waren es ca. 15 Spender kommen, ist das schon bedauerlich.Ja, das ist in der Tat bedauerlich, wenn es letztlich an bürokratischen Hürden, oder der Mühe die es macht scheitern sollte. Meine Idee war ja immer, dass man das bereits in der Schule thematisiert und wenn man dann mit achtzehn Jahren einen Ausweis bekommt, auch seine Vorstellungen bezüglich des Themas "Organspende" und "Patientenverfügung" dokumentiert wird (meinetwegen auf einem Chip auf dem Personalausweis, oder, vielleicht sinnvoller, auf der Krankenkassenkarte). Wichtig ist mir halt nur, dass die Menschen damit nicht allein gelassen werden und wirklich umfangreich über das "Für und Wider" informiert werden und da müssen dann natürlich auch etwaige Missbrauchsmöglichkeiten erläutert werden.

LG
Provisorium

Sunigol
10.09.2015, 22:04
Um hier vielleicht einen etwas zielführenderen Hinweis zu geben..... .
Danke, jetzt ahne ich, was daVinnci vielleicht meinte, als er sagte, ich solle doch richtig lesen.

Ich habe seine Bemerkung auf den unmittelbar davor stehenden Satz über Deutschland bezogen, aber er meinte vielleicht Österreich oder Spanien, was noch weiter oben stand. Ich verstehe allerdings nicht, welche Bedeutung es für in Deutschland lebende potentielle Organspender hat, wenn die rechtliche Situation in anderen Ländern unzureichend ist. Das kann man blöd finden, und wenn einem das Sorgen macht, dann macht man um das Land einen Bogen (macht man mit anderen Ländern schließlich auch), und fertig.

Sunigol
10.09.2015, 22:07
da müssen dann natürlich auch etwaige Missbrauchsmöglichkeiten erläutert werden.
Noch sinnvoller wäre es allerdings, wenn man schon konkrete Fälle kennt, die fälschlicherweise für tot erklärt werden sollten, dass man das bekannt macht als Fall von Missbrauchsverdacht, damit das untersucht werden kann. Das ist jedenfalls besser als ausgehend von solchen (Einzel?)-Fällen das ganze System in Misskredit zu bringen.

Provisorium
10.09.2015, 22:41
Ja klar, das ganze System sollte keinesfalls in Misskredit gebracht werden, aber es muss trotzdem wirklich umfangreich aufklärt und deshalb eben auch darauf eingegangen werden, was es in der Vergangenheit für Skandale gab. Gleichzeitig müssen natürlich auch die vielen Beispiele genannt werden, in denen eine Transplantation reichen Segen für die betroffene Person bedeutete. Grundsätzlich geht es ja bei der Frage nach der Organspende, auch immer um die Frage nach dem eigenen Tod und damit verbunden um die Frage, ob ich z.B. künstlich von Maschinen am Leben erhalten werden möchte. Darauf gibt es keine einfachen Antworten und schon gar keine allgemein verbindliche, sondern das muss jeder für sich selbst wissen und entscheiden. Schlimm finde ich, wenn die Angehörigen nur mutmaßen können, was denn der Wille des künstlich am Leben erhaltenen Menschen gewesen sein könnte, weil er sich nie dazu klar äußerte.

LG
Provisorium

Lior
10.09.2015, 23:34
Meine Idee war ja immer, dass man das bereits in der Schule thematisiert und wenn man dann mit achtzehn Jahren einen Ausweis bekommt, auch seine Vorstellungen bezüglich des Themas "Organspende" und "Patientenverfügung" dokumentiert wird (meinetwegen auf einem Chip auf dem Personalausweis, oder, vielleicht sinnvoller, auf der Krankenkassenkarte). Wichtig ist mir halt nur, dass die Menschen damit nicht allein gelassen werden und wirklich umfangreich über das "Für und Wider" informiert werden und da müssen dann natürlich auch etwaige Missbrauchsmöglichkeiten erläutert werden.
Dieses Konzept gefällt mir und würde ich sofort mit unterschreiben.^^

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Lieber DaVinnci, darf ich dich vielleicht noch einmal auf meinen Beitrag mit der Nummer 20 hinweisen - insbesondere auf meine Frage zu deiner Einschätzung des "kopflosen" Menschen, den ich dort angesprochen habe. Da man oder zumindest ich aus deinen Beiträgen durchaus ein holistisches Menschenbild heraushören könnte, und da hier im Besonderen deine Beiträge den Hirntod eher abzulehnen scheinen und du im Zusammenhang mit Organspende ja auch von einer Lebendspende sprichst, würde ich mich ehrlich dafür interessieren, wie deine Antwort auf meine Frage ausfallen würde.
Lieben Gruß
Lior

thalestris
12.09.2015, 09:55
Hm..... &augenroll

über Organspende hab ich mir noch nie in meinem Leben Gedanken gemacht. Ich war (Gott sei dank) auch noch nie in der Situation das ich auf eine Organspende angewiesen war. In meinem Umfeld gibt es auch niemanden der eins braucht, deswegen war das Thema bisher nie in meinen Gedanken.

Ich finde aber (auf die Überschrift von diesem Thread bezogen) das eine Religionszugehörigkeit (Christsein) nicht dazu verpflichtet das man Organspender ist. Das finde ich Blödsinn...sorry. Das ist doch eher eine Frage wie man persönlich dazu steht. Aber man kann ja nicht hingehn und sagen...ah, Christ, okay, Christen müssen alles teilen, auch ihre Organe. Es ist immer noch der eigene Körper und ich finde es nicht gut wenn die eigene Religion darüber bestimmen soll ob man Organe spendet. Entweder man macht es weil man davon überzeugt ist das es eine gute Sache ist oder man lässt es... aber die Religion sollte nicht darüber bestimmen. Es ist immer noch der eigene Körper und wenn man in ner Patientenverfügung über seinen Körper bestimmen darf, dann sollte man auch da über seinen Körper bestimmen können. Wenn man nicht alle Optionen hat (spenden/nicht spenden) dann hat das für mich iwie so nen Zwangscharakter..
Andererseits haben die Ägypter ihren Mumien einfach mal alle Organe rausgenommen^^ Aber das ist ne andere Geschichte...

Okay.. aber davon abgesehn... wenn ich tot bin (und wenn mein Gehirn tot ist, dann bin ich tot) dann brauche ich meine Organe nicht mehr. Und bevor sie dann verwesen und sich in nichts auflösen hätte ich nichts dagegen wenn sie jemand bekommt der sie dringend braucht. Vll sollte ich mir auch mal so nen Ausweis zulegen. Aber...ka wo man die bekommt.

Wenn ich über die Menschen nachdenke die das konsequent ablehnen...dann frage ich mich wie diese Personen sich wohl verhalten würden wenn sie selbst krank werden. Wenn sie unerträgliche Schmerzen haben und jeden tag Angst um ihr Leben haben müssen. Würden diese Menschen dann auch agen: nein, Organspende lehne ich ab, ich möchte kein Spenderorgan! Ich glaube wenn man jeden Tag die schlimmsten Schmerzen hat oder Angst hat zu ersticken dann ändert man seine Meinung da ganz schnell..
Anders rum frage ich mich (da komme ich jetzt wegen Lior drauf) was Personen tun würden, die sagen: Nur Menschen die Organe spenden würden dürfen auch eine Spende bekommen wenn z.B. das hier passiert: (vll willst du mir das beantworten Lior?)
Wenn das eigene Kind erwachsen ist und für sich sagt: ich möchte kein Organspender sein. Und das eigene Kind dann totkrank wird...
Würdest du deinem Kind im Krankenhaus sagen: Ja, sorry mein Junge. Du hast dich dafür entschieden kein Organspender zu sein, deswegen finde ich, solltest du jetzt auch kein Spenderorgan bekommen dürfen. Aber als Kompromiss würde ich dir vorschlagen das erst alle Kranken mit Organspendeausweis eins bekommen und dann, wenn keiner mehr übrig ist, dann sollst du eins bekommen. Das du in der Zwischenzeit sterben könntest, musst du eben in Kauf nehmen.

Ich glaube das manche Menschen hier nur so hart urteilen weil sie selbst nicht betroffen sind. Wenn daVinnci (der Organspende ablehnt) tot krank wird, würde er sicher froh sein ein Spenderorgan zu bekommen und fände das System doch nicht mehr so schlimm. Denn wer hat schon gerne Schmerzen und Todesangst.
Und wenn Liors Kind Organspende für sich ablehnt (als Erwachsener) und dann schlimm krank werden würde, würde Lior ganz bestimmt nicht zu seinem eigenen Kind sagen: Pech, bist kein Organspender, darfst nicht von dem System profitieren. Nein, er hätte Angst um sein Kind und wäre sicher froh wenn er schnell ein Spenderorgan bekäme und wieder gesund wird.

Solange man nicht davon betroffen ist, ist es ja leicht ja oder nein zu sagen. Oder die Entscheidung der jeweils anderen Seite anzuprangern. Aber sobald man selbst betroffen ist würde doch jeder anders denken oder? Jetzt mal ganz ehrlich!

Lior
12.09.2015, 12:50
Anders rum frage ich mich (da komme ich jetzt wegen Lior drauf) was Personen tun würden, die sagen: Nur Menschen die Organe spenden würden dürfen auch eine Spende bekommen wenn z.B. das hier passiert: (vll willst du mir das beantworten Lior?)[...]

Und wenn Liors Kind Organspende für sich ablehnt (als Erwachsener) und dann schlimm krank werden würde, würde Lior ganz bestimmt nicht zu seinem eigenen Kind sagen: Pech, bist kein Organspender, darfst nicht von dem System profitieren. Nein, er hätte Angst um sein Kind und wäre sicher froh wenn er schnell ein Spenderorgan bekäme und wieder gesund wird.

Hallo Thalestris,

ja, da hast du einige sehr gute Gedanken mit ins Spiel gebracht. Vorweg in aller Kürze bzw. so „im Nebensatz“… ich gebe dir recht, Organspende ist wenn keine Christenpflicht sondern eine moralische Pflicht. Oder eben nicht. Im Gegenzug denken ja so manche Christen, dass Organspende sich aus religiösen Gründen verbietet. Letztlich hast du aber recht, das muss jeder selbst mit seinem Gewissen vor sich und vor Gott verantworten. Und gestatte mir – ebenfalls vorweg – noch einen kleinen Hinweis in eigener Sache. Ich habe bedingt durch Provisoriums Einwand meine Formulierung schon dahingehend abändern „müssen“ (weil er völlig recht hat), dass es unfair wäre einen Nicht-Spender als potentiellen Empfänger kategorisch auszuschließen. Und es geht mir weniger darum Nicht-Spender zu benachteiligen (auch wenn das zugegeben die Folge ist), sondern die Spendenbereite für ihre Bereitschaft zu belohnen. Eben nach dem Grundsatz, dass Menschen, die etwas in ein System hineinbringen anders und ja… bevorzugter behandelt werden müssen, als Menschen, die von dem System ohne eigenen Beitrag profitieren. Alles andere wäre den „Zuzahlern“ gegenüber unfair und würde deren Beitragsbereitschaft auch senken. (Kennst du solche Sätze wie „Warum soll ich arbeiten, wenn ich vom Staat fast genau soviel ohne Arbeit bekomme“?) Das aber nur zur Klarstellung.

Was nun deine andere Frage betrifft, natürlich werde ich sie dir gerne beantworten, auch wenn es natürlich eine schwierige Frage ist – was wie du dir schon denken kannst bedeutet, dass es etwas mehr Text ist. Bei mir ja (leider) keine Seltenheit.^^ Du hast recht, eine Sache hat selten nur eine Seite, aus der man sie betrachten kann. Und es ist immer ein Unterschied ob man eine Sache aus der Entfernung oder als Betroffener beurteilen mag. Und es ist fast ein Ding der Unmöglichkeit sich wirklich in die Situation eines Betroffenen hineinzuversetzen. Daher kann ich dir nicht unter Garantie sagen, wie ich in der von dir geschilderten Situation reagieren würde. Bestenfalls kann ich eine Mutmaßung anstellen. Dennoch sage ich dir ganz offen, dass ich zu meiner Ansicht stehe, und ich versuche dir gerne meine Gedanken dazu zu erläutern.

Grundsätzlich ist es doch so, dass moralische Regelungen aus einer nüchternen Distanz entworfen werden. Und moralische Regelungen dienen dazu ein System des gerechten und im Idealfall harmonischen Zusammenleben zu ermöglichen. Zugleich aber drückt eine moralische Regel ein „Sollens“-Prinzip aus. „Du sollst nicht stehlen“. Oder „du sollst nicht morden“. Diese imperative Formulierung, also diese „Du sollst nicht“-Struktur weist aber bereits auf einen wesentlichen Umstand hin – moralische Regeln und Gesetze sind nicht immer bequem und entsprechen nicht immer dem, was wr auch wollen. Anders gesagt, wenn wir immer das richtige wollen würden, bräuchten wir keine Regeln die uns sagen was wir tun sollen (um das richtige zu tun). Dann wäre das Sollen und das Wollen identisch.
Wir alle sind aber eben „nur“ Menschen. Und wir alle waren vermutlich schon einmal in einer Situation, in der wir uns auf eine Art und Weise verhalten haben, die wir nachträglich bedauern oder für die wir uns Vorhaltungen machen. Das liegt in unserer Natur begründet, denn wir kommen als Betroffene immer wieder in Situationen, in denen wir aus den unterschiedlichsten Gründen dazu verleitet sind uns entgegen unseren moralischen Überzeugungen zu verhalten. Das mag der morgendliche Wunsch sein lieber im Bett liegen zu bleiben und sich krank zu melden, die Verlockung durch eine Lüge einen Konflikt zu vermeiden oder der Wunsch auf das Eigentum eines anderen.

Neben diesen Situationen gibt es aber auch noch andere, die von so existentieller Natur sind, dass sie sich unserer Kontrolle meist entziehen – oder aber ein durch die Lebensjahre und die Überzeugung extrem gefestigten Charakter brauchen, um darauf Einfluss zu nehmen. Das sind dann Ereignisse, die wir bereuen oder für die wir uns in extremen Fällen sogar innerlich selbst immer wieder und wieder zu bestrafen suchen oder uns zumindest für unwert halten. Beispiele hierfür wäre eine Massenpanik wie damals auf der Love-Parade in Duisburg, in der Menschen in purer Verzweiflung um ihr Leben kämpfen dabei auch buchstäblich über Leichen gehen und andere Menschen zu Tode trampeln. Oder Menschen, die einer extremen Angst und einem extremen Terror ausgesetzt sind und dadurch möglicherweise selbst zum Täter werden. Ein gutes Beispiel wäre in meinen Augen Kindersoldaten, die – noch dazu unfähig alles wirklich zu verstehen – teilweise sogar dazu gezwungen werden ihre eigene Familie abzuschlachten. Oder Kinder die von ihren Eltern mit Drohungen und psychischem Druck dazu aufgestachelt werden, der Ehre willen ihre eigene Schwester zu töten. Niemand kann ohne je in einer solchen Situation gewesen zu sein von sich behaupten, dass er in diesen Momenten nicht alles tun würde, um zu überleben. Und eben weil uns das bewusst sein sollte, steht es uns nicht zu andere für das zu verurteilen, was sie in solchen extremen Situationen machen mussten.

So… worauf will ich nun damit hinaus? Deine Frage betrifft gewissermaßen ebenfalls eine solch existentielle Situation. In dieser Situation wäre ich in erster Linie betroffener Familienvater. Und es ist gut möglich, dass ich dann anders darüber denken würde. Aber gerade in diesen Momenten bedürfen wir der moralischen Führung um so mehr. Stelle dir mal einen Schritt weitergehend vor, dass im Nebenzimmer ein passender Spender liegt, der aber noch am Leben ist. Was sollte mich davon abhalten ins Nebenzimmer zu gehen und ihn um seiner Organe willen zu töten?
Meine moralische Überzeugung ergibt sich aus eben jenem, dass mir mein Verstand und mein Gewissen als das Richtige offenbart. Als Moralist muss ich daher sagen, dass in dieser Situation es richtig und notwendig wäre, dass auch mein dann erwachsener Sohn das Recht auf seine eigene Entscheidung hat, und er die Konsequenzen seiner Handlungen tragen muss. Gerade weil ich ihn liebe, müsste ich das sagen. Als Vater aber würde ich innerlich vermutlich leiden und natürlich darauf hoffen, dass er ein Spenderorgan bekommt. Und sofern die Möglichkeit bestünde, würde ich ihm eines meiner Organe geben – und wenn es ginge mich nötigenfalls für ihn opfern. Aber ich habe die Hoffnung, dass ich ansonsten die Kraft hätte meinen Überzeugungen entsprechend zu handeln UND in Liebe zu meinem Sohn zu stehen und seine Überzeugungen zu respektieren. So schwer es mir auch fiele…..

Ich hoffe die Antwort ist nicht zu schockierend. Und natürlich darfst du zu allem deine Fragen stellen...^^
Lieben Gruß
Lior

thalestris
13.09.2015, 16:12
Danke für die Erklärung

Medizinmann
21.09.2017, 23:37
Ich habe über das Thema hier einen "fetten Thread" gemacht, wer das alles gelesen hat, weiß, was davon zu halten ist:
http://meulengrachtforum.altervista.org/forum/index.php/topic,693.msg2495.html#msg2495