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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : secound Chance



Honigmond
12.02.2009, 21:01
Ein Junge wird eingeliefert. Schweißgebadet, aschfahl und mit gekrümmtem Oberkörper schreit er bei jeder Bewegung auf.
Es wird hektisch. Sie schneiden ihm das T-shirt auf, um möglichst schnell den Bauch und den Oberkörper ab tasten zu können.
Der Junge schreit. Die Tränen laufen ihm über das verschwitzte, pupurote Gesicht.
Riesige Augen sehen mich an. Seine Fingerchen greifen nach irgendetwas.
Aber sie greifen ins Leere.
Ich stehe wie versteinert.
Alle sind beschäftigt: der kalte Ultraschallkopf wird aufgesetzt, Monitore angeschlossen...
Man zwingt ihn zum Hinlegen, obwohl er sich vor Schmerzen aufbäumt.
Er liegt fast nackt vor etwa 10 wildfremden Menschen in weißen Kitteln, obwohl er beim Abfiebern friert.
Die Stimmen der Ärzte und Schwester werden unruhiger, lauter, geben durcheinander Anweisungen. Die Monitore pfeifen und rauschen.
Der Junge atmet schwer.
So viele Hände, die um ihn wirbeln. So viel Unruhe.
Es scheint, als würde all das Durcheinander seinen Zustand nur verschlimmern.
Dann... nur ein Augenblick, nur ein kurzer Moment-
Seine Augen sehen mich weit aufgerissen an. Die verängstigten Blicke treffen mich.
Ich formuliere in Gedanken die Frage, die ich zu denken im Stande bin:
„Was fehlt dir? Wie kann ich dir helfen?“
Wie in Zeitlupe schaut er mich an und ich höre eine dünne Kinderstimme leise sagen:
„Gib mir Wärme, halt mich fest.“
Das grelle Pfeifen der Monitore reißt mich hoch.
Der Junge fällt in sich zusammen, die Augen fallen zu.
Ein Chaos inmitten von Tupfern, Tüchern, Schläuchen...
Und mittendrin sein lebloser Körper.
Ich weiß nicht mal, wie er hieß oder wie alt er war...
Niemand hat ihm trotz der hohen Technik und der größten medizinischen Kunst helfen können.
-------------------------
Schweißgebadet wache ich auf. Ich fange mich im Dunkel des Zimmers.
Nur ein Traum? Erleichtert lege ich den Kopf wieder auf das Kissen, höre meinen eigenen Herzschlag vor Aufregung.
Dann stehe ich auf, bin wenig später an der Kliniktür zum Arbeitsbeginn.
Plötzlich springen die Türen der Notaufnahme auf. Ein Junge wird eingeliefert.
Ich erstarre, als ich sein Gesicht sehe.
Schweißgebadet, aschfahl... und unsere Blicke treffen sich.
„Bitte gib mir, worum ich am meisten bitte“ .scheinen sie zu flüstern und ich erinnere mich an den Traum.
Ich kann das Durcheinander nicht aufhalten, kann sein schweres Atmen nicht leichter werden lassen.
Was soll ich tun? Ich will nicht hoffen, dass es endet wie mein Traum von heute Morgen, bitte nicht!
Doch es scheint sich alles genau so zu wiederholen. Wie in einer grausamen Endlosschleife...Gibt es das?
Ich erinnere mich plötzlich an das, was er im Traum sagte.
„Gib mir Wärme! Halt mich fest!“

Und ich schalte gedanklich all die Geräusche um mich herum ab, überhöre die Stimmen und schiebe mich an die Seite des Jungen.
Ich greife seine Hand. Er legt erschöpft seine Finger in meine Handfläche.
„Ich bin da“ flüstere ich ihm in sein Ohr und ein Lächeln huscht ihm über das Gesicht.
Der Monitor ist ausgeschaltet. Er liegt leblos vor mir.
---------

Ich habe es nicht aufhalten können. Wozu dann also dieses Deja vu?
Wut, Trauer, Enttäuschung mischen sich in meine Gedanken und ich beginne mit Gott zu reden.
Nein, ich habe es nicht ändern können, obwohl mir auf so seltsame Weise gezeigt war, was geschehen wird. Welch schrecklich sinnlose Ironie?

Und doch hat sich etwas verändert.
„Sein Gesicht... sieh es an. Es trägt ein Lächeln, dass ihm keiner nehmen kann.“
Langsam beginne ich zu begreifen.
Hätte ich den ersten Traum nicht geträumt, wäre ich wie die Anderen medizinisch korrekt doch mit dem Gefühl des Fremden dabei gewesen, um sein Leben zu retten obwohl das allein von Gott bestimmt ist, wann und wie es enden wird.
Etwas aber habe ich ändern können, das lag in meiner Macht- ein Lächeln gezaubert...

Selten nur bekommt man eine zweite Chance... handle deshalb nach deinem Glauben, was auch immer du tust.

(Autor unbekannt)

jo jo
12.02.2009, 21:07
:)

DugoGhadam
12.02.2009, 22:05
welch bewegende Geschichte

rainbow61
13.02.2009, 09:57
Ich erinnere mich plötzlich an das, was er im Traum sagte.
"Gib mir Wärme!Halte Mich fest!"

Ich greife seine Hand. Er legt erschöpft seine Finger in meine Handfläche.
"Ich bin da" flüstere ich ihm in sein Ohr und ein Lächeln huscht ihm über das Gesicht.

Und doch hat sich etwas verändert.
"Sein Gesicht... sieh es an. Es trägt ein Lächeln, dass ihm keiner nehmen kann."

Selten nur bekommt man eine zweite Chance... handle deshalb nach deinem Glauben, was auch immer du tust.

(Autor unbekannt)

...wenn wir Wärme, Liebe, weitergeben fühlt der/die andere sich geborgen und wir können ihm/ihr ein Lächeln aufs Gesicht "zaubern"...

"lächelnde" Grüsse

Mirjamis
13.02.2009, 10:36
Eine wirklich bewegende Geschichte.

Ich denke grade, wie oft gibt es, auch in weniger dramatischen Momenten, Situationen, wo wir Gelegenheiten verstreichen lassen - wo es vielleicht nur ein warmes Lächeln, eines Händedrucks, einer liebevollen Umarmung bedarf, um dem anderen zu zeigen, dass er nicht allein ist.

Wie gut, wenn ich, wenn wir da aufmerksamer wären, sensibler, wacher, um solche Situationen wahrzunehmen, wo mich jemand braucht.

Wo ist heute jemand, der in meiner Umgebung darauf wartet?????

Emma-Smith
09.04.2009, 03:02
Diese Geschichte hat mich sehr bewegt, Honigmond.
Wir alle erleben oft, das Gott uns eine zweite Chance gibt. Mein Schwager dachte zum Beispiel daran, sich das Leben zu nehmen, weil er keinen Ausweg aus der für ihn unglücklichen Ehe mit meiner Schwester sah. Auch in seiner Kirchengemeinde bekam er nicht die erhoffte Hilfe, bis einige andere und ich bei seinem Pastor die Sachlage erklärten. Nun lebt er in Trennung,und kann sich zum ersten Mal seit seiner Ehe mit meiner Schwester, eine Hose kaufen.
Gott hat damit meiner Schwester und meinem Schwager eine zweite Chance gegeben. Neu anzufangen.

Isaak
13.04.2009, 10:43
Diese Geschichte, ob nun wahr, oder zum Teil, oder ganz erfunden erinnert mich an einige von mir geliebte Menschen und zwar an die, welche mit Qualen und mit Leid versterben mussten.

Diese Geschichte berührt wieder Erinnerungen und ruft wach, wie verquickt unser Leben mit unseren geliebten und selbst mit den unbekannten Mitmenschen ist.

Solange wir die Überlebenden sind, so lange geben wir uns Antworten und müssen damit leben wie wir selbst uns einschätzen und zwar was wir versäumt oder getan haben, gegenüber denen die mit Qualen und Leid verstorben sind.

Mir tut es selbst ungewöhnlich gut, dass meine Geliebten, welche mit Qualen und Leiden verstorbenen sind, mein Bemühen, meine Zuneigung, meine Anteilnahme spüren und wahrnehmen konnten. Dass sie mein Aufgeben vieler Angelegenheiten, welche auch später ihre Wichtigkeiten nicht verloren haben und die daraus entstandene Anwesenheit, während des Leidens und in der Stunde des Todes annehmen konnten. Obwohl ich weder Qual, Leid und Tod verhindern konnte, wir waren uns Treu und so lange wie möglich beieinander. Ich bedarf keine Antworten wie: „Nun sind sie vom Leid erlöst. Jetzt geht es ihnen besser.“ Ich weiß, dass ich mehr nicht tun konnte und spürte und erinnere mich der unsagbaren Dankbarkeit auf ihrer und meiner Seite. Ich liebe immer wieder und werde es immer wieder tun und zwar anwesend zu sein, im Leben und im Sterben. Ich kenne nichts großartigeres, als mich selbst im Anderen zu lieben und seine Liebe in mir zu spühren.

lehit

Isaak

Honigmond
29.04.2009, 12:56
danke Isaak für deine Worte ... ich habe sie lange mit "mir herum getragen"

manchmal habe ich mich schon gefragt, ob man wirklich immer und immer wieder lieben kann und soll, wo doch kein Mensch für immer an unsrer Seite mitgeht...

aber dann wurde aus der Frage eine andere Frage:
Kann ich denn "nicht lieben, oder nicht mehr lieben", nur weil ich weiß, dass es ein Ende haben wird?

Ich glaube zu lieben und geliebt zu sein, ist ein Geschenk.
Zum Lieben gehört Loslassen nun aber mit dazu, oder ?

Viele Gedanken und kleine Alltagssituationen, in denen ich noch immer nachdenke...

alles Liebe
Honigmond

Honigmond
06.05.2009, 12:20
vor einigen Tagen, ich war im www eigentlich auf der Suche nach etwas komplett anderem, stoperte ich über dieses Video-

ich möchts euch hier gern hinterlassen ohne viele Worte.

http://www.youtube.com/watch?v=uVj0T4L5JJc


LG Honigmond

Mirjamis
10.05.2009, 12:50
Danke, liebe Honigmond,
das Video sagt so viel aus
und passt auch gerade heute zum Muttertag.

Nicht nur an so einem Tag, wir sollten viel öfter einander sagen, was wir wirklich denken und fühlen, was uns der oder die Andere bedeutet.

Fisch
10.05.2009, 18:29
Nicht nur an so einem Tag, wir sollten viel öfter einander sagen, was wir wirklich denken und fühlen, was uns der oder die Andere bedeutet.

Da stimme ich dir voll zu.

maiby
13.05.2009, 15:21
Hab gerade den Thread gelesen; weiß noch nicht so richtig wo ich was dazu schreiben kann ohne zu stören:
Das Video hab ich mir angeschaut und eins was dannach kam auch; die 13 Sprüchen oder Ratschlägen hab ich mir gleich abgeschrieben, weil es so wunderbare Worte sind, die gerade passen.
Das mit dem über Gefühle reden, finde ich im Moment gerade wirklich
schwer. Es ist mir erst vor kurzem klar geworden, dass ich das nie konnte.

Honigmond
22.05.2009, 16:11
hallo maiby,

was auch immer du "dazu schreibst", es kann nicht stören, wenn es etwas ist, was dein Herz bewegt :-)

Wir sind mit Gefühlen geschaffen worden. Sie sind wertvoll und können uns mit anderen Menschen mehr verbinden als alles, was unser Verstand umfasst...
so glaube ich.
Nur Mut, seim Mensch mit Verstand und Gefühl.

alles Liebe dir