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absalom
16.03.2009, 18:50
Lieber Paulus, heute möchte ich dir einmal schreiben.

Seid Jahren kenne wir uns nun schon indirekt. Oft habe ich deine Zeilen, und die welche dir untergeschoben werden, gelesen. Nicht leichter Stoff, welchen du zum Besten gibst, für unsere heutige Zeit, doch leicht verständlich, wenn ich mich in deine Zeit – gedanklich – begebe, was allerdings oftmals nicht so leicht ist. Viele Bücher wurden über dich schon geschrieben, ja du bist interessant, nicht nur für Christen. Du bist ein „Objekt“ – entschuldige diese Bezeichnung - der Wissenschaften geworden. Was wurde nicht alles an Guten und Bösen über dich geschrieben und ich denke mir, du ahntest es schon, weshalb du im Vorfeld immer auch gleich zu relativieren wusstest. Oder wie ist sonst dein Stückwerk zu deuten, deine mahnende Vorsicht zur Prüfung. Nein dogmatisch wolltest dich nicht verstanden wissen und doch hast du genau das indirekt heraufbeschworen, als du Engel deinen Worten unterordnen wolltest.

Völkerapostel nannte man dich, gleich wohl du nur in deiner kleinen Welt unterwegs warst. Doch du warst eifrig im Reisen und eifrig bei der Flucht vor deinen Feinden. Es tat weh, diese Peitschenhiebe für deine Überzeugungen, und unverstanden fühltest du dich selbst von deinem besten Freund Barnabas, der dir einst die Wege ebnete. Viel hast du einstecken müssen und auch viel ausgeteilt. Das hat sich bis heute nicht geändert, vieles wird dir nachgesagt, Gutes und Schlechtes. Zum Guten, du warst ein Kämpfer für die Sache deines Himmlischen Christus, hast Heiden missioniert, hast durch eifriges Geldsammeln Juden unterstützt, hast gelitten für deinen Glauben, hast alle Register damaliger Rhetorik gezogen, um Menschen für deine Visionen zu gewinnen. Und dann das Böse. Sturkopf nennen dich so manche Theologen, Schriftverfälscher so manche Schriftgelehrten, Frauenhasser so manche Gläubigen und Gelehrte besonders aus der weiblichen Liga, Wendehals so manche Historiker, Schizophren so manche Tiefenpsychologen, einen Häretiker so manche aus deinem Volke, einen Platoniker und Stoiker so manche Philosophen, etc, etc.
Du siehst Paulus, die Meinungen zu dir haben sich seid deiner Lebenszeit und vor allem kurz nach deiner Lebenszeit nicht wesentlich geändert. Hat man dich deshalb ursprünglich in Vergessenheit geraten lassen? Waren es diese negativen Erklärungen, dass dein Name bis weit nach 100 n.Chr. einen denkbar schlechten Ruf hatte? Und lag darin der Grund, dass ausgerechnet ein Häretiker dich wieder entdeckte und erneut öffentlich bekannt machte? Nun, dir wurde dann schnell unglaubliches Zugedacht, nach deiner Verdammung bekamst du einen besonderen Ehrenplatz neben Petrus und wurdest zum endgültigen Bestandteil des nun erwachenden Christentums der Heiden. Deine Mühe hat sich also gelohnt, auch wenn du fast 50 Jahre auf den Erfolg warten musstest. Und nun ebbt seid einigen Jahren erneut die Diskussion auf, wer war dieser Mann Paulus und schon wieder zieht man dir das heilige Mäntelchen aus, welches dir die Kirche so mühsam zusammen gestrickt hat. Diese Bösen Theologen, diese bösen Historiker, Religionswissenschaftler und Ungläubigen, was wollen sie denn alle nur? Eine berechtigte Frage Paulus, denn du hast uns mit vielen Fragen über dich und deine Aktionen zurück gelassen und auch christliche Geschichtsglättung – übrigens waren sie Meister in dieser Sache – hat nicht geholfen, Antworten auf dich und deine Mission zu geben. Und stell dir vor lieber Paulus, erneut waren es Leute aus deinem Volk, die dir kräftig nachspionierten und die dir ganz besonders innig auf deine Schreibfinger und auf die Schreiber über dich schauten. Und stell dir vor, noch etwas seltsames geschah, vor einigen Jahren fand man einige Schriftrollen in der Nähe von Qumran, den Ort kennst ganz sicher noch bestens, da wurde plötzlich so manches klar über dich und deine Aussagen, was niemand vorher so klar erahnt hatte. Denn deine Nachfolger haben die sog. Essener immer tunlichst überall verschwiegen, ja man ging sogar soweit deren Lehren den Pharisäern unterzuschieben. Ab dieser Entdeckung wusste man plötzlich auch warum. Kann es sein lieber Paulus, dass du ein wenig zu viel von ihren Lehren proklamiert hast? Die Ähnlichkeiten sind doch sicher kaum Zufälle oder doch? Und kann es sein, dass gerade dieser irdische Jesus ein erbitterter Gegner dieser Essener war – die in den Evangelien wundersamer Weise zu Pharisäern wurden, weil ihr Glaube nicht selten den Rahmen des jüdischen Glaubensverständnisses sprengte? Und du bedienst dich dieser Lehren? Das lässt Fragen aufkommen lieber Paulus, die ein ganz neues Licht auf dich werfen, gleich wohl schon früh jüdische und christliche Religionswissenschaftler einen gewissen Verdacht hegten. Was hast du denn die vielen Jahre in der Wüste Arabia = Qumran gemacht? Du weißt sicher doch selbst, dass du nie in Arabien, damals sehr weit weg, warst. Nun, wir wissen ja mittlerweile sehr genau, was mit Wüste Arabia gemeint war und lieber Paulus du hast selbst nie ein Geheimnis daraus gemacht, wenn man deine Worte damals hörte oder las.

Oft habe ich über dich und deine Beweggründe nachgedacht und oft fragte ich mich oh Paulus wie konntest du vom Saulus zum Paulus werden. War dir dein römischer Name so wertvoll geworden oder ist es so, dass du mit deiner eigentlichen früheren Identität brechen wolltest? Und was war das für eine Identität. Woher kennst du so gut die Stoiker und Platonisten? Das lässt auf eine überaus tiefe philosophische Bildung schließen, die man nicht so am Straßenrand erwarb. Noch mehr frage ich mich jedoch, woher kanntest du die Schule des Philo so gut. Ja sicher, er war hellenistischer Jude wie du, betrieb Mission genau nach dem gleichen Strickmuster wie du, doch er tat es vor deiner Zeit. Sicher, ich weiß Philo und die Essener sind miteinander sehr eng verwoben und eventuell liegt da der Schlüssel zu meiner Frage, doch es waren genau diese, welche sich dir später insbesondere unter den Heiden anschlossen. Oder liegt das Geheimnis in den verschwunden Briefen, welche von dir bekannt sind und Alexandrien, dem geistigen Zentrum der Antike damaliger Zeit und Hauptsitz der Philogemeinschaft, gewidmet waren. Sie sollen überaus zahlreich gewesen sein und du selbst sollt dort gewesen sein wie man aus anderen Quellen hört. Dein großer Gönner Marcion kannte diese Kontakte noch und er selbst gehörte zu den Gnostikern, die dich hoch und heilig verehrten. Du siehst, es umranken dich so manche Geheimnisse und viele offene Fragen.

Wenn du lieber Paulus wüstest, was mit deinem Schriftgut und so manchem, was dir irrtümlich untergeschoben wird geschah, auch du wirst es sicher aus den Himmeln vernommen haben. Heilige Schriften nennt man diese jetzt. Hättest du das geahnt, ich glaube dir aufs Wort, du hättest sicher anders geschrieben. Was ich sehr merkwürdig finde ist allerdings, dass du, der nie die Schriften wörtlich nahmst, sondern nach deinem Gutdünken frei interpretiertest und rezitiertest nun wörtlich genommen wirst. Selbst die unglaublich vielen Textstellen, welche man heute als Apokryphen oder Pseudepigraphen bezeichnet und deshalb als unheilig gelten, die du aber zitierst, werden heilig genannt. Ist das nicht wirklich merkwürdig? Ja und deine stoischen und platonischen Aussagen wurden auch zur Heiligkeit erhoben. So funktioniert Religionsgeschichte lieber Paulus und du hast etlichen Beitrag durch dein seltsames Reden dazu beigetragen. Du ahnst ja nicht welchen Zwiespalt dein Zwiespalt zur Tora und dessen Geboten, die du merkwürdiger Weise ganz unjüdisch als reine juristische Gesetze bezeichnest, hervorgerufen haben. Paulus einmal ganz ehrlich, du wusstest doch auch, dass kein Jude glaubte durch eine Torabefolgung ins Königtum der Himmel zu gelangen. Nicht einmal deine Erzfeinde die Sadduzäer, welchen du einstmals dientest – auch so eine Besonderheit in deinem Lebenslauf – glaubten das. Kann es sein, dass du oder waren es spätere Redakteure hier etwas mit hellenistischen Ansichten verweckselten: Kultfrömmigkeit führt zum Olymp? Wie dem auch sei, dein Umgang mit der Tora war ziemlich salopp laut deinen Aussagen und so manches Gemüt hast damit sicher verschreckt und es wundert mich nicht, dass der Oberboss Jakobus dem Einhalt gebot.

Teil 1 ende

absalom
16.03.2009, 18:51
Teil 2

Apropos Sadduzäer. Lieber Paulus, wie konntest du dich dazu hinreißen lassen, ihnen zu dienen? Ich dachte du warst Pharisäer? Und du wusstest auch, dass die Pharisäer mit der Urgemeinde sympathisierten, sich Viele ihnen sogar anschlossen. Ärgerte dich das etwa, was dich dann zu den anderen römischen Juden trieb, welche Sadduzäer waren? Oder lehnte man dich deshalb bei den Pharisäern ab, weil du einen Eid auf den Kaiser gesprochen hattest? Klar, die Sadduzäer hatten damit kein Problem, sie waren ja auch römische Beamte – also in dessen Diensten und standen bei Römern auf der Gehaltsliste. Und noch mehr frage ich mich, wie du dich auf den Hohepriester und die Priesterschaft bei Felix berufen konntest, wenn du dich dann doch wieder von ihnen abgewendet hast. Paulus, Paulus, du hast manchmal schon sehr komische Sachen gemacht.

Auch ein Wort möchte ich an dich richten und dich fragen, woher du die Sache mit den Frauen hast, ja eigentlich weiß ich es schon, doch es wirft noch immer soviel Wirbel auf. Ja richtig die Stoiker, in dessen Augen die Frau nur ein Abglanz des Mannes ist und Frauen sich dem Manne unterordnen müssen, ja am besten Mann die Frauen nicht berühren und erst gar nicht heiraten solle. Sei doch so nett und sage durch Visionen zu Christenmenschen aus welchem Lehrgut du diese Weisheiten hast und das dies das Judentum und die Urgemeinde nie so lehrte. Natürlich weiß ich auch, dass es Apostolinen gab, aber es muß man nicht weitersagen, die Geschichtsglätter haben so schön die Namen geändert, also bitte.

Noch ein Wort gilt deinem Obrigkeitsgehorsam, welchen du anführst. Du weißt selbst, dass dies die Essener lehrten und im Judentum nie anerkannt war, schon gar nicht von dem Jeshua, der ständig gegen die Obrigkeit der Römer rebellierte. Genau diese Aussage führte viele Wortgläubige in einen Obrigkeitsgehorsamstod und in tiefe Mitschuld an unsäglichen Verbrechen. Paulus, bei allem Respekt, aber hier hast du eindeutig zuviel des römischen Selbstverständnisses durchblicken lassen und das du dann auch noch den römischen Staatseid zum Lehrmaßstab deiner Theologie benutzt lässt tief blicken.

Zu guter letzt noch das Positive, was ich an dir schätze. Du hast im letzten Teil deines Lebens nie mehr dein Judesein verleugnet und im Römerbrief viel zu relativieren versucht. Doch leider wurden auch diese Worte umgedeutet auf das angeblich neue Israel. Doch Römer 9/4-5 spricht für dich und ich glaube, da hat wirklich dein Herz gesprochen und nicht dein stoischer Verstand.

So lieber Paulus, nun gut damit. Es gibt so viele Fragen an dich, es will kein Ende nehmen. Ein schweres Erbe hast du Vielen hinterlassen, deinen Landsleuten, Wissenschaftlern, Frauen und Gläubigen. Ich werde mich weiter mit dir beschäftigen müssen und ich glaube mehr denn je, dir und deinem Ansinnen immer näher zu kommen. Ich glaube dir, du hast aus deinem Glauben, deinem Wissen und aus deiner Überzeugung gehandelt, doch ich nehme dich ebenso beim Wort und sehe dein Wirken als Stückwerk, welches dringend geprüft werden sollte und muß. Was ich über dich als Menschen erfahren habe ist viel, denn wir alle sind manchmal all das Negative in uns selbst, was dir zugeschrieben wird. Damit wirst du menschlich in all deinen Schwächen, Irrungen und Wirrungen.

Sei gegrüßt lieber Saulus, dein Freund

anonym003
16.03.2009, 22:51
Lieber Absalom

Danke für diesen tollen Beitrag! Dies gibt ein richtig gutes Bild von diesem Saulus-Paulus wieder. Aber ich weiss nicht so recht, ob ich mich auch als sein Freund bezeichnen könnte! *lacht* Zu tief hat sich in mir eine Abneigung vor allem gegen gewisse seiner Verhaltensweisen entwickelt. Du hast mir aber auch ganz neu die Augen geöffnet, wie wichtig das geschichtliche Umfeld beim Lesen dieser Schriften ist. Und vielleicht war sein Ende ja wirklich anders als sein Leben im Allgemeinen.

liebe Grüsse

Paulus
16.03.2009, 22:58
Lieber absalom,

es war nicht leicht, dass ich hier im Himmelreich überhaupt deine zwei Schreiben zu Gesicht bekam und ebenso kompliziert war es hier einen Internetanschluss zu bekommen, so dass ich dir nun Antworten kann. Des Weiteren bin ich sehr froh, dass auch das Pfingstwunder auch an mir etwas passiert ließ und zwar, dass ich nicht nur fremde Sprachen sprechen kann, sondern auch deinen deutsch geschriebenen text lesen konnte.

Wie auch immer, deine zwei Schreiben haben mich sehr erfreut. Danke.

Du schreibst, dass wir uns seit Jahren kennen würden. Hmmm, ich kenne dich selbst heute noch nicht. Aber das ändert sich ja nun ein wenig mit deinen zwei Schreiben. Mit dem einander kennen meinst du sicher dein lesen meiner und fremder Zeilen, welche mir untergeschoben wurden. Aber mal unter uns zwei Männern, selbst wenn du alle Romane und schriftlichen Lebenswerke eines Autors gelesen hättest, dann kannst doch, als gebildeter Mensch dir nicht einbilden den Autor kennen zu können.
Mach dir nichts daraus, du kannst mich ohne umschweife Objekt oder als sonst etwas benennen, denn ich bin tatsächlich kein Mensch mehr, mein Körper ist verstorben und jeder lebende Mensch, kann mich, bzw. meinen hinterlassenen Text und die mir untergeschobenen texte zum Objekt seines eigenen Geistes machen. So auch kannst du mich zum Objekt deiner zwei Schreiben machen.

Ich bin ein wenig erstaunt, dass du wissen könntest ob ich nun dogmatisch sein wollte oder nicht und bin verwundert wie du mich liest und verstehst. Aber wenn ich es recht überdenke, es kann ja nicht anders sein, als dass jeder meine und mir untergeschobenen Texte für sich selbst versteht. Der gebildete Mensch weiß zum Vorteil weniger gebildeter Menschen darum, dass man nicht mich verstehen kann, wenn man meine und die mir untergeschobenen Texte liest.

So so, Völkerapostel nennt man mich. Mir reicht es schon, dass man mich überhaupt als Apostel anerkennt, denn hier im Himmel ist das total anders. Wolke drüber. Du beschreibst nun was ich tat und wo ich hin reiste, fast so als ob du dir dies so vorstellen könntest wie es war. Das Vorstellen, wie es wirklich war, unter euch lebenden Menschen und egal wie gebildet und phantasievoll ihr seit, kann aus meiner Erinnerung und dem was ihr so schreibt und vorgebt verstanden zu haben, mir ruhigem gewissen verneinen, denn es war völlig anders, auch anders wie du es schreibst.

Du fragst: „Hat man dich deshalb ursprünglich in Vergessenheit geraten lassen? Waren es diese negativen Erklärungen, dass dein Name bis weit nach 100 n.Chr. einen denkbar schlechten Ruf hatte? Und lag darin der Grund, dass ausgerechnet ein Häretiker dich wieder entdeckte und erneut öffentlich bekannt machte?“

Nun zwischen mir und dir lebten Generationen. Ich kann nur bis zu meiner Eigenen sehen und du kannst auf Texte schauen und diesen vertrauen, oder misstrauen, aber wie es tatsächlich in der Zeit zwischen dir und mir zuging können wir beide nie richtig in Erfahrung bringen.

Dass mir sehr schnell unglaubliches zugedacht wurde liegt im Sein und Vergehen der Dinge. Verstorbenen gedenkt man immer dies und jenes zu und weg. Das beginnt schon bei den Totenreden derer, die dich sogar persönlich kannten. Mir liegt so etwas nicht schwer im Gemüt. Mach dir ebenfalls nichts daraus.

Verdammt wurde ich also und einen Ehrenplatz neben Petrus habe ich erhalten. Unter uns zwei Schreibern, wir wussten schon damals nicht genau ob dieser Petrus der selbige war, von dem man sagt, dass er Jesus persönlich kannte. In Rom galt es zu überleben und am besten konnte man das bei den Betuchten und Gelehrten. Die Kultur und Macht der Römer zerbröselte und man hielt auch Ausschau nach neuen Religionen. Irgendwo in diese Lücken versuchten wir uns einzurichten. Für uns kamen hier in Rom alle hohen Religionen zusammen und vom Besten versuchten wir das Beste unserem eigenen Glauben einzuverleiben. Das nun daraus sich tatsächlich das Christentum heraus erstarkte ist weniger mir zu verdanken, als den späteren christenfreundlichen Machtverhältnissen in Rom. Aber so genau haqbe ich das nicht mehr mitbekommen.

Ein heiliges Mäntelchen wird mir an und ausgezogen und das von der Kirche. Na nehmen sie dazu gar meine sterblichen Reste? Zum Glück macht mir dies hier oben nicht viel aus. Die Himmelsgardarobe ist gleich Null und ungemein vollkommen.

Was diese bösen Theologen und diese bösen Historiker, Religionswissenschaftler und Ungläubigen wollen fragst du? Sie wollen in den Himmel oder ewig auf Erden leben. Was sonst? Und so müssen sie halt über mich nachdenken, weil ich ja schon hier bin. Sie glauben halt wenn sie mich verstünden, den passenden Schlüssel garantiert zu besitzen. Tja, der Glauben war noch nie der richtige Schlüssel zum Himmelreich. Das habe auch ich hier oben erst begriffen.

Mir hätten Juden auf meine Schreibfinger geschaut? Nun weißt du zu welchem Volk ich gehörte? Bist du dir sicher, dass ich Jude war, oder glaubst du einfach nur meinen Texten?

Ähm, die Essener und Qumran … da hat man also doch eine ihrer Schriftrollen noch gefunden. Darf ich hier schweigen wie im Gericht. Du weißt schon … alles was gegen mich verwendet werden kann muss ich nicht nennen und hier niederschreiben.

Ganz so einfach ist das nicht mit den Pharisäern und den Essenern, wie du es vermutest. Aber wie gesagt, ich schweige hier lieber, zum Schutze meiner Ehre auf Erden.

Weist du, du wirst mir zu aufdringlich mit deinen Fragen. Was ich in Arabiawüste tat und wo diese geographisch lag. Das geht niemandem etwas an, denn geschrieben, was man wissen muss, habe ich und den Rest habe ich absichtlich weg gelassen. Glaube mir, ich hatte da meine Gründe dafür.

Wie schon gesagt, was willst du über meine jüdische Identität wissen und was weißt du über meine römische Bürgerschaft. Ich bin froh, dass mich Geheimnisse, gerade im Punkt meiner ethnischen Identität undurchbrechbar umgeben. Bedenk, wer aufdecken könnte der kann die gesamte Kirche zum wanken, ja vielleicht zum Einsturz bringen. Also strecke deine Hand nicht danach aus, denn mehr als Bruchstücke kannst du nicht zusammenfügen.

Ehrlich gesagt, hier im Himmelreich macht man sich über keine Schriften mehr sorgen, ob diese nun bei euch als heilig gelten oder nicht. Aus heutiger Zeitloser Sicht hätte ich kein müh anders geschrieben, sondern völlig anders gelebt, glaube mir. Nun ja, Worte sind im Leben auf Erden Wegweiser, hier im Himmelreich gelten sie als Rauch, Schall und als Vergänglich. Nein, es ist nicht merkwürdig, dass man als Mensch auf Erden dies und jenes heiligt, denn das Heilige scheint so fern. Aber es ist viel näher als du glaubst. Aber Texte berühren dies wenig.

Man könnte tatsächlich meinen, dass ich Zwiespalt unter die Menschen predigte und schrieb. Aus deiner Sicht ist das vielleicht sogar richtig eingeschätzt. Aber ich sage dir, hier vom blauen Himmel herunter, „Jeder, aber auch jeder Mensch zwiespaltet die Menschen und sich selbst. Da bin ich nicht der Erste gewesen und dass ich so populär unter euch geworden bin liegt nun nicht nur an mir.

Allerdings gestehe ich, dass ich mich tatsächlich nicht wirklich gut im jüdischen Glauben auskannte. Aber mehr verrate ich nun doch nicht.

Nun höre doch endlich auf! Sadduzäer, Pharisäer ich nehme keine Stellung mehr dazu. Ich bin dir das was du willst. Geht das in Ordnung für dich?

Urgemeinde? Was ist das? Die Gemeinde der Neandertaler? Selbst die kenne ich nicht. Diese damaligen innerjüdischen Konflikte haben mich fast völlig verraten und ich erinnere mich selbst hier im Himmel nicht gerne daran. Also bohre nicht weiter, denn ich verrate dir eh nichts. Es war schon das Beste was ich tat und zwar Jesus aus den Juden heraus zu trennen. Dir sollte es reichen, dass Jesus dein Erlöser ist und die Juden … ach, da habe ich mich schon damals mit herumgequält und konnte kein Hüh und kein Hott zusammenfügen, mit denen. Was soll’s, sei ein Kind Jesu, mehr bedarf es nicht.

Zu den Stoikern und deren kulturellen Ansichten zu Frauen sage ich nun erst recht nichts, denn ich schreibe mir ja nicht nachträglich auf die Stirn was ich so gut zu Lebzeiten verbergen konnte.

Obrigkeitsgehorsam ist doch gut und vor allen wichtig, wenn man aus einigen alten überkommenen Religionen eine neue lebendige formt. Auch ich gehöre zur Obrigkeit der neuen Kirche. Das war notwendig um die Kirche überleben zu lassen. Ist doch egal woher, von den Römern, oder Gierchen kopiert und adoptiert, hauptsche die Kirche und so auch das Erinnern am mich hat überlebt.

Am Ende meines leben hätte ich gerne Jude sein wollen, denn ich erkannte, dass man Jesus nicht von den Juden trennen konnte. Die Tora nicht von der neuen Botschaft des Auferstandenen. Es gibt kein neues Volk G“ttes und auch kein neues Israel. Wenn du wüstest wo ich hier im Himmel sitze würdest du verstehen wovon ich schreibe.

Nun das was ich hinterließ ist vergänglich und kann als Wegzeichen verwendet werden. Aber lieber Mensch auf Erden, an den Wegzeichen habe ich selbst gedreht, zwar nach Gutdünken und gut Glauben und andere haben daran rumgedreht. Darum verlasst euch nicht auf die weisende Richtung und das was man darauf zu lesen sieht, sondern prüft sehr genau. Wohl dem der ohne Kompass und Wegschild zum Himmelreich findet. Komme nicht meinem Ansinnen nahe, denn dein Leben ist zu kurz lieber absalom und bemühe dich besser direkt um die Nähe zum ewigen und einzigen G“tt.

Salute, salve und Η μητρική μου γλώσσα, για τη Ρεϋνιόν Στο Θεϊκό παράδεισο

dein Paulus und nicht dein Schoul

absalom
16.03.2009, 23:51
Nun dann "Mister Paulus", der jüdische Schreibstile in sich trägt (G"tt) und dessen Muttersprache ein "paradisisches griechisch" zu sein scheint &wow (Wer wohnt da auf dem Olymp? Doch nicht etwa Paulus?).
Ich musste wirklich herzhaft schmunzeln über diesen Text. Die Antwort ist gelungen und nicht ohne Hintergrundwissen, gleich wohl ich so manchen Erinnerungslücken von dir lieber Paulus schwerlich folgen kann. Aber sicher, es ist lange her und du hast sicher besseres zutun, als unsere nur allzu menschlichen Fragen zu beantworten. In diesem Sinne, dir eine gute Zeit, wo auch immer du diese gerade verbringst in den Himmeln der Glückseligkeiten. Ja richtig, noch immer Schoul, oh welche Eindeutschung dieser Saul. Du bist eben ein Weltenbürger geworden. Bleiben wir dann doch richtiger Weise bei Paulus.

Ach noch etwas:


denn dein Leben ist zu kurz lieber absalom und bemühe dich besser direkt um die Nähe zum ewigen und einzigen G“tt.

Das verliere ich nicht aus den Augen, ich kann das sehr gut trennen, denn ich lebe nicht für verstorbene!

Ach und grüße mir den User I... herzlichst, ach nein, der ist ja hier!

Absalom

Ingo
17.03.2009, 00:13
Ach und grüße mir den User I... herzlichst, ach nein, der ist ja hier!

Absalom

&hyänen

Fisch
17.03.2009, 09:00
Außerordentlich gut verpackt lieber absalom.

Es so zu lesen war einfach und flüssig und spannend zugleich. So wünschte ich mir manches nahegebracht zu bekommen. Gedanke dazu, werde ich mir noch viele machen - diese Schreiben überliest man nicht nur einfach, sondern so etwas bleibt lange im Kopf und wird noch lange darin arbeiten.

Grüßle
Fisch

Isaak
17.03.2009, 09:01
Dieser Thread hat mir herzlich Freude bereitet. Welche Kreativität im Glauben doch möglich ist! Miriam, oder auch bekannter unter Maria, bekommt ja Unmengen irdischer Post und Gebete gesandt, so dass Engelscharen damit beschäftigt sein müssen diese zu Beantworten. Aber so sind Mütter nun einmal, die Söhne können zig Jahre bereits erwachsen sein, oder gen Himmel gefahren sein, sie die Mutter übernehmen all zu gern Aufgaben, welche der Sohn gut auch selbst erledigen könnte. An dieser Stelle ein ausdrückliches Lob den Müttern. Oder ist manches überzogen? Egal, welcher Weg auch immer richtig sei. Der arme Paulus hingegen bekommt so gut wie keine irdische Post und Gebete, selbst wenn man ihn, bzw. was man ihm alles zurechnet, hier auf Erden auf einer Seite hoch heiligt und auf der anderen Seite zerpflückt, oder auch beides in einer Person vollbringt. Mir gefiel die Aussage von ábsalom, dass er Spuren eines sehr menschlichen Paulus in dessen Texten entdeckt und zwar mit allen Ecken und Kanten und irgendwie ist sicher auch eine Art Bewundern, dessen was er Geleistet hat, mit zwischen den Zeilen zu lesen. Ja dieser Paulus hatte sicher ein bewegendes Leben und sicher sind auch seine Werke und Taten zu bewundern. Bis zur Heiligkeit, für Paulus, reicht es mir nicht, aber dass er bis heute Unvergesslich in unserer Erinnerung, wenn gleich wir uns auch zu genüge an Dinge erinnern, die er gar nicht kennt, ist beachtenswert.

Aber nun wischen wir den Propheten, ähm ich meinte Apostel, von der Kippa und kommen auf den Teppich, den Boden der Erde und Tatsachen zurück. Der gute alte Paulus hat den I… gegrüßt und die Beiden hatten ein beneidenswertes Gespräch, dank absalom.

Und mir war dieser Thread ein Vergnügen.

Shalom

I…

P.S. Im Übrigen, mit dem I… Tüpfelchen meine ich hier natürlich nicht meine eigene Wenigkeit, sondern den User absalom und ich schließe mich weitgehend der Aussage (#7) von der Userin Fisch an. Einfach schön, gut und mit qualitativem Hintergrundwissen verpackt.

simple-one
17.03.2009, 09:44
Ach wie gut, daß hier wenigstens einer drauf achtet, wann ein thread zu enden hat und wie die Forenordnung wiederhergestellt gehört.

Also auch ich hab die Geschichte gelesen und werde sie wohl noch ein 2. und 3. mal lesen müssen, um sie wirklich zu kapieren (bin da manchmal dank eurem schreibstil etwas schwerfällig lol) Aber auch wenn mir das Eine oder andere net dran gefällt, fand ichs mal net schlecht mal zu lesen, auf weelche Ideen und Gedanken manche kommen.
&hund

Isaak
17.03.2009, 09:59
Ach wie schade, dass wir nicht offen, direkt benennen können und nicht mit entsprechenden Mitmenschen direkt in Kontakt treten können, wenn uns etwas nicht gefällt. Nörgeln ist immer erlaubt, aber selten fruchtbar. Ich habe dir ja anbietenderweise, lieber simple-one eine private Nachricht geschickt und damit ein Angebot geöffnet mit mir zu sprechen. Du hast natürlich die Möglichkeit des nicht Antwortens genutzt. Ich frage mich nur, wozu dann noch immer öffentlich nörgeln?

Aber okay, der eine so und der andere anders.

Schön, dass du am Ende deines Post beim Thema geblieben bist und das möchte ich nun wieder ebenfalls finden.

Shalom

Isaak

simple-one
17.03.2009, 10:44
Ach wie schade, dass wir nicht offen, direkt benennen können und nicht mit entsprechenden Mitmenschen direkt in Kontakt treten können, wenn uns etwas nicht gefällt.
@ Isaak, ich kann dich direkt benennen. Damit habe ich kein Problem. guggstdu:

@ Isaak
Ach wie gut, daß hier wenigstens einer drauf achtet, wann ein thread zu enden hat und wie die Forenordnung wiederhergestellt gehört.
Aber ich sage dir hier jetzt genauso direkt, daß ich auf öffentliche posts net auf eine antwort als pm reagieren werde.
Du darfst mich gern priv. anschreiben, aber Antworten auf öffentliche posts bitte am entsprechenden beitrag anhängen. Soviel dazu

So und nun komm deiner möchtegern-Pflicht als Forenmod nach isaak und lösch dieses Post, weil es total threadfern is

absalom
17.03.2009, 11:19
Ihr Lieben, bitte last es jetzt gut sein. Ich weiß selbst wie schwer es fällt, einen Punkt setzen zu können. Ich bin ja nicht besser.

Danke euch Beiden!

Absalom

Mirjamis
17.03.2009, 11:23
Ich fand deinen Brief an Paulus sehr interessant, Absalom.

Isaak
17.03.2009, 16:04
Ihr Lieben, bitte last es jetzt gut sein. Ich weiß selbst wie schwer es fällt, einen Punkt setzen zu können. Ich bin ja nicht besser.

Ich bleibe hier lieber am Thema und setze nicht einmal einen Punkt, denn nicht alles hat einen Wehrt und zwar darauf zu reagieren und zu antworten. Hingegen auf deinen Brief an Paulus, da konnte ich's mir nicht verkneifen zu reagieren und zu antworten. Ein wiederholtes Kompliment für deinen gelungen Thread.

lehit

Isaak

Shomer
17.03.2009, 20:10
Du, Paulus, weisst du eigentlich, dass du gar nicht Paulus heisst? Schoul bist du auch nicht? Nur eine christliche Minderheit nennt dich eigentlich Paulus; denn bei den meisten Christen bist du ja der Heilige "Sankt Paul" - genau so wie der Sankt Georg, Sankt Beatus, Sankt Gallus, Sankt Blasius - ihre Liste wird alljährlich länger. Und auf ihr stehst ganz oben du, mit dem Christen Petrus - Sankt Peter und Paul!

Könnte es so etwas gegeben haben wie "Paulus-Macher"? Es war ja im Heidentum schon immer üblich, Berühmtheiten zu vergöttern. Von dir gibt es ja auch unzählige geschnitzte Bilder in Kirchen - ich befürchte, du wurdest nach deinem Tod zu einer Art christlicher Gottheit hochstilisiert. Petrus alias Sankt Peter bekommt ja alle paar Jahre einen anderen Namen - heute heisst er bekanntlich Ratzinger. Was hast du falsch gemacht, dass du fast nur noch in zwei schwarzen Buchdeckeln mit viel katholischem Papier bekannt bist und nicht im "Real-Life"?

Du kennst dich bekanntlich bestens in Rhetorik aus und verstehst von daher sicherlich auch meine rhetorischen Fragen.

Shomer

anonym002
17.03.2009, 20:31
Also dieser kleine Briefwechsel, auch mit einem fiktiven/deutero Paulus war nun doch recht amüsant. Schön ..

Da ich ja auch einiges von Paulus nicht verstehe (nicht was er sagt, sondern wie er bestimmte Dinge verbindet und ableitet), ist doch die „Antwort Paulus'“ doch auch wiederum vielsagend, da er weiterhin nicht hinter seine Kulissen blicken lässt, somit nicht transparent ist, und somit weiterhin eher unglaubwürdig erscheint.
Aber genau diese Zwiespältigkeit, dass von „Oben“ betrachtet dieses irdische doch alles Schall und Rauch ist, entlarvt diesen falscher Eifer und die irrige Meinung um einen Absolutheitsanspruch für den Glauben.


Lehit

Alef

Sawel
17.03.2009, 20:36
Der Brief ist genial.

Aber wer hat "Paulus" gemimt?

Isaak
17.03.2009, 23:17
Hiermit beauftrage ich den Juden und User, mit Gnadenkindernick Isaak kundzutun, dass ich Paulus auf keine weiteren Fragen eingehe. Zu hoch stehe ich im Himmelreich über der Erde und zu gering bin ich in der Ewigkeit.

Natürlich verstehe ich auch deine Rhetorik guter alter Shomer. Aber ein Spaß dehnt sich so lange bis er ausgeleiert ist.

G“tt zum Gruß in aller Ewigkeit,

Paulus

Shalom

Isaak

P.S. Кто является лишь Павла? В Исаак? да, то было!

Mirjamis
24.03.2009, 15:45
So, ich hol den Paulus-Briefwechsel noch mal vor, hab alles noch mal in Ruhe durchgelesen, hab mich köstlich amüsiert über den Humor, der darin verborgen ist. Und schlauer bin ich dadurch auch wieder geworden.

Isaak, dir hätte ich so viel Humor gar nicht zugetraut, köstlich, dein Brief des Paulus. Ganz anders, als was du sonst so schreibst.


Lieber Absalom, dich muss ich noch mal was fragen:

Du schreibst: "Du siehst Paulus, die Meinungen zu dir haben sich seit deiner Lebenszeit und vor allem kurz nach deiner Lebenszeit nicht wesentlich geändert. Hat man dich deshalb ursprünglich in Vergessenheit geraten lassen? Waren es diese negativen Erklärungen, dass dein Name bis weit nach 100 n.Chr. einen denkbar schlechten Ruf hatte? Und lag darin der Grund, dass ausgerechnet ein Häretiker dich wieder entdeckte und erneut öffentlich bekannt machte?"

Dass Paulus zunächst in Vergessenheit geraten ist und Paulus einen schlechten Ruf hatte, das ist mir neu.
Warum dieser schlechte Ruf?
Und wie kam es, dass Paulus dann doch so bekannt wurde?

Du schreibst auch von Schriftgut, das dem Paulus "irrtümlich" zugeschrieben wurde. Sind das Briefe aus dem Neuen Testament? Und welche?

Du siehst, Absalom, immer wieder neue Fragen!
Aber es wäre schön, wenn du sie mir beantwortest.

Inara
24.03.2009, 16:41
Wow, mamamia, das nenne ich massig Informationen auf kleinen Raum komprimiert. Super! Danke, Absalom!

Die Antworten zu den Fragen von Mirjamis würden mich auch interessieren...

Isaak
24.03.2009, 16:58
Stimmt, die Fragen von Mirjamis bleiben einem Nichtstudiertem bis hier hin offen. Selbst wenn ich mir ebenfalls zutrauen würde die Fragen beantworten zu können, so lasse ich diese, so aus Spaß an der Sache, doch lieber gerne von unserem lieben Absalom beantworten.

Shalom

Isaak

Mirjamis
24.03.2009, 17:17
Hallo Isaak,

natürlich kannst du die Fragen auch beantworten - oder wer immer will.

absalom
24.03.2009, 23:31
Ja Isaak, nur zu, auch ich kann noch gerne und möchte dazu lernen und vor allem verschiedene Einsichten und Ansichten kennen lernen.

Absalom

luxdei
25.03.2009, 00:10
Lieber Absalom, lieber Issak,

danke für Eure Briefe. Sie sind kurzweilig, lehrreich und den Wissensappetit fördernd :-)
Deshalb setze ich mich mal zu Mirjamis und Inara, und harre erwartungsvoll Eurer Ausführungen.
Und für die Wartezeit
&praline für alle.

LD

absalom
25.03.2009, 04:55
Du schreibst: "Du siehst Paulus, die Meinungen zu dir haben sich seit deiner Lebenszeit und vor allem kurz nach deiner Lebenszeit nicht wesentlich geändert. Hat man dich deshalb ursprünglich in Vergessenheit geraten lassen? Waren es diese negativen Erklärungen, dass dein Name bis weit nach 100 n.Chr. einen denkbar schlechten Ruf hatte? Und lag darin der Grund, dass ausgerechnet ein Häretiker dich wieder entdeckte und erneut öffentlich bekannt machte?"

Dass Paulus zunächst in Vergessenheit geraten ist und Paulus einen schlechten Ruf hatte, das ist mir neu.
Warum dieser schlechte Ruf?
Und wie kam es, dass Paulus dann doch so bekannt wurde?


Liebe Mirjamis, hier greifst du eine Thematik auf, welche bei weitem das Forum sprengen würde, denn damit begeben wir uns weit über den Rahmen des N.T. hinaus, in die frühe Kirchengeschichte und dessen unglaublich reiche Schrifthinterlassenschaften. Man kann dies unmöglich mit zwei drei Sätzen beantworten, weil dazu eine umfangreiche Quellenanalyse und vor allem deren Erwähnung von Nöten wären. Die Fachliteratur zu dieser Thematik ist zudem unglaublich Reichhaltig und vor allem, es ist wahnsinnig viel Lesestoff. Das muß ich einfach vorweg anführen.

Allein schon die neutestamentlichen Hinweise zu dieser Thematik sind so zahlreich, man kann sie unmöglich hier abarbeiten.

Ich möchte jedoch versuchen und es wird ganz sicher ein langer Text, einmal einen ganz kleinen historischen Abriss aufzuzeigen, welcher auch die Komplexität der Thematik sichtbar werden lässt.

Das werden des Frühchristentums ist keine homogene Entwicklung gewesen, sondern sie fand beeinflusst durch dessen Lehrer, Missionare, Apostel, Propheten, etc, in verschiedenen Facetten statt. Das wir heute nur sehr wenig darüber wissen liegt schlicht und ergreifend darin begründet, dass mit dem kirchlichen Zentralismus (kath. Kirche – als Einheitskirche 3 – 7 Jahrhundert) alle anderen christlichen Entwicklungen verdrängt oder ausgerottet wurden und zugleich auch dessen Schriftkultur verloren ging (Ketzerverfolgungen, Schriftvernichtungen, etc). Das begann, wie man historisch belegen kann also schon sehr früh. Allerdings hat sich auch aus diesem Grund einiges darüber erhalten (in sog. Adversusschriften - Antischriften, historischen Kommentaren, apologetischen Abhandlungen), dass noch genug Licht auf diese Frühzeit erhellt und vor allem Zitate überliefert hat. Zudem kam auch die Schriftarchäologie zu manch sensationellen Funden, die so manches aus diesem apostolischen Schriftgut erhellt und vor allem bestätigt hat. Aus dieser Summe der Quellen kann man schon ziemlich genau rekonstruieren und auch schriftlich belegen, welcher Zeitgeist in welchem Jahrhundert vorherrschend war und dies sogar sehr oft regional fest machen.

Ein klassisches Beispiel liefert hier folgende Aussage: ”Das weißt du, dass sich von mir abgewandt haben alle, die in der Provinz Asien sind” (2Tim 1,15) (alle, nicht nur einige!!!).

Justin (um 100 - 165) beschreibt in seinen Briefen die tiefen Zerwürfnisse nach Paulus auf, welche besonders auf Asien und Palästina zutreffen, obgleich er den Namen von Paulus nicht ein einziges Mal anführt. Er spricht davon, dass noch immer der Kampf um das Evangelium tobt. Denn ein Teil fordert den Anschluss der Heidenchristen an das Judentum, was auf Apostellehre zurück geht, „damit Heiden Christen sein können“; und ein anderer Teil, besonders hellenistische Juden, fordern hingegen lediglich bestimmte Bedingungen zu erfüllen, was ebenso auf Apostellehre zurück geht, „damit Heiden Christen sein können“ (Dial Tr. 46 + 47/ 2-3)
Das Justin alle Apostel erwähnt, jedoch Paulus nicht einmal nennt, lässt ebenso tief blicken und zeigt die angespannte Lage auf.

absalom
25.03.2009, 04:56
Paulus wird in den Mund gelegt und diese Aussage kann wirklich von ihm beklagt sein, dass sich ganz Asien, also sein Hauptbetätigungsfeld von ihm abgewandt hat, dass ist überaus deutlich und muß ihn unglaublich getroffen haben. Doch warum geschah das, was ist der Hintergrund dafür und vor allem wie kommt es, dass dieses Zerwürfnis bis Justin bestand hatte? Um diese Fragen zu beantworten, reicht es nicht mehr allein aus das N.T. zu konsultieren, sondern man muß zu den Zeitgenossen dieser Geschehnisse durchdringen und hier wird es äußerst schwierig, denn hier hat die spätere - kirchliche Zensur und Redaktionsarbeit „gute“ Arbeit – im negativen Sinne - geleistet. Denn es wurde so gut wie alles „judenchristliche“ Schriftgut vernichtet. Allerdings wenn das, was wir kennen nur die Spitze des Eisberges darstellen sollte, so kann man sehr klar erkennen, was wirklich für ein tiefer Konflikt herrschte und das eben schon zu den Lebzeiten des Paulus.
So berichtet Eusebius, dass bereits von Anbeginn bei den „Juden“ (Judenchristen) das Apostolat des Paulus umstritten war und er später auch offiziell abgelehnt wurde, überall! (Haer 126, 2; Harvey 213; Hist. Eccl. III 27,4; etc) Damit bestätigt Eusebius die Aussage des Paulus und mehr noch, Paulus selbst gibt genaue Detailinformationen, was geschah und genau das deckt sich mit den Aussagen von Justin: Gal 2, 12: ”Bevor einige von Jakobus kamen, aß er (Petrus) mit den Heiden; als sie aber kamen, zog er sich zurück und sonderte sich ab, weil er die aus dem Judentum fürchtete”. ”Wenn du, der du ein Jude bist, heidnisch lebst und nicht jüdisch, warum zwingst du dann die Heiden, jüdisch zu leben” (Gal 2,14) Mit dem durch Paulus verursachten Zwischenfall hatte Paulus das Jerusalemer Übereinkommen gebrochen. Dort war nur vereinbart, dass Heidenchristen gesetzesfrei leben durften. Für Judenchristen hatte sich nichts geändert, d. h. es war ihr gutes Recht, die Gesetzeserfüllung ernst zu nehmen. Hier beginnt der Konflikt, den Paulus in einem öffentlichen Brief sogar noch zuspitzt. Als Paulus fünf Jahre später den Zwischenfall im Galaterbrief dokumentierte, muß die Empörung gegen ihn “weltweit” gewesen sein. Man hatte in Antiochia nicht verstanden, warum Paulus Petrus öffentlich getadelt hatte. Absolut unverständlich war, weshalb Paulus den Vorfall auch noch in seinem Galaterbrief kundgeben mußte, so dass Petrus vor aller Welt bloßgestellt ist: Der Galaterbrief mußte von liberalen Judenchristen als Kampfansage verstanden worden sein. Paulus schreibt, dass es gerade für Juden darauf ankommt, zu erkennen, dass niemand aus Gesetzeswerken gerecht wird (Gal 2,16) und “In Christus Jesus gilt weder Beschneidung noch Unbeschnittensein etwas, sondern eine neue Kreatur” (6,15).
“Wenn ihr durch das Gesetz gerecht werden wollt, habt ihr Christus verloren und seid aus der Gnade gefallen” (5,4). “Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus” (3,28).
Damit sprengte Paulus jegliche Abmachungen die einst getroffen wurden und schuf den tiefen Konflikt zwischen Jerusalemer Urgemeinde und seiner Fraktion. Damit hatte Paulus die Sonderstellung der Urgemeinde in Frage gestellt: “In Christus” waren alle hergebrachten religiösen, kulturellen und sozialen Besonderheiten und die sich darauf gründenden Ansprüche aufgehoben. Mehr noch, jetzt zeigt sich, wie dieser Konflikt zu wirken beginnt: Nach dem Zwischenfall in Antiochia war die Kephas-Partei enstanden und viele Christen, die Paulus ursprünglich wohlgesonnen waren, hatten für Petrus Partei gegen Paulus ergriffen. Der Beginn der Spaltung war damit eingeleitet. Die „jüdische Fraktion“ fordern die Beschneidung der Heidenchristen als Bedingung des Heils (Gal 5,2; 6,12f), sie betreiben eine Gegenmission gegen die Mission des Paulus.
Sie verkünden ein „anderes Evangelium“ (1,6), sie „verwirren“ die Galater (1,7; 5,10) und „hetzen sie auf“ (5,12), sie fordern die Beobachtung des Festkalenders (4,10). Was sie lehren und fordern, nennt Paulus „Werke des Gesetzes“ (3,2.5), „durch das Gesetz gerecht werden wollen“ (5,4). Wer ein anderes Evangelium verkündigt als das des Paulus, der „sei verflucht“ (1,8f). Paulus ignoriert jegliche Vereinbarungen und setzt mit seiner Argumentation zum Gegenschlag an.
Deutlich geht es eigentlich nicht und genau hier zeigt sich die Reaktion der Urgemeinde auf Paulus in der Apg: 21/ 20 Als sie das hörten, priesen sie Gott und sagten zu ihm: Du siehst, Bruder, wie viele Tausende unter den Juden gläubig geworden sind, und sie alle sind Eiferer für das Gesetz.21 Nun hat man ihnen von dir erzählt: Du lehrst alle unter den Heiden lebenden Juden, von Mose abzufallen, und forderst sie auf, ihre Kinder nicht zu beschneiden und sich nicht an die Bräuche zu halten. 22 Was nun? Sicher werden sie hören, dass du gekommen bist. 23 Tu also, was wir dir sagen: Bei uns sind vier Männer, die ein Gelübde auf sich genommen haben. 24 Nimm sie mit und weihe dich zusammen mit ihnen; trag die Kosten für sie, damit sie sich das Haar abscheren lassen können. So wird jeder einsehen, dass an dem, was man von dir erzählt hat, nichts ist, sondern dass auch du das Gesetz genau beachtest.
Natürlich kannten sie die Paulusschriften und wussten um die Ansichten von Paulus. Ebenso wussten sie um die tiefen Zerwürfnisse, welche sich bereits in Philippi, Galatien, Antiochia, Ephesus, Korinth, etc abzeichneten.
Wenn die Apg davon mehrfach spricht, dass „Eiferer des Gesetzes“ Hauptbestandteil der Urgemeinde Jesu waren, wozu offensichtlich als dessen Oberhaupt Jakobus ohne Zweifel gehörte, wie der Galaterbrief offenbart, dann weiß man, wie solche Aussagen des Paulus auf diese gewirkt haben. Es verwundert nicht, dass in der nachpaulinischen Literatur (2. Tim- 4/ 16 Paulus in den Mund gelegt wird: „Bei meiner ersten Verteidigung ist niemand für mich eingetreten; alle haben mich im Stich gelassen. Möge es ihnen nicht angerechnet werden.“
Das ist nur ein ganz kleiner Ausschnitt, der belegt, wie tief greifend die Zerwürfnisse waren, welche spätere Autoren ebenso berichten.
An Kritik gegenüber Paulus und seinen Lehren und ebenso über dem Konflikt zu Petrus und Jakobus muß es zahlreiche Literatur gegeben haben. Das ist aus Quellen bekannt und manche Zeugnisse dessen zeigen noch heute die tiefe Brisanz auf. So wird immer wieder bei den Kirchenvätern deutlich, dass besonders Lehraussagen zur Debatte standen. Hegesipp (100 -180) führt z.B. folgendes vor: Matt.: 16/13 Ihr aber seid selig, denn eure Augen sehen und eure Ohren hören. Und dazu eine Aussage des Paulus: 1.Kor. 2/ 9 Nein, wir verkündigen, wie es in der Schrift heißt, was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat, was keinem Menschen in den Sinn gekommen ist: das Große, das Gott denen bereitet hat, die ihn lieben. Dazu im Vergleich: Jes.: 64/3 … Von Urzeiten her hat man nicht gehört, hat man nicht erlauscht, nie hat etwas ein Auge ersehen von einem Gott außer dir, der es tut für den, der seiner harrt. Es mag nicht verwundern, dass Paulus hier schon frühzeitig Fälschung bzw. Sinnveränderungen der Schriften vorgeworfen wurde in Bezug zu Jesaja und mehr noch gegenteilige Lehre in Bezug zu Jesus. Das nur als ganz kleines Beispiel aus der Vielschichtigkeit der Literatur. Irenäus spricht gar von: „gläubigen Christen, die regelrechte Paulusgegner sind“ (Häer. III 15,1).

absalom
25.03.2009, 04:57
Und noch etwas fällt bei den frühen Kirchenvätern sehr auffällig auf, die seltene Erwähnung von Paulus und besonders seiner Briefliteratur. Z.B. einer der ganz frühen Bischöfe war Ignatius (107-110, wahrscheinlich seit 68 Bischof von Antiochia). Er hat kaum Kenntnisse über Paulus und lediglich zwei Textstellen lassen auf eventuell Kenntnisse zur Briefliteratur des Paulus erkennen. Und das bei sieben überlieferten Briefen! Das lässt wahrlich aufhorchen und zeigt, wie schnell Paulus in Antiochia vergessen war.
Noch deutlicher wird die Kritik an Paulus, an einem Schriftfund einer sog. Epistula Petri. Wissenschaftler sind sich ziemlich einig, dass es sich um eine Kampfschrift gegen Paulus und dessen Anhang handelte, die mehrfach von Kirchenvätern erwähnt wird und von deren Sorte es zahlreiche ähnlich gelagerte Schriften gab. Hier wird, was man sonst nicht mehr finden kann (Gründe siehe oben) ganz unverblümt der Konflikt aufgezeigt. Bereits im 2. Kapitel dieser Schrift werden dem Namensträger Petrus Worte zu Jakobus übermittelt, welche vor drohenden Spaltungen waren, welche sich jetzt schon aufzeigen. Weiter heißt es: „Einige Heiden haben die Gesetzespredigt des Petrus zurück gewiesen und statt dessen eine gesetzlose und unsinnige Lehre angenommen, dessen Urheber der „feindliche Mensch“ sei.“ Nun wird im Anschluss explizit auf Gal. 2/ 11- 14 eingegangen, also auf Paulus: und spricht davon, wie Petrus von diesem Menschen verleumdet wurde, „was die Handlung Satans in diesem Verleumder offenbar macht“. Im weiteren Verlauf wird es dann noch deutlicher: „ Seine Verleumderischen Aktivitäten erweisen sich zudem als durchaus erfolgreich.“ Und Petrus rechnet mit dessen Ausbreitung unter den Heiden, nach dessen Tod, ja sie ist schon geschehen. Zugleich wird in dieser Kampfschrift vor Augen geführt, dass nur der ein wahrer Apostel sein kann, der durch den irdischen Jesu eingesetzt wurde. Im Kapitel XVII 19 wird dann das ganze Ausmaß der Kritik beim Namen genannt: „Selbst wenn Jesus dem falschen „Simon“ = Paulus begegnet wäre, so müsste doch noch immer gefragt werden, wie es möglich sei, dass Jesus ihnen nichts persönlich von der Berufung gesagt habe. Und: Ein ganzes Jahr lang seien die Jünger und Petrus bei Jesus in der Ausbildung (Lehre) gewesen und nun solle dieser Jesus dem falschen „Simeon“ die Entgegengesetzte Lehre wie diesen offenbart haben? Das, so sagte/ lehrte Petrus sei unmöglich“. „Zudem, wäre Paulus ein echter Apostel gewesen, hätte er sich Petrus nicht widersetzt und hätte ihn auch nicht öffentlich verleumdet, sondern wäre sein Mitarbeiter geworden“. In Hom. XI 35, 5 wird der Bogen sogar soweit ausgedehnt, dass auf Paulus das Jesus Wort von falschen Lehrern und Propheten bezogen wird (Matth. 24/5). (Interessant ist hier die Übersetzung diese Matth, zitates!)
Diese Streitschrift aus dem 2. Jahrhundert ist die schärfste Schrift gegen Paulus und seinen Anhang, der überlebt hat, doch wie schon ausgeführt, sie ist neben den Zeugnissen der frühen Kirchenväter bei weiten nicht die Einzige gewesen und greift wesentlich ältere Traditionen, die bis in die Zeit von Paulus selbst reichen auf (siehe oben).
Als Gegensatz dazu ist auch interessant, wie sich das Frühchristentum außerhalb der paulineschen Lehre entwickelte. Auch hier gibt es kaum noch Schriftzeugnisse, die Gründe dafür habe ich oben schon angeführt, wobei auch der Islam hier eine tragende Rolle spielte. Allerdings finden wir bei den Kirchenvätern davon Zeugnisse wieder und diese werden durch immer zahlreicher werdende archäologische Befunde teilweise erhärtet. Schaut man nach Persien, so zeigte sich ein ganz anderes Frühchristentum, das bereits kurz hinter Damaskus seinen Wirkungsgrad hatte. Deutlich wird das an den sog. Elkesai, welche später von der Kirche, wie alle judenchristlichen Gruppen als Ketzer verfolgt wurden. Sie beriefen sich ebenso auf die Apostel und ihre Lehren und hier direkt auf Jerusalem, also die Urgemeinde. Sie praktizierten die Beschneidung ebenso, wie Bußtaufe, rituelle Waschungen, Gebete in Richtung Jerusalem, etc, etc. Paulus war ihnen gänzlich unbekannt und sie erschienen eher jüdisch. (Epiph. Haer. 19, 3, 5) An diesem Beispiel, es gibt noch etliche mehr, zeigt sich, dass es ganz unterschiedliche Lehransichten gab und diese überhaupt nicht mit den Lehren des Paulus vereinbar waren.
Man könnte jetzt noch auf den Jakobusbrief eingehen, der wie 1. Clemensbrief (ca. 70 - 90 n.Chr.) bereits richtig ausführt, eine Relativierung der Pauluslehren darstellt. Man könnte noch auf 2. Petrusbrief (ca. 120 n.Chr.) eingehen, der in Kapitel 3 / 15 ebenso auf Schwierigkeiten mit dem Verständnis zur Paulusbriefliteratur eingeht. (Hatte Paulus deshalb Briefe geschrieben, damit man sie nicht richtig versteht? Auch das fragte man sich schon sehr früh!)
Man könnte noch erwähnen, warum Paulus zum Schirmherrn der gnostischen Literatur des Frühchristentums wurde und diese besonders fest an Paulus hielten, ja eigentlich ganz wesentlich sein Brieferbe bewahrten! Man könnte anführen, warum der Judenhasser und Bischof Marcion (um 144) 10 (teilweise heute unbekannte) Paulusschriften und teile aus Lukas für einzig wahr und glaubwürdig erklärte (Er war der erste, der christliche Schriften zu einem Kanon verband).
Man könnte seitenlang ausführen warum Paulus für die Kirche plötzlich so bedeutend wurde, denn dazu gab es ganz triftige Gründe.

Du siehst Mirjamis, die Thematik ist unglaublich tiefgehend und schon nur an den wenigen Beispielen zeigt sich, das dass N.T. nur einen kleinen Teil und Hinweis auf historische Verhältnisse werfen kann und will. Wenn man allerdings etwas genauer hinschaut, kann man sehr wohl so manches erkennen. Die spätere kirchliche - redaktionelle Bearbeitung der Urgemeinde und des Frühchristentums hat genug Spuren hinterlassen, welche aufzeigt, dass es nie eine Idealgesellschaft war, sondern schon sehr früh durch verschiedenste Persönlichkeiten und hier war Paulus nur einer von Vielen – das wird auch immer wieder außer Acht gelassen - war.
Das Paulus am Ende fast allein dastand, fast alle seine Weggefährten verlor, seine Gemeinden ihm den Rücken kehrten, ist ein historisch belegbarer Fakt, den das N.T. sogar selbst bestätigt. Allerdings werden die Hintergründe nur versteckt angeführt und nur durch Quellenstudium in ihrer ganzen Tragweite sichtbar und offenbar. Einmal hinter die Kulissen zu schauen lohnt sich wirklich, sollte aber grundsätzlich nicht das persönliche Verhältnis zu Gott beeinträchtigen, es sei denn man frönt einem Buchstabenglauben.


Du schreibst auch von Schriftgut, das dem Paulus "irrtümlich" zugeschrieben wurde. Sind das Briefe aus dem Neuen Testament? Und welche?

Richtig. Hierzu folgende Auflistung:

Die sieben echten Paulusbriefe

Der erste Thessalonicherbrief
Der erste Korintherbrief
Der zweite Korintherbrief
Der Galaterbrief
Der Philipperbrief
Der Philemonbrief
Der Römerbrief

Ich verweise diesbezüglich auf eingehende Fachliteratur.

Ich hoffe ich konnte etwas Licht in die Fragen bringen!

Absalom

Mirjamis
25.03.2009, 11:02
Danke, lieber Absalom,
ich hab alles aufmerksam gelesen. Mir raucht der Kopf. Aber interessant wie immer.
Das wirft ein ganz neues Licht auf Paulus.
Muss ich nun alles erst verarbeiten.

Du schreibst: "Man könnte seitenlang ausführen, warum Paulus für die Kirche plötzlich so bedeutend wurde, denn dazu gab es ganz triftige Gründe."
Na, diese Gründe würden mich auch interessieren.

absalom
25.03.2009, 14:44
Liebe Mirjamis, du kannst mich aber auch in Anspruch nehmen - lach -.

Ich will mich versuchen kurz zufassen, bei diesem Punkt. Es wird sicher wieder länger…

Paradoxer Weise ist es vor allem Randgruppen, wie Marcioniten, Gnostikern (vornehmlich Alexandria), philosophisch ausgerichtete Hellenistenchristen und anderen Strömungen zu verdanken, dass die Diskussion um Paulus lebendig blieb. Gerade diese Gruppen beanspruchten die Lehren des Paulus für sich und bildeten einen massiven Gegenpol zu der werdenden „judenchristlichen“ Gemeinschaft. Diese formierte sich nach 70 neu (Zerstörung des Tempels, Ende der Urgemeinde, Tod aller Apostel und Augenzeugen Jesu, etc), orientierte sich aber noch immer wesentlich an Jakobus und Petrus und den Vorgaben der Jerusalemer Gruppen, löste sich jedoch zunehmend aus den Synagogen und bildete eigene Gemeinschaften – oft Mischgemeinschaften von Heidenchristen und Judenchristen. Und noch ein zweiter Fakt spielt hier eine Rolle, der noch überhaupt keine Erwähnung fand, die Gruppen, die sich um die sog. alexandriensche Schule („Johanneskirche“) scharte (sog. Philochristen), die einen ebenso starken Gegenpol zu den Jerusalemer Gruppen- und besonders zu Antiochia entwickelten (ab ca. 100 - 120). Diese drei Gruppen konkurrierten zunehmend gegeneinander und schufen innerhalb des sich ausbildenden Christentums tief greifende Zerwürfnisse. Nur durch den äußeren Druck der Illegalität (Nichtanerkennung des christlichen Glaubens als eigenständige Religion im Imperium) blieb dieser Konflikt weitestgehend auf Verbalkämpfe (Mission, Gegenmission, Heilsabsprechungen, Ketzerbeschimpfungen, Häresievorwürfe, etc) beschränkt. Gewinner waren letztendlich die, welche sich zunehmend mit dem Imperium arrangierten und einen Gewissen Grad an geduldeter Legalität (ab 160 – 180) für sich vom Imperium erkämpften und erkauften. Und genau hier beginnt zunehmend der Einfluss der römischen Kirche, die im Herzen der Imperialen Macht - Rom, den größten Rückhalt vom Imperium hatte. Von hier aus begann zugleich die Sammlung der Christen und die Formierung der Kirche, welche sich nun katholisch also Allumfassend verstand. Rom wurde zunehmend zum Endscheidungsfaktor für die Ausrichtung des Christentums zu einer eigenständigen und selbstständigen Religion. Dazu war es notwendig Einheit und Verbindlichkeit herzustellen und zugleich die vielen konkurrierenden Machtmonopole auszuschalten. Rom beanspruchte für sich den „Stuhl Petri“ und erfand dazu die Sonderrolle des Papsttums und Oberhirten. Zugleich begann in diesem Zeitraum der intensive innerchristliche Streit um ein eigenes verbindliches Schriftgut, welches als Gegenpol zu den bis dato allein als verbindlich anerkannten alten Schriften (Tanach und Septuaginta), die jedoch für Heidenchristen kaum Stellenwert besaßen, gebildet werden mussten. Und noch ein Punkt spielt eine große Rolle, nach dem Ende der Urgemeinde und den Verfolgungen der Juden durch Rom, die ebenso die Judenchristen traf, weitestgehend aber Heidenchristen verschonte, verschob sich das Gewicht an Mitgliedern zugunsten der Heiden, also Nichtjuden in den Gemeinschaften deutlich und ziemlich abrupt. Es entstand so zusagen ein judenchristliches Vakuum, welches nicht mehr gefüllt - und somit von der Interessenslage überflüssig wurde. Faktisch, es gab einen Überlieferungsverlust urgemeindlicher Lehren durch Juden und zugleich eine andere Bedarfsorientierung, die auf jüdische Belange, welche für Heiden nicht galten (Apostelkonzil) keine Rücksicht mehr nehmen musste.
Auch darf nicht unerwähnt bleiben, dass die judenchristliche Akzeptanz innerhalb der Synagogen schon vor 70 deutlich abnahm.
Also auch hier ein ganz vielschichtiger Prozess, der in seiner Gesamtheit einzeln beleuchtet werden muß, um entsprechende Entwicklungen klar herauszustellen.

Marcion stellte mit seinem ersten heidenchristlichen Kanon genau diese Situation dar. Alle jüdischen Elemente verschwinden aus dem Gesichtskreis und Marcion schreckt als erster auch nicht davor zurück, vorhandenes Überlieferungsgut der neuen historischen Situation anzupassen. Dabei beruft er sich auf seinen Vorreiter Paulus und nennt ihn als Garanten für die „neue Kirche“, welch unabhängig jeglicher urgemeinschaftlichen Überlieferung ihren Weg gehen muß. Marcion war der erste, der erkannte und öffentlich aussprach was viele dachten, das mit einem Judenmessias, der zugleich auch noch als Rebell gegen Rom und den Kaiser (Tacitus Annales) hingerichtet wurde, kein „Staat“ zu machen, war, sprich die legatio – öffentliche staatliche Anerkennung - verweigert blieb. Zugleich forderte er öffentlich und längst nicht alleine, dass sich das Heidenchristentum vom Judentum lossagt, welches durch seinen Ungehorsam gegen Rom zunehmend in Ungnade fiel und faktisch für Vogelfrei erklärt wurde, was auch Heidenchristen zunehmend – da sie mit dem Judentum in Verbindung gebracht wurden – erleiden mussten. Zudem erwies sich das Judentum denkbar ungeeignet als Integrationsbecken für verschiedene Völker. Der Selbstanspruch des Judentums, Glaube, Volk und Land, sind denkbar schlechte Missionsgrundlagen. Universalismus wäre hier das treffende Schlagwort, für Missionsgrundlage, nämlich sich auf die Bedürfnisse der jeweiligen Umgebung einzustellen. Das konnte das Judentum noch nie leisten und die Ursprungslehre Jesu sah das auch nicht vor (geht nicht in die Städte der Heiden, etc).

Wir sehen hier den ersten offensichtlichen Theopolitisch durchdachten Ansatz für eine Trennung von Judenchristen und Heiden, der später auf die Überlieferungskultur einen vehementen Einfluss nehmen sollte (Nicht Römer sind Feinde Jesu, sondern Juden werden es).

absalom
25.03.2009, 14:44
Marcion war seiner Zeit allerdings 100 Jahre voraus und noch war der Einfluss der Judenchristen stark genug um Marcion die Stirn zu bieten, Rom zum Handeln zu bewegen und sie hatten zudem einen Verbündeten, die Alexandriner Kirche – die mächtigste Kirche damals, welche die Macht und den Einfluss der römischen Kirche brechen wollte. Marcion wurde zum Ketzer erklärt, doch sein Kanon wurde die erste Grundlage für eine Entstehung eines christlichen (N.T) Kanons, dessen Bildung und letztendliche Endredaktion erst im 4. Jahrhundert abgeschlossen war. Wir reden also hier über eine Zeitspanne von über 300 Jahren!

Marcion erreichte jedoch eins, Paulus wurde nun endgültig wieder salonfähig ja mehr noch, für Heidenchristen z.B. die Alexandriner (welche sich schon vorher von jüdischen Überlieferungseinflüssen abwandten – Jahonnesgut), Gnostiker, Hellenisten, etc fanden in Paulus ihren theologischen Vertreter und nicht in judenchristlichen Ansichten. Der Siegeszug des paulinischen und johannischen Schriftgutes begann nun endgültig und wurde zur vorherrschenden Theologie.

Bei all dem Gesagten muß man immer die Komplexität vor Augen haben, welche historische und politische Aspekte in sich einschließt. Durch das verschwinden des Judenchristentums ergab sich für die Heidenkirche eine gänzlich neue Situation und Zielsetzung. Zugleich rückte eine Naherwartung der Wiederkunft Jesu völlig in den Hintergrund, was zur Folge hatte, dass man sich strukturiert organisieren und mit den gegebenen Verhältnissen arrangieren musste, um nicht das gleiche Schicksal wie die der Judenchristen zu erleben. Und genau das erforderte auch einen völlig neuen theologischen Ansatz, der Nicht mehr auf „Messianismus“ ausgerichtet war, sondern auf eine Kultgemeinschaft und hier bediente man sich äußerst freizügig in der Welt, in der die „Heidenkirche“ entstand und bestand, im Hellenismus. Nicht das Judentum war Zielobjekt, sondern die Welt und aus aller Welt strömten Menschen und deren Einflüsse hinzu. Und genau hier setzte Paulus bereits an, ein Evangelium, in dem sich alle Widerfinden können, ein Evangelium, das keine Grenzen oder Einschränkungen mehr kennt und formbar und dynamisch bleibt.

Die Kirche hatte in seiner weiteren Geschichte ihre eigenen Kämpfe auszutragen, gegen Gnostiker, die Alexandrienische Kirche und konkurrierende Kulte und sie schaffte es tatsächlich – teils Friedlich – teils mit Gewalt alle - in ihrem Einflussbereich - unter einen Hut zu bekommen. Dieser Prozess begann bereits bei Paulus und sollte noch fast 500 Jahre dauern.

So, ich kann eigentlich nicht mehr an „Allgemeingut“ beisteuern, denn diese Thematik ist so komplex und bedarf wirklich einer genauen historischen Darstellung, um wirklich die vielen Fassetten dieser Entwicklungen – bis hin zur Kanonsbildung und dessen Redaktionseinflüssen auf das inhaltliche Schriftgut des N.T. zu beleuchten.

Die Tragweiter von 500 Jahren Entwicklungsgeschichte, von der Urgemeinde zur Frühkirche und der ersten unfassenden kath. Kirche ist nur schwerlich in 500 Seiten zusammen zu fassen. Gleiches gilt für die Kanonsbildung und die Entwicklung des Schriftgutes des N.T.. Auch hier muß man sagen, 400 Jahre kann man kaum auf ein Forum projizieren.

Eigentlich, so meinte ich einstmals, müsste ein gewisses Grundwissen über diese so wichtige Entwicklungsgeschichte – als Basiswissen den Anhängern und Gläubigen dieser Religion in unserer heutigen Zeit vermittelt werden, schon im Eigeninteresse der Religion, was sicher auch auf Grund historischer Entgleisungen und Fehlentwicklungen „Selbstüberwindung“ kosten würde, doch es bleibt leider auf Fachbereiche beschränkt. Somit bleibt eigentlich nur für Interessierte der Weg übrig sich selbst ein Bild davon zu machen, was ein gewisses „Eigenstudium“ historischer Quellen voraussetzt, die jedoch sehr gut zugänglich sind. Allerdings ist oft in dessen Folge die entschiedene Abwendung von dieser Religion und gewissen Glaubensinhalten zu beobachten und das nicht nur bei Laien, sondern gerade bei entsprechen Wissenschaftlern. Im gleichen Atemzug ist allerdings auch zu beobachten, wie immer deutlicher Kirchen Geschichtsverdrängung betreiben und im Gegenzug eine Biblisierung betrieben wird. So als wenn diese Entwicklungsgeschichte keinen Einfluss auf genau diese Bibel hätte. Ja in bestimmten christlichen Kreisen geht man mittlerweile sogar soweit, diese christliche Frühgeschichte als nichtchristlich zu bezeichnen. Welch eine Paradoxie.

So nun gut aber damit.

Absalom

Ragamuffin
25.03.2009, 15:54
Lieber Absalom,

Was denkst du zu Krister Stendahls argumentation, das Paulus quasi mit dem brief an die römer versucht die kurve zu kriegen, zurückblickt auf sein bisheriges wirken und versöhnlicher wirkt?

Isaak
25.03.2009, 15:56
Frage einen Rabbe und du wirst eine und viele sehr lange Antworten bekommen und daraus entnehmen, dass du selber die Tora und den Talmud studieren musst.

Frage einen Professor und du wirst eine und viele sehr lange Antworten bekommen und daraus entnehmen, dass du selber studieren musst.

Warum schien Paulus in Vergessenheit geraten zu sein? Und warum rückte er, nur wenige Jahre später bei Marcion und dann auch in der jungen Kirche wieder und gleich derart in Erinnerung und Vordergrund?

Wissenschaftlich gesehen wird eher nur festgestellt, dass in der jungen Kirche Paulus eine gewisse Zeit lang in Vergessenheit geraten ist. Wieso das geschah, darüber sind sich die Gelehrten der heutigen Zeit nicht einig.

Ein Teil vertritt die Ansicht, dass die paulanischen Gemeinden ca. 40 Jahre den Tod von Paulus überlebt hätten und dann schlicht weg sich auflösten und recht schnell vergessen wurden, da seine Lehren sehr Personenbezogen auf sich selbst ruhend lebten.

Ein anderer Teil der heutigen Gelehrten führt das zeitweilige Verschwinden des „echten“ Paulinismus auf die damalige frühchristliche Grunderwartung zurück, welche eine unmittelbare Wiederkunft Christi als gegeben an sah und somit kein Apostel eine sonderlich wichtige Aufmerksamkeit erhielt, so auch Paulus in Vergessenheit geriet. Kulturwissenschaftlich nennt man dies Parusie. Wenn damals überhaupt sich die frühe christliche Kirche noch an Paulus erinnerte, bzw., so die Meinung einiger Kulturwissenschaftler, dann beschäftigten sie sich mit ihm, meist auf heliniestischer Seite im Umdeuten aller paulanischen Aussagen, also einem Anpassen seiner Lehre zur unmittelbar vorstehenden Erwartung der Christi Wiederkunft und dem Beginn des ewigen Reiches. Eine parallele damalige frühchristliche Bewegung waren die gnostischen Häretiker, welche nicht umdeuteten, sonder bereits ihren Lehren entsprechend, interpretierten daraus entstand u. a. das Johannesevangelium.

Marcion hätt nicht nur, nach dem Ausbleiben der Wiederkehr Christi und dem nicht beginnen des ewigen Reiches, dem daraus entstehendem Zweifel und der drohenden Abkehr zum frühen Christentum, Paulus wieder in die Erinnerung geführt, sondern auch als erster Christ einen tragischen Keil zwischen Judentum und Christentum getrieben, denn er begann von einem guten G“tt der Liebe, dem G“tt des neuen Testaments und dem bösen G“tt des alten Testamentes zu predigen und Werke zu schreiben.

Man könnte fast sagen, die Wiederaufnahme Paulus zu den Aposteln (er ist ja streng gesehen kein Apostel, da er Jesus nie gesehen hat) gleicht einem Rettungsanker der frühen jungen christlichen Kirche, welche feststellen musste, dass Christus scheinbar doch nicht so schnell wieder kommen würde und die Zeit noch lange nicht am Ende war.

Shalom

Isaak

Isaak
25.03.2009, 16:29
Hier ein Link zu einem Thread für Interessierte, welche wert darauf legen, dass Glaube deutlich getrennt von Wissenschaft nebeneinander behandelt werden sollten.

click it ►Wissenschaft und Glauben ◄ click it

Gruß

Isaak

absalom
25.03.2009, 18:22
Lieber Absalom,

Was denkst du zu Krister Stendahls argumentation, das Paulus quasi mit dem brief an die römer versucht die kurve zu kriegen, zurückblickt auf sein bisheriges wirken und versöhnlicher wirkt?

Lieber Rega, eine sehr schwierige Frage, sehr schwierig! Wäre ich Paulus, ich wüsste eine schlüssige Antwort, ich kenne jedoch nur diesen Brief und jene anderen Briefe von ihm.
Klar habe ich mir schon Gedanken darüber gemacht und ich habe es im "Paulusbrief" schon leicht angesprochen. Der Brief birgt in sich sehr viele Besonderheiten und Geheimnisse, was viele Spekulationen erlaubt und allgemein sagt man mitlerweile, ja das mit der Kurve kriegen hat was. Das er am Schluß allein war, scheint wohl auch Paulus einmal zum Nachdenken und zur inneren Einkehr bewogen zu haben. Wer weiß?

Eventuell schreibe ich später einmal mehr dazu.

Liebe Grüße auch an dich Rega.

Absalom

absalom
25.03.2009, 18:24
Marcion hätt nicht nur, nach dem Ausbleiben der Wiederkehr Christi und dem nicht beginnen des ewigen Reiches, dem daraus entstehendem Zweifel und der drohenden Abkehr zum frühen Christentum, Paulus wieder in die Erinnerung geführt, sondern auch als erster Christ einen tragischen Keil zwischen Judentum und Christentum getrieben, denn er begann von einem guten G“tt der Liebe, dem G“tt des neuen Testaments und dem bösen G“tt des alten Testamentes zu predigen und Werke zu schreiben.

Man könnte fast sagen, die Wiederaufnahme Paulus zu den Aposteln (er ist ja streng gesehen kein Apostel, da er Jesus nie gesehen hat) gleicht einem Rettungsanker der frühen jungen christlichen Kirche, welche feststellen musste, dass Christus scheinbar doch nicht so schnell wieder kommen würde und die Zeit noch lange nicht am Ende war.

So änliches führte ich ja schon aus und die Hintergrundinfo zu Marcion ist absolut zutreffend.

Danke Isaak

Isaak
25.03.2009, 18:29
Wir könnten ja dem Paulus eine PN schicken und ihn selber fragen. (lol)

Ach ja, geht nicht, er ließ ja mitteilen, dass er die Korespondenz eingestellt hat.

Gut ist es, unter uns, dass wir immer deutlich herauslesen können, was wir über Paulus denken und klar dargestellt ist was (er) geschrieben hat und wie wir es verstehend interpretieren. Eben deutlich Glauben und Wissenschaft nebeneinander erklären können.

Shalom

Isaak

Ragamuffin
25.03.2009, 18:35
Der Brief birgt in sich sehr viele Besonderheiten und Geheimnisse, was viele Spekulationen erlaubt und allgemein sagt man mitlerweile, ja das mit der Kurve kriegen hat was. Das er am Schluß allein war, scheint wohl auch Paulus einmal zum Nachdenken und zur inneren Einkehr bewogen zu haben. Wer weiß?


Ich finde Stendahl's analyse schlüssig und faszinierend. Vor allem, weil er als Lutheraner die klassiche lutherische botschaft auf dem kopf stellt. Aus einem "wir sind die besseren der gnade wegen" wird ein "bildet euch nicht zuviel darauf ein, nun dazugehören zu dürfen".

Das Paulus dies an eine gemeinde schrieb, die er nie besucht hat, sehr vorsichtig ist in seine wortwahl und in seinem rückblick, vermute ich schon, das er die kurve kriegt.

Eigentlich würde römer viel besser am ende der briefe passen. Das es am anfang gesetzt worden ist, hat wahrscheinlich auch zur überinterpretation geführt.

Isaak
25.03.2009, 18:37
So änliches führte ich ja schon aus und die Hintergrundinfo zu Marcion ist absolut zutreffend.

(smile) natürlich habe ich auch dieses mal alles von dir gelesen und ich denke nicht, dass ich dir das Handtuch reichen könnte, im Punkto Wissen zur Religionswissenschaft und würde dies auch nie tun wollen. Mein Fachbereich ist ein anderer. (smile)

Auch ich bedanke mich für deine qualitativ hochwertigen Beiträge (soll keine Bewertung sein, sondern mein Respekt und Lob zum Ausdruck bringen)

Der Dank ist auf meiner Seite.

lehit

Isaak

Mirjamis
25.03.2009, 20:15
Absalom schrieb:
"Liebe Mirjamis, du kannst mich aber auch in Anspruch nehmen - lach -."

Lieber Absalom,
ich hoff, ich geh dir nicht allzu sehr auf die Nerven mit meinen vielen Fragen.
Du hast aber auch ganz schnell geantwortet. Staun.
Ja, ich seh es ein - ich werde mich mal wieder ein bisschen zurückhalten - bis .... Grins.

Aber ganz herzlichen Dank dir für deine ausführlichen Antworten. :umarmen:
Ich weiß es sehr zu schätzen, dass du dir sooooooo viel Zeit dafür nimmst.


Und auch dir, Isaak, ganz herzlichen Dank für deine Ausführungen.

Das ist alles so interessant - mir raucht schon wieder der Kopf. Muss ich alles noch mal in Ruhe lesen.

Inara
27.03.2009, 15:21
Ha, und wieder ein Stück des Puzzles zusammengesetzt...Ich hatte im Zuge der historischen Entstehung der Offenbarung nach Johannes ein paar Bücher durchforstet (über google :-)), die natürlich auch die komplette Entstehung der kanonischen Bibel beleuchteten; aber diese Bücher waren schon etwas älter (um 1980, glaub ich), und von Paulus war da nicht allzu viel die Rede.

Danke für diese klasse Übersicht der Thematik!

Ich beobachte auch zunehmend, wie sich gewisse Kreise gegen die Historie der Bibel wenden und sie zunehmend "vergöttlichen", wie ein verzweifelter Versuch, allen Widerspruch sofort im Keim zu ersticken. Ich finde das fast schon beunruhigend. Vielleicht bilde ich es mir aber auch nur ein, dass der Fundamentalismus zunimmt und die Toleranz ab. Vielleicht war das schon immer so: Es geht mal hoch, es geht mal runter. Das stellte ich auch bei meinen Recherchen zur Offenbarung fest - die Naherwartungshaltung ist in der Zeit periodisch, mal stärker, mal schwächer vorhanden.

Effi
12.01.2013, 21:35
Teil 2
....

So lieber Paulus, nun gut damit. Es gibt so viele Fragen an dich, es will kein Ende nehmen. Ein schweres Erbe hast du Vielen hinterlassen, deinen Landsleuten, Wissenschaftlern, Frauen und Gläubigen. Ich werde mich weiter mit dir beschäftigen müssen und ich glaube mehr denn je, dir und deinem Ansinnen immer näher zu kommen. Ich glaube dir, du hast aus deinem Glauben, deinem Wissen und aus deiner Überzeugung gehandelt, doch ich nehme dich ebenso beim Wort und sehe dein Wirken als Stückwerk, welches dringend geprüft werden sollte und muß. Was ich über dich als Menschen erfahren habe ist viel, denn wir alle sind manchmal all das Negative in uns selbst, was dir zugeschrieben wird. Damit wirst du menschlich in all deinen Schwächen, Irrungen und Wirrungen.

Sei gegrüßt lieber Saulus, dein Freund

Ich bin inhaltlich beeindruckt von Teil 1 und 2. Die Briefform ist originell gewählt und war interessant zu lesen.