PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Fragen über Fragen



Mirjamis
18.04.2009, 12:55
Ich merke, je mehr ich herausfinde, deste mehr neue Fragen wirft es auf.
Und das, wo ich schon bald 50 Jahre fast täglich in der Bibel lese und bisher vieles so klar war (natürlich nicht alles).

Jetzt stolperte ich über einen Text aus Johannes 1.

Da heißt es Johannes 1,29:
"Des andern Tages sieht Johannes Jesus zu ihm kommen und spricht: Siehe, das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt."

Hier im Forum lese ich immer wieder, dass Jesus nicht für unsere Sünden gestorben ist - wie kann dann Johannes das so aussprechen????
Wie seht ihr diese Textstelle?
Was wisst ihr darüber?

Und Johannes 1,45:
"Philippus findet Nathanael und spricht zu ihm: Wir haben den gefunden, von welchem Mose im Gesetz und die Propheten geschrieben haben, Jesus, Josefs Sohn von Nazareth."

Welche Bibelstellen sind damit gemeint????

Ich hoffe, ich gehe euch mit meinen vielen Fragen nicht auf die Nerven, aber vielleicht interessiert das auch andere User.
Dankbar bin ich euch jedenfalls für alle sachlichen und fachlichen Antworten.

simple-one
18.04.2009, 13:08
Hier im Forum lese ich immer wieder, dass Jesus nicht für unsere Sünden gestorben ist - wie kann dann Johannes das so aussprechen????
Wieso ist er denn dann gestorben, wenn er net als Gottes Sohn für unsere Sünden starb? Für mich wäre damit die bibel bzw das NT so ziemlich hinfällig, weil sie den Sinn verloren hat.

anonym002
18.04.2009, 16:19
Hallo Mirjamis

Sicher bekommst du nun viele Antworten, die dir dies bestätigen wollen, dass Jesus dieses Opferlamm sein soll. Aber eigentlich kennst du die ja selber.


Johannes der Täufer meint hier eine Offenbarung zu haben, und doch stellt er später in Frage, ob nun Jesus der ist, der da kommen soll. So stellt Johannes der Täufer seine Erwartung in Jesus später in Frage, weil nicht das geschah, was geschehen soll, wenn der Messias da sein wird.


Das Problem der damaligen Zeit war ja in erster Linie die Unterjochung unter die Römer, aber auch das der Nächstenliebe. Der Mensch lebte nicht in Angst oder Unwissen vor Gott, ob er sich ihm annimmt, wenn man sich ihm zuwendet. Dazu auch das Gleichnis Jesu vom Zöllner und Pharisäer im Tempel.

Woher hatte er wohl eine Gotteslamm-Vorstellung, welches der Welt Sünde tragen soll? Es wäre sehr interessant, in welchen Kreisen solche Erwartungen sind, damit man auch die Aussage besser zuordnen kann. Die Tenach verheisst ja eigentlich kein solches Gotteslamm und im Allgemeinen wurde kein stellvertretendes Menschenopfer erwartet.


Das JohannesEv ist ja sehr hellenistisch geprägt, was schon in den ersten Versen des Johannes ersichtlich ist. Es wurde ums Jahr 90-100 geschrieben, wo dieses Denken von Philon von Alexandria schon recht Fuss gefasst hatte, vom Logos. Nur in JohEv der 4 Evangelien wird Jesus als dieses Lamm Gottes bezeichnet. Dass Gott Opfer braucht, damit er versöhnlich gestimmt wird, oder dass etwas stellvertretend dafür das auf sich nehmen muss, ist keine Lehre der Torah und der Propheten. Im Gegenteil, beachtet man die Propheten, so ist das „Opfer“ ein demütiges Herz, also die Zuwendung zum Ewigen. Solche Denkweisen kommen von aussen herein und vermischen sich mit und in der Überlieferung. Dass Gott Sünden im AT nur überdeckt, und nun nur mit dem Blut Jesu rein gewaschen werden kann, ist keine Lehre Jesu. Es braucht da kein Lamm, das uns vor „Gottes Strafe“ schützen soll.


Hier in Joh 1,29 steht für „tragen“ das Wort airo, heben, hochheben, aufheben, auch entfernen; also eine grosse Interpretationsweite und wird auch von den 123 Vorkommen sehr unterschiedlich übersetzt. Als „tragen“ wird es in der Lutherübersetzung gerade mal 8 mal gebraucht. Aber mit Versöhnen hat das Wort nichts zu tun. Wenn von wegnehmen da gesprochen respektive übersetzt wird, widerspiegelt dies eine spätere Lehre, die Jesus nicht so gelehrt hatte und auch keine Basis in der Torah findet.


Dass nun Jesus die Sünde/Verfehlung des Kosmos nicht aufhob oder gar nach Schlachterübersetzung hinweg nimmt, ist nun mal offensichtlich. Ebenso wenig hatte er sein Volk von ihren Verfehlungen errettet, wie es gemäss Mt 1,21 der Maria verheissen war. Sicher hat er sich dafür eingesetzt, wieder besser auf Gottes Recht und Gesetz einzulassen und es in seinem Sinn zu beherzigen. Das griechische Wort für Verfehlung hamartia beschreibt genau diese Verfehlung gegen Gottes Weisungen, welche er ja in der Torah gab.

Der Satz in Joh 1,29 birgt noch weitere Fragen, da er ebenso als Allversöhnung ausgelegt werden könnte: die Sünde der Welt ... dann wäre das Ganzeweltproblem ja gelösst.


------

Irgendwie wiederholt sich im NT und besonders dann durch die Kirche genau dasselbe, wie es immer wieder abläuft. Statt ein vertrauensvoller Glaube an den Ewigen und Einzigen Gott, der den Menschen um seines Namens willen liebt, meint der Mensch immer, dass er nur mit Opfer, welche ihn reinigen sollen, vor ihm „erscheinen“ kann oder Genugtuung leisten soll. Nicht dass Gott keine Opfer mag, aber die Meinung, dass Gott nur durch Opfer versöhnlich wird, stimmt nicht.

Dazu Mi 6,6 »Womit soll ich vor JHWH treten, mich beugen vor dem Gott der Höhe? Soll ich vor ihn treten mit Brandopfern, mit einjährigen Kälbern? 7 Wird JHWH Gefallen haben an Tausenden von Widdern, an Zehntausenden von Bächen Öls? Soll ich meinen Erstgeborenen geben für mein Vergehen, die Frucht meines Leibes für die Sünde meiner Seele?« 8 »Man hat dir mitgeteilt, o Mensch, was gut ist. Und was fordert JHWH von dir, als Recht zu üben und Güte zu lieben und demütig zu gehen mit deinem Gott?«

Lehit

Alef

anonym002
18.04.2009, 16:22
@ simple-one
Man kann aus allem lernen, selbst aus dem NT, auch wenn etliches darin Widersprüchlich ist. Es gibt viele Gründe, weshalb Jesu hingerichtet wurde. Stell dir mal vor, die Juden hätten dazumal Jesus als ihren König eingesetzt (die ganze christliche Theologie würde bachab gehen). Dies macht man ja ihnen aus christlichen Kreisen genau zum Vorwurf, dass sie Jesus nicht anerkannten. Das Volk wollte es ja machen, an Palmsonntag. "Hosanna (rette uns, und zwar vor den Römern!), der da kommt im Namen des Herrn". Aber Jesus entwand sich dem, und es war eine Selbsthingabe seiner Berufung, durch seinen Tod keinen unnötigen Konflikt mit den Römern heraufzubeschwören. So bewahrheitet sich das Wort, besser einer für alle, als alle für einen.


So stirbt nun Jesus nicht für die Sünde, sondern wegen der Verfehlungen. Ein kleiner aber wichtiger Unterschied in der Formulierung


Lehit

Alef

PS: es gibt da ja auch den Sündenthread (von Isaak, oder?) zum studieren.

absalom
18.04.2009, 18:28
Es ist und bleibt ein Fakt, dass ein jeder Mensch Verfehlungen begeht. So tat es jeder seid den Urzeiten und so ist es auch noch heute. Das schließt jeden Menschen ein – auch besagten Jesus. Es ging bei ihm sogar soweit, dass seine Jünger ihn zur Barmherzigkeit ermahnen mussten – auch wenn man das nun wieder „Lehrtechnisch“ anders deuten darf. Und seine Beschimpfungen gegenüber anders Gläubigen sind nur bedingt im Gottessinne oder etwa doch?

Ein jeder ist für sein tun vor Gott verantwortlich und nichts kann uns aus dieser Verantwortung befreien. Doch Gott ist ein vergebendes und barmherziges Wesen, welches die Umkehr und Umsinnung des Menschen zum Besseren ansinnt. Gerade der Prophet Ezechiel hat hier Bahnbrechende neue Einsichten vermittelt, welche jeglichen Ersatzopfergebaren widerstrebt.

Es ist von Alef richtig angesprochen worden, man muss sich fragen, woher diese Theologie des Opferkultes – Ersatzopfer – Menschenopfer kommt. Ganz sicher nicht aus der Tora oder den Propheten. Und das „Gott“ für die Sünden der Menschen stirbt, schloss sogar einst ein Paulus gänzlich aus.

Absalom

Mirjamis
18.04.2009, 21:11
Danke Alef und Absalom.

Sagt ihr bitte dazu noch was:

Und Johannes 1,45:
"Philippus findet Nathanael und spricht zu ihm: Wir haben den gefunden, von welchem Mose im Gesetz und die Propheten geschrieben haben, Jesus, Josefs Sohn von Nazareth."
Welche Bibelstellen sind damit gemeint????

anonym002
18.04.2009, 21:27
Zu Joh 1,45
Welche Bibelstellen da Philippus meint, lässt sich nicht nachvollziehen. Sicher kann man darüber spekulieren, welche. Aber die wussten von Jesus ja eigentlich noch nicht viel, da das ja ganz zu Beginn des Wirkens Jesu war. Oder aber sie wussten, wo Jesus in diesen Zwischenjahren war, und erwarteten deshalb nun das messianische Reich.

5.Mose 18,18 Einen Propheten wie dich will ich ihnen aus der Mitte ihrer Brüder erstehen lassen. Ich will meine Worte in seinen Mund legen, und er wird zu ihnen alles reden, was ich ihm befehlen werde.

Schon Mose spricht und warnt vor Wundertätern. Also Wunder besagen demnach nichts, sondern man soll die Reden der Wundertäter aufgrund der Torah, den Weisungen Gottes prüfen, und wer gegen diese spricht, ist ein falscher Prophet.


Es gibt die Behauptung, dass es 300 Prophezeiungen auf Jesus gibt, dazu gibt es ja auch ein dickes Buch. Nur studiert mann dann diese Aussagen auch im Kontext, und eingebettet in der jüdischen Überlieferung und Kultur und losgelöst vom heidnischen Denken (was allerdings etwas schwieriger ist), worin sie ja auch geschrieben sind, so reduzieren sich diese 300 zu einzelnen.


Philippus musste ja "gesucht" haben, um zu finden, das heisst, dass es sicher eine längere Phase des Betrachtens von Jesus war, konnte da aber nicht "voraussehen" (und so steht es ja auch nicht im Text), deshalb denke ich, dass er wusste, wo Jesus die letzten Jahre verbracht hatte, und deshalb zu diesem Schluss und der Erwartung kam. Es war durch die Unterdrückung der Römer eine extreme Zeit auch der Messiaserwartung und dem Herzuführen des Gottesreiches, und es gab Gruppen, die solches direkt förderten.



Lehit

Alef

absalom
20.04.2009, 00:58
Und Johannes 1,45:
"Philippus findet Nathanael und spricht zu ihm: Wir haben den gefunden, von welchem Mose im Gesetz und die Propheten geschrieben haben, Jesus, Josefs Sohn von Nazareth."
Welche Bibelstellen sind damit gemeint????

Hier erst einmal eine Textübersetzung aus dem Münchener N.T – aus dem griechischen – Direktübersetzung: (Es) findet Philippos den Nathanael und sagt ihm: Welchen beschrieb Moyses im Gesetz und die Propheten, haben wir gefunden, Jesus, einen Sohn des Joseph, den von Nazareth.

Die Textanalyse in verschiedenen griechischen Überlieferungen ist hier ziemlich gleich lautend.

Erstaunlich ist erstmal hier, dass Jesus offensichtlich als Sohn des Joseph bekannt war und nicht als Geist-Mensch Wesen. Und Joseph scheint kein unbekannter gewesen zu sein.

Welche Bibelstellen hier gemeint sein könnten, da muß man die Autoren fragen. Denn man kann bekanntlich alles und nichts auf jeden Menschen hindeuten. Die Autoren schweigen zu diesem Sachverhalt bedauerlicher Weise. Es könnte, wie Alef sagte 5. Moses sein, es könnte eben viel sein. Ebenso könnte man ganze Litaneien anführen die ganz gegenteiliges über Jesus und dessen Wertung als „Messias“ sagen. Es gibt hier keine schlüssigen Antworten, weil die Autoren diese nicht im Ansatz geben wollen.

Eins muß man gerade bei Johannesev. immer bedenken. Es wurde aufgeschrieben damit ihr glaubt…. . So in den Schlussworten dieser Apologie. Damit ist es unerheblich wer was deuten will und wer nicht, sondern es erübrigt sich jede Ausdeutung. So der theologische Tenor.

Absalom

luxdei
20.04.2009, 00:58
Liebe Mirjamis!

Zusätzlich zu dem, was Alef und Absalom schrieben, müssen wir bedenken, daß die Evangelien nicht von Augenzeugen, und auch nicht aus einem Guß geschrieben sind.
Bevor die Evangelien niedergeschrieben wurden, gab es eine längere Zeit der mündlichen Überlieferung. Und kennst Du das Spiel "Stille Post"? Es ist sehr sehr menschlich, Informationen - gerade wenn wir sie längere Zeit im Gedächtnis bewahrt haben - verfremdet zu erinnern. Verfremdet an eigenen Überzeugungen und Ansichten.
Dann ist es un auch so, daß Kopisten die Evangelien beim Kopieren mitunter auch veränderten. Wofür es sicherlich verschiedene Ursachen gibt.
Desweiteren kann es sein, daß sich die Stelle Johannes 1,45 auf eine Schrift bezieht, die uns nicht mehr erhalten ist. Was nun nichts über ihren Wahrheits- oder Unwahrheitsgehalt aussagt. Aber es gab (und teilweise gibt) mehr Schriften als die, im Kanon zusammengefaßten.

Aber dies nur als kleine Ergänzung.
Gruß
LD