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Jchthys
26.09.2006, 13:00
eine Geschichte von Dorothee Sölle (aus dem Buch "Gott im Müll"):


Eine Cholita kommt mit ihrem Kind zum Spielplatz, dort sind schon zwei
andere städtische Frauen, die ihre Kinder schaukeln lassen.
Die Frauen mit der helleren Hautfarbe stellen sich hinter ihre Kinder und
stoßen sie kräftig an, damit sie weit fliegen. Sie ermuntern sie, hoch und
weit weg zu fliegen.
Die Cholita steht vor ihrem Kind, sie zieht es nah zu sich und lässt es auf
sich zufliegen. Das Kind lernt das unendliche Spiel der Beziehung: nah und
fern, "ich bin bei dir" und "ich komme nie wieder", je näher, desto weiter.
Es lernt zu lächeln und zu flirten, es versteckt sich indem es am höchsten
Punkt die Augen zumacht, und es lässt sich finden.
Die beiden anderen Kinder lernen, etwas zu leisten. Sie werden gelobt, nicht
gelockt. Sie fliegen auf die Welt zu, sie sollen sie erobern. Ihr
"nochmal,nochmal" ist eine Forderung, kein Betteln. Ihre Mütter könnten
durch andere Personen ersetzt werden. Die Beziehung ist eine Nebensache, das
Ich-Es triumphiert über das Ich-Du.
Die weißen Kinder werden allzufrüh entwöhnt.
Dafür schaukeln sie tatsächlich höher.