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tomex
09.10.2006, 22:34
Die äthiopisch-orthodoxe Kirche


Geschichte:
Sprache und Kultur, Religion und Geschichte Äthiopiens sind geprägt durch ständiges Ineinanderfließen von Strömungen: afrikanisches Substrat und dann semitischer Einfluß bereits im gesamten 1. Jahrtausend vor Christus, hellenistischer Einfluß ab dem 1. Jahrhundert vor Christus und schließlich die Christianisierung im 4. Jahrundert nach Christus; Konfrontationen mit dem Islam prägen das Mittelalter ind wie Versuche der Lateinisierung durch Jesuiten und Kapuziner in der Neuzeit; schließlich hat auch der Kolonialismus seine, vor allem italienischen, Spuren hinterlassen. Von 1974 bis 1993 herrschte ein kommunistisch-diktatorisches Regime, seit 1993 ist Äthiopien eine Demokratie. Der seit dieser Zeit immer wieder aufflackernden Bürgerkrieg zwischen Erithreia im Norden und dem Rest des Landes belastet den jungen Staat schwer. Christen und Moslems halten sich heute etwa die Waage, wobei etwa 10% der Christen nicht der äthiopisch-orthodoxen, sondern anderen Kirchen angehören.


Das "alttestamentliche" Erbe:
Das christlich-äthiopische Reich kann rechtmäßig nur von einem Mitglied der salomonischen Dynastie regiert werden. Diese führt sich auf den Sproß der sagenhaften Verbindung zwischen Salomon und der Königin von Saba, Menelik I., zurück. Die Herrscher führen daher auch den Beinamen "Löwe von Juda". Menelik hatte - der Legende nach - die Bundeslade (äth.: Tabot) seinerzeit aus dem Jerusalemer Tempel nach Äthiopien überführt und in der Kathedrale der alten Hauptstadt Aksum untergebracht. Dadurch ist dem Reich von vornherein Heilsbedeutung zugesprochen. Ein Abbild des Tabot ruht in jeder der rund 13.000 Kirchen Äthiopiens. Nur auf so einem Tabot darf die heilige Eucharistie gefeiert werden.


Christianisierung:
Der Überlieferung nach erfolgte die Christianisierung durch zwei gestrandete Kaufleute aus Tyrus (Libanon), Frumentius und Aedesius. Zwei Herrscher lassen sich mit dieser Mission verbinden: Ezana und Se'azana, deren Bekehrung etwa durch inschriftliche und numismatischen Quellen oder auch durch den Brief vom byzantinischen Kaiser Konstantius II. sichtbar wird. Etwa ein halbes Jahrhundert später erfuhr Äthiopien eine weitere Mission durch die "neun Heiligen", vermutlich geistliche Flüchtlinge im Zuge der christologischen Streitigkeiten des 5 Jahrhunderts. Ob die äthiopische Orthodoxie zuerst durch diese Heiligen oder durch den koptisch-alexandrinischen Einfluß die nicht-chalkedonensische Theologie (sog. "Monophysitismus") angenommen hat, ist nicht geklärt.


Oberste Kirchenleitung und Hierarchie:
Der erste Bischof, Frumentius, wurde von Athanasius von Alexandrien (Ägypten) geweiht und seitdem war die äthiopische Kirche Teil des Patriarchats von Alexandrien. An der Spitze der Kirche stand in der Folge immer ein koptischer, also ägyptischer Metroplit. Rangzweiter war der Ecage, der Oberste aller Klöster und Vorsteher der kirchlichen Verwaltung; er war immer ein Einheimischer. Seit 1959 ist Äthiopien ein eigenständiges Patriarchat mit einem einheimischen Patriarchen.
Die Kirche ist stark monastisch orientiert, alle wichtigen Stellen sind von Mönchen besetzt. Diese geniesen in ganz Äthiopien höchstes Ansehen. Die sog. "Welt"-Priester sind verheiratet und ausschließlich in Pfarren tätig. Ihre wichtigste Tätigkeit ist die Leitung der Liturgie in den Pfarrgemeinden. Ein eigener Stand sind die sog. Debteras, nichtordinierte Sänger, die aber auch Seelsorger und Wundertäter sein können.


Das scheinbar jüdische Gepräge:
Die äthiopischen Christen praktizieren die Beschneidung, halten den Sabbat und essen kein Schweinefleisch. Deswegen nimmt man allgemein an, daß es sich bei der äthiopischen Kirche um eine sehr stark vom Judentum beeinflußte Kirche handelt, was - historisch gesehen - falsch sein dürfte Wahrscheinlich handelt es sich um zufällige phänomenologische Parallelen. So schildert dies auch Kaiser Claudius in seiner Confessio fidei, einer für uns wertvollen äthiopischen Selbstdarstellung.

Weitere Charakteristika:
Die äthiopische Bibel enthält einige Bücher, die es sonst in keiner Bibel gibt, da sie in den anderen christlichen Kirchen als apokryph gelten: das Buch Henoch, das Buch der Jubiläen, der Hirt des Hermas ua. Der äthiopische Kanon wurde erst im 15. Jh. fixiert.
In der äthiopischen Kirche gibt es eine sehr starke Marien-Frömmigkeit mit 33 eigenen Marien-Festtagen. Es gibt 7 große Fastenzeiten und insgesamt 254 Fasttage im Jahr, die allerdings nur von den Mönchen zur Gänze eingehalten werden. Die Liturgien sind oft sehr lang, dauern meistens mehrere Stunden, und es wird gleichsam ständig gesungen und musiziert.
Die Kleidung der Kleriker ist nach europäischem Gefühl oft sehr farbenfroh und "knallig", was großen Festen ein sehr buntes Bild verleiht. Auffallendes Utensil ist der Schirm in Form eines europäischen Regenschirmes, von der Sache her aber ein uraltes Würdezeichen.

Die Königin von Saba

Eine uralte äthiopische Legende erzählt, dass Äthiopien die Heimat der Königin von Saba war, jener Fürstin, die König Salomo einen Besuch von biblischen Ausmaßen abstatten sollte.

Die Geschichte ihrer Reise und deren Resultat ist in dem Nationalepos des Landes, dem Kebre Nagast oder „Ruhm der Könige“, niedergeschrieben. Dieses Epos wurde im frühen 14. Jh. in Aksum verfasst. Der Autor war ein äthiopischer Geistlicher, der sich selbst „Isaak der Arme“ nannte.

Die Königin von Saba war demnach eine äthiopische Fürstin namens Makeda, die sich nach Jerusalem aufmachte, um von der Weisheit Salomos zu lernen. Nachdem der Monarch die Königin im jüdischen Glauben unterwiesen hatte, versuchte er, sie zu verführen, was ihm schließlich auch gelang. Zurück in ihrer Heimat schenkte die Königin einem Sohn das Leben und nannte ihn Menelik. Als Menelik erwachsen war, reiste er in das Heilige Land, um seinen Vater zu sehen. Salomo soll ihn als erstgeborenen Sohn anerkannt haben und erklärte den jungen Mann zum Thronerben. Menelik bestand aber darauf, zu seiner Mutter nach Äthiopien zurückzukehren, also gab Salomo den Befehl, dass alle Erstgeborenen Israels seinen Sohn auf der Rückreise begleiten sollten.

Die jungen Männer waren der Überzeugung, dass sie ohne die Bundeslade nicht leben konnten. So stellten sie eine Attrappe der Lade her und ersetzten damit heimlich das Original, welches sie nun mit sich nach Äthiopien nahmen. Noch bevor sie Äthiopien erreicht hatten, erzählten sie Menelik von ihrer Tat, der erklärte, dass es wohl Gottes Wille gewesen sein müsse, da er es sonst nicht zugelassen hätte. Das Kebre Nagast-Epos erzählt weiter, dass Gott nach diesem Ereignis Israel den Rücken gewandt und fortan Äthiopien seine Gunst geschenkt haben soll.

So wie diese Geschichte im Kebre Nagast überliefert wird, ist sie ohne Zweifel größtenteils Legende. Unbestritten ist jedoch, dass Äthiopien unter starkem jüdischen Einfluss stand, und die frühen äthiopischen Geschichtsschreiber berichten, dass ihre Vorfahren jüdischen Glaubens gewesen seien, bevor sie christianisiert wurden.


Ich hoffe es gefällt.. :mrgreen:

ps. bin mir auch etwas unsicher, habe aber keinen passenen Ort für diesen Beitrag gefunden, deswegen ist der im Judenbereich gelandet :roll:

Gerhardt
10.10.2006, 07:51
@tomex
Danke fuer diesen Beitrag
Gruss Gerd

tomex
10.10.2006, 09:05
Hallo Gerd,

schön, dass er dir gefällt..

lg Tomex



@tomex
Danke fuer diesen Beitrag
Gruss Gerd

Samu
10.10.2006, 10:53
Auch von mir ein Danke für diese Einblicke!

Samu