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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : "Himmel oder Hölle auf Erden"



Honigmond
21.06.2009, 18:05
Der verregnete, graue Himmel passte wahrlich zu diesem Tag, an dem die wenigen dunkel gekleideten Menschen sich an ihr Grab schleppten, um von Conni ein letztes Mal Abschied zu nehmen.
Und immer wieder dachte ich auf dem vom Regen aufgeweichten Weg wie schon seit Wochen darüber nach, ob sie nun endlich „zu Hause“ wäre.
Conni hatte Fehler gemacht in ihrem Leben. Sicher, wir machten alle Fehler, doch seit ich sie kannte, hing in meinem Hals dieser Kloß fest. Die meisten Fehler, die Menschen machen, können „ausgebügelt“ werden, mehr oder weniger.
Doch Connis Fehler kostete sie das Leben und das nicht erst am Tag, als sie die Augen schloss und ihr Herz nicht mehr schlagen wollte.
Eigentlich, so erinnerte ich mich, während ihr Sarg im Erdloch verschwand, „starb“ sie jeden Tag ein wenig mehr.
Die abwertenden Blicke der anderen, wenn sie von ihrer Krankheit erfuhren, zermürbten ihre Seele...
Die Ablehnung, plötzlich wie eine Aussätzige nicht mehr eingeladen zu werden, zerbrach ihr frohes Lachen...
Die vielen „Freunde“, die plötzlich nicht mehr erreichbar waren, als die Krankheit ausbrach, nahmen ihr die Fähigkeit an Menschlichkeit zu glauben...
Die Medikamente, die ihr Körper nie völlig vertrug, ließen Müdigkeit und Erschöpfung über ihren Alltag bestimmen...
Und ich erinnere mich an unser letztes Gespräch, während die wenigen Beerdigungsgäste durch den Platzregen auseinander gesprengt sich in alle Himmelsrichtungen verteilen.

„ja, ich habe Fehler gemacht, hätte besser nicht getan, was ich tat, um damals ohne Ausbildung doch Geld zu verdienen. Es ist, als hätte ich die Gefahr verdrängen wollen...
aber weißt du,... , schlimmer als der Moment, als klar war, dass ich mich infiziert hatte und auch schmerzhafter als die Erkenntnis, dass ich vielleicht für meine Leichtsinnigkeit mit dem Leben bezahlen würde, war das, was ich in den letzten Monaten erlebte. Ich fühle mich wie eine Aussätzige, bestraft und verurteilt...“

Warum schrien plötzlich so viele auf, während Conni selbst längst über ihre Fehler weinte, und warfen ihr indirekt oder ganz unverblümt das Wort „Sünde“ ins Gesicht, statt ihrer Verzweiflung zu lauschen? ...

Ich starre auf das Grab und weiß noch immer nicht, was ich anderes hätte tun können, als sie zu umarmen, während sie mir ihre Lebensgeschichte erzählt hatte. Es schien, als hätte sie nur nach Menschen gesucht, die das „warum“ ihres Lebens hören wollten.

Es zeichnete ihr ein Lächeln voller Hoffnung ins fahle Gesicht, wenn wir davon lasen:
Einem Ort, an dem es keine Krankheit, keine Tränen und kein Leid mehr geben würde... einem Ort, an dem Conni nicht mehr mit der Last ihrer Vergangenheit leben oder dahin vegetieren müsste, wie in dieser so „aufgeklärten“ und doch in Wahrheit so von Vorurteilen und Gefühlskälte geprägten Welt. wahrlich der "Himmel" für Menschen wie Conni...

Ich warf einen Blick auf die Wolken, die vom kühlen Wind langsam weggeschoben den Blick auf die Sonne freigaben.
Ein Lichtblick- für Conni und mich: AIDS hatte ihren Körper zerstört, so manche Ablehnung und Verachtung der Menschen hatte ihr Herz verletzt... aber bei IHM, so war unsere gemeinsame Hoffnung, gab es Heilung für beides und ihre Seele würde endlich frei sein von allem Schweren, allen Fehlern.
Liebe, die sie nicht erkaufen oder erkämpfen müsste, sondern SEINE Liebe, die heilt, liebt, vergibt...
Einen Moment lang schämte ich mich dafür, dass wir Menschen so mit Menschen umgingen, wie sie mit Conni umgegangen waren und begann neu mein eigenes Denken und Handeln zu überdenken.

Doch dann traft mich ein Sonnenstrahl mitten ins Gesicht- und mit ihm auch die Hoffnung, dass wir Menschen lernen können, auch in „kranken“, „entstellten“, „gescheiterten“ ... Menschen das zu entdecken und zu lieben, was sie ebenso wie jeder andere Mensch sind... ein Geschöpf des Höchsten...
"So könnte es gehen-ja, so könnte aus der „Hölle“ am Ende doch ein Stück Himmel auf Erden für alle werden..." flüstere ich Conni ein letztes Mal zu...
einfach ist es nicht, doch es wird sich lohnen

(„und richtet nicht, und ihr werdet nicht gerichtet, und verurteilt nicht, und ihr werdet nicht verurteilt werden. Lasst los und ihr werdet losgelassen werden.“ (Lukas 6))

birdwoman
21.06.2009, 23:10
Liebe Honigmond,

Conni IST zuhause!
Danke fuer diese geschichte! Ich hab rotz und wasser beim lesen geheult!
Alle deine geschichten sind SO TIEF unter der oberflaeche von der realitaet des lebens, und deshalb sie sind so wertvoll und lehrreich!
Ich finde es immer tragisch wenn menschen sich mit dem oberflaechlichen und auesseren begnuegen, und damit alles gute und wahre verpassen.
Menschliche grausamkeiten sind ein hauptgrund des leidens der menschen und aller anderen wesen.
Oh, wie gut ich das kenne, jeden tag ein stueckchen zu sterben. Nicht nur von koerperlichen krankheiten, sondern mehr noch vom zerreissen der seele.
Oh ja, und das aussaetzigsein, die verurteiling und strafe von den "normalen"........

Aber ER, Schoepfer von uns allen, ist ganz anders als wir menschen.
Du hast wie ER gehandelt. Was haettest du fuer Conni anderes tun koennen als ihr zuzuhoerem, sie zu umarmen und mit ihr deine freundschaft, liebe und barmherzigkeit zu teilen?

birdwoman

Mirjamis
22.06.2009, 10:28
Liebe Honigmond,

danke für dein Berichten von Conni.
Es hat mich sehr angerührt.

Wie leicht werden Menschen ausgegrenzt - aus allen möglichen Gründen.

O Herr, schenk uns offene Augen, offene Herzen, dass wir nicht schuldig werden, wo Liebe und Verstehen und Sich-kümmern angesagt ist.

anonym004
22.06.2009, 14:53
wie traurig &verletzt