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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : lehre mich glauben



vielleicht
13.10.2006, 10:10
In letzter Zeit, wenn ich hier lese, muss ich immer wieder an eine jüdische Geschichte denken.

Ein Heide geht zu einem Schriftgelehrten namens Rabbi Schammai. Dieser war dafür bekannt, dass er sehr gewissenhaft die Tora auslegte und die Gesetze lieber strenger betrachtete, als Gefahr zu laufen, eines davon zu übertreten.

Der Heide sagte zu ihm: „Ich werde mich zum Judentum bekehren, wenn du mir das Wesentliche deiner Religion vermittelst. Du hast aber dafür nur solange Zeit, wie ich auf einem Bein stehen kann.“
Schammain fühlte sich in seiner Gelehrtheit beleidigt. Er wurde ziemlich wütend und jagte den Fragenden mit einer Messlatte davon.

Daraufhin ging der Mann zu Rabbi Hillel. Dieser war für seinen Sanftmut und für seine Geduld sehr bekannt. Auch an ihn richtete er dieselben Worte: „Ich werde mich zum Judentum bekehren, wenn du mir das Wesentliche deiner Religion vermittelst. Du hast aber dafür nur solange Zeit, wie ich auf einem Bein stehen kann.“
Hillel hörte dem Mann zu, sah ihn dann auf einem Bein stehen und sprach zu ihm:
„Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Was dir verhasst ist, das füge keinem anderen zu. Das ist die ganze Tora, alles andere ist die Erklärung. Geh hin und lerne.“

Schammai hatte einen neuen Schüler verloren, Hillel hatte einen Neuen gewonnen.


Immer wieder, wenn ich an diese Geschichte denke, und sie versuche auf mein Leben zu übertragen, frage ich mich, ob ich jemanden durch mein Handeln gewinne oder verliere.
Wie oft stehe ich mit der Messlatte in der Hand vor anderen und stosse sie zur Seite, weil ich meine,
dass sie alles aufnehmen, annehmen und übernehmen müssen, was ich weiss, gelesen, verstanden ... habe. Dass das alles so unendlich wichtig ist, vielleicht sogar heilsnotwendig ist.
Manchmal merke ich, wie in solchen Momenten die Lehre zwischen mir und dem Menschen steht.

So manches Mal habe ich mir schon gewünscht, mehr von der Art des Rabbis Hillel zu haben.
Er sah den Menschen, stellte den Menschen vor die Lehre und half ihm, einen Weg für ihn zu finden, den er gehen kann.
Er wurde angegriffen, provoziert, dennoch war seine Sanftheit und Demut grösser. Der Mensch ging ihm vor.

Und ich denke an den Mann, der von manchen Menschen Gottsohn, Gott, Hoherpriester, Messias,
Freund, Rabbi... genannt wird.
Wie ist er denn den Menschen begegnet?
Irgendwie genauso wie Hillel. Da war die Bergpredigt. Wo er zur Menschlichkeit aufrief. „Leute, alles, was ihr wollt, dass es euch die Menschen tun, das sollt ihr ihnen tun. Denn in dieser Einfachen Handlung besteht das Gesetz der Propheten.“
Willst du Hiebe mit einer Messlatte, dann behalte deine Messlatte in der Hand. Willst du jedoch anders behandelt werden, wünscht du dir von Deinem Gegenüber Achtung, Respekt, Geduld, Verständnis, dann lebe das erst mal selber vor und aus.



Ich sag jetzt einfach mal Jesus, damit sich niemand angegriffen fühlt.
Jesus wusste, wenn man den wesentlichen Inhalt einer Religion nicht in Kürze zusammenfassen kann, hat man ein Verständigungsproblem.
Und so sagte er mal zu den Schriftgelehrten, die ihn böse herausgefordert haben, weil sie einen Schriftwettkampf mit ihm durchführen wollten um zu beweisen, dass er im Unrecht ist:
„Du sollst Gott lieben, mit deinem ganzen Herzen, aus deiner ganzen Seele heraus und aus deinem ganzen Denken und deiner ganzen Kraft. Und, du sollst deinen nächsten Lieben, wie dich selbst.“

Gab es da einen Sieger, oder einen Verlierer?
Nö, eigentlich nicht. Denn genau das war schon immer das Wesentliche, was die Schrift ausmachte.

Ich hab hier ein Problem zur Zeit beim Lesen.
Ich versteh hier langsam das Problem nicht mehr.

Kann ja sein, dass ich wirklich superdumm bin.
Ok, ich gebe zu, ich lebe isoliert, hab nicht soviel Menschen um mich herum. Ich bin auch nicht so supergebildet, dafür bilde ich mir ein, es auch nicht immer sein zu müssen.
Aber wenn ich auf die Menschen um mich blicke, dann sehe ich, da ist keiner unter ihnen, der sich niederkniet und sagt: „Heiliger Geist, ich danke dir, dass du die Welt erschaffen hast. Jesus Christus, ich rühme dich für die gelben Blumen auf dem Felde, die durch deine Hand erblüht sind.“
Sondern das sind alles Menschen, die beten Gott an. Geben Gott die Ehre.
Und die wissen, ohne den Geist, hätten sie nie Gott gefunden.
Und die wissen, ohne Jesus als Vermittler, Messias, Freund... können sie nicht.
Sie sind auf den Jesus angewiesen, der ihnen zuspricht: „Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhört.“ „Ich trete vor Gott für dich ein.“

Also, warum hat es den Anschein, dass hier immer wieder Köpfe rollen müssen im Namen der Gerechtigkeit und Wahrheit Gottes? Trauen wir ihm wirklich so wenig zu, dass er seinen Geist nicht mal für ne klärende Wahrheit sorgen lassen kann? Sind wir so geistlos?
Warum können sich hier nicht einfach die Menschen treffen und genau das tun, was Jesus sie gelehrt hat und was die Propheten sie gelehrt haben. Den Nächsten lieben, wie sich selbst.
Und wenn sie sich all diese Menschen schon hier versammeln,
Warum können sie nicht gemeinsam genau die Worte beten, die Jesus sie gelehrt hat und ihr Amen, so sei es, darunter setzen?

Ne nachdenkliche Socke,
die das Gebet der Gebete mal drunter postet.


Unser Vater im Himmel!
Dein Name werde geheiligt.
Dein Reich komme,
dein Wille werde getan auf Erden wie im Himmel.
Gib uns die Nahrung, die wir heute brauchen.
Vergib uns, was wir an Unrecht getan haben,
wie auch wir vergeben haben denen, die uns ein Unrecht getan haben.
Und führe uns nicht in schwere Prüfung,
sondern bewahre uns vor dem Bösen.
Denn Königtum, Macht und Herrlichkeit sind dein für immer.

Amen

poetry
13.10.2006, 10:20
..tja, das sollten wir ALLE mal tun....

Amen!

PS: Übrigens interessante Gedanken, liebe Socke. Schön dass es Dich gibt.
PPS: Zur Nächstenliebe mach ich uns mal einen eigenen Thread auf.

Popcorn
13.10.2006, 10:24
Liebe Socke

Hier gibts nicht mehr dazu zu sagen, ausser "AMEN"

Ein herzliches, warmes Dankeschön.

Deine Popcorn

Samu
13.10.2006, 11:20
Da beuge auch ich mich unter die Worte von Söckchen und erkenne meine Ungeduld mit den Menschen!

Samu

poetry
13.10.2006, 11:35
<- drückt mal den Samu *obwohl ich Männer eher selten drücke*