Von Gott erwählt - was bedeutet das konkret?
Mich interessiert, was andere Menschen darunter verstehen, wenn von der Erwählung des Volkes Israel die Rede ist. Warum wurde überhaupt ein Volk von Gott ganz besonders erwählt? Bedeutet das, dass nicht alle Menschen (zugleich, in gleichem Masse) zum Glauben berufen sind? - Im Grunde zählt doch das Individuum; warum also wurde ein Volk und nicht der Einzelne erwählt? - Oder zählt doch nicht (nur) das Individuum, der einzelne Mensch, unabhängig von seiner Volkszugehörigkeit? Zu was innerhalb der Menschheit wurde nun Israel damals von Gott erwählt, welche Aufgabe war diesem Volke bestimmt? Welche Rolle hätte dieses Volk aus der Sicht Gottes einerseits IHM Selber gegenüber und andererseits der Menschheit gegenüber einnehmen oder erfüllen sollen? - Ganz offensichtlich hat das erwählte Volk diese Bestimmung oder Rolle nicht erfüllt, da in den Hebräern steht: "Darum war Mir diese Generation zuwider, und Ich sagte: Immer geht ihr Herz in die Irre. Sie erkannten meine Wege nicht." Ist es da nicht immens wichtig zu verstehen, worin ganz konkret sie ihre Erwählung nicht annahmen / zurückwiesen und in die Irre gingen?
Worüber ich nachdenke und mir nicht vollends klar werde: Wer ist "das erwählte Volk Israel", worin hat es in den Augen Gottes "versagt" - und haben die Christen als Nachfolger Israels heute diese Rolle übernommen? - Erfüllen wir diese Rolle besser denn seinerzeit das Volk Israel? - Aber dazu müssten wir zuerst im Klaren darüber sein, zu was Israel berufen war, und warum es erwählt wurde aus den Vielen.
Eure Überlegungen sind mir Anregung und bereichern gewiss meinen bisherigen Verständnis-Horizont. Was geht euch durch Herz und Kopf bei diesen Fragen?
Einen herzlichen Sonntagmorgen-Gruss an Alef - und alle anderen
Habe ich dich recht verstanden: Das Gewicht / das Ziel der Berufung und Erwählung Israels liegt im "Ein-Gott-Glaube". Warum war (oder ist) der Glaube an einen Gott so wichtig? - Kann man daraus den Schluss ziehen, dass alle Menschen - wenn alle nur einen Gott / folglich alle denselben Gott haben - zugleich alle an die Einheit glauben / sich die "Einheit von Allem-was-ist" zur Ausgangslage ihres Strebens, ihrer Entscheidungen und ihres Handelns setzen? War es das, worin das erwählte Volk versagte, dass die Israeliten statt die verschiedenen Strömungen als Einheit oder als zur Einheit gehörend zu betrachten, die Andersgesinnten und das ihnen Fremde als falsch im Sinne von verkehrt / sündig betrachteten und diesen Anteilen am Leibe der Menschheit feindlich begegneten? - Haben sie den Kampf um die Einheit, den sie im Geiste, also in ihrem Inneren hätten austragen sollen, nach Aussen verlagert und irrtümlich Tod und Verwüstung über diejenigen gebracht, die sie hätten im Sinne der Einheit und aus der Einheit der Liebe heraus leiten sollen (richten im Sinne von Richtung geben)? - Ging das Herz der Erwählten darin "immer in die Irre", dass es im Kampf um die Einheit nach Aussen gerichtet war und sie im Kampf um die Einheit nicht in ihrem Inneren mit sich selber rangen ums Annehmen, ums Verstehen, um die demütige Einsicht, dass äussere Missstände die Folge und der Spiegel ihrer eigenen unreifen Haltung war, die nach Veränderung schrien? - Hat also das Volk Israel / in der Verwechslung der Richtung den Inneren Sinn des Wortes Gottes missverstanden, nämlich dass sie die Richtung verwechselt haben, indem sie Sein direktes Wort immer auf "die Anderen", die Aussenstehenden münzten? Erkannten sie darum "Meine (Gottes) Wege nicht, so dass ihr Herz immer in die Irre ging", und hat ihnen Gott darum "in Meinem (Seinem) Zorn geschworen: Sie sollen nicht in das Land Meiner Ruhe kommen?"
Unterläuft uns selber dieser Irrtum nicht auch ständig: dass wir den Ratschlag Gottes (z.B. in Bibelzitaten, die wir aus einem inneren Impuls erhalten), stets ausschliesslich auf "die Anderen", unseren Widersacher oder Kontrahent beziehen, anstatt das Wort Gottes zuerst auf mich / sich selber zu beziehen und es im eigenen Kontext zu verstehen?
Wie halten wir Christen es heute im Glaubenskampf? Verlagern nicht auch wir noch immer (und immer wieder neu) unsere inneren Kämpfe nach Aussen - oder schaffen wir es, die äusseren Kämpfe auf die innere Ebene zu verlagern, wo dann die äusseren Feinde - auch die Hunde und die Schweine - plötzlich zu unseren "eigenen Hausgenossen" werden, nach dem Worte des Propheten Micha: "jeder hat die eigenen Hausgenossen zum Feind," oder Jesus: "die Hausgenossen eines Menschen werden seine Feinde sein." ? (Matth. 10,36). Wenn das Ganze so aufzufassen wäre, hätten dann nicht auch wir Christen in derselben Sache versagt wie unsere Mutter Israel?
Alef, mir scheint, du hast mich ein Stück weitergebracht in meiner ersten Fragestellung. Mögest du Segen dafür ernten, dass du mir ein fruchtbringender Gesprächspartner bist.
Was meinst du - Alef - (was andere Leser) zu meiner errungenen Sichtweise?