Zitat:
Zitat von
Provisorium
Also dieses Argument ist mir hier jetzt die letzte Zeit immer wieder mal begegnet. Wenn ich das richtig verstanden habe, dann soll sich durch den Tod und die Auferstehung Jesu dahingehend etwas verändert haben, dass einzelne Verse aus der Zeit vor Jesu Tod und Auferstehung, nicht mehr so hundertprozentig gültig sind? Oder anders: sie sind in ihrer Aktualität überholt?
Entstünde durch diese Argumentation aber nicht das Problem, dass die Bibel nicht länger als widerspruchsfrei betrachtet werden kann? Denn wenn es im AT heißt, dass Gottes Gedanken, nicht die Gedanken des Menschen sind, dann scheint das laut deiner Argumentation ja nicht mehr so richtig zu stimmen, oder?
Du hast aus Jesaja zitiert. Und so wie Gott es in Jesaja sagt, war es bis Jesus kam.
"Vierzig Jahre empfand ich Ekel vor diesem Geschlecht, und ich sprach: Ein Volk irrendem Herzens sind sie, und sie haben meine Wege nicht erkannt." (Ps. 95:10)
"Ein Rind kennt seinen Besitzer und ein Esel die Krippe seines Herrn. Israel aber hat keine Erkenntnis, mein Volk hat keine Einsicht." (Jes. 1:3)
"Denn mein Volk ist närrisch, mich kennen sie nicht. ..." (Jer. 4:22)
"Aber sie kennen nicht die Gedanken des HERRN und verstehen seinen Ratschluß nicht ..." (Micha 4:12)
"So spricht der HERR: Der Weise rühme sich nicht seiner Weisheit, und der Starke rühme sich nicht seiner Stärke, der Reiche rühme sich nicht seines Reichtums;
sondern wer sich rühmt, rühme sich dessen: Einsicht zu haben und mich zu erkennen, daß ich der HERR bin, der Gnade, Recht und Gerechtigkeit übt auf der Erde; denn daran habe ich Gefallen, spricht der HERR." (Jer. 9:22-23)
"Dies aber ist das ewige Leben, daß sie dich, den allein wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen." (Joh. 17:3)
In allen diesen Stellen ist die Rede vom qualitativen Kennen. Wie gut kennen wir Gott?, seine Gedanken?, seine Ziele?, seine Pläne?, seine Wege?
Es gibt aber auch Prophezeihungen:
"Weil er an mir hängt, will ich ihn erretten. Ich will ihn schützen, weil er meinen Namen kennt." (Ps. 91:14)
"... Durch seine Erkenntnis wird der Gerechte, mein Knecht, den vielen zur Gerechtigkeit verhelfen ..." (Jes. 53:11)
Und Jesus sagt:
"... der mich gesandt hat, ist wahrhaftig, den ihr nicht kennt.
Ich kenne ihn, weil ich von ihm bin und er mich gesandt hat." (Joh. 7:28-29)
"... und ich kenne die Meinen, und die Meinen kennen mich,
wie der Vater mich kennt und ich den Vater kenne ..." (Joh. 10:14-15)
Auch hier ist die Rede vom qualitativen Kennen.
Und so gibt es in der Bibel keine Wiedersprüche.
Der Mensch, in seiner alten Natur, kennt Gott nicht.
Darum muß der Mensch wiedergeboren werden, mit einer neuen Natur, die ihn befähigt Gott zu erkennen.
Zitat:
Ich habe mir die genannten Verse mal im Kontext angeschaut und in der Johannesstelle ist doch nur davon die Rede, dass Christus, oder besser, das Fleisch gewordene Wort Gottes (so wird Christus nämlich in Vers 14 bezeichnet) von Gott kündet, nicht aber, dass der Mensch nun Gottes Gedanken denken kann.
Und wie konnte Jesus dann sagen?:
"Und der mich gesandt hat, ist mit mir; er hat mich nicht allein gelassen, weil ich allezeit das ihm wohlgefällige tue." (Joh. 8:29)
Woher wußte Jesus das?
Zitat:
Zudem möchte ich bei dieser Stelle nochmal auf die Verständnisweise des Johannes bzgl. Christus aufmerksam machen. Er betrachtet Christus als das Wort, den Logos und da muss man meiner Meinung nach wieder bisschen "griechisch denken", denn der Logos ist eben sozusagen der platonische Ideenkosmos und der tut natürlich vom Vater kundt, denn er ist ja die Fülle des Seins und durch ihn und zu ihm hin ist alles geschaffen.
Johannes nutzte die philosophische Ausdrucksweise um zu zeigen, daß Gott seine Idee in einem Mensch verwirklicht hat. Und dieser Mensch jetzt die Idee Gottes, den Logos, verkörpert.
Zitat:
Wir Gläubigen haben zwar Anteil am Logos, aber wir sind es nicht in seiner Fülle und also bleiben unsere Gedanken unsere Gedanken.
Nur wenn wir bei Gott nicht lernen wollen. Wenn wir seine Denkweise nicht übernehmen wollen. Sondern uns mit uns selbst identifizieren wollen, und nicht mit Gott, auch in unserer Denkweise.
Zitat:
Ähnlich verhält es sich mit der Stelle im 1. Johannesbrief. Da ist auch nicht davon die Rede, dass wir Menschen nun die Denkweise Gottes übernehmen könnten, sondern das uns Verständnis gegeben wurde um den Wahrhaftigen zu erkennen, nämlich Christus, der der Wahrhaftige ist.
Du hast den Vers nämlich bisschen abgekürzt, du Schlingel...:-) Komplett steht da:
Wir wissen aber, dass der Sohn Gottes gekommen ist und uns Verständnis gegeben hat, damit wir den Wahrhaftigen erkennen; und wir sind in dem Wahrhaftigen, in seinem Sohn Jesus Christus. Dieser ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben.
Auch hier ist die Rede vom qualitativen Kennen.
Und er spricht hier vom Wahrhaftigen, und von seinem Sohn. Also von zwei. Der eine ist der Wahrhaftege. Der andere ist sein Sohn.
Und der Wahrhaftige ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben.
Wie Jesus sagte: "Dies aber ist das ewige Leben, daß sie dich, den allein wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen." (Joh. 17:3)
Nicht mich, den allein wahren Gott, sondern dich ...
Zitat:
Der letzte Teil ist für das rechte Verständnis wirklich wichtig, denn worauf will Johannes denn eigentlich hinaus? Das verrät er im darauffolgenden Vers:
Kinder, hütet euch vor den Götzen!
Johannes geht es also offensichtlich darum, dass der Sohn Gottes gekommen ist, um uns Verständnis dafür zu geben, dass er der wahrhaftige Gott ist und weil wir in Christus sind, können wir auch erkennen, dass er der Wahrhaftige ist und müssen also nicht irgendwelchen Götzen hinterherlaufen. Dieses Verständnis haben wir also gewonnen! Quasi als Schutz vor Götzen! Aber deshalb können wir doch nicht die Gedanken Gottes denken.
Gerade weil ihr Jesus für den wahrhaftigen Gott haltet, könnt ihr den wahren Gott nich erkennen.
Ihr habt kein Verständnis vom qualitativen Erkennen.
Zitat:
Na ja und in der Lukasstelle eröffnet Jesus seinen Jüngern (nach der Auferstehung) lediglich das Verständnis dafür, weshalb alles so kommen musste, wie es gekommen ist und das sich das bereits bei Mose und den Propheten vorgezeichnet hatte. Die Jünger bekommen also Verständnis für Zusammenhänge innerhalb eines Teilbereiches der Schrift, aber die Gedanken Gottes können sie dadurch trotzdem nicht denken.
Das waren ja die Gedanken Gottes, die er den Menschen durch seine Phropheten mitgeteilt hat. Man mußte sie nur richtig verstehen, was die Juden vor Jesus nicht konnten.
Zitat:
Bleibt noch Paulus und 1.Korinther 2,16. ...
Wenn es also dann abschließend in diesem Abschnitt heißt:
Denn "wer hat den Sinn des Herrn erkannt, dass er ihn unterweisen könnte?" Wir aber haben Christi Sinn.
Dann bedeutet das nicht, dass der Christ fortan die Gedanken Gottes denken könnte und seine Wege in Gänze begreifen, sondern das ihm die Bedeutung des Kreuzestodes Jesu offenbar wurde. Ihm wurde quasi die Tür zum Verständnis der Christologie eröffnet, weil es ihm der Geist Gottes offenbart hat und er den Sinn Christi hat.
Gerade der Sinn des Kreuzestodes Christi sind die Gedanken Gottes, die er noch vor der Erschaffung der Welt gedacht hat.
Zitat:
Die Gedanken Gottes können wir also wirklich nicht denken! Wir bleiben immer davon abhängig, dass Gott uns etwas offenbar werden lässt und also bleibt unsere Erkenntnis immer unvollkommen. Und das wusste auch der Paulus (1.Korinther 13,12):
Denn wir sehen jetzt mittels eines Spiegels undeutlich, dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise, dann aber werde ich erkennen, wie auch ich erkannt worden bin.
Und wenn wir uns mit der Offenbarungen Gottes beschäftigen, fangen wir langsam an Gott zu verstehen, und wie er zu denken.
Zitat:
Ne ed, bei Eckhart geht es nicht nur um das Wollen. Der Wille des Menschen ist lediglich insofern ein Thema, weil es immer ein "Ich" ist, das will und das "Ich" ist immer auch gleichbeutend mit dem "ich nicht".
Verstehst du? Das "Ich" bestimmt sich immer negativ über das, was es nicht ist. Ich bin das Provisorium, also bin ich nicht ed, nicht FrauShane, nicht Kasper, oder thalestris. Das "Ich" ist immer nur es selbst. Und Eckharts Ziel ist die Einheit mit Gott und da ist für das "Ich", das Ego kein Platz. Will das "Ich" mit Gott eins sein, dann darf es nicht mehr "ich" sein.
Das ist vielleicht nicht ganz so einfach nachzuvollziehen, aber im Christentum wird ja gerade auch deshalb davon gesprochen, dass wir dem Bild des Sohnes gleichförmig werden sollen, weil sich der Sohn eben in der Einheit mit Gott befindet und wenn wir dem Sohn gleichförmig werden, dann "verschwindet" auch das "Ich" oder vielleicht besser verständlich, das "Ego".
Und das ist eben die alte Natur.
Zitat:
Ne ed, für Eckhart ist die Tür sicher nicht verschlossen geblieben! Das "Nichts" von dem er spricht, ist ja auch nur ein "Nichts" für unser denken, für unsere Erkenntnisfähigkeit. Es geht dabei eben um negative Theologie.
Wenn Ekhart Gott in dem "Nichts" erkennen glaubte, und nicht in dem Lichtstrahl, von dem Saul geblendet wurde, dann führt seine Theologie in dieses "Nichts", und nicht zu dem Licht Gottes, das von Jesus ausgeht.
Zitat:
Dieses "wer noch nie Sohn Gottes war", was soll das bedeuten? Schau doch mal zu wem Jesus dieses Gleichnis spricht (Lukas 15, 1-3):
Es nahten sich aber zu ihm alle Zöllner und Sünder, ihn zu hören; und die Pharisäer und die Schriftgelehrten murrten und sprachen: Dieser nimmt Sünder auf und isst mit ihnen. Er sprach aber zu ihnen dieses Gleichnis und sagte:
An Sünder und Zöllner ist das Gleichnis gerichtet! Da geht es nicht um vom Weg abgekommene Söhne Gottes, sondern um Sünder und Zöllner!
Alles Juden.
Zitat:
Wobei ich persönlich ja sowieso alle Menschen als Kinder Gottes betrachte. Aber bei dir hörte sich das jetzt so an, als gelte das Gleichnis nur für bereits "Wiedergeborene", oder sowas. Nein, es richtet sich an alle Menschen. Genau wie auch das Gleichnis, dass er zuvor erzählt, das Gleichnis vom verlorenen Schaf und der verlorenen Drachme.
Warum willst du denn aus den Christen so einen "exklusiven Club" machen? Wir sind doch nix besseres, als andere Menschen.
Weil Gott aus den Christen einen "exklusiven Club" gemacht hat, die Kirche, b.z.w. die Gemeinschaft der Heiligen.
Zitat:
Wieso soll das denn nur für die alte Natur gelten? Das verstehe ich einfach nicht! Weißt du, das, was du als neue Natur bezeichnest, ist in unserem Leben doch ein prozesshaftes Geschehen. Wir sind zwar ganz grundsätzlich und völlig prozessfrei von Gott geliebt und er ist jederzeit dazu bereit uns zu empfangen, aber diese Verwandlung in das Bild des Sohnes ist ein prozesshaftes Geschehen.
Hast du nicht letztens selbst von geistliches Wachstum gesprochen? Das ist doch auch ein prozesshaftes Geschehen, oder?
Also, ich bin davon überzeugt, dass wir alle substantiell mit Gott verbunden sind - wir alle!
Diese "substantielle" verbundenheit mit Gott braucht man nur, um sein Nichtverstehen Gottes rechtfertigen zu können.
In der Einheit mit Gott geht es um die Einheit des Sinnes. Alle sollen eins sein. Seid eines Sinnes.
Nur so verwandeln wir uns in das Bild des Sohnes.
Wenn du lange genug mit jemandem Gemeinschaft pflegst, färbt es auf dich ab. Du fängst an so zu denken und zu reden, wie er.