Ergebnis 1 bis 4 von 4
  1. #1
    tomex Gast

    Standard Konversion zum Judentum

    In biblischer Zeit waren Konversionen eine einfache Sache. Ein Nichtjude, der im Land Israel lebte, brachte seine Verbundenheit mit dem Judentum zum Ausdruck und schloss sich einer Gemeinde an. Ruths berühmte Erklärung an Naomi, "dein Volk soll mein Volk sein und dein Gott soll mein Gott sein" (Ruth 1,16), bedeutete ihre Annahme eines jüdischen Status. Aus den häufigen Hinweisen wie "die, die den Ewigen fürchten" (Psalm 118,4) und "die Fremden, die sich dem Ewigen angeschlossen hatten, … um den Namen des Ewigen zu lieben, … den Schabbat zu halten … und meinen Bund bewahren" (Jesaja 56,6) ist ersichtlich, dass Konversionen allgemein verbreitet waren. In talmudischer Zeit entstanden besondere Verfahrensregeln, die Konversionen jedoch immer noch erlaubten und minimale Anforderungen, zum Beispiel die vorherige Gebotsbeachtung oder das Lernen, stellten: "Wenn jemand in unserer Zeit konvertieren will, so sagen wir zu ihm: Was veranlasst dich, zu konvertieren? Weißt du nicht, dass das Volk Israel unterdrückt, verachtet, verbannt ist und fortdauernd leidet? Wenn er sagt: 'Ich weiß es und verdiene es nicht', nehmen wir ihn unverzüglich auf und machen ihn mit einigen der leichteren und einigen schwereren Vorschriften bekannt. … Wir sollten ihn jedoch nicht zu sehr belasten oder es zu genau nehmen. … Wenn er einwilligt, wird er sofort beschnitten. … Sobald er geheilt ist, lasse man ihn untertauchen. … Eine Frau wird von zwei Frauen ins Wasser begleitet und zwei draußen stehende Schriftgelehrte machen sie mit manchen der leichteren und manchen der strengeren Gebote bekannt." (Jewamot 47a). In späterer Zeit wurde jedoch eine negative Einstellung die Norm, zum einen aufgrund der Strafen, die von den christlichen und islamischen Herrschern jedem drohten, der ein Mitglied ihres Glaubens zur Konversion veranlasst hatte, und zum anderen aufgrund der zunehmenden Feindschaft zwischen Juden und ihrer Umgebung. Heute halten orthodoxe Synagogen an der Abneigung gegen Konversionen fest. Sie weisen die Mehrzahl der Kandidaten ab und bestehen darauf, dass die wenigen Kandidaten, die Aussicht auf Erfolg haben, die Gesetze streng beachten, über mehrere Jahre hinweg studieren und in einer vollkommen orthodoxen Umgebung leben, bevor sie akzeptiert werden.

    Das progressive Judentum kehrte zu der offenen Haltung des Talmud zurück: Im Einklang mit der jüdischen Tradition wird das Recht von Nichtjuden anerkannt, die ihre Eignung nachweisen können, in der jüdischen Gemeinde akzeptiert zu werden. Progressive Gemeinden sind bestrebt, den Kandidaten dabei liebevoll zu helfen, soweit es in ihren Möglichkeiten liegt. Das Judentum soll keinen missionarischen Charakter haben, aber man unterstützt all diejenigen, die aus eigenem Antrieb danach streben, jüdisch zu sein.

    Das übliche Verfahren beginnt mit einem ersten Gespräch mit dem Rabbiner der nächstgelegenen progressiven Gemeinde, der die drei Bedingungen für die Konversion klärt. Zunächst muss die betreffende Person den aufrichtigen Wunsch haben, jüdisch zu werden, bereit sein, sich dem jüdischen Glauben und seinen Bräuchen anzuschließen und sich mit der jüdischen Gemeinschaft zu identifizieren. In einigen Fällen, vor allem dann, wenn die Person wenig über das Judentum weiß, wird ihr nahegelegt, die Gottesdienste zu besuchen und eine Zeitlang Bücher über das Judentum lesen, bevor weitere Erfordernissen der Konversion angegangen werden. Dadurch wird sichergestellt, dass die Entscheidung auf einer festen Grundlage steht. Dann findet wieder ein Gespräch statt, um die Situation erneut zu überdenken. Es sei darauf hingewiesen, dass keine Einwände erhoben werden, wenn die Person mit einem Juden oder einer Jüdin verlobt oder verheiratet ist. Das progressive Judentum betrachtet es als einen positiven Faktor, wenn der Kandidat den Vorteil eines jüdischen Partners hat, der ihm eine Hilfe sein kann und dessen Familie ein Beispiel für jüdisches Leben und die häuslichen Zeremonien gibt. In vielen orthodoxen Kreisen gilt dieses "Ehe-Motiv" dagegen als ein erwiesenes Zeichen für Unehrlichkeit und liefert einen Grund für die Abweisung.

    Eine zweite Bedingung ist, dass der Kandidat sich ein Maß an jüdischem Wissen aneignet, das ausreicht, sich im jüdischen Alltag zurechtzufinden, die Bräuche durchzuführen und fähig zu sein, das jüdische Erbe an Kinder weiterzugeben. Der Konversionskurs, der dieses Wissen vermittelt, findet normalerweise wöchentlich in der nächstgelegenen progressiven Synagoge statt und dauert mindestens ein Jahr. Der Kandidat erlebt dadurch einmal den vollständigen Ablauf des Kalenders, während er am Unterricht teilnimmt und ein Jahr gewährleistet einen Zeitraum, in dem die allgemeinen Themen behandelt werden können. Inhalt des Kurses sind die Glaubensprinzipien des Judentums, die Unterschiede zum Christentum, der synagogale Gottesdienst, die häusliche Ritualen und die Kaschrut, der Schabbat und die Feste, die religiösen Anlässe im Lauf eines Lebens, die Bibel und die rabbinische Literatur, die jüdische Geschichte, die Fähigkeit, Hebräisch zu lesen sowie ein grundlegendes Verstehen von Texten in dieser Sprache, das Wesen des Antisemitismus, die Bedeutung der Scho'ah und des Landes Israel. Bei Kandidaten, die einen jüdischen Vater und eine nichtjüdische Mutter haben und von Kindheit an jüdisch erzogen, aber nicht formal konvertiert sind, wird dieser jüdische Hintergrund berücksichtigt und sie können von der Teilnahme an dem vollständigen Kurs befreit werden. Jüdische Partner von Übertrittskandidaten sollten den Kurs gemeinsam mit ihnen besuchen. Damit nehmen sie an dem Weg des Kandidaten ins Judentum teil und unterstützen ihn aktiv. Außerdem wird sichergestellt, dass ihr eigener Wissensstand dem entspricht, den ihr Partner erreichen wird. Es wird erwartet, dass der Kandidat jüdisches Leben aus erster Hand kennen lernt: durch den Besuch der Gottesdienste, die Teilnahme an häuslichen Feiern und am Gemeindeleben.

    Die dritte Bedingung ist, dass die rituellen Forderungen erfüllt werden müssen: Bei Männern ist die Beschneidung nötig. Sie wird von einem Mohel entweder mit Vollnarkose in einem Krankenhaus oder unter lokaler Betäubung in seiner Praxis durchgeführt. Dies erfüllt das Ritual, das von allen geborenen Juden seit Abraham erwartet wird (Genesis 17,10 [Lech Lecha]). Wenn der Kandidat bereits als Kind beschnitten worden ist, gilt dies als ausreichend, während die Orthodoxie eine symbolische zweite Beschneidung verlangt (Tippat dam). Sowohl männliche als auch weibliche Kandidaten müssen sich der Tewila unterziehen, einem Tauchbad in fließendem Wasser, dass entweder in einer Mikwe (einem eigens dafür gebauten Bad) oder in einem Fluss oder See stattfinden kann. Diese Zeremonie wurde später von der Kirche als Initiationsritus ins Christentum übernommen: die Taufe.

    Wenn der Konversionskurs abgeschlossen ist und die rituellen Erfordernisse erfüllt sind, erscheint der Kandidat vor dem Europäischen Bet Din und wird von drei Rabbinern befragt. Dabei wird geprüft, ob er ein ausreichendes Maß an jüdischem Wissen erworben hat und man vergewissert sich, dass er ein starkes Verbundenheitsgefühl zum Judentum und zur jüdischen Gemeinschaft besitzt. Wenn er akzeptiert wird, erhält er den jüdischen Status und wird als Mitglied des jüdischen Glaubens willkommen geheißen. Die Tewila findet in der Regel nach erfolgreich verlaufenem Bet Din statt. Sie ist ein äußeres Zeichen für die Änderung im Leben dieses Menschen, seine neue Identität und den neuen Lebensstil, in den er nun selbst eintaucht. Einige deuteten das Wasser der Mikwe als die Flüssigkeit des Mutterleibes und die geistige Neugeburt des Konvertierten. Die Zeremonie ist vollkommen privat und läuft so ab, dass die Einzelnen in das Wasser hineingehen, sich untertauchen und den zugehörigen Lobspruch rezitieren. Außerdem wird ein hebräischer Name angenommen, bei in religiösen Zusammenhängen benutzt wird: wenn diese Person zum Beispiel zur Thoralesung aufgerufen wird oder auf hebräischen Dokumenten wie der Ketuba. Nach der Tradition gilt eine Person, die konvertiert ist, als vollkommen jüdisch und es gibt keinen Unterschied zwischen ihr und jemandem, der durch Geburt jüdisch ist. Aus diesem Grund ist der zweite Teil des hebräischen Namens, der angenommen wird, nicht notwendigerweise ben/bat Awraham Awinu (Sohn/Tochter Abrahams, unseres Stammvaters), denn dadurch wird auf den ersten Blick deutlich, dass er oder sie konvertiert ist. Stattdessen kann er lediglich ben/bat Awraham lauten oder den Namen des tatsächlichen Vaters benutzen, vor allem, wenn dieser selbst jüdisch ist. In der Urkunde, die der konvertierten Person überreicht wird, wird bezeugt:



    dass … vor uns, einem ordnungsgemäß eingesetzten Bet Din, erschienen ist, um auf der Grundlage der Halacha und der Tradition Israels ins Judentum einzutreten und am Erbe Israels teilzuhaben.

    Wir haben ihren Wunsch eingehend geprüft und befinden, dass sie würdig ist, aufgenommen zu werden. Aufgrund ihrer Aufrichtigkeit und ihrer Kenntnis der Gesetze unserer heiligen Thora, unserer Bräuche und unserer Lebensweise kann sie zu den gere zedeq der Kinder Israels gezählt werden.

    Wir haben uns davon überzeugt, dass in ihrem Herzen die Liebe zu Israel und die Liebe zu Zion brennt. Sie hat das Joch der himmlischen Herrschaft auf sich genommen und ist in einer koscheren Mikwe untergetaucht.

    Wir sind damit einverstanden, dass sie unter den Flügeln der Schechina Schutz sucht. Ab jetzt ist sie in jeder Hinsicht Jüdin und wir sagen zu ihr: "Du bist unsere Schwester".

    Sie trägt in Israel den Namen …, und dies sei ihr Name in allen religiösen Angelegenheiten von nun an bis in Ewigkeit.


    Von Kindern, die mit ihren Eltern zum Judentum konvertieren, wird erwartet, dass sie mit ihren Eltern selbst am jüdischen Leben teilnehmen und eine jüdische Erziehung erhalten, dass sie die Synagoge besuchen und am jüdischen Religionsunterricht teilnehmen. Auch sie machen die Tewila und müssen, wenn sie männlich sind, beschnitten werden. Sie finden sich gemeinsam mit ihren Eltern vor dem Bet Din ein und erhalten eine eigene Konversionsurkunde. Nach dem Erscheinen vor dem Bet Din folgt eine kurzer Gottesdienst, der auch später in der Ortsgemeinde öffentlich erfolgen kann:

    Gott aller Macht, … dein Bild in ihr sei ihr Licht und ein Licht für uns. Lass ihre Liebe zu dir und zu deinen Lehren im Laufe der Jahre wachsen. Lass sie ein treues Glied der Gemeinde Israels sein und lass durch sie das Ansehen Israels in der Welt erhöht werden. Gib, dass sie so der Menschheit zu Gerechtigkeit und Wahrheit verhilft.

    Paare, die bereits zivilrechtlich verheiratet sind, entscheiden sich oft zusätzlich für die Chuppa, um so ihrer Ehe die religiösen Gelübde beizufügen. Es muss nachdrücklich betont werden, dass die Annahme des Judentums keine Ablehnung der nichtjüdischen Familie bedeutet. Es ist wichtig, dass konvertierte Menschen sensibel dafür sind, welche Wirkungen ihre Glaubensänderung auf ihre Verwandten hat und dass sie dafür sorgen, dass diese sich nicht befremdet fühlen. Das Gebot, seine Eltern zu lieben, gilt für Konvertierte ebenso wie für geborene Juden. Es kommt oft vor, dass jemand, der konvertiert ist, und ein Elternteil verliert, das Kaddisch für ihn spricht und die Jahrzeit einhält.

    Die positive Einstellung zu Konversionen hat sich als sehr wirkungsvoll erwiesen. Viele Juden aus Entscheidung sind in ihren Synagogen sehr aktiv, arbeiten in Komitees mit, unterrichten im Religionsunterricht, singen im Chor der Synagoge und tragen in vielfacher Weise zum Gemeindeleben bei. Freilich muss auch gesagt werden, dass andere sich kurz nach ihrer Konversion derjenigen Gruppe angeschlossen haben, die man nur einmal im Jahr in der Synagoge sieht. Hier sei der Hinweis gestattet, dass sie schließlich das Recht erworben haben, so wie die meisten geborenen Juden zu handeln. Es kommt sehr selten vor, dass jemand das Gemeindeleben vollständig aufgibt oder seine Konversion leugnet. Umgekehrt gibt es jedoch viele Fälle, in denen die Konversion ursprünglich durch einen jüdischen Partner motiviert war, die Ehe wenige Jahre später zerbrach, die konvertierten Personen aber weiterhin an ihrer jüdischen Identität und Beteiligung am jüdischen Leben festhalten. Der Einfluss auf die jüdisch geborenen Partner von Konvertierten ist äußerst positiv und führte dazu, dass viele, die nach ihrer Bar/Bat-Mitzwa das jüdische Lernen oder die Beteiligung am Gemeindeleben aufgegeben hatten, wieder ein aktives und regelmäßiges Interesse am Judentum entwickeln. Oft wirkt es sich auch auf die Familie des jüdischen Partners aus, die nun ein weit größeres Maß an häuslichen Bräuchen ausübt und die Gottesdienste wieder häufiger besucht, um dem Neuankömmling ein positives Beispiel jüdischen Lebens zu bieten. Etwas sehr Gutes wurde damit erreicht: Statt dass Juden, die außerhalb ihres Glaubens geheiratet haben, aus der Gemeinschaft ausgeschlossen werden, wurden sie befähigt, ihre Ehepartner mit in die jüdische Gemeinschaft zu bringen und so ihre eigene jüdische Identität und Aktivität zu bewahren. So kann immer wieder erreicht werden, dass die nächste Generation von zwei jüdischen Menschen aufgezogen wird, die beide jüdisches Wissen haben und in der Lage sind, eine jüdische häusliche Umgebung zu schaffen.

  2. #2
    Apokalypse Gast

    Frage Konversion machbar?

    Frage mal wie es geht mit eschatologisches Judentum ist das wie messianisch?

  3. #3

    Standard

    Zitat Zitat von tomex Beitrag anzeigen
    Das progressive Judentum kehrte zu der offenen Haltung des Talmud zurück...
    Mh, ich wäre immer sehr vorsichtig, wenn es darum geht, die eine Richtung des Judentums gegen eine andere auszuspielen. Meistens geht das nach hinten los und zeigt oft nun wie wenig der jenige sich in der Sache, aber auch in der anderen abgelehnten Richtung auskennt.

    So kenne ich genügend Gerim aus allen Richtungen um sagen zu können, dass kein Übertritt einer Richtung offener, einfacher oder kürzer wäre. So sind es sogar gerade orthodoxe Rabbiner (entgegen deiner progressiven Darstellung), welche den Kanidaten nahelegen, sich alle Richtungen genauer anzusehen.

    Was hingegen schlicht falsch ist, ist die Behauptung, dass progressive Richtungen dabei den Regeln des Talmud folgen. So werden alleine in der Orthodoxie die Betreffenden auf alle(!) Gebote verpflichtet und der Übertritt ist nur dann gültig, wenn der oder die Betreffende diese wirklich ohne Einschränkungen auf sich nehmen will. Hier kann man sagen was man will, aber progressive Richtungen tun dieses bewusst nicht, so wie sie eben ja gerade bewusst nicht mehr alle 613 Gebote aus dem Talmud beachten.

    Ansonsten gilt das Beschrieben so für alle Richtungen. Manchmal lohnt sich halt doch ein Blick über den Tellerrand, eben progressives Herangehen an diese Sache ;-)

    Kol tuv,
    Jakow

  4. #4
    Isaak Gast

    Standard

    Meine Wenigkeit bevorzugt eher abzuwarten und zwar auf Fragen zum Wechsel aus einem Glauben zum jüdischen Glauben zu warten, statt ungefragt Aufzuklären. Denn man kann eher schwer als allgemein richtig Aufführen was zum Wechsel nötig ist. Es ist und bleibt eine Angelegenheit der entsprechenden jüdischen Glaubensgemeinde und man sollte dies auch dort und direkt angehen.

    Shalom

    Isaak


 

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