Spätregen-Missions-Opfer können zumindest auf Rente hoffen
Beilstein Die Folgen der Insolvenz der Spätregen-Mission für die Bewohner des Glaubenshauses in Beilstein sind noch nicht absehbar. Eine gute Nachricht kommt dennoch vom Insolvenzverwalter.
Das Glaubenshaus Libanon: Mit der Veräußerung der Siedlung am Rande Beilsteins sollen die Forderungen der Rentenversicherungen beglichen werden.
Es besteht die Chance, dass ein Großteil der Ansprüche der Rentenversicherung erfüllt werden kann und somit vielen ehemaligen Mitgliedern der Gang zum Sozialamt erspart bleibt.
Zwei Tage lang haben sich der vorläufige Insolvenzverwalter Renald Metoja aus Sinsheim und der sachbearbeitende Rechtsanwalt Daniel Frauendorf auf dem Gelände des Glaubenshauses Libanon in Beilstein umgesehen. Die Bewohner seien spürbar verunsichert, erzählt Frauendorf im Gespräch mit unserer Zeitung. Aber: "Der Vorstand war auskunftsbereit, hat alle Unterlagen bereitgestellt." Es gebe sogar noch Barmittel in sechsstelliger Höhe.
Insolvenzverwalter: Schwarze Null möglich
Die Landwirtschaft, die zum Glaubenshaus gehörte, war bereits in den vergangenen Monaten verkauft worden. Was die übrige Anlage und die Gebäude wert sind, ist noch unklar. Ein Gutachter soll das in den nächsten Wochen feststellen. "Im Wesentlichen sind sie frei von Pfandrechten, es sind keine Schulden darauf", sagt Frauendorf und traut sich eine erste Prognose zu: Die Forderungen der Rentenversicherungen seien mit rund zehn Millionen Euro inklusive Säumniszuschlägen etwa in der Größenordnung wie das verbliebene Vermögen der Spätregen-Mission. "Eine schwarze Null könnte möglich sein."
Damit wäre die Altersversorgung auch für Menschen gesichert, die viele Jahre im Glaubenshaus gearbeitet hatten, unter Misshandlungen und psychischem Druck litten und die Gemeinschaft anschließend verließen.
Involvenz-Nachricht hatte sich schon herumgesprochen
Was aus der Siedlung in Beilstein wird, treibt auch die Nachbarn um. Obwohl die strenggläubige Gemeinschaft zurückgezogen lebt, haben sich über die Jahre doch ein paar Bekanntschaften entwickelt. Die Nachricht von der Insolvenz überrascht damit nicht alle im unmittelbaren Umfeld. "Ich habe es schon gehört", sagte eine Anwohnerin gegenüber unserer Zeitung schon im Vorfeld der Berichterstattung.
Alles wird geprüft, bislang kein Fehlverhalten erkennbar
Offen ist, ob für die finanziell harte Landung der Spätregen-Mission jemand Verantwortung übernehmen muss. Der Insolvenzverwalter will auf jeden Fall prüfen, ob finanzielle Mittel nicht bestimmungsgemäß verwendet oder sogar am Finanzamt vorbeitransferiert wurden. Auch könnten sich noch einzelne Mitglieder gegen ihre Gemeinschaft stellen. Einem Vorstandsmitglied des gemeinnützigen Vereins aber persönliche Verfehlungen nachzuweisen, dürfte in jedem Fall schwierig werden.
Aus Sicht des Insolvenzverwalters waren bislang keine offensichtlichen Unregelmäßigkeiten zu finden. "Manch ein Gerücht, das im Umlauf ist, lässt sich vielleicht sogar erklären", sagt Frauendorf. Es gebe beispielsweise eine sogenannte GbR-Kasse, ein Treuhandkonto, das vereinsrechtliche Hintergründe habe.
Ehemalige Vorstandsmitglieder offenbar außer Landes
Zu den Gerüchten zählt auch, dass sich Vorstandsmitglieder "abgesetzt" haben. Der langjährige Vorsitzende Martin Illig, der 2013 auf die Stimme-Recherchen hin auch den sexuellen Missbrauch von Gemeindemitgliedern einräumte, trat Mitte 2018 zurück. Vor wenigen Tagen war er zwar noch in Beilstein gesehen worden. Inzwischen soll er sich in den USA bei seinen Kindern aufhalten.
Illigs Nachfolger Michael Maslo trat im Oktober vergangenen Jahres zurück, nachdem es offenbar grundlegende Unstimmigkeiten mit der Führung der Glaubensgemeinschaft in Südafrika gegeben hatte. Auch er soll sich nicht mehr in Deutschland aufhalten.
Anfechtungsansprüche müssten jetzt geltend gemacht werden
Der Vorsitzenden-Posten ist seitdem nicht mehr besetzt. Auch das dürfte aber nicht weiter von Belang sein, wie Eberhard Nietzer, zuständiger Richter am Amtsgericht Heilbronn, erläutert. Weil der Rücktritt den Mitgliedern schriftlich mitgeteilt wurde, sei er wirksam. Es könnten sich im Verfahren noch Anfechtungsansprüche ergeben, also unrechtmäßige Zahlungen oder Verkäufe unter Wert, die die Insolvenzmasse verringert haben. Bisher liegen ihm dazu keine Hinweise vor.
Weniger Bewohner
Eingerechnet in die ausstehende Gesamtforderung der Rentenversicherungen von rund zehn Millionen Euro ist laut Insolvenzverwalter auch die Nachversicherung der derzeitigen Glaubenshaus-Bewohner durch die Rentenversicherung. Deren Zahl hat sich in den vergangenen Jahren deutlich reduziert. Etwa 70 der 100 Verbliebenen in Beilstein seien im Rentenalter. Dazu kommen rund 25 Bewohner in Haiterbach im Nordschwarzwald, von denen die Hälfte noch arbeitet, und 13 Bewohner in Thomasburg am Rand der Lüneburger Heide, von denen sechs arbeiten. "Wir gehen davon aus, dass für die älteren Mitglieder Beiträge nachgezahlt werden müssen", sagt Rechtsanwalt Daniel Frauendorf. Bislang durften ältere Gemeindemitglieder kostenlos in den Glaubenshäusern wohnen. Doch die Mitgliedschaft endet jetzt.
Interessent für ehemaliges Altenheim in Haiterbach-Beihingen
Auch die Gebäude in Haiterbach und Thomasburg können noch veräußert werden. Das Glaubenshaus Bethesda in Haiterbach-Beihingen war ursprünglich als Altenheim für ehemalige Bewohner aus Beilstein gedacht. Das ehemalige landwirtschaftliche Gut stammt aus der Familie der Ehefrau des heutigen Spätregen-Missions-Vorstands Hans-Peter Schmitt. Nach Recherchen unserer Zeitung könnte ein anderes kirchliches Altenheim in Haiterbach, das bereits Teile von Bethesda nutzt, als Käufer infrage kommen.
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