Wenn ich Rafi richtig verstehe, wirft er die Frage auf, vor was sollte man beim Islam eigentlich Angst haben? Zum anderen, sollte man nicht gerade intoleranten Gesellschaften mit Toleranz begegnen?

Nun, Rafi ich glaube es geht hier nicht nur um Religion und Kultur, sondern es geht um weit aus mehr, was Ängste und Befürchtungen betrifft.

Europa hat viele Jahrhunderte unter Unfreiheit und Intoleranz gelebt. Ein überaus starker – auch religiöser - Sanktionismus bestimmte das Leben der Menschen auf diesem Kontinent. Worte wie Freiheit, Bürgerrecht, Gleichberechtigung, Menschenrecht, etc, waren bis noch vor wenigen Jahren regelrechte Fremdwörter. Sehr teuer und mit viel Blut erkauft, wurde der Feudalismus und auch Imperialismus im Wesentlichen in Europa überwunden. Die Trennung zwischen Religion und Macht ist noch immer nicht gänzlich verwirklicht und bestimmt in vielen Ländern Europas noch das alltägliche Leben (z.B. Polen).

Jetzt stehen wir vor einer Situation, dass eben nicht nur eine Religion und eine Kultur bei uns in Europa, als längst schon gängiges „Zweitmodell“ – Subkultur existiert, welche mehr und mehr eben sich nicht mehr damit begnügt, eine Randgesellschaft zu bilden, sondern aktiven Einfluss auf das alltägliche Leben nimmt. Hier liegt aber nach Ansicht der meisten Politikwissenschaftler das eigentliche Problem. Denn hier begegnet uns eine Sozialkultur, die politisch eben dem Feudalismus zugerechnet werden muss. Noch wichtiger dabei ist, dass Sozialkultur, Politikstruktur und Religion eine Einheit bilden und sich aus der gegenseitigen Abhängigkeit auch nicht weiter entwickeln kann, es sei den sie würde eine Art von Trennung der einzelnen Strukturen in sich zulassen. Also vergleichbar mit der sog. Aufklärung in Europa.

Eine Feudalgesellschaft, kann aber auf Grund seiner Machtstruktur weder bürgerliche Freiheit noch Gewaltenteilung in sich vereinbaren. Das ist eine ganz klare Erkenntnis aus der Geschichtswissenschaft.

Hier Rafi, liegt der eigentliche Punkt, der eben auch bei nichtreligiösen Menschen Sorge aufkommen lässt, es ist die Auflösung der Gesellschaftsstruktur in der wir leben, es ist der Rückschritt in eine Feudalgesellschaft. Eine Gesellschaft, die in sich eben nur sehr bedingt Toleranz verwirklichen lässt, weil sie als einzig wahres Gesellschaftsmodell, religiös motiviert, propagiert wird. Glaube, Kultur und Politik sind in dieser Religion so eng miteinander verwoben, wie wir es beispielhaft auch in Europa viele Jahrhunderte erleben durften.

Übrigens, aus Religionswissenschaftlicher Sicht, findet hier ein Prozess statt, der sich ständig in der Menschheitsgeschichte wiederholt. Denn eine jegliche Weltreligion nutzte immer auch die Schwächen der Vorreligion aus, um sich dann mittels Unterwanderung dieser zu entledigen. Noch nie wurde in der Menschheitsgeschichte eine Weltreligion mittels Gewalt durchgesetzt, wohl aber durch zu Hilfenahme von Gewalt. Das war nicht anders beim Christentum, welches sich so durch überaus bereitwillige Kompromissbereitschaft, des Imperium Romanum bemächtigte, also anfänglich friedlich und im Endeffekt dann durch die gewonnene Macht mit Gewalt alle anderen Konkurrenten beseitigte.
Ob im alten Ägypten oder in Persien, in Griechenland der Antike oder im alten China, es ist immer die gleiche Systematik, die sich bei solchen Prozessen zeigt.

In einer aufgeklärten Gesellschaft kennt man diese Mechanismen und deshalb gibt es eben ernsthafte Warnungen, aber solche Gesellschaften bergen in sich auch eine Dekadenz der Machtüberheblichkeit, die blind wird, für strukturelle Veränderungen. Der Handlungsspielraum wird dann für Änderungen sehr eng und hier kann man wahrlich aus der Geschichte lernen, denn so verschwand bisher eine jegliche Hochkultur inkl. dessen Religion von der Weltenbühne. Wie gesagt, es ist immer das gleiche Prinzip.


Samu