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6. Die merkwürdige und eilige Gesetzesratifizierung
Mit großer Mehrheit verabschiedete am 25. Juni 1997 der deutsche Bundestag das Transplantationsgesetz.
Dieses Gesetz regelt die Entnahme und Verpflanzung von Organen und enthält umfassende Bestimmungen für die Organvermittlung, und führt damit natürlich zu bedeutenden wirtschaftlichen Konsequenzen.
Die Debatte dauerte über fünf Stunden. Anwesend waren jedoch nur ca. 150 Abgeordnete!!
Erst als die 2. und 3. Lesung vorbei war, füllte sich der Plenarsaal,
d.h., an der Mehrheit der Abgeordneten gingen die Argumente der Redner vorbei.
Die Mehrheit unserer Volksvertreter haben bei einer so ungemein wichtigen Frage ihr Desinteresse bekundet. (Und wir haben Sie gewählt.)
Aber sie stimmten trotzdem ab, d. h., die Diskussion vorher war eine Farce!
Der Bundestag hat sich mit der Frage der Transplantation, mit der Frage: „Wann ist ein Mensch wirklich tot?“, eine Kompetenz erteilt, die ihm weder zusteht, noch deren Folgen er für „Tausende“ zu überblicken vermag.
So wurden z. B. erst kurz vor der Abstimmung die Drucksachen den Abgeordneten zur Einsichtnahme zur Verfügung gestellt. Selbst wenn diese gewollt hätten, hätten sie sich in der Kürze der Zeit mit dem Inhalt nicht vertraut machen können.
Die Beschlussempfehlung und der Bericht des Ausschusses für Gesundheit vom 23. Juni 1997, standen ihnen zwei „satte Tage“ vor der Abstimmung zur Verfügung.
Fünf Gruppenanträge vom 24. Juni 1997 gar nur einen Tag. Diese lagen im Foyer des Plenarsaals aus.
Wie viele Abgeordneten davon erst gar keinen Gebrauch machten, ist nicht überliefert.
Aber sie wollten wohl auch nicht, denn von einem Protest ist dem Autor nichts bekannt.
In der dann namentlichen Abstimmung sprachen sich von den 629 Abgeordneten 449 für die sogenannte „Erweiterte Zustimmungslösung“ aus.
Mit „Nein“ stimmten 151 Abgeordnete, während sich 29 Abgeordnete enthielten.
Was besagt nun das Gesetz?
In der Kurzfassung: Liegt keine schriftliche Willenserklärung des „Hirntoten“ vor, so können nahe Angehörige, unter Berücksichtigung „des mutmaßlichen Willens“ des Sterbenden mit dem Arzt vereinbaren, ob eine Organentnahme erlaubt wird.
(Ich kann mir nicht vorstellen, dass einer den mutmaßlichen Willen haben kann, bei lebendigem Leibe ausgeschlachtet zu werden, keinen friedvollen und würdigen Tod haben zu wollen)
Innerhalb einer bestimmten Frist kann der Angehörige dass jedoch widerrufen.
Nahe Verwandte sind in der Reihenfolge: Ehegatten, volljährige Kinder, volljährige Geschwister, Großeltern.
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Es muss aber ein mindestens zweijähriger, enger Kontakt nachgewiesen werden.
Es gab aber auch noch eine weitere Abstimmung, die sogenannte „ganzheitliche Alternative“. Diese besagte, dass der „Hirntod“ nicht das Ende des menschlichen Lebens sei. Dafür stimmten jedoch nur 201 Abgeordnete.
Warum so deutlich? Hier wirkte wohl die massive „Arbeit“ der Transplantationslobby im Vorfeld der Abstimmung.
Diese Lobby forderte bei drei Anhörungen des Gesundheits- und Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages ultimativ eine gesetzliche Gleichsetzung des „Hirntodes“ mit dem Tod des Menschen.(!)
Sie drohten ansonsten jegliche Transplantationen in Deutschland zu unterlassen. (Welch eine „Drohung“!)
1996 lagen von 3.228 Transplantationen nur 34 persönliche Einwilligungen vor.
Es gab aber noch einen weiteren Gesetzentwurf. Dieser sah vor, dass eine „enge Zustimmungslösung“ vorliegen muss, d. h., es dürfen nur dann Organe entnommen werden, wenn eine ausdrückliche Willensbekundung zur Entnahme vorliegt.
Der SPD Politiker Rudolf Dressler sagte: „Es sei eine „moralisch, ethische Gratwanderung“ und der Redakteur Emmerich, von der Frankfurter Rundschau kommentierte dazu: „Wobei die Mehrheit der Abgeordneten die Balance verloren und abstürzten.“
(Ob sie wohl von der Pharma- und Transplantationslobby weich aufgefangen wurden? Warum habe ich so ein merkwürdiges Gefühl im Bauch?)
Nutznießer sind wohl eindeutig Organisationen wie: Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantationen; Deutsche Stiftung Organtransplantation in Neu-Isenburg (Jahresumsatz über eine Milliarde €)
Die Bundestagsabgeordnete Beatrice Philipp gestand damals:
„Wir übernehmen mit dem Antrag zum Transplantationsgesetz den Transplantationskodex, den sich die Transplantationszentren selbst gegeben haben.
Man scheute davor zurück, für den Tod von Tausenden von Patienten in namentlicher Abstimmung persönlich verantwortlich gemacht zu werden.“
Wie fühlen Sie sich, werter Leser?
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