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Thema: Jeremia 8,8

  1. #1
    Diego07 Gast

    Standard Jeremia 8,8

    Hi,

    bin beim Bibel lesen auf diese Stelle hier gestoßen, die mich ein wenig verunsichert:

    Luther: ...Wie könnt ihr sagen: »Wir sind weise und haben das Gesetz des HERRN bei uns«? Ist's doch lauter Lüge, was die Schreiber daraus machen...

    Elberfelder: Wie könnt ihr sagen: Wir sind weise, und das Gesetz des HERRN ist bei uns? In der Tat! Siehe, zur Lüge hat es6 der Lügengriffel der Schriftgelehrten7 gemacht.

    Schlachter: Wie könnt ihr da sagen: »Wir sind weise, und das Gesetz des Herrn ist bei uns«? Wahrlich, ja, zur Lüge gemacht hat es der Lügengriffel der Schriftgelehrten!

    Ist damit nicht klar gezeigt, dass die Bibel verfälscht wurde???

  2. #2
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    2.934

    Standard

    Hmmm ...

    Was soll nun in der Tenach verfälscht worden sein? Oder meinst du die unterschiedlichen deutschen Interpretationen des hebräischen Textes (oder eben der Septuaginta)?
    Oder meinst du, dass diese Schreber die Torah gefälscht haben?

    Hier geht es nicht darum, dass diese Schreiber, die Sofrjim, die Torah umgeschrieben hätten, sondern dass sie die Schrift, die Torah nicht richtig lehrten.


    Jer 8,4 So sollst du zu ihnen sagen: So spricht der HERR: Wer fällt und steht nicht wieder auf? Wer weicht ab und kehrt nicht wieder um?

    Hier ist von der Umkehr die Rede, der Umkehr zum Ewigen. Gott selber „akzeptiert“, versteht ja dass man fällt und ab und zu in die Irre geht, aber es ist nicht „natürlich“, wenn man nicht wieder aufstehen will und aufsteht. In Vers 5 dann will man sich lieber dem Selbstbetrug hingeben, sich daran klammern, was der Mensch sich selber zusammengereimt hat, statt umzukehren zum Lebendigen, zum Ewigen und Alleinen Gott, so wie auch die Tiere ihre Zeit kennen, nur der Mensch kennt sie nicht. Man redet, was nicht recht ist, nennt das Böse Gut und das gute Böse, man verdreht die Weisungen des Ewigen, die Rechtsordnungen, die Mischpat.


    Das uminterpretieren (der Lügengriffel / Lügenlehre) der Weisungen Gottes, der Torah, wird somit zum Truggebilde gemacht. Dadurch wird das Wort des Ewigen verworfen. Man stellt andere Bücher und Schriften höher als die Torah, die Rechtslehre Gottes.
    So warnt auch Jesus ausdrücklich davon, die Schrift (Tenach) nicht anders zu lehren, als wie es steht.

    Somit ist hier nicht gesagt, dass die Torah verfälscht wurde. Sie warnt aber davor, die Rechtsordnungen Gottes anders lehren zu wollen.



    Lehit

    Alef

  3. #3
    samu Gast

    Standard

    Ich möchte die Frage von Diego auch aufgreifen und diese aus Religionswissenschaftlicher Sicht beantworten.

    Die Klage Jeremias ist nicht die einzige zu diesem Sachverhalt, nämlich der Verschriftung der uns überlieferten Tora. In der Tat gab es schon damals ganz heftige Kontroversen über besagte Thematik. Der historische Grund dafür liegt in den verschiedenen Überlieferungssträngen, die ganz verschiedene Autoren hatten und eben auch Interessen verfolgte. Am bekanntesten ist die Priesterschrift, die ca. im 6 Jahrhundert entstanden ist und die wir heute im Wesentlichen vor uns liegen haben. Sie fasst im Wesentlichen die vielen Einzelüberlieferungen zusammen, ordnet sie nach historischen Verhältnissen und harmonisiert sie untereinander. Letzter Punkt war sicher in seiner Zeit eine Meisterleistung, doch genau hieran merkt man die Kompositionsarbeit, die verschieden Quellen zu einem einheitlichen Erzählstoff zusammenfassen will.

    Insbesondere zwischen Kultpriestern und Propheten kam es immer wieder zu heftigsten Auseinandersetzungen über die Wertung der Kultüberlieferungen. Für die Propheten, die das Ende der Staatsreligion kommen sahen, war das Kultpriestertum und dessen Ritualpraxis ein überholtes Relikt aus alten Zeiten. Für das Priestertum war das Prophetentum eine äußerst suspekte Gruppierung, die jedoch gerade im Königtum seine Förderer fand. Ganz besonders deutlich wird dieser Tatbestand an Jesaja, der keine Gelegenheit auslässt um dem Kultpriestertum, welches sich als geistige Elite Israels verstand den Garaus zu machen, bis hin zur Tempel- und Opferverweigerung. Ein deutlicher Beleg dazu und zugleich auch über deren Schrifteinflüsse liefert uns z.B. Jesaja in Kapitel 29/ 13 – 14. Hier wie bei Jeremia wird deutlich um was es den Propheten ging und genau in diesem Ton schlägt auch Jeremia seine Klage an – Kapitel 2/8. Doch auch Kohelet weiß ein Lied davon zu singen (12/12).

    Erst das babylonische Exil brach die Macht der Priesterschaft und verschaffte den Prophetenwort das Gehör und den Einfluss, den wir heute kennen.

    Die nachfolgende Generation suchte nun den Ausgleich zwischen Priesterschaft und Prophetentum und genau dieser Sachverhalt findet sich dann in der Niederschrift der „5. Bücher Mose“ – also der Tora, die ihren schriftlichen Niederschlag in heutiger Form etwa um 600 v. u. Z. erhielt. Die Priesterschaft setzte sich dahingehend durch, dass die Kultgeschichte würdige Berücksichtigung fand und das Prophetentum setzte sich dahingehend durch, dass die Tora nicht als Formalgesetzgebung fungiert, sondern als Wegweisung und Richtschnur. Damit gewann Israel einen unglaublichen religionspolitischen Vorteil gegenüber allen anderen Religionen seiner Zeit und ermögliche den Fortbestand der Religion über alle Katastrophen hinweg. Denn das religiöse Grundgerüst war nun nicht mehr in sich starr und unbeweglich, sondern flexibel und dehnbar und konnte sich so jeweils auf die aktuellen historischen Gegebenheiten einstellen. Man nennt das auch „begrenzten Universalismus“, der seine Leitlinien nicht verlässt, aber in sich genug Interpretationsspielraum für neue Entwicklungen erlaubt.

    In den Klagen Jeremias, Jesajas und anderen tritt uns also ein ganz entscheidender Faktor der israelitischen Religionsgeschichte entgegen, der, wenn man „offen Auges“ in der Tora liest, nicht verborgen bleibt. Manches was uns in der Tora als doppelt, widersprüchlich und verschiedentlich gewichtet erscheint, findet in der Redaktion zur Priesterschrift seine Ursache. Dass dies so ist, sehe ich als unglaublichen Gewinn an, erlaubt dieser Sachverhalt doch einen wirklich guten Einblick in die Anfänge der israelitischen Religion und dessen Entwicklungsstadien bis in die Königszeit. Es zeigt die Irrungen und Wirrungen auf und stellt sich ganz selbstkritisch diesen Geschehnissen. Ich kenne kein Religionsbuch der Welt, dass so schonungslos und kritisch mit seinen Heiligen und Gesalbten, aus der historischen Rückschau, verfährt und sie in all ihren menschlichen Fehlbarkeiten als Mahnung für spätere Generationen zur kritischen Selbstanalyse vorführt. Das ist wahrlich einmalig und ist das große Verdienst des Ringens der Priester und Propheten um eine Überlieferungsschrift, die Zeitlos und Lebendig, zum Quell und zur Wegweisung für unzählige spätere Generationen wurde.

    So meine Gedanken dazu.

    Samu


 

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