Noch ein kurzer Nachtrag: Eckhart hatte an sich selbst den Anspruch gestellt, das Alte und das Neue Testament mit den natürlichen Gründen der Philosophie auszulegen. Die Philosophie die er meint, ist der Neuplatonismus. Im Neuplatonismus wurde das Eine als das Absolute gedacht, weil das Eine gegensatzlos ist und alles Denken bedingt. Es gibt kein Denken ohne Einheit, weil wir das Nichts nicht denken können. Eckhart identifiziert das Eine nun mit Gott und versucht anhand von Bibeltexten die neuplatonische Philosophie, in eine Philosophie des Christentums zu "transportieren".
Ziel ist nicht die Missionierung zu einem bestimmten Glauben, sondern einfach nur der Versuch, die Bibel neuplatonisch zu lesen. Im Judentum hat Philon von Alexandria ähnliches versucht. Es ist philosophische Spekulation innerhalb bereits bestehender Glaubensvorstellungen. Nicht mehr, nicht weniger. Und niemand muss da nun irgendwas verstehen, oder annehmen, oder glauben, so wie Eckhart das verstanden und geglaubt hat.
Wenn man substantiell mit Gott verbunden ist, dann kann er nicht näher sein, als er bereits nah ist. Wenn alles Sein in einem ewigen "Nun" aus Gott ausfließt, dann begegnet einem Gott auch in allem Sein. Nichts muss also getan werden und jeder kann und darf gehen wie er will. Man kann also ganz entspannt seinen individuellen Glaubensweg gehen und muss keine Angst haben dafür eines Tages in die Hölle oder sonstwas zu kommen. Eckharts Philosophie sagt "fürchte dich nicht". Wo also ist dann da ein Problem? Wieso muss man gegen meinen Glauben Opposition ergreifen und ihn eine gefährliche Ideologie schimpfen?
Ich sehe und erlebe das so, wie ich es erlebe und ihr seht und erlebt das so, wie ihr es eben erlebt. Ich sage nur noch zusätzlich dazu, dass euer Weg nicht richtiger, oder falscher als mein Weg ist. Mein Weg hingegen wird wohl als falsch und weniger Wert als eine Dummheit betrachtet. Aber das gibt man nicht einmal zu, sondern ergeht sich lediglich in Anspielungen. Das ist traurig.
LG
Provisorium
Gott ist ein Gott der Gegenwart. Wie er dich findet, so nimmt und empfängt er dich, nicht als das, was du gewesen, sondern als das, was du jetzt bist. (Meister Eckhart)
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