Zitat Zitat von thalestris Beitrag anzeigen
Bisher hat mir noch kein Vertreter/in des Christentum oder andere Gläubige darauf geantwortet aber die Frage schwebt mir weiter im Kopf rum. Hat denn keiner hierzu ne Meinung?
Dann gebe ich mal darauf eine Antwort, auch wenn ich nicht zum angesprochenen Personenkreis gehöre. Ich denke auch die Frage lässt sich nicht so pauschal beantworten, da wir ja unterschiedliche christliche Auffassungen haben. Ich kann also bestenfalls eine gewisse Bandbreite, mir bekannter Meinungen skizzieren – die dabei oft ziemlich auseinandergehen.

Es gibt z.B. Christen die die Schuld davon abhängig, ob die Frau sich ausreichend gewehrt hat. Hat sie das getan und wurde überwältigt, dann ist sie frei von Schuld. Hat sie es nicht getan, dann gilt sie ebenso schuldig und ist unrein und ggf. eine Schande für die Familie, denn es gibt Christen, für aus deren Sicht es besser gewesen wäre, würde sie beim Versuch sich zu wehren ums Leben kommen.

Dann gibt es wieder andere Christen, die auch hier alttestamentarische Regelungen als Richtlinie akzeptieren, da Jesus ihrem Verständnis nach das Gesetz nicht aufgehoben hat. Das AT stammt aber aus einer Zeit, in der Vergewaltigung gewissermaßen nur ein „Wirtschaftsverbrechen“ war, weil es den Wert der Frau minderte. Entsprechend wird hier u.U. gefordert, dass das Opfer seinen Vergewaltiger ehelicht, wenn dieser dem zustimmt. (Die Frau wird hierbei wohlgemerkt nicht gefragt) Auch gibt es hier nicht wenige, für die es so etwas wie Vergewaltigung innerhalb der Ehe nicht gibt, da die Frau dem Mann zu Willen zu sein hat. Diese Ansicht gehört jedoch glücklicherweise zu einer Minderheit, die zumindest hier im abendländischen Raum auch kaum auf eine Umsetzung ihrer Forderung hoffen dürfen.
Dann gibt es jenen Christen, für die der sexuelle Akt gleichbedeutend ist mit einer Ehe, und die von dem Opfer erwartet, dass es – wenn es seinen Vergewaltiger schon nicht heiratet – dann doch lebenslang enthaltsam zu leben habe, weil ein erneuter Verkehr Unzucht bedeuten würde. In wieder anderen Ländern kann es auch (in seltenen Fällen) zu Ehrenmorden oder zu einem Ausschluss des Opfers aus der Familie führen.

Die aber vermutlich häufigste Ansicht ist sicherlich die, dass dem Opfer einer Vergewaltigung keine Schuld zuzusprechen ist. Und das sie folglich diesbezüglich weder unreiner ist als andere, noch es für den Gang in die Ehe ein Problem darstellen muss. Da wir alle Vergebung benötigen, ist das Opfer hier frei seinen weiteren Weg zu gehen. Kontroverser wird es aber z.B. wenn aus der Vergewaltigung ein Kind hervorgeht, aber das ist eine andere Frage.

Du siehst, es ist kaum möglich eine einheitliche Meinung bei dieser Frage zu finden. Allerdings kann man vermutlich nicht abstreiten, dass die christlichen Werte und das christliche Verständnis von Ehe und Familie im abendländischen Kulturkreis mit eine entscheidende Rolle bei der Neubewertung der Frauenrechte spielten. Auch wenn es ein langer und steiniger Weg war....