Hallo DaVinnci,

vorab möchte ich mich entschuldigen. Heute morgen habe ich überlegt, dass ich es eigentlich schade finde, dass wir uns hier häufig eher darauf beschränken dem anderen vorzuhalten, dass er auf einem „Holzweg“ ist, als dass wir dem anderen etwas bieten, wovon er zu profitieren vermag. Und dann musste ich erkennen, dass ich es hier unabsichtlich zwar aber eigentlich nicht anders gemacht habe. Deshalb will ich meinen ersten Beitrag eigentlich nicht so stehen lassen, sondern dir erläutern, weshalb ich die beiden von dir angeführten Stellen anders lese als du selbst. Und du magst selbst entscheiden, ob dir meine Ausführungen etwas bringen oder du sie deinerseits wenig überzeugend findest.

Wie ich schon schrieb, finde ich die meisten Bibelstellen die als Beleg für die Reinkarnation im jüdischen Denken in ihrer Interpretation wenig überzeugend. Und sie lassen sich meist im historischen Kontext anders und wie ich finde stimmiger erklären. Nimm nur mal Elias: Dieser war ja überhaupt nicht gestorben, weshalb auch nirgends die Rede davon ist, dass er wiedergeboren würde sondern dass er wiederkommen wird. Dies aber erwarteten die Menschen weil es prophezeit wurde. Aus diesem Fall eine grundsätzliche Erwartung einer Reinkarnation abzuleiten erscheint mir mehr als fragwürdig. Zudem liegt dieser Übertragung des entrückten Geistes im altorientalischen Denken eine ganz andere Vorstellung zugrunde als jener der Reinkarnation.

Auch in dem von dir angeführten Psalmvers finde ich keinen Hinweis, lediglich eine schlechte Übersetzung Luthers, welche die antiken Lyrik des Textes verzerrt. Denn im hebräischen Urtext ist es doch ein häufig anzutreffendes Stilmittel vor allem poetischer Texte, dass Aussagen verdoppelt werden – da du dich intensiv mit der Schrift beschäftigt hast, wir dir Parallelismus sicherlich ein Begriff sein. Und diesen findest du mehrfach in diesem Gebet, das Moses zugeschrieben wird. „Denn tausend Jahre sind vor dir wie der gestrige Tag, der vergangen ist, und wie eine Nachtwache“ umschreibt zweimal die Kürze der Zeit im Wesen Gottes, „du lässest sie dahinfahren wie einen Strom, sie sind wie ein Schlaf am Morgen, wie das Gras, das aufsprießt“ sind gleich drei Bilder, die die Vergänglichkeit des Menschen aufzeigen, „Denn wir werden aufgerieben durch deinen Zorn und schnell dahingerafft durch deinen Grimm“ beschreibt zweimal die Hilflosigkeit des Menschen vor dem Grimm bzw. Zorn Gottes. Und „Du hast unsre Missetaten vor dich hingestellt, unsre verborgenen Sünden in das Licht deines Angesichts“ ist ein Parallelismus, der zweifach die Missetat bzw. Sünde im Angesicht Gottes bzw. vor diesen hingestellt beschreibt.

Nichts anderes aber ist es meines Erachtens mit dem von dir zitierte Vers (nach Elberfelder) „Du lässest zum Staube zurückkehren den Menschen, und sprichst: Kehret zurück, ihr Menschenkinder!“ der eben vor dem Hintergrund seiner Verortung in den hebräischen Sprachgebrauch der Zeit als eine Verdopplung des Gedankens gelesen werden muss, der die völlige Gewalt Gottes über das Leben des Menschen umschreibt, und der eben nicht nur aufgrund seines Wortlauts im Deutschen als ein Hinweis darauf gelesen werden darf, dass Gott ihn als Reinkarnation wieder zurückschickt. Das gibt auch der Kontext meines Erachtens nicht wirklich her.

Was nun deine neue Antwort auf meinen Post betrifft, du hast du sicherlich recht. Tatsachen hängen in der Regel nicht davon ab ob wir daran glauben oder nicht. Das nun das Groß das eigene Denken einstellt, kaum dass sie sich für einen Glauben entschieden haben, finde ich in seiner Formulierung etwas negativ, aber du magst insofern recht damit haben, als dass viele vermutlich nicht die Zeit und die Möglichkeit haben sich im gleichen Umfang mit diesen Themen zu beschäftigen, und daher dem Urteil eines anderen Vertrauen.

In diesem Sinne noch einen schönen Sonntag und alles Gute
Lior