
Zitat von
Digido
[...]Du behauptest aber, mit den Begriffen "Entrückung" "wiederkommen" und "überkommen" werde die "Übertragung von Autorität und Charisma" ausgedrückt. Das ist mir völlig neu, aber ich denke, Du wirst für Deine Behauptung Belege haben und diese uns nicht vorenthalten.
Hallo Digido,
mal ganz ehrlich – ist deine Frage ernst gemeint oder soll sie mich nur in Verlegenheit bringen? Denn es sollte nicht allzu schwer sein hier ein umfassendes Angebot an entsprechenden Arbeiten zu finden, die sich mit eben diesem Thema beschäftigen. Eine kurze Recherche in den entsprechenden Datenbanken haben mir zumindest ein paar Hundert Publikationen angezeigt.
Als Einstieg wäre vermutlich der Online einsehbare Artikel Christfried Böttrichs im WiBiLex (Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet) zum Stichwort Entrückung sinnvoll, dem anhängend bereits eine weiterführende Literaturliste zu finden ist. Ebenso der Artikel von Susanne Otto zum Stichwort Elia, der die Entrückung Elias als Aspekt der Legitimation seiner Nachfolger anspricht. Beides Beiträge die – anders als der wie ich finde auf Bildzeitungsniveau operierende „Theologe“ - schon einmal einen seriösen Einstieg vermitteln. (Habt ihr mal die anderen Artikel des "Theologen" mal gelesen? Also als seriöse Quelle würde ich ihn nicht anführen wollen.)
Auch zur Konzeption der Seele im Judentum, und warum es aufgrund des Einheitskonzeptes von Körper und Seele im Judentum nur wenig Sinn macht, von einer „Wiederverkörperung“ im Sinne einer Reinkarnationslehre (mit Wiedergeburt in einen neuen Körper) zu sprechen, gibt es verschiedentliche Arbeiten. Ein Ausgang der zudem die durch griechische Einflüsse bedingte Entwicklung im frühen Christentum mit betrachtet, könnte die ebenfalls online einsehbare Dissertation „Biblical Sources in the Development of the Concept of the Soul in the Writings of the Fathers of the Early Christian Church", 100-325 C.E von Thomas W. Toews sein - ebenfalls natürlich mit einer weiterführenden Literaturliste.
Und wenn du dich für die Übertragung von Charisma bzw. göttlicher Autorität im Kontext der Legitimationsbestrebung interessierst, würde mir als erstes das Buch von Gregor Ahn über Religiöse Herrscherlegitimation im achämenidischen Iran empfehlen, in dem er ein differenziertes Raster religiöser Legitimationsbemühungen kontrastiert. Wenn ich mich recht erinnere, lassen sich in seinem Text auch verschiedene Querverweise zu entsprechenden Phänomenen im Alt-Orientalischen Raum finden.
Weißt du, es ist ja nicht so, dass kritische Beiträge zur Frage der Reinkarnationslehre im Juden- und im Christentum schwer zu finden seien. Ich habe nur den Eindruck, dass sie von manchen (damit meine ich nicht explizit dich) nur gerne ignoriert oder in Abrede gestellt werden. Und wie ich schon sagte – da sich meines Erachtens entsprechende Vorstellungen im frühen Christentum belegen lassen, würde ich auch nicht soweit gehen, dass ich entsprechende Vorstellungen im Denken Jesu und seiner Apostel kategorisch ausschließen würde. Auch wenn mir dann die Deutung verschiedentlicher Stellen wie z.B. den ersten Thessalonicherbrief, Kapitel 4, 16+17. „Denn der Herr selbst wird beim Befehlsruf, bei der Stimme eines Erzengels und bei dem Schall der Posaune Gottes herabkommen vom Himmel, und die Toten in Christus werden zuerst auferstehen; danach werden wir, die Lebenden, die übrig bleiben, zugleich mit ihnen entrückt werden in Wolken dem Herrn entgegen in die Luft; und so werden wir allezeit beim Herrn sein.“ (Nach Elberfelder) fraglich wäre. Denn es werden hier die Lebenden entrückt zur Heimkehr in den „Himmel“. Hier ist nicht die Rede von einem Sterben, dafür aber dass zuerst die Toten auferstehen. Wer aber sind die Toten, wenn es doch einen karmischen Kreislauf der Seelen gibt?
Aber es bleibt eben dabei, dass die zahlenmäßig stark limitierte Entrückung von Einzelpersonen im Alten Testament und die damit verbundene Vorstellung der Wiederkehr weder dem Gedanken der karmischen Reinkarnation entspricht, noch eine solche begründet, sehr wohl aber in Entsprechung der im alt-orientalischen Kulturraum auch andernorts anzutreffenden Vorstellung einer zeitweisen Teilhabe besonderer Personen an der transzendenten Sphäre gelesen werden kann. Das Wortpaar Entrückung und Wiederkehr meint hier aber eben etwas anderes als das Wortpaar Tod und Wiedergeburt. Und deshalb scheint es mir vermessen davon zu sprechen, dass die Reinkarnation in der Bibel eine Tatsache sei. Mehr wollte ich gar nicht zum Ausdruck bringen.
Geändert von Lior (17.03.2016 um 13:21 Uhr)
Es sei bitte berücksichtigt, dass meine Besuche zeitweise durch lange Pausen unterbrochen werden. Sollte ich also eine an mich gerichtete Frage überlesen, bzw. nicht unmittelbar beantworten, dann ist dies bitte nicht als Ausdruck des Desinteresses zu werten - ggf. hilft auch mal eine Erinnerung.
Lesezeichen