Lieber Shomer,
Dank für deine verständnisvollen Zeilen.
In der Tat liegt wohl das Hauptproblem an den wirklich sehr verschiedenen Textgrundlagen die wir benutzen! Deshalb zu Jesaja 7,14 die jüdische Sichtweise für die dieses Zitat noch nie eine messianische Bedeutung hatte: Das die Septuagintaversion und damit auch die Vulgata Version hier eindeutig eine Falschübersetzung liefert, ist doch hinlänglich bekannt und erklärt zugleich diesen ganzen "Unsinn" bezüglich des Namens Immanuel. Im hebr. Original steht: Eine Junge Frau wird ein Kind ..... . - Es steht im Text Alma und nicht "betula", was einer Jungfrau entsprechen könnte. Alma bedeutet aber junges Weib, junge Frau. Nun um was geht es aber in diesem angeblichen Text, der für die Zeugung Jesu so bedeutsam sein soll wie z.B. Matthäus erklärt? König Ahas von Juda wird durch ein Bündnis des Königs Rezin von Aram (in Syrien) und des Königs Pekach aus dem Nordreich Israel bedroht. Der Ewige spricht zu Ahas und fragt ihn, ob er ein Zeichen haben wolle über das, was geschehen wird, doch Ahas lehnt dies ab. Daher meldet der Prophet dem König, der Ewige werde ihm ungefragt ein Zeichen geben: Ein Junge werde geboren werden, und bevor er alt genug sei, um den Unterschied zwischen Gut und Böse zu kennen, würden die beiden Könige und ihre Reiche, die ihn nun bedrohen, angesichts der gewaltigen Macht der Assyrer gering sein (Vers 16).
1. Wieso sollten Miriam und Josef ihr Kind Immanuel benennen, kannten sie doch ganz offensichtlich nicht die Septuagintaversion, die solches einem Messias zuschreibt?
2. Warum schreibt Matthäus aber genau das Miriam und Josef zu? Oberflächlich betrachtet stellt Matthäus lediglich fest, dass Jesaja die Geburt Jesu bereits vorhergesagt habe, einschließlich des Wunders der jungfräulichen Empfängnis. Matthäus kannte Jesaja nur in der Septuaginta Fassung mit ihrer Verwendung des Wortes partenos. Doch vermutlich hatte er nicht nur das Wunder von Marias Empfängnis im Sinn, sondern auch den Zusammenhang des Jesajatextes. Ahas sucht Verbündete, die ihn im Kampf gegen seine beiden Feinde unterstützen. Jesaja sagt, er solle dafür nicht nach Assyrien schauen, sondern zu einem Kind, das geboren werde. Es wäre unsinnig, käme das Kind in einer weit entfernten Zukunft zur Welt. Eher liefert der Jesajatext ein Beispiel für einen kindlichen Retter, dessen Geburt ein Zeichen Gottes darstellt. So wie ein kleines Kind wehrlos ist und seinen Eltern vertrauen muss, so darf Ahas sein Vertrauen nicht auf Waffen setzen, sondern auf Gott. Matthäus formuliert eine ähnliche Botschaft für seine eigene Zeit, in der sich die Menschen durch Rom bedroht fühlten: Nicht durch Armeen werdet ihr Rettung finden, sondern durch ein unschuldiges Kind, welches von Gott selbst kommt. Damit schließt sich der Kreis wieder und man ist bei der angeblich verheißenen Jungfrauengeburt.
Diese theologische Sichtweise des Evangelisten konnte Miriam und Josef nicht kennen und deshalb nannten sie ihr Kind Jeschua, was auch seine Jünger so taten, da sie ganz offensichtlich den Bezug zu Immanuel nicht kannten - wie auch?
Ein weiterer Punkt war meine Aussage zum Erstgeborenen. Gott hat ganz sicher nicht seinen Shabbat gebrochen, hier lasse ich doch der Einfachheit halber Paulus für mich sprechen: Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, / der Erstgeborene der ganzen Schöpfung. Er ist vor aller Schöpfung, / in ihm hat alles Bestand.
Da er vor der Schöpfung schon war, kann er nicht nach den Schöpfungstagen den Shabbat gebrochen haben.
Nun noch einmal was zu den Evangelien, es ist für mich einfach sehr offensichtlich, dass oft dem Tenach durch die Evangelisten Gewalt angetan wird und Jesaja 7/14 ist nur ein Beispiel von vielen. Mal abgesehen von Jesu Eselritt, 2000 Schweinen und dem ganzen Durcheinander um Judas, erscheinen dann solche Fehler, dass Markus (1, 1-3) ein Maleachizitat (3,1) fälschlich Jesaja unterjubelt, Matthäus (27,9-10) einen Sacharjatext (11,12-13) mit Jeremia vertauscht oder noch schlimmer ganze Textpassagen umformuliert und ihres Sinnes beraubt werden wie z.B. Jes. 49/8 in Kor. 6/ 1-2; Ex. 3/6 in Mt. 22/31 – 32; Jes. 8/23 und 9/1 in Mt. 4/15 – 16; etc, bis hin zu Freierfindungen (Joh. 7/38, Eph. 5/14, Jak.4/4 etc.. Das sind Eigenarten, die für Juden schon etwas merkwürdig erscheinen. Ebenso das herausreißen von Textpassagen oder Sätzen aus einem zusammenhängenden Text. Sehr unüblich ist das, es sei den es würde für eine rabbinische Textgegenüberstellung getan.
Insbesondere der Umgang von Paulus mit dem Tenach, der ausschließlich die Septuaginta zitiert, ist nur schwerlich zu verstehen. Von den zweiundachtzig Tenach Zitaten in den Paulusschriften, stimmen 30 mit der Septuaginta überein, 36 weichen von ihr ab und enthalten Zusätze, zwölf Zitate lassen den Ursprung noch in der Septuaginta erkennen doch werden sie gänzlich ihres Sinnes beraubt, bei den restlichen sechs Zitaten, die sich angeblich auf die Septuagintaversion berufen, gibt es keinerlei Vergleichsstellen. Nicht mitgezählt sind die vielen Zitate aus den sog. Pseudepigraphen schriften. Ich gestehe gerne Paulus diese Widergabefreiheit zu, da ich trotz all dem erkennen kann, auf was er hinaus will und zugleich auch sein Herz sehe, welches Aufrecht sich einem kaum lösbaren Problem stellte, den Juden Jesus der Welt begreiflich zu machen. Doch seine Schriften sind für mich eben seine Schriften, wie meine Schriften, meine Schriften sind. Nicht mehr aber auch nicht weniger! Vielem kann ich inbrünstig zustimmen, doch ebenso viel würde ich gerne mal mit ihm persönlich und ernsthaft hinterfragen, insbesondere da, wo er die Stoa und den Platonismus zu Worte kommen lässt.
Hier scheint mir doch noch viel Klärungsbedarf angebracht zu sein.
Machmal bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich nicht doch eine Decke habe, allerdings und eventuell dafür, um mich zu schützen!
Samu
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