Schönen guten Morgen,
ich finde es ist eigentlich "die Gretchenfrage" ob ein Unrechtssystem (bzw. dessen "installierte Staatskrichen") Träger der Lehren Jesus sein kann.. ohne sie zwangsläufig zu verfälschen/verzerren, daher auch meine vorherige Vergleichsfrage, ob zB das III Reich dazu in der Lage gewesen wäre. Imho ebensowenig.
Also ich muss dann mal eine Gegenfrage stellen: Was stellst du dir denn unter einer unverfälschten und unverzerrten religiösen Lehre vor? Und in welchem religiösen (und darüber hinaus auch politischen) System lassen sich denn solch unverfälschten und unverzerrten Lehren finden?
Religion gebiert und vollzieht sich in der Welt, meiner Überzeugung nach, durch die Weitergabe von Weisheiten, Mythen und Sprachbildern, die vielfältig gedeutet werden können und im Kontext des jeweiligen Zeitgeistes auch immer wieder neu gedeutet und interpretiert werden. Deutungsgrundlage sind dabei in aller Regel irgendwelche (Weisheits-)Schriften (die Veden, die Upanishaden, die Tora, der Koran, der Pali Kanon, die Bibel usw...) und wenn diese Schriften die Essenz dessen transportieren sollten, was du nun als unverfälschte und unverzerrte religiöse Lehre interpretieren würdest, dann ist doch alles da was es braucht.
Anschließend kann man dann nur darüber in Dialog treten und sich miteinander darüber austauschen. Aber man kann doch ganz grundsätzlich nicht erwarten, dass ein politisches und ideologisches System, wie es Rom oder die Nazis waren, uns religiöse Wahrheiten servieren. Die treiben Machtpolitik, keine Theologie! Und deshalb muss man das unbedingt voneinander trennen und kann nicht grundsätzlich sagen (ich überspitze mal): Die Römer machen imperialistische, machtgeile und böse Politik und deshalb sind sie gar nicht dazu in der Lage, eine unverfälschte und unverzerrte religiöse Lehre zu transportieren. Die Historie beweist das Gegenteil, denn Rom ist schon lange untergegangen und die Evangelien/das Evangelium gibt es trotzdem noch!
Anders gefragt: Ist es möglich eine Lehre des Friedens und der Liebe, der Gerechtigkeit und der Wahrheit --> innerdhalb eines Dauer-Kriegs- und Unrechts- System aufrecht zu erhalten? Überhaupt ihr Träger zu sein?
Klares und eindeutiges "Ja"! Weil die Kategorie Politik nicht mit der Kategorie Theologie verwechselt werden darf. Religiöse Wahrheiten werden unabhängig von politischen Systemen in die Welt getragen. Politik instrumentalisiert gerne die Theologie und manche Theologen lassen sich auch gerne instrumentalisieren, aber die religiösen Wahrheiten können beide nicht unterdrücken (schon allein deshalb nicht, weil Gott in die Herzen der Menschen spricht).
Es ist sogar so, dass weltliche Unrechtssysteme mit ihrem Treiben unbewusst und ungewollt religiöse Wahrheiten fördern können. Schau doch nur mal in die Bibel. Der Sieg Jesu lag letztlich in seinem Scheitern an den Mächtigen seiner Zeit, die ihn ans Kreuz nagelten. Deiner Theorie zur Folge hätten die Mächtigen mit ihrem Todesurteil, das sie über Jesus verhängten, auch seine Lehre vernichtet haben müssen. Jesus hat nie auch nur ein Wort aufgeschrieben und wurde mit 33 Jahren ermordet. Ist seine Lehre deshalb erfolgreich unterdrückt worden? Nein!
@firefly:
Nun, da denke ich, obwohl ich mich schon mit "kirchen, christlichen Wegen und dieser Religion in der Geschichte" beschäftigt habe, sollte ich mich von außen doch eher mit einer Meinung bedeckt halten.
Es erscheint mir beim Mitlesen solcher Gespräche eher wie ein innerer Konflikt dieser Religion. Für mich persönlich (da ich einen anderen Blickwinkel habe) erwachsen solche Diskussionen und Gespräche oft nur da, wo man "oberflächlich" über Wahrheit und absolute Wortwahrheit uneins ist.
Ich weiß nicht, aber ich finde in der Diskussion wird etwas ganz Grundsätzliches thematisiert, was jetzt nicht allein nur auf das Christentum bezogen werden kann. Letztlich geht es ja um die Frage, wie die Überlieferung von religiösen Lehren "erfolgreich und unverfälscht" in der Geschichte gelingen kann und ob es, angesichts der vielen Unrechtssysteme (politisch und gesellschaftlich) innerhalb deren sie weitergegeben werden/werden müssen, überhaupt gelingen kann? Ich meine ja, net.krel tendiert wohl eher zu einem nein, aber wie siehst du das denn?
Solches Denken trägt sich in meinem Leben nicht und mein Verstand kann da auch kaum folgen, denn Religionen und Institutionen aller Religionen sind (meist) für und von Menschen erschaffene Hilfsmittel.
Ganz genau. Ich störe mich in der Diskussion schon die ganze Zeit an der Vorstellung, dass es in der Welt sowas wie unverfälschte Lehre im Gegensatz zu verfälschter Lehre überhaupt geben soll. Wie gesagt, für mich persönlich verläuft die Trennlinie weniger zwischen wahr und falsch, als vielmehr zwischen "Gottes Reich" und "weltliches Reich". Ich erwarte deshalb von der Welt gar keine unverfälscht und rein transportierte religiöse Lehre, sondern "Hilfsmittel" (wie du es nanntest), die meinen Blick auf das Wesentliche hin orientieren und das nenne ich "Gottes Reich".
Ich lese also gern eure internen Gespräche mit, doch da ich von außen darauf blicke, kommen mir persönlich eher ganz andere Fragen zur christlichen Religion beim Zuhören und Lesen.
Und an genau diesen Fragen hätte ich großes Interesse, weil man sich in solchen Fragen hinsichtlich seiner "Außenwirkung" sehr gut reflektieren könnte. :-)
LG
Provisorium
Gott ist ein Gott der Gegenwart. Wie er dich findet, so nimmt und empfängt er dich, nicht als das, was du gewesen, sondern als das, was du jetzt bist. (Meister Eckhart)
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