Hi, hier gibts ja so viel zu lesen; aber vielleicht hat ja einer Lust mit mir auf die Reise zu gehen; gibt noch viele Teile!

Weihnachten war in diesem Jahr anders als sonst. Unsere Tochter Jana verbrachte das Fest nicht mit uns. Seit fünf Monaten war sie als Austauschschüler in Lanchester, in South Carolina, in den USA. In ihrer neuen Familie hat sie sich sehr gut eingelebt. Die Gastmutter Carrie ist in meinem Alter und wir verstanden uns per-fekt. Wir konnten uns über alle Themen erhalten. Fast jeden Tag schreiben wir uns E-Mails. Die Familie lud uns ein, den Urlaub mit ihnen zusammen zu verbringen

1 - Wenn einer eine Reise macht!

Am Abend des 24. Dezember war ich nicht müde. Ich versuchte gar nicht erst ins Bett zu gehen. Gemütlich saß ich alleine in der Stube und malte die letzten Striche an dem Porträt. Es sollte das letzte Weihnachtsge-schenk für Carrie werden. Ich hatte ein Foto von ihren beiden Kindern. Der große Jungs hieß Andrew und der kleine Chase. Das Bild war schon recht gut getroffen, aber ich versuchte es noch weiter zu verbessern.
Gegen 3:30 Uhr weckte ich meinen Mann Peter. Er sah noch etwas „zerknautscht“ aus und sah nicht sehr fröhlich aus. Aber war es änderte sich, als er richtig wach wurde. Um 4:00 Uhr kam unser Kumpel, der uns, nach einer Tasse Kaffee, mit dem Auto zum Flughafen nach Hamburg fuhr.
Pünktlich erhob sich unser Flieger. In Zürich erreichten wir den Anschluss. Dann saßen wir im Flugzeug. Neun Stunden, eine lange Flugzeit. Wir hatten von den vier Plätzen im Mittelblock genau die beiden in der Mitte. Es waren mit Abstand die schlechtesten Plätze. Ich konnte meine Beine in der enge kaum bewegen.
Neben mir saß einer der größten und dicksten Amis, die ich überhaupt auf der Fahrt gesehen habe. Die Arm-lehne hatte der „Gute“ hochgeklappt, damit er auch noch einen Teil meines Platzes mit belegen konnte. Von Freundlichkeit keine Spur. Um meinen Frust etwas Luft zu machen, holte ich meinen Malblock und die Aqua-rellfarben heraus. Den größten Teil der Zeit pinselte ich an einem Aquarellbild. Als alle meisten Lichter im Flugzeug ausgeschaltet waren, konnten wir beide gut schlafen. Die Freude war groß, als wir in New York landeten. Wie alle trabten wir die langen Wege am Flughafen entlang. Es war alles perfekt ausgeschildert und wir folgten den Massen, um das Gepäck in Empfang zu nehmen. Freudestrahlend fanden alle Besitzer ihre Koffer und Taschen. Wir nicht! Warum soll auch alles glatt gehen! Eine unserer Taschen fehlte. „Wie gut“ dachte ich, dass ich die Geschenke für Jana und für Carrie nicht dort eingepackt hatte. Den Rest der Familie wollten wir erst später treffen und all diese Geschenke schwirrten jetzt irgendwo in der Welt herum. Ich warte-te bei unserem Gepäck und Peter ging los, um sich zu beschweren. Er hinterlegte unsere Adresse und alle nötigen Angaben. Er hatte eine Menge Englisch geübt, aber jetzt diese Sprache zu sprechen, war für ihn eine Herausforderung. In der Hoffnung unsere Tasche später wieder zu sehen, verließen wir den Flughafen.
Die vielen gelben Taxis waren nicht zu übersehen. Peter hatte sich in vielen Büchern informiert.
Die Fahrt nach Manhattan hatte einen stolzen Festpreis von 60 $. Aber es nützte nichts. Mit unsrem Gepäck wollten wir möglichst schnell zum Ziel. Wir hatten keine Lust herauszufinden, wie man mit dem Bus dort hin-kommt. Sicherlich hätte es ewig gedauert. So stiegen wir ein. Das Taxi fuhr mit quietschenden Reifen durch die breiten Straßen der Großstadt. Neugierig schauten wir aus dem Fenster und beobachteten die vielen Leuchtreklamen an den Hauswänden. Der Fahrer hielt an und
die ersten Dollarscheine verließen Peters Hand.
Unser Hotel war ein schmales hohes Haus. So eins mit Eisentreppen draußen an der Hauswand, wie man es von Bildern kennt von New York. An der Rezeption begrüßte uns ein Mädchen aus Thailand. Es war erstaun-lich, keiner verstand Deutsch! Aber ich begriff relativ schnell, was sie sagten. Peter kramte alle Brocken der englischen Sprache zusammen. Es reichte, sie verstand ihn gut. Als er die Kreditkarte zeigte, lächelte das Mädchen. Das hatte geklappt, wir durften durch die erste Tür gehen. Unser Zimmer war in der 4.Etage. Einen Fahrstuhl gab es nicht in diesem Haus. Wir begannen mit der große Schlepperei. Ich dachte: Wie gut, dass nicht auch noch die dritte Tasche dabei war. Ich schnaufte und schwitzte und musste zwischendurch Pause machen. Männer haben mehr Stärke. Peter war als erster oben und öffnete die Tür mit seinem Schlüssel.
Wir betraten unser Zimmer. Es war wirklich kein Nobelhotel! Ich war zwar noch nie in einem Stundenhotel, aber so muss es wohl aussehen. Dankbar schaute ich in das Bad, es war recht gut erhalten. Allerdings war es so klein, das gerade eine Person dort sitzen oder stehen konnte.
Im Zimmer standen zwei Betten, eine Kommode mit ein paar Schubladen und eine Campingliege. Das war ein uraltes Modell. „Ist es ein Trampolin?“ Peter schaute sich die Sache genau an. Da fehlten schon einige Federn. Es gelang ihm, sie ein wenig zu reparieren, so dass jemand darauf schlafen konnte. Wir überlegten, wer es wohl sein wird. Während ich mir etwas Wasser unter meine Achseln spritzte, saß Peter voller Span-nung auf seinem Bett und las seinen Prospekte und Karten.
Die Neugier zog uns beide nach draußen. Wir zogen unsere dicken Jacken an, denn das Wetter war nicht gerade berauschend. Leichter Nieselregen, ließ alles etwas grau aussehen. Wir schlenderten die Straße ent-lang und herum um den Häuserblock. Wir achteten genau auf den Weg und hofften uns nicht zu verlaufen. „Oh, ja!“ Da war unser Hotel wieder. Unsere Schleifen wurden langsam etwas größer. Wir spazierten an Chi-na Imbiss Buden, MC Donald und vielen verschiedene Gaststätten vorbei. So richtig war uns nicht klar, ob wir etwas essen wollten. Jeder dachte; „Vielleicht kommt Jana auch früher als geplant.“ So beschlossen wir, mit Kaffee und Donats wieder auf unser Zimmer zu gehen.
Ich saß auf der Fensterbank und schaute voller Spannung auf die Straße hinunter. Mindestens jedes zweite Auto war ein Taxi. Aber alle fuhren sie vorbei. Es war wirklich Zeit unser Kind wieder zu sehen. Ob sie sich wohl verändert hat? Wie wird Carrie sein? Endlich hielt ein Taxi an. Ich konnte die beiden sehen. Ich freute mich riesig. Wir liefen die Treppen hinunter, um sie zu begrüßen. Da war sie wieder zusammen unsere Fami-lie. Unser Kind hatten wir wieder in den Armen, ein tolles Gefühl. Auch Jana strahlte, sie war fröhlich, genau wie immer. Doch sie war etwas fraulicher geworden, vielleicht auch ein wenig ruhiger und ausgeglichener. Es wird halt Erwachsen das Kind.
Carrie war so wunderbar unkompliziert und spontan, es begeisterte mich. Beide verschnauften eine Weile. Wir machten Pläne und stellten einstimmig fest, dass wir alle Hunger hatten. So ging es wieder hinaus in die nasse Nacht. Das mexikanischen Restaurant bei uns an der ecke sah schon von
Weiten sehr interessant aus. „Ja“ sagten Jana und Carrie und wir verließen uns auf ihren Tipp. Die Einrich-tung war nett und wir hatten ein Tisch in einer Ecke ganz alleine für uns. Da war es wieder unser Problem. Eine hübsche Speisekarte, doch so uninteressant, wenn man es nicht übersetzen kann. Ich machte es mir immer recht einfach. Da ich so ziemlich alles mag, sagte ich, wenn jemand bestellt: „Das selbe bitte!“. Aber Jana konnte uns als Dolmetscher auch gut raten. So hatten wir alle gewählt und das Essen kam nach einer kurzen Wartezeit. Peter stocherte auf seinem Teller herum und rümpfte die Nase. Carrie sah es sofort. Sie reichte ihm eine Gabel ihres Gerichts zur Probe. Er grinste, es schmeckte ihm besser. Nichts leichter als das, ruck zuck waren die Teller getauscht und alle waren zufrieden. Alles war lecker und wie immer hatte man viel zu viel zu gegessen. Mit vollem Bauch waren wir fest entschlossen, noch ein ordentliches Stück zu marschie-ren. So ein Spaziergang hilft immer.
Wir hakten uns unter und erzählten den ganzen langen Weg, auch wenn unserer Englischkenntnisse nicht perfekt waren, hatten wir genug Gesprächsstoff. Wir bewegten uns gut gelaunt in Richtung Stadtmitte. Je dichter wir kamen, umso mehr Leute wurden es. Schon von weitem fiel uns der helle Schein auf. An einer Hauswand waren Schneeflocken aus Lichterketten angebracht, die nach klassischer Musik hellblau leuchte-ten. In der Mitte der Menge war eine Eislauffläche. Aber es gelang uns nicht, uns bis zum Rand vor zu arbei-ten, um die Schlittschuhläufer zu sehen. Der Gedanke selber zu fahren, verging uns schnell, als wir die lange Schlange sahen. Eine Menge Leute warten
Darauf auf diese Eisfläche zu dürfen.
Der größte Tannenbaum der Welt leuchtete mit seinen bunten Lichtern weit über alles hinaus. Ich weiß nicht wie viele tausend rote, grüne, blaue und Gelbe Lampen er hatte. Hell angestrahlt war das große Gebäude des „Rockefeller Center mit dem „Top of the Rock“, deren Spitze wir später erforschten.
Der Rückmarsch bis zum Hotel wurde ohne Bus und Bahn immer länger. Nur langsam wurden die Nummern der Straßen wieder kleiner. Bis zum Ziel waren es noch zwanzig Blöcke. So entstand bei uns der Ausdruck für einen langen Spaziergang „ Twenty blocks go“ „Zwanzig Blöcke gehen“, der in unseren Wortschatz auf-genommen wurde.
Glücklich erreichten wir wieder unser Zimmer. Es gab eine kleine Bescherung, denn es war immer noch Weihnachten. Jana kuschelte sich in der Mitte des Ehebetts zwischen Peter und mir ein. Carrie hatte freiwillig die klapprige Liege okkupiert. Wir wollten ihr diesen Wunsch nicht abschlagen. Schnell gingen bei mir die Lichter aus, denn zu diesem Zeitpunkt war ich bereits 44 Stunden auf den Beinen.