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  1. #11

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    Schöne Geschichten




  2. #12
    maiby Gast

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    8 - Kreativ-Nachmittag

    Erster! Ich war angezogen und startbereit, während Peter und Barry noch daran arbeiteten. Es war Zeit tief durch zu atmeten und ich ahnte, dass heute wieder einer der Tage werden sollte, von denen wir sagen, sie gefallen uns.
    Neben mir plätscherte das Wasser von einem Becken zum anderen. Die Bauart dieses Komplexes erinnerte mich an die Sandkisten, die es in unseren Baumärkten zu kaufen gibt. Aber sicher hatte Barry dies alles in mühsamer Kleinarbeit, mit eigenen Händen gebaut. Ein Springbrunnen sprudelte Tag und Nacht. Auch das große Wasserrad stand nie still. Diese Anlage passte sehr gut in diese natürliche Umgebung. Es ist der Le-bendbereich für zahlreiche Fische, die bereits eine stattliche Größe erreicht hatten.
    Mir wurde bewusst, was ich an deutschen Vorgärten nicht mag. Jeden Quadratzentimeter, der gar so kostba-ren Fläche, haben sie mit Rabatten akkurat gestaltet.
    Aus der Gärtnerei werden die verschiedensten Pflanzen herangetragen, die, die bereits zu diesem Zeitpunkt auf dem Höhepunkt der Blütenpracht waren, die, die ab Werk nur noch eingehen. Einige Menschen sind be-strebt mit viel Kraft und Liebe den Zeitpunkt des Verblühens hinauszuzögern. Vielleicht gelingt es manchen sogar einige Pflanzen zu vermehren. Andere hingehen scheuen sich nicht, möglichst schnell in diesen Kreis-lauf einzugreifen. Sie freuen sich, sich wieder mit neuen blühenden Pflanzen belohnen zu können und das möglichst früher als es der Nachbar es schafft.
    Besonders „reizvoll“ finde ich immer wehende Preisschilder an den Blumen, Büschen oder Pflanzen. Viel-leicht geben die Käufer damit zu, dass sie sich die Namen der Pflanzen nicht merken können. Aber es sieht doch so aus, als wenn sie es tun, damit alle besser sehen können, was sie sich etwas Teures leisten haben.
    Alle da! Los ging es! Barry fuhr uns im Track zu Carries Arbeit. Wir stoppten am Pförtner der Firma Allvac. Er genehmigte uns auf dem großen Gelände eine Schleife zu drehen. Überall lagen Metallteile, Rohre und Ähn-liches. Hier schuftet Carrie als Dispatcher. Sie sorgt am PC dafür, dass die Arbeitsgebiete immer die nötigen Rohstoffe haben. So ganz genau habe ich es allerdings auch noch nicht begriffen. Diese Firma ist Weltführer in der Produktion von Nickel-, Kobalt- und Titanlegierungen. Sie fertigen Spezialstähle für die Luftfahrtindust-rie an. Die hergestellten Metalle sind außergewöhnlich verschleißfest und hitzebeständig. Carries Arbeitsplatz haben wir zwar nicht gesehen, aber ich weiß jetzt, wo sie die Woche über ihre Zeit verbringt und E-Mails an mich schreibt.
    Unsere Sehnsucht nach Kartoffeln, Gemüse und einem braun gebratenem Fleisch lockte uns in den Wal-Mart. Wir suchten nach einigen Zutaten, damit ich an diesem Abend ein schönes deutsches Essen vorberei-ten konnte. Wir fanden frische Koteletts und eine Dose Erbsen. Die fertigen Möhren gab es nur in Sirup, also richtig süß. Peter drehte die Dose hin und her und rümpfte die Nase. Wir stellten sie wieder in das Regal und griffen sicherheitshalber zu frischem Gemüse. Ja Semmelmehl hätte ich noch gebraucht zum Panieren. Aber das gab es nicht. So nahm ich Toastbrot mit, welches ich später nach dem Toasten rieb.
    Wunderbar. Wir hatten alles zusammen, um Jana mit ihrem Lieblingsessen zu verwöhnen.
    Neugierig schoben wir trotzdem weiter durch die helle und menschenleere Kaufhalle. Ich amüsierte mich über die Reste der Weihnachtsware. Überhaupt sah ja fast alles irgendwie anders aus als bei uns in Deutschland. Beeindruckend war auch das Angebot an Waffen. Verschiedene Gewehre und Pistolen standen zum Kauf in der Vitrine. Eine ganze Ecke war voll mit Angelzeug und Campingartikeln. Es gab jede Menge Tarnzeug, als Jacken, Pullover, Mützen und Gummistiefel.
    Als wir am Alkoholregal vorbeikamen, entdeckten wir den gleichen Wein in rose, der uns am Abend zuvor von Barry angeboten wurde. Wir stellten einen 5 Literpack als Nachschub in unseren Korb. An der Kasse schau-te uns die Verkäuferin mit großen Augen an. Sie sprach sehr schnell, wir stutzten. Jana dolmetschte. Am Sonntag darf man keinen Alkohol kaufen. Jetzt wusste Jana es auch.
    Später zu Hause sah ich, dass jemand meinem Lieblingshund frisches Wasser gegeben hat. Ein Schlauch endete im Trog, der bereits seit einiger Zeit voll war. Die Wassermenge im Zwinger hätte gereicht, um eine Schwimmstufe belegen zu können. Ich suchte und fand den Hahn zum Abstellen. Jetzt wo, ich auch den Na-men meines Freundes kannte, verstand ich sofort, dass er spazieren gehen wollte. Wir verließen das Grund-stück, überquerten die Straße und bogen in den Wald ein. „Wenn man nicht vom rechten Weg abgeht…“ so dachte ich und so sagte auch die Großmutter Rotkäppchens: „ dann wird man sich auch nicht verlaufen!“. Apropos „Laufen“ das konnte „Darley“ wirklich gut. Ein richtiger Jagdhund. Er jagte mich und zwar von einem Baum zum anderen. Sicher witterte er wilde Tiere. Vielleicht einen Hasen oder weiß der Fuchs, was da für Tiere leben. An den Bäumen waren die Ranken eines Geißblatts herauf gewachsen. Ihr Spitzname ist auch „Je länger – je lieber“. Ich versuchte, ein besonders langes Stück heraus zu brechen. Es gelang und ich fing mit den Fingernägeln an, die Rinde abzupulen. Lange Fasern ließen sich auf einmal ablösen und in kurzer Zeit zeigte sich eine helle glatte Oberfläche, wie ungelacktes Kiefernholz. Was liegt näher, als daraus einen Kranz zu wickeln.
    An einer Lichtung fielen mir schon von weiten leuchtende hellgrüne Flecken auf. Es war wunderschönes Is-land-Moos. Ich breitete mein
    T-Shirt aus, wie Sterntaler ihr Kleidchen, als sie den Goldregen auffangen wollte. So viel ich tragen konnte, zupfte ich ab. So trat ich voll beladen den Heimweg an.
    Barry und Peter kamen gerade aus dem Haus. Sie fragten mich gar nicht erst, ob ich sie begleiten wollte. Sie wollten sich noch einiges in der Nähe ansehen. Sie stiegen ins Auto und verschwanden.
    Jetzt suchte ich mein Notfall-Bastelset. Eigentlich ist es immer griffbereit in meiner Handtasche, aber in die USA war gar keine mitgekommen. Außerdem darf man Cutter und Nagelschere auch nicht im Handgepäck transportieren. So suchte ich im Koffer nach meinen Arbeitsmaterialien. Ich fand auch noch zwei kleine Ton-töpfchen von einem noch übrigen Gastgeschenk. Ein geeigneter Arbeitspatz war die Holzabdeckung des Brunnens. Weiter ging es mit meinem Kreativ-Nachmittag. Ich wickelte mit meinem Nähgarn etwas Moos auf meinem Kranz, befestigte noch einige andere Naturmaterialien und auch, die kleinen Töpfe. In einem Balkon-kasten steckte ein alter Strauß, den sicher keiner vermissen würde. Ich riss die Köpfe der Blumen ab und befestigte sie mit Draht. Perfekt! Stolz trug ich mein Werk in die Küche. Nun, wo die Weihnachtsdekoration weggeräumt war, schien fast überall etwas zu fehlen. Ich fand einen geeigneten Platz, gleich an der Ein-gangstür. Auf unserer Reise war mir aufgefallen, dass es wirklich nirgends irgendwelche Gestecke, Türkrän-ze oder ähnliches zu finden waren. Wenn es überhaupt jemand, ganz vereinzelt, mit einer Gestaltung ver-suchte, war es ein Strauß Kunstblumen in der Vase.
    Ich spielte mit dem Gedanken, das Plastik-Stillleben auf dem Stubentisch zu zerstören. Es hätte sowieso nur noch einen Stoß gebraucht, dann wäre es auseinander gefallen. Ob Carrie mich wohl steinigen würde? Mit mir hätte man das nicht machen dürfen. Aber ich beantwortete mir meine Frage selbst und sammelte mutig, alle Kunstblumen, Plastikgrünpflanzen und ein paar Körbe ein.
    Ich schaute neugierig in Barrys Werkstatt. Gleich auf dem ersten Blick fiel mir eine große Astschere auf. „Na Klasse!“ dachte ich und gleich schlich ich wieder zurück in den Wald, um auch ein paar dicke Ranken zu be-sorgen. Aus dem Moos wickelte ich Kugeln in verschiedenen Größen. In Kombination mit einzelnen Blumen aus meinem Fundus entstanden mehrere Gestecke und Tischschmuck. Für den Pool habe ich eine zwei me-terlange Girlande aus Buchsbaum gefertigt und mit bunten Blättern verziert.
    Zum Abendbrot machen war es noch zu früh. Angel-Zeit! Ich rührte mir Teig an und schnappte Hund und Angel. Wir stiegen durch das dichte und stachlige Gestrüpp bis zum Steg. Die Angel landete schnell im Was-ser und ich überlegte, ob ich meine Schuhe ausziehe und auch die Füße eintauche. Doch da fielen mir Ja-nas Worte ein. Barry hatte erzählt: „ Da sind Blutegel und Schnapp-Schildkröten drinnen!“ Mit den Schildkrö-ten hatte er Jana sicherlich reingelegt. Aber Blutegel, das könnte schon sein. Allerdings warum sollten die Fische dann meine weiße Teigmurmel fressen? Taten sie ja auch nicht. Einmal musste ich mein Gespräch mit meinem Hund doch unterbrechen, schnell stand ich auf, das Flott war verschwunden, ich zog an, spürte noch etwas Widerstand. Vorbei! Traurig, ich war zu blöd, es war nicht zu ändern. Es stand fest: Es war der falsche Köder! Wir waren nicht traurig, es war Zeit Kartoffeln aufzusetzen.
    Das bisschen Haushalt war kein Problem. Erst recht nicht, wenn man so lange wie ich, nichts gemacht hat. Ein Handgriff nach dem anderen saß, auch wenn es nicht die eigene Küche war. Pünktlich auf die Minute hatte ich das Essen fertig, alle Teller aufgefüllt und Leitungswasser aufgestellt. Carrie kam von der Arbeit und wir konnten zusammen Hamburger Schnitzel mit Erbsen und Möhren und Salzkartoffeln essen.
    Ein herrlicher Brauch ist es, wenn man nach dem essen so richtig voll und träge ist, lehnt man sich zurück. Die Kinder sind dran. Unter dem Tisch wird mit den Fingern eine Zahl zwischen 1-10 gezeigt. Jeder der Kin-der hat die Chance, die Zahl zu raten. Wer dichter am Ergebnis war, musste abwaschen. Hoffentlich hat Jana dieses Spiel nicht vergessen, wenn sie wieder bei uns ist.
    Carrie freute sich, über das leckere deutsche Mahl und auch über die gelungene Dekoration. Sie strahlte über das ganze Gesicht und sagte sogar in Deutsch “Danke!“

  3. #13
    maiby Gast

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    9 - Mallorca für Amerika

    Trotz unseres Besuchs ging für Jana alles wie gewohnt weiter. Viel freie Zeit blieb ihr nicht in der Woche. Gegen 16:30 Uhr kam sie nach Hause und setzte sich sofort an ihre Hausaufgaben. Bei der Planung für den nächsten Tag erfuhren wir, dass sie sich schon mit ihren Leuten verabredet hatte. So hatten wir also keine Chance sie zu sehen.
    Der Wetterbericht im Fernsehen versprach nur Gutes. Peter schlug vor, ans Meer zu fahren. Er kennt mich schon gut und wusste, dass dieses Ziel wohl so ziemlich das Einzige war, was mich von dieser Naturidylle weglocken könnte. Ich zögerte keine Sekunde und packte ein paar Sachen zusammen.
    Nach dem Frühstücken stiegen wir ins Auto. Als der Sicherheitsgurt eingerastet war, flog sofort ein großer Stapel Karten auf meinen Schoß. Peter piekte mit dem Zeigefinger auf den Punkt, wo wir uns gerade befan-den und danach auf einen weiteren, wo wir heute hinwollten. „Na toll!“ dachte ich. Was Peter an diesen Kar-ten liebte, dass schien mir zu missfallen, diese Unmengen von Namen und Nummern!
    Wenig später war wieder so ein typischer Fall. Du denkst, du weißt genau wo du bist, hast alles in Griff! Schon standen wir ohne Vorwarnung an der Kreuzung. Ich sah das Schild mit Zahlen, die ich nie zuvor gele-sen hatte. Es beginnt mit dem großen Zweifeln - die Entscheidung fällt – natürlich die falsche Abfahrt! In sol-chen Situationen ist Peter sehr tolerant. Gerne und in aller Ruhe wendet er, um wieder auf den richtigen Weg zu kommen.
    So richtige Dörfer gab es gar nicht auf dem Lande. Irgendwie wohnten überall Leute. So gab es auch keine Ortseingangsschilder, so dass man selten wusste, wo man sich gerade befanden. An den Abfahrten der gro-ßen Bundesstraßen las man immer wieder im Wechsel die Ankündigung der verschiedenen Fastfood Buden. Wir kannten sie inzwischen alle. Mindestens fünfzehn verschiedene Namen könnte ich aus dem Stand auf-zählen. Unser Hunger war noch nicht groß genug und wir konnten uns nicht für eine entscheiden. So rollten wir auf der US-Bundesstraße Highway 17 immer weiter nach Nordosten, nahe der Grenze zu North Carolina.
    Gegen Mittag erreichten wir Myrtle Beach. Die Stadt ist heute das Mallorca der Amerikaner. Die Preise sind erschwinglich. Es ist einer der bedeutendsten Urlaubsorte an der amerikanischen Ostküste. Es gibt jede Men-ge Freizeitparks, Golfplätze und Theater. Wir parkten unser Auto irgendwo in der zweiten Reihe und stiefelten erst einmal in Richtung Meer. Es gab jede Menge Cafes, Bars und Restaurants. Alle waren geschlossen. Ein 4-D Kino hatte einen brüllenden Dinosaurier an der Hauswand. Es war ein riesiger T-Rex und er konnte sein Maul weit aufreißen. Aber es reichte nicht, um uns am helllichten Tag in diese Dunkelkammer zu locken.
    Wir wollten jetzt den Atlantik sehen. Kurz hinter den Häusern tauchte er vor uns auf. Wir gingen zum Wasser und ich tauchte meine Hände ein. Es schmeckte salzig und sofort steigerte sich die Lust hineinzuspringen. Die Wellen schoben eine nach der anderen den weißen Schaum an Land, und mein Badeanzug lag im Auto! Der Strand war spiegelglatt und ohne Steine. Wir schlenderten ein Stück. Ganz vereinzelt fand ich ein paar Muschelteile, die schon nach etwas größeren Lebewesen aussahen. Ein paar riesige Möwen beobachteten uns und die etwas kleineren Vögel liefen um ihre Beine Slalom. So weit das Auge reichte, ein Hotel neben dem anderen und weit und breit kein Mensch in Sicht. Das ist Urlaub pur!
    Vor uns stand das Hotel mit dem Namen „Holiday Inn“. Diese Kette wurde uns vielfach empfohlen. Wir fan-den den Eingang und checkten ein. Warum lange suchen! Der Preis stimmte, alles klar. Wir holten unser Auto und besichtigten erst mal unsere Zimmer in der 5.Etage. Mir fiel sofort auf, dass die Bettdecke und die Gardinen das gleiche Muster hatten. Der Stoff war dennoch unterschiedlich. Die Gardinen waren aus glän-zendem Satin. Wir schoben sie weit auf und öffneten die Tür zum Balkon. So genossen wir eine Zeit das Rauschen des Meeres.
    Wir spazierten an den vielen Hotels entlang. Für die Kinder hatten sie riesige Anlagen gebaut, als Spielplatz und für Minigolf. Ab und an fegte ein Mitarbeiter den Gehweg, oder eine kleine Baubrigade tat ihr Werk. Wir schauten in einen kleinen Laden. Auf bunten, blauen, gelben und roten T-Shirts stand der Schriftzug Myrtle Beach. Quitsch bunte Kleidung überall. Muschelkästchen, Tassen und Teller mit Aufdruck. Ich hatte meine Hände provokativ tief in der Hosentasche, weil es bei dem Angebot keine Veranlassung gab, sie dort heraus-zuholen.
    Kurz darauf lächelte uns die Leuchtreklame von Burger King an. Wir brachen nicht gleich in Jubel aus, aber auf einen heißen Kaffee freuten wir uns schon. Natürlich gab es auch einen kleinen Burger, denn wir wussten ja nicht, wann wir etwas anderes finden würden.
    Peter hatte in einem Prospekt die Werbung gesehen, von einem Hardrock Cafe in einem großen Komplex, mit vielen Restaurants und Geschäften: „BRODWAY AT THE BEACH“ Der sollte also irgendwo in der Rich-tung sein, in die wir schlenderten. Langsam setzte auch die Dämmerung ein. Wir dachten: Sicher hinter der nächsten Kreuzung. Da war aber noch nichts! Neugierig trieb der Hunger uns voran. Es wurde dunkler. Wir zwei bescheuerten Deutschen trabten immer noch alleine durch die Nacht. Kein Wunder, dass wir keine Men-schenseele trafen, solche Strecken fährt man einfach mit dem Auto. Irgendwann erreichten wir die Einfahrt. In der Mitte des riesigen Parks sahen wir den Parkplatz und an dessen Seite die Lichter der Gaststätten. Aber auch bis dahin konnten wir nicht fliegen. Mit Mühe und Not erreichten wir unser Hardrock Cafe. Es war eine hübsche große Pyramide mit großen Palmen an beiden Seiten. Wir gingen hinein. Durch das Geschäft er-reichten wir erstaunt das Restaurant. Es waren einige Leute dort, von denen man erwartet, dass sie wissen was schmeckt. So ließen wir uns erschöpft nieder. Das erste Bier leerten wir gleich mit dem ersten Zug. Wäh-rend wir in der Speisekarte blätterten, sahen wir, wie am Nachbartisch ein Riesenteller mit wahnsinnigen Mengen serviert wurde. Wir stutzten und einigten uns dann darauf, erst mal gemeinsam so eine Portion zu verspeisen. Es gab richtig leckeres Essen, mit verschiedenen Fleischsorten, gebratenen, panierten Zwiebel-ringen, Salat und viele Soßen. Den Gedanken, die ganze Strecke wieder zurück zu laufen, hatten wir schnell verworfen. Im Taxi war die Fahrstrecke schnell überwunden. Wir fragten unsere Taxifahrerin und sie erzählte uns, dass es 4 Meilen, also 6,5 km waren.
    Der Morgen färbte den Himmel in den schönsten Farben. Er leuchtete durch den kleinen Spalt der Gardinen, die Peter zur Seite zog. Vor uns lag das Meer, mit seiner unendlichen Weite. Die Sonne begann sich am Ho-rizont zu zeigen. Vom Bett aus sahen wir zu, wie sie langsam höher und höher stieg. Ein toller Sonnenauf-gang! Dann verschwand der leuchtende, orange Ball unter einer Wolkenschicht, und auch wir drehten uns genüsslich noch einmal um.
    Später begrüßte ich den neuen Tag auf dem Balkon. Die Wellen waren noch etwas kräftiger geworden. Ich dachte: „Unsere Ostsee braucht sich wirklich nicht verstecken!“ Während Peter seine Tasche zusammen-packte und dann „für Stunden“ im Bad verschwand, überlegte ich, ob ich nicht ins Meer springe. Einmal im Atlantic baden? Ich wusste, dass man mir diesen Wunsch nicht von den Augen ablesen konnte. Sollte ich nun in den Tagesablauf eingreifen und meinen Willen durchsetzen? Der Entschluss stand fest.
    Wir checkt im Hotel aus und verstauten unser Gepäck im Auto. Ich erklärte Peter mein Vorhaben. Kein Prob-lem! Es war nicht so ungewöhnlich, als dass Peter sich darüber wunderte. Ich breitete mein Handtuch aus und schlüpfte in Windeseile in meinen Badeanzug. Nur nebenbei sei erwähnt, dass ich auch hier die Einzige war. Ich wagte mich hinein. Es kribbelte an den Beinen, denn das Wasser war richtig kalt. Der Sand wurde unter den Füßen weggespült. Einige Male lehnte ich mich gegen die Wellen, und sie zerbrachen an meinem Körper, an dem die Hamburger auch nicht spurlos vorbei gegangen waren. Gerne hätte ich jetzt einmal auf den Grund des Bodens geschaut, mit Tauchermaske und Schnorchel nach der Tierwelt gesehen. Aber diese Ausrüstung hatte ich bewusst im Auto gelassen. Denn der Kopf war nicht im Wasser, das will schon was hei-ßen. Auf den Balkons unseres Hotels hatten sich bereits einige Zuschauer eingefunden, die eine Verrückte beim Morgenbad beobachteten. Als ich völlig munter und gut durchblutet wieder auf meinem Handtuch saß, kam auch gleich ein Polizeiauto mit blinkenden Lichtern an. Peter stand mit dem Fotoapparat schützend vor mir. Doch sie zeigten kein Interesse und fuhren zum Glück langsam an uns vorbei
    Wir führten unseren Erkundungsgang am Broadway dieser kleinen Touristenstadt dort weiter, wo wir am A-bend aufgehört hatten. Allerdings fuhren wir natürlich mit dem Auto hin. Es war gar nicht weit. Auch zu dieser Zeit waren kaum Leute unterwegs. Vor dem Hardrock Cafe nutzte ich die Gelegenheit, um mich endlich mal auf eine Harley zu setzen. Ich startete, und mit lautem Geräusch fuhr ich langsam los. Quatsch! Man glaubt doch nicht alles! Das Ding war am Eingang fest verankert und bewegte sich natürlich keinen Meter.
    Einen Augenblick hatten wir beide Freude daran, an den Schaufenstern entlang zu bummeln. Ein, zwei inte-ressante Läden schauten wir sogar von innen an, und wir waren froh, dass wir nichts zu kaufen brauchten. Die Anlage hatte viel Wasser, zahlreiche Brücken und war wie ein Vergnügungspark aufgebaut.
    Das war unser Myrtle Beach. Leider mussten auch die letzten Besucher diese Stadt verlassen. Wir setzten uns in unser Auto und mit der Karte in der Hand lotste ich Peter wieder in Richtung Lancester.

  4. #14
    maiby Gast

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    10 - Auf den Spuren der Indianer

    Da waren wir wieder! Gleich am Eingang des Hauses fiel mir ein seltsames Gartengerät auf. Es war so eine Mischung aus Spaten und Schaufel. Während wir unsere Reisetasche hineinschleppten, arbeiteten schon meine grauen Zellen. Ich überlegte, wo ich wohl die besten Regenwürmer finde.
    Barry war neugierig. Sicher hat er jetzt einen Reisebericht erwartet. Etwas schwer für uns. So spuckte Peter den ziemlich einzigen Satz aus: “It was a very nice trip”! (Es war ein schöner Ausflug!) Mir fiel dann gerade noch ein: „I was swim in the Atlantic“. (Ich war schwimmen im Atlantic).
    Barry fragte mich. „War es kühl?“ ich antwortete: „Nur cool“. Gemütlich tranken wir Kaffee und zeigten ein paar Bilder. Dann ließ Barry sich in seinen Sessel fallen. Peter versank selig in seine Prospekte. Es schien die „Jeder macht -Was er will - Zeit“ zu beginnen.
    So nutzte ich die Gelegenheit, um eine Auszeit zu nehmen. Ich verschwand mit dem ulkigen Spaten hinter dem Haus. Beim Umgraben entdeckte ich ein einziges, winziges rotes Würmchen, welches sich kringelte und sich sträubte in meinen Coca-Cola-Becher einzuziehen. Sollte es alles sein, was an Leben was in diesem Grant-Canon Boden war? Ich versuchte es an mehreren Plätzen und fand wenigsten ein paar dieser kleinen Regenwürmer. Im Kühlschrank schnitt ich mir ein kleines Stückchen vom Kotelettfleisch ab. Ich griff Angel und Hund und zog los.
    Ich probierte es auf der anderen Seite. Am Ufer ragten einige Pfähle aus dem Wasser, ich wollte Darley dar-an festbinden. Aber schon beim ersten Widerstand brachen die Hölzer in sich zusammen und schwammen auf der Oberfläche. So knotete ich meine Schnur um eins meiner Beine. Das war überhaupt nicht witzig. Der Hund wollte meist nicht in die gleiche Richtung wie ich. Bei jedem Schritt zog ich ihn hinter mir her. Jedes Mal, wenn ich mich etwas herunterbeugte, versuchte er mich zu überwältigen. Sicher hatte er lange kein Weibchen gesehen! Aber auf mich konnte er auch nicht zählen! Er nervte mich ganz schön.
    Auf meinen Angelhaken zog ich gleich drei dieser winzigen Würmer und schmiss mein Flott mit der Wurfan-gel weit hinaus. Fast bis zur Mitte des Teiches. Ob der große Barsch in der Brühe meinen Köder sehen wür-de? Gegenüber am Steg sprangen die Fische. Es war so gemein und bei mir war tote Hose! Zwischendurch versuchte ich es mit Fleisch. Es war schon etwas nervig. Plötzlich, meine Angel lag schon hoffnungslos an der Seite, da zuckte mein Flott. Ich war voll bei der Sache und schaute gespannt, aber mehr tat sich nicht.
    Mir ging durch den Kopf, was ich überhaupt mit diesem Fisch angefangen hätte. Wohl möglich hätte ich ihn noch selber braten müssen! Wer hätte ihn dann aber gegessen?
    Die Sonne schien. Barry machte den Vorschlag, spazieren zu gehen. Ich freute mich und stutzte, denn auch von Jana kam kein: „ Ach nee! Nicht jetzt! Warum denn? Muss ich wirklich mit?
    Wir zogen uns an und quetschten uns alle in den Truck. Carrie hatte Angst wegen der Polizei, aber Barry tat es mit einer Handbewegung ab. So platzierten wir Carrie zwischen den beiden Männern vorne, genau da, wo sich an unserem Auto der Schalt-Knüppel befindet. Ich amüsierte mich mit den drei Kindern auf der Rück-bank. Wir rollten auf dem Highway und ich wunderte mich, dass man so weit fahren muss, um ein paar Schritte zu laufen. So weit war es allerdings doch nicht. Ungefähr 20 Minuten fuhren wir.
    Am Eingang des Landsford Canal State Park konnten wir gleich erst mal Parkgebühren löhnen. Das strö-mende Wasser des Catawba war schon von weitem zu sehen. Das war schon mal ein beachtlich breiter Fluss. Lachse waren nicht da, aber wer weiß, vielleicht gibt es da welche? Auf einer großen Tafel fanden wir Hinweise auf „Spider Lilie“, einer hübschen weißen Blume, die in dieser Gegend einen der letzten Standorte auf der Welt hat. Aber um diese Jahreszeit konnten wir keine dieser Blumen bewundern.
    So wanderten wir neben dem Fluss, den Lehrpfand entlang, auf den Spuren alter Zeiten. Bevor die Weißen nach Amerika kamen, lebten dort ausschließlich Indianer. Wir erfuhren vom Stamm der Catawa. Es gibt über 1400 Indianer, heute versucht sich der Stamm in der Töpferei und Perlenstickerei.
    Die alten Steinmauern, an den wir jetzt entlang liefen, waren früher die Seitenwände alter Handelsstraße. In diesen Kanälen wurde das Wasser gestaut. So konnten die Kajaks und andere Boote von beiden Seiten von Pferden gezogen werden. Hier wurden die verschiedensten Waren verkauft und getauscht. Jeder genoss diese Wanderung auf seine Weise. Der große Andrew wurde wieder ganz klein und versuchte wie ein Affe auf jeden Baum zu klettern. Er freute sich sehr, wenn Peter ihn knipste. Der kleine Chase war froh, dass er seine Mutter mal so richtig „zutexten“ konnte. Hier hatte Carrie endlich mal Zeit. Barry ging gern alleine. Man merkte, dass er diesen Ort liebte. Peter pendelte immer hin und her. Er war froh, sich zu bewegen und freute sich schon wieder auf das nächste Mal. Jana und ich hatten uns fest eingehakt und alberten voran. Wir schnackten über alle möglichen Themen, sangen alle deutschen Volks- und Wanderlieder durch, deren Texte wir kannten.
    An der Erde fanden wir dicke fette schwarze Kugeln. Sie waren so ungefähr sieben Zentimeter groß. Ich wunderte mich. Barry zeigte uns, was es war. Wallnüsse, nur etwas größer als bei uns. Jana sagte gleich ganz spontan: „Solche Walnüsse kenne ich nicht“ Es dauerte etwas bis sie kapierte, dass die Schale entfernt werden muss, damit die Nuss aussieht wie aus dem Supermarkt.
    Es war ein ordentlicher Marsch und der Rückweg unserer Schleife wurde immer länger. Die Familie Ford wurde immer ruhiger. Sie hatten einen richtigen Sauerstoffschock. Jana sagte, solche Aktionen stehen sonst nicht auf der Tagesplanung.
    Der PC war frei. Die Computerecke mit einer Musikanlage stand in einer hellen Veranda. Ein Schaukelstuhl und ein Couch mit vielen Kissen luden zum Verweilen ein. Durch die Fenster, die sich in diesem Haus alle nicht öffnen ließen, konnte man die Teiche mit den Gänsen sehen. An einem der Bäume tobte meistens eins der kleinen blassgrauen Eichhörnchen herum. Es war ein Pärchen. Putzig verspeisen sie immer Nüsse und Eicheln. „Squirrels“ sagte Carrie, so heißen sie in englischer Sprache, gleichzeitig drehte sie ihre Hände, als wenn sie jemanden erwürgen wollte. Was an diesen niedlichen Tierchen, kann man denn nicht lieben, dachte ich und schaute sie fragend an. Sie erzählte dann, dass die beiden nachts auf dem Blechdach des Hauses herumflitzten und ihr den Schlaf raubten. So sind sie in ihrer Skala der Beliebtheit ganz unten gelandet. Als ich etwas schadenfroh grinste, musste ich flüchten, um nicht geboxt zu werden.
    Über dem Keyboard hingen viele unterschiedliche Musikinstrumente. Ich kannte sie nicht, vielleicht waren sie von den Indianern. Barry war ein großer Fan von ihnen, von ihrer Einstellungen und ihrem Handeln. Gerne zitierte er sie: „Das Wichtigste ist die Natur - der Ursprung von allem!“
    Das Leben im Haus am Wald mit den vielen Tieren bereitete dem Vorruheständler viel Freude. Trotz aller Hausarbeit verbrachte er viel Zeit unter freiem Himmel. Gerne schraubt und bastelt er an den zahlreichen Autos herum. Sie hatten einen richtigen Fuhrpark auf dem Hof. Die Techniker muss ich leider enttäuschen, aber zu den Marken kann ich leider keine Auskunft geben. Außer dem Truck einem Ford F250 und unserem Leihauto dem silberblauen 98 Olsmoble, gab noch ein rotes Chrysler LeBaron Kabriolett, eine Suziki 750, eine rote Covette, Pontiac Firebird und eine silberne Honda. Barrys größte Liebe galt den Trikes. Ein ganz besonderes Modell, welches er selbst gebaut hatte, war seine Samari.
    Interessiert hatte ich danach gefragt, denn noch nie bin ich damit gefahren. Stolz holte Barry es aus der Ga-rage und wir bestaunte dieses irre Geschoss. Hinten waren dicke Boxen eingebaut und der Motor lag vorne frei ohne Verkleidung. „Das muss so sein“ sagte Barry. Damit Peter besser einsteigen konnte, nahm er das Lenkrad heraus. Ich rutschte auf den Beifahrerplatz, gerne hätte mal eine Runde gedreht. Aber irgendwas hatten wir gerade vor, wir mussten dringend weg.
    So blieb es bei diesem Wunsch. Als wir wiederkamen, war das gute Stück wieder eingeparkt und sauber mit einer Plane abgedeckt.
    Barry liebt seine Kinder und auch Jana, die genau wie seine eigenen behandelt wird. Die Kinder sollten den Sinn des Lebens lernen. Wahrscheinlich lief deshalb nicht den ganzen Tag der Fernseher. Seine Meinung war „Es vernebelt die Sinne!“ Ähnlich sah er es auch mit dem PC. Das fand ich allerdings nicht. Ich freute mich schon, wenn mein Kind mir gelegentlich eine E-Mail sendete. Leider musste ich feststellen, dass ich in der Reihenfolge der Wichtigkeit irgendwo in der Mitte von ihrem Freundeskreis gelandet bin. Wie gut, dass ich meine Carrie hatte, die mich mit den nötigen Informationen über mein Kind gerne versorgte.
    Das Naturkonzept dieser Familie geht allerdings auch nicht so ganz auf. Ich habe zu Hause schon ein schlechtes Gewissen, wenn ich den vollen Kaffeefilter in den Mülleimer werfe und nicht als Humus sammele. In diesem Haus hatte allerdings überhaupt noch keiner etwas von Mülltrennung gehört. So landeten Peters Bierflaschen, Papier, Plastik und einfach alles in der Mülltüte. Draußen stand die große Tonne, sie wurde aufgemacht und rein damit. Wenn die voll war, trat Plan B in Kraft. Auf dem Hof wurde alles vorbereitet für die eigene Verbrennung. Auf einem Haufen türmten sich die vielen schwarzen Plastiksäcke, die um unsere Rei-setaschen gewickelt waren, viele Weihnachtskartons, Joghurtbecher und vieles mehr. Bei der Entflammung dieses Höllenfeuers war ich nicht dabei, ist wohl auch besser so!

  5. #15
    maiby Gast

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    11 - Vanderbilt und Appalachen

    Morgens starteten Peter und ich mit dem Auto in Richtung Norden. Trotz einer langen Fahrstrecke von unge-fähr 300 km war es ein entspanntes Fahren. Für mich allerdings noch mehr als für Peter. Die großen breiten Straßen waren fast leer, die Fahrer diszipliniert und es gibt keine Hektik. Mit dem Tempo nehmen sie es rich-tig ernst. Wir auf alle Fälle, denn sie hatten uns gewarnt. Wer die erlaubte Geschwindigkeit mit 10 Meilen pro Stunde überschreitet und erwischt wird, darf locker 500$ abdrücken. Das ist schon heftig und so stellte Peter brav seinen Tempomat auf Limit und wir rollten langsam dem ersten Ziel entgegen.
    Das „Biltmore Estates“ ist das größte Haus der USA im Privatbesitz. Die unzähligen Hinweisschilder führten uns direkt zum Eingang. Neben der Kasse stand ein Modell, welches den riesigen Park mit seiner mehr als 30qkm Fläche zeigte. Das Gelände ist vergleichbar mit dem Potsdamer Park Schloss Sanssouci
    Wir fuhren mit dem Auto im Schneckentempo hinein, stellten es wie angewiesen am Parkplatz ab und liefen das letzte Stück zu Fuß. Ich erfreute mich an den interessanten Bäumen, springenden Eichhörnchen und Vögeln. Peter erspähte schon von weitem das Bauwerk. Inzwischen hatte ich mich schon daran gewöhnt, dass es auf jeder Tour ein Schloss oder eine Burg sein musste. Es heißt ja auch Bildungsreise. Schau einer an dachte ich, da können wir Schweriner ja wirklich stolz sein, denn unser Schloss sieht diesem Anwesen wirklich sehr ähnlich.
    Auch wenn es mich nicht sonderlich interessiert, habe ich inzwischen herausbekommen, dass dieses Haus 1889 nach europäischen Vorbildern gebaut wurde. Sechs Jahre später zog dort George Washington Vander-bilt ein. Er war der Enkel des Eisenbahnmagnaten Cornelius Vanderbilt,
    Wir betraten das Haus. Sofort schwappte uns eine dicke Welle von Touristen entgegen. Die meisten hatten Stöpsel im Ohr und rannten wie verzaubert umher. Das hätte mir gerade noch gefehlt, dass mir da einer un-unterbrochen ins Ohr säuselt! Zum Glück war auch Peter damit zufrieden, dass er alles sehen konnte.
    Es gelang uns trotzdem, das Billardzimmer und auch die Bibliothek als diese zu erkennen. Auch der Sinn des Esszimmers war uns klar. Peter schaute durch die Linse und drückte ab. Schon von weiten sah ich, wie einer der Aufpasser jetzt zielstrebig auf Peter zusteuerte. Er schimpfte, denn fotografieren war verboten. Peter konnte sich nur entschuldigen. Sein „Sorry“ schien ihn doch zu rühren und er verschwand wieder! Ist ja auch logisch, wer selber Bilder macht, kauft natürlich nicht die Broschüre. Aber wir taten es trotzdem nicht.
    So schauten wir nun nacheinander in alle 250 Zimmer und versuchten krampfhaft, die 65 Kamine zu zählen. Irgendwie sind wir nach einer Zeit dann doch durcheinander gekommen. Mich hat viel mehr interessiert, wa-rum die Betten so kurz waren, als wenn dort eine andere Sorte Menschen lebte. In diesem Haus gab es ja bereits zu Bauzeiten elektrisches Licht und viele technische Geräte, die wir von unseren Schlössern und Bur-gen in Deutschland aus dem Mittelalter nicht kennen. Es gab auch schon ganz normale Toiletten, die eigent-lich wie zu DDR-Zeiten aussahen. Sogar eine Schwimmhalle hatten sie eingerichtet, eine Sauna und einen Fitness-Raum.
    Dann streiften wir im Auto noch zahlreiche Brücken, die Reitställe, einige Gartenanlagen und Hotels, die uns allerdings nicht heraus lockten. Eine weitere Attraktion, die unser Interesse weckte, war das Weingut Blitmo-re, die Estate Winery. Durch Glasscheiben erhielt man einen kleinen Einblick in die Herstellung von Wein und Sekt.
    Eine große Traube Menschen kündigte die Weinprobe an. Peter hatte eh Pech, denn unser Auto wartete draußen, er durfte nichts trinken. Wir marschierten an der Schlange vorbei zur Weinhandlung. Während ich alle möglichen Cremes und Soßen probierte, schwebte Peter mit den verschiedenen Weinsorten auf Wolke Sieben. Bereits zu Hause hatte er erfahren, dass dieser hochwertige Wein auf Grund der geringen Menge nicht exportiert wird. Peter trifft sich gelegentlich mit seien Weinkennerfreunden, um die eine oder andere teure Flaschen zu testen. So wurde er schwach und wir kauften eine Rote und eine Weiße für zu Hause.
    Mit dem Dunkelwerden fanden wir ein kleines Hotel in der Stadt Asheville. Nachdem wir unser Zimmer bezo-gen hatten, ruhten wir etwas aus. Später erkundeten wir die Altstadt. Mit einem kleinen Stadtplan liefen wir den größten Teil des Zentrums ab. So richtig sagten uns die Gaststätten alle nicht zu. Peter wollte nicht zum Chinesen und ich mochte keinen Fisch. Einiges war uns zu teuer und zum Imbiss wollten wir auch nicht. Manche Gaststätten waren total voll, andere so leer, dass es verdächtig war. So suchten wir unschlüssig eine ganze Zeit lang.
    Leider musste ich feststellen, dass es in dieser Stadt überhaupt keine dunkle Ecke gab. So wurde uns die Entscheidung abgenommen, weil ich dringend zum „Restroom“ zur Toilette musste. Während Peter sich bei den Wartenden am Eingang einreihte, startete ich gleich durch. Anders als bei uns kann man in den USA überall auf die Toilette gehen, ohne am Morgen danach mit „Garken“ am Mund aufzuwachen. Es ist einfach überall sauber, wie bei uns im 5-Sterne-Hotel. Die Toilettenbrille ist nicht ganz rund wie bei uns, sondern sie hat vorne eine Öffnung von 10cm, wahrscheinlich, damit da kein letzter Tropfen hinauffallen kann. Die Form des Beckens ist wie ein großes halbes Ei. Bis zur Hälfte ist es immer mit Wasser gefüllt. Unten befindet sich ein winziges kleines Löchlein. Sofort stellt sich die eine Frage: „ Passt da alles durch?“ Mit Luftdruck und Höl-lenlärm wurde abgesaugt. Für die Betätigung gab es verschiedene Varianten. Manchmal durfte man selber den Knopf drücken oder den Hebel drehen. einige Toiletten spülten sobald man aufstand. Aber das Aufre-gendste war, wenn die Absaugung in Intervallen erfolgte und man noch ahnungslos auf dem Topf saß. Mit einem Herzinfarkt fühlte man sich wie sterilisiert.
    Wesentlich erleichtert hatte ich nun auch kein Problem noch einige Minuten zu warten, bis in dieser Kultknei-pe ein Platz frei wurde und wir an einen kleinen 2-er Tisch gebracht wurden. Auf der Karte standen 90 Biersorten. Die Kellnerin hatte Mitleid mit uns und nahm uns die Wahl ab. Die hauseigene Brauerei war direkt im Keller. Peter war erstaunt, denn das Bier schmeckte richtig gut. Am Nebentisch wurde ein riesiger Teller mit einer Pizza gebracht, die gut einen halben Meter Durchmesser hatte. Es sah richtig lecker aus und so stand meine Wahl fest. Ich bestellte ein einzelnes großes Stück und war auch sehr zufrieden. Peter las lange in der Karte und stutzte über das Wort: „Steak“. Ihm lief schon das Wasser im Mund zusammen. Dann ser-vierten sie das Essen. Peters Steak war in ganz kleine Stückchen geschnitten und wurde wie ein Burger ser-viert. Wir lachten, denn das hatte er nicht erwartet. Wieder war es kein Steak! Geschmeckt hatte es aber trotzdem prima, so gab es dann noch ein oder zwei Bier mehr. Am Morgen freute sich Peter schon auf sei-nen Blue Ridge Parkway. Das ist eine Straße, die sich auf den Kuppen des Grossen Smokey Mountains, eines Teils der Appalachian Bergkette, entlang schlängelt. Das Gebirge streckt sich von der westlichen Gren-ze von North Caroina bis Gatlinburg, Tennessee. Die Namen kommen von den Cherokee Indianern, die die Berge Shoconage nannten, weil die Berge einen blau-grauen Dunstschleier auf den Gipfel zeigen. Alle Pros-pekte versprachen eine landschaftlich reizvolle Fahrt mit spektakulären Aussichten. Neben der Straße fiel uns ein Besucherzentrum auf. Wir gingen hinein um noch ein paar neue Prospekte und Karten für Peter zu be-sorgen. Da erfuhren wir, dass es am Abend zuvor unerwartet geschneit hatte und sie aus Sicherheitsgründen diese Strecke gesperrt hatten. Das war ärgerlich und Peter war richtig enttäuscht. Ein paar Kilometer konnten wir noch fahren und so reichte es wenigstens für ein Foto mit den Bergen im Hintergrund.
    Genau zur Mittagssuppe erreichten wir wieder die Stube der Familie Ford. Wir holten uns gleich zwei Scha-len und setzten uns dazu. Im Topf war eine Rinderbrühe mit Fleisch und Nudeln. Sie roch ganz prima. Das Rindfleisch hatte Barry von seiner Mutter gefroren mitgebracht. Ganz stolz sagte er, dass es richtiges Fleisch ist, nicht solches aus der Kaufhalle. Dazu gab es salzige Kräcker und süße Kekse, die dick mit Erdnussbutter aus einem großen Fass bestrichen wurden. Im ersten Moment schon etwas ungewohnt. Aber bereits nach dem zweiten schmeckte es uns auch. Aber sicher ist wohl auch, dass es besonders gut „dickt“!

  6. #16

    Standard

    Hallo liebe Maiby,

    du kannst wunderbar erzählen. Da bekommt man richtig Fernweh, wenn man das liest.
    Da habt ihr ja viel erlebt. Schön, dass du uns dran teilnehmen lässt.

    Grüßle
    Mirjamis

  7. #17
    maiby Gast

    Standard

    Danke für´s Kompliment; über ein Echo freue ich mich natürlich riesig.
    So its dieses Buch auch entstanden. Meine Eltern, Freunde und Kursteilnehmer haben mich hinter her gelöchert und so hab ich im nachhinein einen Teil nach dem anderen geschrieben. Immer wenn ich im Kurs hab ich vorgelesen.
    Inzwischen hat sich Verhältnis zu Gott geändert; aber die Geschichte und meine Worte habe ich nicht geändert, denn zu derzeit waren meine Gedanken so.

    12 - Sonntag ist Kirchentag

    Ich war gespannt, was es bewirken konnte, dass ein Teenager wie Jana, am Sonntag freiwillig um 6:00 Uhr morgens aufsteht. Sie weckte Peter und mich, strahlte uns fertig geschminkt und fröhlich an. Ihre Haare wa-ren ordentlich nach hinten gebunden und sie hatte ihre „festlich elegante Kleidung“ an, die wir bei der Einrei-se auf Anraten der Familie in die Reisetasche gepackt hatten.
    Ich hatte zwar nicht das „Kleine Schwarze“ mit, aber mein bestes Stück, einen langen schwarzen Jerseyrock, dessen unterer Abschluss einige Spitzen sind. Mir war schon klar, dass Jana uns vielen Leuten vorstellen wollte. Ich fragte sie nach ihrer Meinung und sie fand es gut. So „bretzelte“ ich mich halt angemessen auf. Über einen schwarzen Rolli zog ich meinen roten weiten „Jupper“, trat mit meiner Schminktasche vor den Spiegel und erledigte das ganze komplette Programm. Das letzte Problem waren die Schuhe. Was für ein Glück, dass es nicht so kalt war, so konnte ich meine echt ledernen Leisetreter anziehen. Mit Stiefeln wäre mein Konzept nicht aufgegangen.
    Peter musterte mich von oben bis unten, da er nichts sagte, war er wohl beeindruckt. Ich hörte, wie sofort seine Gehirnwindungen arbeiteten, denn er stand noch im Unterhemd neben mir. So kramte er in seinem Koffer, suchte und fand auch in seinem Fundus etwas Besonderes.
    Mein Mann ist mit der evangelischen Kirche aufgewachsen. Wie selbstverständlich zahlt er auch jetzt noch seinen Beitrag. Meine Eltern hatten nicht viel mit der Kirche am Hut. Mein zwölf Jahre älterer Bruder wurde getauft und bei mir war es etwas aus der Mode gekommen.
    Ich glaube auch und zwar daran: Dass nichts zufällig passiert: Das alles im Leben Teil eines Kreises ist. Für mich hat es einen Sinn, etwas Gutes zu tun, auch ohne darüber zu reden. So erfreue ich mich an den Taten Lohn, an den kleinen Zeichen, die ich schon erkenne.
    Peter und ich heirateten ohne den kirchlichen Segen. Jana wurde geboren und wir entschieden ihren Weg nicht. Später meldeten wir sie beim Konfirmationsunterricht an. Sie besuchte diese Gruppe gerne, erkannte jedoch bald, dass es nicht ihre Richtung ist. Auch ich hatte Gelegenheit an einem Elternnachmittag teilzu-nehmen. Stur und wie angenagelt saßen die Eltern, die alle in meinem Alter waren, auf den Stühlen und lauschten relativ gelangweilt dem Pastor, einer stattlichen Vaterfigur. Er erzählte eine Geschichte, dass ir-gendwo in Deutschland ein junger Mann in der Mitte seines Lebens plötzlich die Kirche entdeckte und nun halt einen Sinn gefunden hatte.
    Alle stellten sich und ihre Meinung vor. Ich erzählte von mir und Jana, die fest entschlossen war nicht konfir-miert zu werden. Diese erstaunten Gesichter hatten so etwas noch nie gehört. Die Krönung war das gemein-same Singen. Ein allgemeines Volksgemurmel. Mit den Texten in diesem umschriebenen Bibel-Deutsch ste-he ich etwas auf Kriegsfuß. Warum nur wird nicht auch so gesungen, wie man heute spricht? Warum auch all die anderen die Augen verdrehten, sich lieber flüsternd mit dem Nachbarn unterhielten oder im Terminkalen-der blätterten, konnte ich nicht verstehen.
    Vielleicht wollte ich mit, um zu beweisen, dass es nichts für mich ist. So stiegen wir ins Auto. Es war ein gan-zes Ende bis zur Kirche. Einige waren auch dichter, aber irgendwie waren wohl in dieser Gemeinde alle Freunde, dass die ganze Familie diesen Ort gewählt hat.
    Unterwegs kamen wir an mehren Friedhöfen vorbei. Barry hatte uns erklärt, dass sich die Leute in Amerika freuen, wenn Kinder zwischen den Grabstätten spielen. Es ist für sie ein tolles Gefühl zu sehen, wie das Le-ben weitergeht. Auf den Friedhöfen gibt es keine Grabsteine. In Abständen von ungefähr zwei Metern sind in der Erde Blumenvasen eingelassen. Dort steht dann für jeden Toten ein leuchtender Strauß Kunstblumen. Wie sie diese beschriften, habe ich nicht gesehen, vielleicht sind kleine Plattem am Boden oder an den Va-sen.
    Wir fuhren bis zum riesigen Parkplatz, der den roten Backsteinkomplex der Kirche umschloss. Aus den Autos stiegen die ersten Jugendlichen, die wir kennen lernten. Wir folgten den anderen die Treppen hinauf. Treff-punkt war in einem Raum. Links sahen die Jungs, alle noch etwas jünger, eine Liga unter Jana und rechts die Mädchen, alle adrett geschminkt und frisiert. Es war Zufall, dass sie sich so sortierten, Bedingung war es nicht. Viele Lehrer, Pastoren und Freunde kamen herein, um uns zu begrüßen. Peter wurde als Taxifahrer gebraucht. So stiegen noch drei ihrer Freundinnen mit bei uns ein. Der Unterricht wurde in das eigene Haus der Teenager verlegt, welches extra angeschafft wurde. Sie sind dabei sich alles nach ihren Vorstellungen einzurichten. In dem kleinen Raum waren die Stühle im Halbkreis in 4 Reihen aufgestellt. Ohne zu zanken, nahmen alle Platz. Einer aus der Gruppe begann einen Absatz aus der Bibel zu lesen. Dann stand ein Lehrer vorne, sprach diesen Text noch einmal mit den eigenen Worten. Inzwischen wurden Kuchen und Kekse ge-reicht. Die Mädchen in der ersten Reihe hatten auch ihre Getränke dabei. Völlig ungezwungen wurde eine Stunde gespeist und diskutiert. Hier fühlte Jana sich also wohl, sie hatte sich taufen lassen und interessiert sich brennend für den Baptismus. Sie lernt und lehrt, unternimmt viel mit der Gruppe und hilft, wo Hilfe ge-braucht wird!
    Es ging wieder zurück. Inzwischen hatten sich viele Leute angesammelt. Wir wurden als „Neue“ identifiziert. Schon am Eingang zog mich eine Frau an die Seite. Sie erzählte. Ich verstand sie. Es gelang mir sogar, sie über unsere Herkunft aufzuklären. Ich hatte keine Chance, sie hielt mich fest und erzählte immer weiter. Ich war nicht sicher, ob sie jemals wieder aufhört! Ich erfuhr von ihrem deutschen Cousin….Endlich kam Jana; die Rettung! Sofort ließ sie von mir ab und wechselte zu Jana. Bevor Jana ihren Dolmetscherjob starten woll-te, konnte ich ihr mitteilen, dass ich bereits alles selbst verstanden und erzählt habe. So gelang es uns zu entkommen.
    Wir gingen die langen Flure entlang. Hinter jeder Tür saßen Gruppen, ein einziges Menschengewimmel. Plötzlich und unerwartet standen wir am Eingang dieser riesigen Halle. Der Raum war hell und sehr hoch. Das Dach hatte die Form einer Pyramide. Die kleinen Fenster hatten als Scheiben bunte Bleiverglasungen. Die einfachen modernen Motive strahlten in leuchtenden Farben. Vor uns war eine große Bühne. Mehrer Rednerpulte, ein Klavier, ein Schlagzeug waren aufgestellt. Der Chor hatte bereits Aufstellung genommen.
    Alles war freundlich, harmonisch und still. Wir gingen bis zu den mittleren Reihen, wo Carrie und Barry bereits saßen. Es war genug Platz. Ich dachte an zu Hause, an unseren jährlichen Kirchenbesuch am Heiligen A-bend. Dort sorgen Schwiegereltern seit vielen Jahren dafür, dass wir mindesten eine Stunde vor Beginn die Plätze blockieren. Während für einige Leute Weihnachten beginnt wenn sie in der Kirche sitzen, startet mein Fest erst danach. Bevor überhaupt der erste Ton aus dem Mikrofon erschallt, ist hier ein wahres Schauspiel zu beobachten. Es startet eine hemmungslose Schlacht um die letzten Plätze. Die inzwischen völlig gelang-weilten Kinder werden von den noch mehr genervten Eltern zur Ruhe gebracht.
    In diesem Raum war nicht ein einziges Kind, Sie sind in unterschiedlichen Altersgruppen untergebracht. Hier kommen alle zur Ruhe und können Kraft schöpfen. Es ging los. Ein Mann und eine Frau begannen mit einem Sketsch. Sie spielten: „ Eine nervende Autofahrt zur Kirche“. Mit meinen Englischkenntnissen konnte ich zwar nicht alles verstehen, aber es reichte. Dann ergriff der Pastor das Mikrofon und begrüßte alle. Er konnte es sich nicht verkneifen, auf uns aufmerksam zu machen. Die Leute brachen in lautem Beifall aus. Wir nickten freundlich. Der Chor machte sich bereit. Alle standen auf. Zwei große Bildschirme wurden eingeschaltet, auf idyllischen Hintergründen blendeten sie synchron die passenden Textabschnitte des Liedes ein. Das Klavier begann zu spielen, und einfach alle sangen aus Herzenslust. Es war mir ein Vergnügen, mein Bestes zu ge-ben. Hinter mir ertönte eine besonders schöne Stimme. Es kribbelte am ganzen Körper und man konnte die Nähe, die die Menschen zu Gott haben spüren. Carrie stand neben mir. Sie hatte ein ganz entspanntes Lä-cheln. Die verschiedenen Redner lösten sich ab. Jeder hatte eine andere Art. Sie sprachen mit sehr viel En-thusiasmus und versuchten alle ihre Gefühle in Worte zu legen.
    Sie erzählten über Wege des Lebens. Über den richtigen Weg, den man für sich finden muss. Auch wenn ich nicht jedes Wort übersetzen konnte, ging mir diese Stunde mächtig unter die Haut. Ich werde noch lange an dieses Erlebnis denken.

  8. #18
    maiby Gast

    Standard

    13 - Chicken Duft hängt in der Luft

    Die ganze Familie trudelte nach der Kirche wieder zu Hause ein. Gemeinsam wollten wir zu Carries Mutter fahren. Sie lobten sie alle als gute Köchin, und wir wurden zum „Christmas Dinner“ erwartet. Carrie packte eilig einige Päckchen zusammen. Ich ging zu meiner Reisetasche und holte etwas aus meinem Geschenk-fundus. Dann schlüpfte ich aus meinem Rock wieder in eine praktische Hose. Es war eine schwarze Cordho-se und auch jetzt sah mein Outfit noch recht festlich aus. Barry grinste etwas, was wohl so viel hieß, dass es ihm gefiel. Carrie betrachtete mich und machte Komplimente. „Na, ja“ dachte ich, nun ist ja gut, wenn sie sich morgens zur Arbeit fertig gemacht hatte, sah sie ja auch super aus.
    Peter schnüffelte in der Küche herum, auf der Suche nach etwas Essbarem. Das Frühstück hatte er inzwi-schen längst verdaut und er hatte Hunger. Er konnte selber nichts finden und löcherte mich. Die anderen warteten schon in der Tür und sagten: „Wir sind zum Essen eingeladen!“. So griff ich schnell noch eine Hand-voll Äpfel von der Fensterbank und stieg in den Truck. Meine Beiden nahmen mir gerne diese Obstmahlzeit ab. Die anderen sind nicht für so etwas Gesundes.
    Nach einer kurzen Fahrt hielten wir bei Kentucky Fried Chicken. Barry bestellte und kurz darauf wurde ein großer Eimer in das Auto gereicht. Der kleine Chase zappelte vor Vergnügen und schrie „Yami, Yami!“. Der Chickenduft verteilte sich im ganzen Auto. Uns lief das Wasser im Mund zusammen. Auch ich hätte nicht abgelehnt, wenn sie etwas angeboten hätten. Taten sie aber nicht, Carrie hatte den Schatz sicher in ihren Arm. Barry hatte die Heizung voll aufgedreht und ich fühlte ich mich, wie ein Grill-Hähnchen.
    Zu Hause hatte Carrie erzählt, dass sie ihre Mutter nicht mag. Sie erwähnte, dass sie seit der Kindheit kein gutes Verhältnis hatten. Dem Vater war wohl mal die Hand ausgerutscht. Genau wusste ich es auch nicht und ich fragte auch nicht. Die Mutter ist starke Raucherin und auch das eine oder andere Bier verschmäht sie nicht am Tag. Dieses Verhalten kann Carrie überhaupt nicht verstehen. Aus diesem Grund darf sie ihr Haus nicht betreten. Sie treffen sich höchstens alle zwei Monate. Dieser Tag war nun. Wir hielten an einer großen freien Rasenfläche, an einem allein stehenden Haus. Eine schlanke, rüstige Frau mit kurzen schwarzen Haa-ren trat freundlich heraus und begrüßte uns. Wir gingen durch die Küche und setzen uns in die Stube. Die ganze Familie war eine ordentliche Invasion. Die Wohnung war picobello aufgeräumt und blitz-sauber. Eine dicke, graue Kugel mit Augen und vier Streichholzbeinen kam uns entgegen. Es muss wohl ein Hund gewe-sen sein. Im Elternhaus wohnt auch die kleine Schwester von Carrie. Kandy war ungefähr 30 Jahre alt. Mehr ein flippiger Teenager, sie schob einen kugelrunden Bauch vor sich her. Dieses Baby war kein Wunschkind. Der Vater hat sich verkrümelt. Aber sie kann die Zeit bis zum Geburtstermin im Mai kaum erwarten.
    Es war wieder Weihnachten. Nun inzwischen das fünfte Mal. Die Bescherung begann, alle schleppten ihre Kartons heran. Zuerst wurden die Kinder versorgt. Der kleine Chase war glücklich über sein Spielzeug. Auch Jana war erstaunt, denn sie hatten ihren Geschmack getroffen. Es gab ein Duftwässerchen mit den passen-den Cremes. Andrews Pullover war schick, und das Preisschild mit 50 $ war auch noch dran. Anders sah es dann hingegen bei den Erwachsenen aus. Carrie schaute schon etwas skeptisch. Sie wusste wohl, dass die Mutter sie nicht kennt und dass all diese Geschenke nicht vom Herzen sondern aus dem Geldbeutel kom-men. So erhielt Barry, der mit der Lunge so viele Probleme hat, einen neuen Jogginganzug. Carrie rannte mit rosa Frotteepuschen herum, die die Füße massierten. An ihren Mundwinkeln erkannte ich, dass sie bald in der Mülltonne verschwinden werden …Und als ob ich es nicht geahnt hätte, auch für uns war was dabei. Das passte ja gut, schnell holte ich meine Schachtel Lübecker Marzipan-Herzen und einen gefilzten Apfel heraus und reichte es Mom. Sie war überrascht und verschwand gleich im Schafzimmer, um eins zu probieren. Wir rissen unsere Geschenke auf und Kandy ging mit dem großen blauen Müllsack herum, um das ganze Papier einzusammeln. Peter erhielt einen schneeweißen Jogginganzug. Er war sicher, dass er den nie anziehen wird. Meine schwarze Strickjacke fand ich erst gar nicht so schlecht, jetzt hängt sie auch im Schrank. So ist das mit der „Schenkerei“! Meist erfüllt sich nur der Schenker einen Gefallen.
    Jetzt verschwand Mom wieder in der Küche, um die letzten Handgriffe am Essen zu erledigen. Tochter Carrie folgte artig, um zu helfen. Sie kam wieder zurück und zog mich mit in die Küche. Sie platzierte mich an einen kleinen Bar-Tisch. So konnte ich ihr etwas zur Hand gehen. Das Wichtigste jedoch war für sie, dass sie nicht mit ihrer Mutter alleine war.
    Die ganze Küche war rot weiß einrichtet. Die Uhr und viele kleinen Dekorationen waren von Coca Cola, ir-gendwie witzig. Passend dazu erhielten wir auch ein Glas mit rotem Erdbeerwein. Die Beiden waren ein ei-genartiges Gespann. Sie konnten sich nicht in die Augen sehen. Dabei hatten sie fast die gleichen Augen und sie waren sich sehr ähnlich.
    Sie kamen mir vor wie zwei Pfähle im Fluss. Es ist schon viel Wasser an ihnen entlang geflossen, jeder Pfahl war mal ein Baum. Alleine sind sie schwach, man könnte sie zusammenbinden, dann hätten sie Kraft für viele Jahre. Die kleine Schwester hatte schon „das Seil“ in der Hand. Kandy versuchte sie krampfhaft zu überre-den, die Vergangenheit hinter sich zu lassen und sich wieder zu vertragen.
    Es roch gut, alles was da auf dem Herd entstand: Ein großer Topf war voller weißer Bohnen, der Kohl hatte die gleiche Farbe wie unser Spinat, nur halt nicht so klein gehackt. Der Kartoffelsalat und die Nudeln sahen aus, wie bei uns zu Hause.
    Jetzt hatte Mom einen Augenblick Zeit. Sie schmiss den riesigen Propeller in der Küche an und zog eilig ein paar Züge an ihrer Zigarette. Carrie hatte überhaupt kein Verständnis und rollte mit den Augen. So schlimm war es wirklich nicht.
    Zum Trinken hatten sie süßen kalten Tee mit Zitronenscheiben vorbereitet. Den kann man in den USA fast überall bekommen. In einer roten Coca-Cola-Kühltasche warteten jede Menge Eiswürfel. Nachdem ich am Anfang alle möglichen Getränke probiert hatte, blieb ich jetzt immer bei Cola. Zu Hause schaue ich dieses Zeug nicht an, aber hier war wenigstens das drinnen, was drauf stand. Als auch das Kräuterbrot im Backof-fen fertig war, wurden wir zum Essen gerufen. Peter kam verwundert herein, weil nirgends eine Tafel zum Essen aufgebaut war. Da sahen wir die Vorbereitung, Christmas Dinner mit Papptellern und Plastik-bestecken, aber auch das passend im Coca Cola Trend. Andrew fragte, ob sie kein Geschirr haben. Gleich bekam er einen Anranzer von seiner Mutter. Sie sagte: „Willst du hinterher abwaschen?“ Er verneinte und so war das Thema durch!
    Das Geheimnis der Chicken Eimers wurde gelüftet. Es waren leckere panierte Hühnerkeulen, die jetzt dieses Essen ergänzten. Jeder schaufelte sich etwas auf seinen Teller und suchte sich irgendwo einen Platz. Ich blieb gleich mit in der Küche. Einige saßen in der Stube. Wieder mal wurde zu viel gegessen!
    Zum Nachtisch wurden wir mit selbst gemachten Lebkuchen, mit Nüssen und Früchten gefüttert. Es war wirk-lich kein Platz mehr im Magen. Wir mussten uns dringend hinlegen.
    Ich kuschelte mit Jana auf der Couch. Das Lieblingstier von Mom versuchte mit mir Kontakt aufzunehmen. Aber irgendwie konnte ich mich nicht für dieses Hündchen begeistern. Carrie schnarchte im Nebenzimmer und Barry lag mir zu Füßen auf dem Fußboden. Auch er begann immer tiefer zu atmen.
    Peter ergriff schnell die Flucht und ging mit Chase an der frischen Luft die Gegend erkunden.
    Damit er seinen Wissensdrang auch an diesem Tag noch etwas stillen konnte, zeigte uns Barry auf der Heim-fahrt noch ein paar alte Häuser. An diesem Ort wurde der Kinofilm über den Bürgerkrieg „Der Patriot“ mit dem Schauspieler Mel Gibson gedreht.
    Zu Hause begann das große Geschenke tauschen. Peter freute sich über Barrys dunkelblauen Jogginganzug. Mit einem Lächeln entsorgte er sein weißes Gewand an Carrie.

  9. #19

    Standard

    Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen .....

    Inzwischen stell ich mir die ganze Familie, bzw. beide Familien, schon richtig vor.

  10. #20

    Standard

    da komm ich ja kaum noch mit mit lesen hab nur schnell angelesen und spar mir das für nachher auf danke wie mirjamis sagt man hat das gefühl man sei dabei


 

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