; na denn mein Leser!
4 - Thanksgiving Essen
„Aufwachen, wir sind gleich in Ithaca“ hörte ich es neben mir im Bus. Ich schmunzelte, denn an diesem Wort „Ithaca“ kann man einen richtigen Amerikaner entdecken. Peter konnte das typische „TH“ trotz vielen Übens nicht richtig. Die Zungenspitze muss zwischen die Zähne, dass ist schwer für uns Deutsche.
Draußen war es schon dunkel und wir waren froh, dass Carries Mann, Barry uns abholte. Er sah aus wie „Roger Whittaker“. Auch er sprach sehr langsam, so konnten wir ihn wirklich gut verstehen. Zwischendurch kam immer ein Satz an mich:„Are you o.k.? Say, Yes!“ Ich nickte, denn es war alles O.k. Wenn er mich später anschaute, brauchte er gar nicht mehr fragen, ich sagte gleich: „Yes: O.k.!“
Sie erklärten uns, dass Barrys Mutter schon sehr alt sei und ziemlich krank. Wir wurden gebeten kein Parfüm zu nehmen im Haus, weil sie darauf allergisch reagiert. Es war eine schöne Sache. Sie hatte ein eigenes Haus, in das sie sich zurückziehen konnte. Das zweite Haus stand das ganze Jahr leer bis Barry mit seiner Familie anrückte. Es war groß genug für uns alle und Mom konnte zu Besuch kommen, wenn es ihr gefiel. Die beiden Kinder waren froh, dass ihre Mutter wieder da war. Auch uns begrüßte sie herzlich. Mom war eine schlanke weißhaarige Frau, sie hatte eine raue Stimme und konnte das „R“ gut rollen.
Die Einrichtung des Hauses sah schon ein wenig kahl aus. Die Wände waren leer und es wäre noch gut Platz für ein paar Bilder. Zum Glück hatte Carrie die Dekoration mitgebracht und „Ach, wie schön!“ Es war wieder Weihnachten. An den Gardinenstangen waren zusätzlich Weihnachtsgirlanden mit einer roten Schleife ange-bracht. Aus der Ecke strahlte mich ein künstlicher Weihnachtsbaum an. Er war nicht gerade der Schönste, mit seinen blauen Kugeln und den weißen Fransenketten. Wahrscheinlich hatte er so einen hohen und kah-len Stamm, damit die vielen Geschenke besser darunter stehen konnten. Auch wir holten unsere Tasche mit den Geschenken, die der Flughafen hinterher gesendet hatte. Alle packten fleißig aus. Auf beiden Seiten war wohl so Einiges dabei von den Überraschungen, von denen man sagt: „ Nicht schlecht, brauche ich aber nicht!“
Mein gemaltes Porträt kam übrigens ganz prima an. Jetzt, wo ich die beiden Brüder gesehen hatte, war auch ich sicher, sie gut getroffen zu haben. Carrie standen fast die Tränen in den Augen und sie nahm mich fest in ihre Arme.
Barry hatte zu Weihnachten eine teure Flasche Whisky geschenkt bekommen. Es wurde erzählt, dass sie 65$ gekostet hat. Peter wurde gefragt, ob er einen testen wolle. Er freute sich, denn das Angebot an Alkohol war auf dieser Reise wirklich sehr klein. Es klapperte in der Küche. Barry servierte das edle Getränk im Pappbecher! Typisch! Peter war ziemlich entsetzt! Hier zu Hause ist es eins der Sachen, die er am Liebsten seinen Freunden berichtet.
Das Allerbeste an diesem kleinen Heiligen Abend war, dass alle Tierfreunde im Zimmer verteilt auf dem Tep-pich saßen. Es tobte und flitzte um uns herum. Drei kleine Kätzchen begannen gerade sich für das Spielen zu interessieren. Jana und Andrew hatten sich jeder eine schwarze Katze ausgesucht. Der dritte Kandidat war auch der Beste. Ein kleiner graumelierter Kater. Genau so ein Knäuel hatte ich auch, als ich so alt war wie Jana jetzt. Viele Jahre hat er mich begleitet. Auch das Schnurren hatte er gut im Griff. Wenn er nicht gerade spielte, saß er in meinem Arm und ließ sich verwöhnen. Barry wollte sie im Paket nach Deutschland schicken und sagte: „Germany-Cat!“. Ich grinste. Peter schimpfte sofort: „Never!“ (Nie). Eine Katze wäre das Letzte, was er sich für zu Hause wünschte.
Später hörte ich zwei, drei laute Worte von Carrie. Die Kinder standen sofort auf und gingen ohne Worte in ihre Zimmer. Da herrscht noch Zucht und Ordnung! Voller Respekt verschwanden auch wir.
Unser Standort war jetzt direkt unter dem Ontario See, im Gebiet der „Finger Lakes“. Auf der Landkarte kann man die Seen erkennen, sie sehen wirklich aus wie Finger. Dort herrschte ein raues Klima. Es war windig und es lag Schnee, der auch keine Anstalten machte zu tauen. Wir mummelten uns warm an, für einen großen Naturspaziergang. Der Parkwanderweg, der uns zum Wasserfall mit dem Namen „Taughan-Nock-Falls“ füh-ren sollte, schlängelte sich neben dem fließenden Wasser entlang. Ausgelassen tobten wir im Schnee und nutzten jede Gelegenheit, dem Nassen nah zu sein. Dann standen wir vor dem Wasserfall. Es war schon ganz beachtlich, auch wenn es nun nicht die „Niagara Fälle“ waren, auf die Peter sich eigentlich schon ge-freut hatte.
Es erstaunt mich immer wieder, wo das ganze Wasser herkommt, das Tag und Nacht den Berg herunterläuft. Man fühlte den leichten Wassernebel in der Luft. Die ganze Umgebung war dick vereist, ein idyllisches Bild. Peter hielt es natürlich fest, bevor wie den Rückmarsch antraten. Mit jedem Schritt freuten wir uns mehr auf unser „Thanksgiving- Essen“. Es sollte also wirklich ein Tag werden ohne Fastfood.
Carrie war zu Hause geblieben, um zu kochen. Sie hatte in der Küche noch jede Menge zu tun. Ich störte sie und konnte ihr gleich helfen, die Vanillesoße zu rühren. Zum Dessert sollte es Bananen-Pudding geben. In einem Tablett lag schon eine Schicht Bananenscheiben. Nun folgte Biskuit-Plätzchen und die Soße kam noch oben drauf. Es sieht zwar etwas merkwürdig aus, aber es schmeckt.
Peter schaute zu mir und sagte erstaunt: „Du hast Spaß in der Küche!“ Wir waren schon oft mit vielen Freun-den im Urlaub, jedes Mal gab es Streit mit den Frauen. Sie genießen es alle, den Abwasch gemeinsam zu machen und zitieren den Spruch: „Viele Hände machen der Arbeit schnell ein Ende!“ Inzwischen habe ich es begriffen, dass ich anders bin: Viele Hände und ich bin mit den Nerven am Ende. Aber mit Carrie war es an-ders. Wenn ich sie ansah, wusste ich gleich, was sie als nächstes vor hat und ich konnte ihr helfen. Wir wa-ren ein wirklich gutes Team.
Die Kartoffeln waren in ganz kleine Stücke geschnitten und lagen im Topf, wie Ananas in der Dose. Als sie gar waren, wurden sie mit einer Art Schlagring in der Hand gestampft. Da auch das Wasser nicht abgegos-sen wurde, war dieser Brei etwas durchsichtig. Von Butter und Milch keine Spur. An jeden Platz stellten wir einen großen Becher voll Leitungswasser. Carrie füllte auf und rief die anderen. „Na ja“ dachte ich etwas skeptisch, Peters Blick sah ähnlich aus. Auf meinen kleinen Frühstücksteller lagen nun ein halbes Ei, ein Löffel Stampfkartoffel, ein Löffel mit süßen Möhren und noch zwei Haufen, die nicht so genau zu definieren waren. Es wurde ein Glas mit Marmelade von Preiselbeeren herum gereicht und wärmstens empfohlen. Zwei leichenblasse, weiße Bruststücke Geflügelfleisch bildeten den Höhepunkt. Es sah aus, wie ein Stück vom Bombenhuhn. Später konnte ich in der Küche allerdings das Gerippe mit den Keulen nach oben im Topf se-hen. Es muss wohl ein Truthahn gewesen sein. Aber so lecker wie unser deutscher Entenbraten sah es nicht aus.
Für die Autofahrt nach South Carolina wurde unser Gepäck in mehrere Müllbeutel eingewickelt und schon am Abend auf der Ladefläche des Tracks verstaut. Wir beiden Frauen erledigten die Endreinigung und hatten selbst dabei viel Spaß.
Das Wecken war am Silvestermorgen zu um 5.00 Uhr morgens geplant. Irgendwie ist es allerdings doch 7:00 Uhr geworden. Ohne Kaffee, nur aufstehen und losfahren, so war es abgemacht. Wie ferngesteuert zog ich mich an und stieg ins Auto. Als die Tür wieder zuknallte, schlief ich selig ein.
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