Lieber Kasper,

vielen Dank dafür, dass Du dir die Zeit für deine wirklich ausführliche Antwort genommen hast.


Zuerst: Wieso sollte es mir das christliche Gottesbild, als Nicht-Christ egal sein? Ich bin auch kein Nazi, aber dennoch ist mir das nationalsozialistische Menschenbild mit Sicherheit nicht egal. Besonders wenn diese christlichen und nationalsozialistischen (man verzeihe mir, dass ich beide in einem Atemzug nenne) Memplexe noch immer in den Köpfen vieler Menschen fest verankert sind. Denn beide haben der Menschheit doch wohl eher geschadet, als genützt, um es mal vorsichtig auszudrücken.
Somit ist es sicherlich nicht mein Ziel, mich „selbst zu befriedigen“, sondern vielmehr aufzuklären. Denn eine radikale (also „an die Wurzel gehende“) Kritik dürfte in christlichen Foren, wohl eher spärlich zu finden sein. Wir sollten „Kritik als Geschenk begreifen“ (ebenfalls Schmidt-Salomon), denn von falschen Überzeugungen sollten wir uns doch lieber heute, als morgen verabschieden, oder? Das gilt dann natürlich auch für mich, denn auch ich möchte lieber aus dieser Diskussion dadurch profitieren, indem ich dazulerne, statt dogmatisch auf meinen Standpunkten zu bleiben.
Kommen wir nun zu Deinen Einwänden:

1. Ich betone nochmals, wenn man bedenkt, dass ewige (!) Strafen für endliche Vergehen angedroht werden, so erscheinen sie nicht nur unangemessen, sondern sie übertreffen jedes irdische, endliche Vergehen ums Unendliche. Selbst die schlimmsten irdischen Folterungen würden im Angesicht eines ewigen „Flammenmeers“ verblassen. Diese Strafen werden somit immer unmenschlich und unangemessen bleiben, weil es im irdischen Leben eben gar nicht möglich ist eine gleichwertig schlimme Tat zu begehen.
Insofern ist es gar nicht möglich, hinter diesen Strafandrohungen, einen gütigen, oder gerechten Gott zusehen, denn ewige Strafen sind logischerweise immer schlimmer als endliche!


2. Deine Aussage, dass Leid nicht nur schlecht ist, sondern auch nutzen kann ist korrekt. Allerdings verhindern, die von Dir genannten Beispiele nur größeres Leid, welches dann wieder schlecht ist.
Mein Argument zielte vor allem, auf die Existenz von sinnlosem Leid ab! Denn in die Existenz von Krankheiten und Seuchen (und damit mein ich nicht die normale Grippe) kann man wohl kaum einen Sinn hinein interpretieren.
Ob eine Welt gänzlich ohne Leid, in der wir wunschlos glücklich sind, schlechter ist als die unsrige, welche vom blinden Zufall regiert wird, weiß ich nicht. Aber wir vergessen eine mögliche dritte Alternative: Eine Welt in der es zwar kein Leid gibt und wir glücklich sind, aber in der wir dieses Glück steigern können! Langeweile ist dadurch ausgeschlossen, da wir immer noch ein Ziel vor Augen haben.

Dass unsere Welt eindeutig nicht vollkommen ist, ist doch wohl offensichtig. Wieder soll als Beispiel die Malariamücke dienen. Eine Welt ohne Malaria wäre doch zweifelsohne besser als eine Welt mit, oder? Wie gesagt, selbst wir Menschen können diese Welt (z.B. mit der Veränderung der DNA der Mücke) erheblich verbessern.

Ich als Naturalist gehe natürlich nicht von einem freien Willen aus. Wie denn auch, denn jede freie Entscheidung würde somit ein Wunder darstellen, wenn es für diese keine Ursache gibt!

„Ich kann mich mit der Bemerkung begnügen, daß für mein Denkvermögen ein Mensch, der unter
eindeutig gegebenen äußeren und inneren Umständen genau so gut so wie anders handeln könnte,
nicht ins Zuchthaus, auch nicht in eine Irrenanstalt, sondern in einen Glaskasten gehört, auf daß ihn jeder anstaune als die abnormste und unbegreiflichste Bildung, die je ein Menschenauge bisher geschaut hat.“ (Eduard Kohlrausch)


Aber unanhängig davon: Gott müsste seinen Finger gar nicht erheben, wenn er das sinnlose(!) Leid selbst aus der Welt verbannen würde, bzw. sie erst gar nicht so geschaffen hätte.

Du sagst, dass wir den Menschen nicht nur als Individuum sehen dürfen, „sondern auch als soziales Wesen, als Teil eines komplexen Systems“. Das mag richtig sein, nur erklärt dieses allein das „moralische“ Übel (welches nach der Verabschiedung von der Willensfreiheit auch nur ein natürliches Übel darstellt).

Aber selbst wenn (und ich betone „wenn“, denn er tut es m.E. nicht) sich ein allgütiger, gerechter Gott mit dieser unserer Welt vereinbaren lässt, so lässt er sich nicht aus ihr ableiten.
Als Beispiel soll mein erfundener Nachbar dienen, welcher in einer schäbigen Baracke haust. Es wäre durchaus vereinbar mit seiner Behausung, dass er ein Multimillionär ist. Dennoch ist es nicht daraus ableitbar. Müsste man darauf wetten, ob er nun stinkreich, oder ein armer Schlucker ist, so würde wohl jeder auf das letztere setzen. Denn diese Hypothese ist schlicht und ergreifend die wahrscheinlichere.

Nun, so lässt sich (und genau das meint Deschner m.E.), das alles „ so und so sehen“. Nach gründlicher Untersuchung und Abwägung der Argumente gibt es aber nur einen konsequenten, logischen Schluss (der sich natürlich durch neue Argumente entkräften lässt).
So lässt sich beispielsweise auch die Rechtfertigung des Holocausts „so und so sehen“, wenn man vom Standpunkt eines Nazis aus argumentiert und der Memplex des „Untermenschen“ in einem verankert ist. So fällt nach gründlicher Untersuchung der Argumente die Prämisse vom minderwertigen Menschen, und der logisch, konsequente Schluss ist, dass der Holocaust ungerechtfertigt war.