Tot.
Mein Leben ist tot.
Der Sieger über meinen Tod ist gestorben.

Leer.
Ich bin leer.
Der Ort, wo er ruhte, ist leer.
Die ganze Welt, die von ihm erfüllt war, ist leer.

Meine Hände, die ihm den letzten Dienst erweisen wollten,
greifen ins Leere.
Meine Füße, die zu seiner Ruhestätte eilten, wissen kein Ziel mehr.
Meine Seele, die ihn unablässig sucht,
irrt ziellos durch das Nichts.

Wo bist du?
Keinen anderen Gedanken kann ich mehr fassen.
Wo bist du?
Nichts anderes hat mehr Raum in mir.
Wo bist du?
Wie finde ich dich?
Wie finde ich den letzten Rest von dir,
das Einzige, was mir blieb,
die einzige Verbindung zum Leben,
das einzige Bruchstück von Sinn, wo bist du?
Wo bist du?

Jemand ruft meinen Namen.
Diese Stimme erreicht mein taubes Ohr.
Dieser Klang bewegt mein erstorbenes Herz,
erweckt meine toten Gefühle,
belebt meinen betäubten Geist,
befreit meine gelähmten Körper.

Meine tränenblinden Augen erkennen dein Gesicht.
Das Ziel meiner Suche: mein Meister!

Ich darf dich anrühren.
Nicht festhalten.
Nicht klammern.
Meine sehnsüchtigen Hände dürfen nicht fassen.

Habe ich dich wiedergefunden,
nur um dich wieder loszulassen?

Aber du lebst.

Heißt Leben immer wieder loslassen?
Ist das Leben ein einziges Loslassen?

Aber du lebst.
Und ich lebe auch.
Ich höre, wie du zu mir redest.
Kein anderer redet so.
Keinen andern höre ich so.

Ich sehe die strahlende Morgensonne.
Ich spüre unbändige, brausende Freude.
Ich fühle dein Leben in mir.

Ja, mein Meister, ich halte dich nicht fest.
Ich kann jetzt Abschied aushalten,
Schmerzen durchstehen, Geliebtes freigeben.

Ich weiß jetzt:
Abschied ist nie das Letzte.
Ich sehe jetzt die Liebe, die stärker ist als der Tod.
Ich fange an, die Kraft deiner Auferstehung zu erkennen.

Denn du lebst.

Ich bin in Bewegung.
Ich habe ein Ziel, einen Auftrag, einen Sinn.

Ich brauche nicht mehr zu klammern.
Ich muss dich nicht krampfhaft festhalten.
Du lebst ja in mir.
Und ich in dir.

Ich spüre dein pulsierendes Leben, deine vibrierende Kraft,
deine jauchzende Freude in mir.
Ich darf es alles teilen, mitteilen, austeilen.

Ich möchte die ganze Welt mit Jubelrufen erfüllen.
Ich möchte allen weitersagen:
Jesus lebt.
Und wir dürfen auch leben.


(aus "Den Durst meiner Seele stillen" von Elfriede Koch)