Liebe Gnadenkinder,

angeregt durch zahlreiche Diskussionen in verschiedenen Threads, wollte ich hier einmal die Frage stellen, wie ihr die Bibel lest.


Dabei geht es mir weniger um praktische Herangehensweisen, wie, ich lese die Bibel von links nach rechts, oder bequem auf das Sofa gefletzt in Rückenlage, sondern mich interessiert eher eure innere, geistige Haltung beim Lesen der Heiligen Schrift.


Ist die Bibel für euch eher ein Buch der Weisheit, das man im historischen Kontext lesen muss und das von daher schon gar nicht so leicht zu verstehen ist, weil man eben zunächst wissen muss, wie die Verfasser damals so tickten, was ihre Lebensumstände waren und man sich darüber klar werden muss, mit was für einer Absicht geschrieben wurde, so dass sich ein wortwörtlich nehmen des Gelesenen eher nicht anbietet?


Oder ist die Bibel vielmehr ein vom Heiligen Geist inspiriertes Werk, das zu allen Zeiten Gottes Willen zum Ausdruck bringt und wir diesem Willen gemäß unser Leben ausrichten sollten, was in vielen Fällen eben auch ein Wortwörtlichnehmen notwendig macht?


Ich kann mir gut vorstellen, dass beide Herangehensweisen miteinander verknüpft am ehesten der Art entspricht wie die Bibel gelesen wird, aber wie unterscheidet man dann, was jetzt wortwörtlich gilt und was eher im historischen Kontext und eher bildlich oder allegorisch betrachtet werden sollte?


Kann z.B. die Meinung eines Paulus, die er in einem Brief an eine ganz bestimmte Gemeinde zum Ausdruck brachte, für uns im Jahre 2012 noch Verbindlichkeit haben, so dass z.B. Frauen in der Gemeindeversammlung ihren Mund zu halten haben? Oder ist die Anweisung „die Frau sei dem Manne untertan“ vielmehr dem Zeitgeist geschuldet und heute so nicht mehr haltbar?


Viele Auseinandersetzungen entzünden sich ganz offensichtlich an den verschiedenen Interpretationen der Bibeltexte und nicht selten schlägt man sich die Bibel regelrecht gegenseitig um die Ohren, um seinem Standpunkt zusätzliche Autorität zu verleihen. Dabei dürfte klar sein, dass ich mit Hilfe einzelner Verse alles und nichts begründen kann, vom gebieten des Völkermordes bis zum Gebot der völkerübergreifenden Nächstenliebe. Wo also liegt den nun die Wahrheit, die eine allgemeine Verbindlichkeit zur Folge hat? Oder spricht Gott vermittels der Bibel eher ganz persönlich zu mir und das, was für mich verbindlich ist, ist es deshalb noch lange nicht für meinen Nächsten?

Diese fragwürdigen Fragen stellen sich wohl jedem Gläubigen im Laufe seines Glaubenslebens und sicher verändert sich deshalb auch im Laufe der Zeit die Haltung mit der man die Bibel liest.

So drängte sich z.B. mir mit der Zeit immer mehr die Frage auf, was denn nun der Kern der Heiligen Schrift sei, der entkleidet von den zahlreichen Geboten, Anweisungen und Verhaltensregeln allgemeinverbindlichen Charakter habe und entsprechend auch meiner Haltung dem „Wort Gottes“ gegenüber verbindlich sei?
Zum Glück fand sich für mich dieser Kern sowohl im so genannten Alten Testament, als auch im so genannten Neuen Testament: Du sollst den Herrn deinen Gott lieben und deinen Nächsten wie dich selbst.


LG
Provisorium