Ich wurde durch einen Satz aus einem anderen Thread (Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und folgt mir nach, der ist mein nicht wert.) dazu inspiriert ein neues Thema zu eröffnen, weil mich eure Ansichten bzgl. des Themas sehr interessieren. Der Satz stammt von Padma und ich bitte dich, liebe Padma, bitte sei mir nicht böse, dass ich deinen Satz für dieses neue Thema aus dem ursprünglichen Zusammenhang gerissen habe.

Zitat Zitat von Padma Beitrag anzeigen
Und der Glaube an die Sündenvergebung ist Vertrauen in Gott, dass er Sünden vergeben und aus der Knechtschaft der Sünde befreien kann. Und zwar weil Gott es so will und so wie er es will.
Ich muss diesen Satz einmal herausgreifen, weil er so symptomatisch für eine Denkweise ist, die ich persönlich im Laufe meines Glaubensweges als problematisch erkennen musste/durfte.

Padmas Satz ist für mich deshalb so bemerkenswert, weil sich hier eines der zentralen Probleme auftut, die ich persönlich mit Paulus und seiner Lehre, respektive seiner Theologie habe. Und zwar meine ich die paulinische Vorstellung, dass alle Menschen von Geburt an, also sozusagen automatisch, bzw. gesetzmäßig, unter der Knechtschaft der Sünde stünden.

Für Paulus ist das ja ein ganz wichtiges Thema und er unternimmt sehr viel und macht noch sehr viel mehr Worte, um dieses grundsätzliche Problem zu konstruieren und als zentrales Problem zwischen Gott und den Menschen zu platzieren. Und das er mit seiner Lehre von der grundsätzlichen Sündenverstricktheit jedes Menschen sehr erfolgreich war, beweisen dann so Sätze, wie der von der lieben Padma:

"Und der Glaube an die Sündenvergebung ist Vertrauen in Gott, dass er Sünden vergeben und aus der Knechtschaft der Sünde befreien kann."

In dem Satz steckt in komprimierter Form wirklich alles drin, was ich mit Paulus verbinde und was mir seine Lehre so suspekt macht! Es wird nämlich einfach mal so behauptet, dass der Mensch ein Knecht, bzw. ein Sklave der Sünde sei und ob er will oder nicht, ob er sich darüber bewusst ist oder nicht, er ist im "Netz der Sünde" gefangen. Und das soll dann sein zentrales Problem sein!

Und Glaube ist dementsprechend genau deshalb notwendig, damit man aus dieser Knechtschaft wieder rauskommt. Padma schrieb ja in dem Zusammenhang, dass Vertrauen in Gott mit dem Glauben an die Sündenvergebung verbunden sei. Wenn ich das richtig verstehe, dann vertraut man also immer dann und deshalb Gott, wenn man an die Sündenvergebung glaubt. Gott ist also sozusagen mein Problemlöser, denn weil ich unter der Knechtschaft der Sünde stehe und da alleine nicht mehr rauskomme, brauche ich Gott, brauche ich Gottes Vergebung, weil es sonst übel mit mir ausgeht. Mir kommt es dabei so vor, als ob gar nicht so sehr Gott im Mittelpunkt der Betrachtung steht, sondern vielmehr die Sünde.

Denn was mich persönlich an dieser Vorstellung so sehr stört, ist das dadurch implizierte Gottesbild! Gott als Sündenerlöser, als Problemlöser, quasi als eine Art "Gebrauchsgegenstand", der mich von irgendeiner Knechtschaft erlösen soll, wie mich eine Kopfschmerztablette von den Kopfschmerzen erlöst, damit es mir anschließend wieder besser geht...

Das ist natürlich überspitzt ausgedrückt, aber wenn Gott aus dem Blickwinkel der Sünde betrachtet wird, dann wird in meinen Augen also zuvorderst die große Nützlichkeit des heiligen Gottes betont, die ja nicht zuletzt auch deshalb unbedingt nötig ist, weil er offensichtlich, als er die Menschen schuf, nicht so ganz bei der Sache war und deshalb übersah, dass seine Geschöpfe massiv zur Sünde neigen und deshalb flugs unter die Knechtschaft der bösen Sünde geraten würden und damit sogar im schlimmsten Fall aus seinem Herrschaftsbereich herausgenommen werden, weil ja daran geglaubt wird, dass es keine Rettung aus der Hölle (der "Lohn" der Sünde) geben kann, wenn man erst einmal dort gelandet ist.

Der Mensch soll also derart versklavt und abgetrennt von Gott nicht wieder von der Sünde loskommen. Das Geschöpf Gottes also, das er nach seinem Bild geschaffen hat, soll natürlicherweise also gar nicht substantiell mit Gott verbunden sein, sondern zunächst immer unter der Herrschaft der Sünde leben, ein Sklave der Sünde sein. Ist das nicht furchtbar?

Aber Paulus hat das wirklich sehr geschickt gemacht, das muss ich schon sagen. Erst konstruiert er ein angeblich gesetzmäßig ablaufendes Problem, dem sich zudem kein Mensch entziehen kann und dann präsentiert er auch noch die einzig mögliche Lösung zu diesem, von ihm konstruierten, Problem. Und das für mich dabei persönlich Unfassbare, ist die Tatsache, dass er damit auch noch so erfolgreich war und weiterhin ist.

Denn rund 2000 Jahre nach der Erfindung und Konstruktion dieses Problems und seiner Lösung, sind tatsächlich noch immer viele Menschen unterwegs (sogenannte Missionare), die in ihrer Missionstätigkeit zunächst nichts anderes versuchen, als die Menschen von ihrer grundsätzlichen, bösen Sündenverstricktheit überzeugen zu wollen!

Man macht also den Menschen so klein wie nur irgend möglich, so falsch und schlecht wie nur irgend möglich, schickt ihn in tiefste Verzweiflung, allergrößte Gottesferne und erklärt ihn für versklavt, bis er schließlich keinen Ausweg mehr sieht und kennt und dann, taaaataaa, präsentiert man die Lösung - wohlgemerkt die einzig mögliche Lösung!

Aber "Knechtschaft der Sünde", was soll das eigentlich sein und inwiefern stellt die Sünde ein Problem dar, wie groß ist denn ihre Macht überhaupt? Ich gebe zu, es fällt mir sehr schwer daran zu glauben, dass schon ein unschuldiges Kind derart geknechtet sein soll, also ein Sklave der Sünde zum Tod sein soll, wie Paulus in Römer 6,16 meint. Dementsprechend glaube ich persönlich auch nicht daran, aber laut Paulus und der Überzeugung vieler Christen, ist der Mensch ganz grundsätzlich und immer Knecht, bzw. Sklave der Sünde, also auch die Kinder.

Paulus verbindet die Vorstellung der Sünde ja auch sehr häufig mit dem Tod. Das kann ich insofern nachvollziehen, weil ja laut der Bibel durch die Sünde Adams und Evas, als sie das Gebot Gottes brachen und unerlaubter Weise von der Frucht des Baums der Erkenntnis aßen, beide fortan sterben mussten, was Gott dem Adam in 1.Mose 1,17 auch zuvor prophezeit/angedroht hatte. Diese Geschichte erklärt also, dass durch die Sünde der beiden der Tod in die Welt kam, aber sie erklärt nicht den Macht- und Einflussbereich der Sünde über den Tod hinaus.

Im Christentum wird nun aber vielfach gelehrt, dass die Sünde den Menschen vollständig und absolut von Gott trennen würde, ein Sünder also keinerlei Möglichkeit hat mit Gott verbunden zu sein, solange er noch unter dem Macht- und Einflussbereich der Sünde steht. Die Sünde führt also nicht nur wie bei Adam und Eva zum (kreatürlichen) Tod, sondern darüber hinaus auch noch zur vollständigen und absoluten Trennung von Gott.

Tiefer kann ein Mensch dementsprechend gar nicht fallen, übler kann es ihm ja gar nicht ergehen, was für mich persönlich nicht zuletzt deshalb doch sehr verwunderlich ist, da Gott Adam und Eva ja nicht so unermesslich tief fallen ließ, sie also nicht vollständig aufgab und sich von ihnen abwendete. Sie mussten aufgrund ihrer Sünde zwar den Garten Eden verlassen, waren fortan sterblich und es wurde ihnen auch ein beschwerliches, von großen Mühen belastetes Leben prophezeit, aber dass sie zudem auch noch vollständig und hoffnungslos von Gott getrennt würden, lässt sich aus dem Schöpfungsmythos und dem anschließenden Sündenfall meiner Meinung nach nicht ablesen.

Die Vorstellung also, dass der Mensch, aufgrund der Sünde und ihrer Macht, vollständig und hoffnungslos von Gott getrennt sei, kam doch eigentlich erst durch die (Interpretation(?) der) paulinische Lehre in die Welt, oder täusche ich mich da?

Erst durch Paulus wurde die Welt, die fortan vollständig eine in Sünde verstrickte Welt war, erst so richtig böse und gottlos und nicht länger einfach nur beschwerlich und mühsam. Und der Mensch wurde mit der Welt für hoffnungslos in Sünden verstrickt erklärt, aus der es nur einen einzigen Ausweg gäbe, nämlich das Kreuz, als Symbol für das absolute, abschließende und einzig wirksame Opfer, das darzubringen notwendig war, um den Menschen aus seiner Sündenverstricktheit zu erlösen und den alles umfassenden Machtbereich der Sünde zu vernichten, ihren zerstörerischen Griff nach der Seele des Menschen ein für allemal zu lösen und damit zu beenden.

Die Macht der Sünde ist also dermaßen umfassend und jeden kleinsten Winkel dieser Welt einschließend und verderbend, dass Gott sich selbst zum Opfer darbringen muss, um die Macht und den Einfluss der Sünde zu brechen. Denn allein, also aus eigener Kraft, kommt der Mensch da ja angeblich nicht mehr raus. Und offensichtlich reicht es wohl auch nicht aus, dass der Mensch Gott aufrichtig um Vergebung bittet und Reue zeigt, denn es muss zuvor unbedingt noch das Blut Jesu fließen und das angeblich wegen unserer Sünden, wegen des Macht- und Einflussbereiches der Sünde...

Eigentlich legt deshalb die paulinische Vorstellung, dass der Mensch immer und ganz grundsätzlich unter der Knechtschaft der Sünde stünde und von allein nicht von ihr frei werden könne, den Schluss nahe, dass die Sünde größer und mächtiger ist, als alles andere, ja in gewisser Weise sogar größer als die Liebe Gottes zu seinen Geschöpfen. Denn, wie oben ja bereits erwähnt, kommt der Mensch nicht mehr aus der Hölle raus, wenn er erst einmal drin' sitzt. Er kann dann nach Gott schreien wie er will, kann inständigst um Gnade und Vergebung bitten, es nützt ihm nichts, es ist zu spät. Kann man diese Vorstellung wirklich mit der Vorstellung eines liebenden Gottes in Verbindung bringen?

Außerdem wird häufig gelehrt, dass wenn ein Mensch geboren wird, dann steht er zunächst angeblich nicht unter dem Macht- und Einflussbereich Gottes, sondern unter dem Macht- und Einflussbereich der Sünde. Von Geburt an sind wir also eigentlich gar keine Kinder Gottes, sondern Kinder, oder besser Sklaven der Sünde. Und es liegt nicht in unserer Macht, uns von dem gesetzmäßigen Einfluss der Sünde zu lösen. Die Liebe Gottes läuft also sozusagen ins Leere, wenn der Mensch in seinem Leben nicht zu dem Bekenntnis zu Jesus findet, was ja angeblich einzig und allein helfen könnte. Da könnte der Mensch also noch so sehr Gott zugewandt sein, seine Gebote achten und seinen Nächsten lieben, das würde ihn alles nicht mit Gott verbinden können, würde ihn nicht sein Kind sein/werden lassen, weil er eben an die Sünde verkauft und von ihr versklavt ist.

Da kann ein Mensch also noch so gut sein, noch so hilfsbereit, freundlich, friedlich, sich selbst nicht schonend, um für andere Menschen ein reicher Segen zu sein - es hilft alles nicht, die Sünde ist größer. Nichts, rein gar nichts hilft, nichts kann der Mensch machen, ja selbst wenn er von Geburt an, bis zu seinem Tod ohne Sünde bliebe (bei z.B. Frühchen, die es leider nicht ins Leben schaffen, kommt so etwas ja leider häufiger vor), wäre er verloren - so groß ist die Macht der Sünde!

Gottes Geschöpfe werden dementsprechend also zum allergrößten Teil verloren gehen, die Sünde wird ihren Griff nicht lösen und an ihr werden sie letztlich scheitern, weil sie nur auf eine Weise von der Sündenlast frei werden können, nur auf eine Weise Rettung möglich ist und das ist durch das Kreuz, durch den Glauben an das ultimative Opfer Jesu, der am Kreuz für unsere Sünden starb. Kann man das wirklich glauben?

Ja, natürlich kann man das glauben, denn sehr viele Christen glauben das ja genau so! Ich frage mich allerdings, was diese Gläubigen für ein Selbst- und Weltbild haben? Sehen sie sich und ihre Nächsten denn wirklich als grundsätzlich so schlecht, ja so böse an, dass ihnen die Sünde derart mächtig erscheinen muss?

Wie seht ihr das denn? Ist der Mensch tatsächlich grundsätzlich im "Machtbereich der Sünde" gefangen und muss deshalb genau davon, also von der Macht der Sünde erlöst werden, ist Gott also zuvorderst deshalb notwendig, damit man von der Sünde loskommen kann? Oder ist die Sünde vielleicht gar nicht so mächtig und gar kein so großes Problem, wie Paulus meint, weil die Liebe Gottes viel mächtiger ist und Gott deshalb seine Geschöpfe nie vollends der Sünde "überlassen" und in einer ewigen Hölle und Verdammnis verrecken lassen würde?

Sünde, so wie sie in der Bibel vorgestellt wird, heißt ja eigentlich "Zielverfehlung". Da stellt sich mir natürlich die Frage, auf welches Ziel der Mensch denn grundsätzlich ausgerichtet ist und ob er es überhaupt ist, oder ob es nicht vielmehr so ist, dass wir uns unsere Ziele selbst aussuchen und dann eben auch mal fehl gehen können, also im Sinne der Bibel sündigen?

Sünde wäre dann sozusagen alles das, was mich von Gott (meinem Ziel) ablenkt und mich von ihm fernhalten will. Aber kann das die Sünde überhaupt, wenn ich mich grundsätzlich nach Gott ausrichte, also nach Gott frage, ihn in mein Leben miteinbeziehe?

LG
Provisorium