Hallo Digido,

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Ich stimme Deiner Aussage vollkommen zu. Überhaupt habe ich den Eindruck, dass auch Meister Eckehardt, einer der erleuchtesten Christen, Gott eher unpersönlich sieht. Stimmst Du mir da zu?
Ja durchaus! Eckhart ist ja ein Vertreter der sogenannten "Negativen Theologie", in der Gott bewusst mit keinem Vorstellungsbild identifiziert wird, also z.B. auch nicht mit der Vorstellung er sei eine Person. Das "Personsein" ist ja vielmehr eine (weltliche) Eigenschaft eines Teils der göttlichen Schöpfung und gehört daher zum "kreatürlichen Bereich".

Allerdings ist es streng genommen auch nicht korrekt zu behaupten, dass Eckharts Gottesbild demnach ein unpersönliches sein müsse, wenn es kein persönliches ist, denn durch die Qualifizierung des Gottesbildes als "unpersönlich", würde man ja wieder eine positive Aussage hinsichtlich des Gottesbildes treffen und genau das will die Negative Theologie ja vermeiden.

Die "Negative Theologie" steckt da also gewissermaßen in einem ziemlichen Dilemma, denn konsequent angewandt, kann sie über Gott eigentlich nur schweigen (was ich persönlich allerdings gar nicht so schlimm finde, weil meiner Meinung nach im Schweigen durchaus ein "hoher spiritueller Wert" gelegen sein kann...).

Eckhart, der sich dieses Dilemmas durchaus bewusst war, nähert sich deshalb "dem Phänomen Gott" noch auf andere Weise indem er ausführt:

Nichts hindert die Seele so sehr an der Erkenntnis Gottes wie Zeit und Raum. Zeit und Raum sind Stücke, Gott aber ist Eines. Soll daher die Seele Gott erkennen, so muss sie ihn erkennen oberhalb von Zeit und Raum; denn Gott ist weder dies noch das, wie diese (irdischen) mannigfaltigen Dinge (es sind): sondern Gott ist Eines. Soll die Seele daher Gott sehen, so darf sie auf kein Ding in der Zeit sehen; denn solange die Seele der Zeit oder des Raums oder irgendeiner Vorstellung dergleichen bewusst wird, kann sie Gott niemals erkennen.

Eckhart betont in seiner Aussage also, dass Gott, wenn man ihn schon nicht mit den irdischen, mannigfaltigen Dingen identifizieren kann, die in Raum und Zeit als Stücke und als Vieles "verstreut" sind, stattdessen als Eines betrachtet werden kann. Gott ist also Eines! Und über dieses Eine führt Eckhart an anderer Stelle folgendes aus:

Dies ist leicht einzusehen, denn dieses einige Eine ist ohne Weise und ohne Eigenheit. Und drum: Soll Gott je darein lugen (Anmerkung vom Provisorium: mit "darein" ist "der Ort, die Stätte" gemeint, in der alles in Gott eins ist), so muss es ihn alle seine göttlichen Namen kosten und seine personhafte Eigenheit; das muss er allzumal draußen lassen, soll er je darein lugen. Vielmehr, so wie er einfaltiges Eins ist, ohne alle Weise und Eigenheit, so ist er weder Vater noch Sohn noch Heiliger Geist in diesem Sinne und ist doch ein Etwas, das weder dies noch das ist.

Das Eine, das Gott ist, wird an dieser Stelle im Sinne der Negativen Theologie maximal präzise beschrieben. Denn Gott, insofern man ihn in der Weise der Dreieinigkeit, als Vater, Sohn und Heiliger Geist verstehen mag, ist immer ein Gott mit ganz bestimmten Eigenschaften, die es uns dann auch ermöglichen uns über ihn auszutauschen. Der dreieinige Gott ist also sozusagen der Gott unserer raumzeitlichen Erkenntnisstrukturen, also der Gott des gewöhnlichen Theismus.

Hingegen ist der Gott der Negativen Theologie ein Gott ohne Bild, ohne personhafte Eigenheit, ein Etwas, das weder dies noch das ist, oder auch ein lauteres, klares, reines Eines, wie Eckhart abschließend im Folgenden ausführt:

Daher soll deine Seele allen Geistes bar sein, soll geistlos dastehen. Denn, liebst du Gott, wie er Gott, wie er Geist, wie er Person und wie er Bild ist, - das alles muss weg. ‚Wie denn aber soll ich ihn lieben?‘ – Du sollst ihn lieben wie er ist ein Nicht-Gott, ein Nicht-Geist, eine Nicht-Person, ein Nicht-Bild, mehr noch: wie er ein lauteres, reines, klares Eines ist, abgesondert von aller Zweiheit. Und in diesem Einen sollen wir ewig versinken vom Etwas zum Nichts. Dazu verhelfe uns Gott. Amen.

LG
Provisorium