Wer sich selbst als "guten Christen" bezeichnet, bei dem ist jedenfalls Skepsis angebracht. Man kann nur versuchen, einer zu sein, ob man es auch wirklich ist, kann letztlich nur Gott beurteilen.
Wer allerdings anderen abspricht, "gute Christen" zu sein, bei dem ist auch Vorsicht angebracht, weil das oft mit der Ansicht einhergeht, er selber sei jedenfalls ein besserer Christ als die von ihm abgeurteilten und als Heuchler abgestempelten "guten Christen".
Sowohl die "guten Christen" als auch die Bezweifler der "guten Christen" nehmen also für sich in Anspruch, Menschen letztgültig beurteilen zu können und Gottes Willen und Einschätzung zu kennen. Beide drohen somit dem Hochmut und Dünkel zu erliegen.
Eine Schwierigkeit besteht natürlich auch darin, dass es unterschiedliche christliche Konfessionen gibt, die teilweise abweichende Anforderungen an ihre Gläubigen stellen, aber alle für sich beanspruchen, die "richtige" Auslegung des Christentums zu bieten. Welche Konfession die richtige Auslegung seines Willens lehrt, weiß aber nur Gott genau. Letztlich hat aber nur ein Christ, der der richtigen Auslegung folgt, überhaupt eine Chance, ein "guter Christ" zu sein, während die anderen - wenn auch unabsichtlich, sondern mitunter sogar in der ehrlichen Absicht, Gottes Willen zu tun - Gottes Willen zuwiderhandeln. Für den Rest bleibt es also beim guten Willen, was Gott aber wohl auch zu schätzen wissen wird.
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