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  1. #41

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    Zitat Zitat von Martin Beitrag anzeigen
    Lieber Absalom,
    bewundernswert deine Ausarbeitung mit der frühchristlichen Geschichte. Danke vielmals.
    Würden wir uns von den "beigelegten Glaubensgütern" unserer Führer aus weltlicher und kirchlicher Herrschaft entledigen, was wäre dann heute ein Christ?
    Ich habe schon einige Informationen für ein Firmlingsgruppentreffen aus deinen Textbeiträgen entnommen. Es macht die Sache "rund" um Perspektiven darzustellen die auch in unseren "Genen" enthalten sein können.
    Liebe Grüße
    Martin
    Es freut mich Martin, dass dir diese Ausarbeitungen weiterhelfen können.

    Liebe Grüße

    Absalom

  2. #42

    Standard

    Zitat Zitat von Alef Beitrag anzeigen
    Hallo Absalom

    Danke für die spannende Ausführung.

    Was mich dazu noch interessieren würde (und das nicht erst seit heute ;-) ): Wie kam diese „Vorstellungswelt“ über Satan, Antimessias/Antichrist, gefallene Engel usw in das jüdische, respektive in solche jüdischen Sekten, wie ist diese „Vorstellungswelt“ entstanden, also hier dann mehr dieser Dualismus, vom einem Gott, der Ursprung allen ist, zu dem „Antigott“ und seinem Reich?



    Alef
    Lieber Alef,

    die Antwort ist nicht ganz einfach, denn wir reden hier über ganz vielfältige Einflüsse, die einen Zeitraum von nicht weniger als 1000 Jahre umfassen. Aber einmal ganz pauschal geantwortet, ganz sicher ist hier Persien ganz Wesentlich die Quelle dieser Lehren. Insbesondere des Dualismus und in dessen Folge die Satanslehre und noch mehr die Engellehren.

    Entscheidend war hier vor allem der Hellenismus, der aus ganz verschiedenen Kulturen ein neues und überaus erfolgreiches Religionssystem hervorbrachte und viele religiöse und kulturelle Vorstellungen vereinigte. Die ganze antike Welt beruht, trotz ihrer Unterschiede, auf diesem System und brachte unter anderem die Hochblüte der Philosophie hervor.

    Im Grunde genommen haben auch die Essener versucht die Welt in der sie leben zu erfassen und zu erklären und genau deshalb stehen ihre Lehren so nahe den Erkenntnissen verschiedenster hellenistischer Philosophien obwohl sie ihren Ansatz aus der Tora und den Prophetenschriften entnahmen. Das tat aber auch Philon und suchte daraus die Welt zu erklären – recht erfolgreich in seiner Zeit – ohne allerdings eine Religion damit zu begründen wollen. Später taten es andere Menschen und begründeten eine Religion damit.

    Wir haben es also mit ganz vielseitigen Wechselwirkungen innerhalb verschiedenster Religionen und Kulturen zutun, die dann auch ihr Verbreitungsgebiet in der israelitischen Kultur und Religion hinterlassen haben. Israel lebte ja nicht in einer von sich abgesonderten Welt, sondern mitten drin und die Einflüsse auf die israelitische Religion reichen eben von Ägypten bis nach Persien.

    Wenn wir heute in der Rückschau auf die Textdokumente der Bibel schauen, so sind diese eben auch ein Produkt ganz langwieriger Entwicklungen und das ist bei den Essenern nicht anders.

    Eventuell werde ich noch genauer auf diese Thematik zu sprechen kommen. Im Teil 6 werde ich mich ja den hellenistischen Mysterienkulten stellen und einiges wird man darin schon beantwortet finden.

    Noch einen schönen Sonntag!

    Liebe Grüße Absalom

  3. #43

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    Teil 6

    A

    Die Mysterienkulte der Antike und ihr Einfluss auf das Frühchristentum

    „Wenn wir (Christen) behaupten, der Logos, nämlich Jesus Christus, unser Paidagogos (Lehrer/Erzieher), sei gekreuzigt worden, gestorben, wieder auferstanden und in den Himmel aufgestiegen, so bringen wir doch im Vergleich mit euren Zeussöhnen nichts befremdliches vor. Wenn wir sagen, Jesus sei der Logos Gottes aus Gott geboren, so ist das doch etwas, was wir mit euch (Griechen und Römern) gemeinsam haben, die ihr doch auch den Hermes, den von Gott Kunde bringenden Logos nennt. Und sollte man daran Anstoß nehmen, dass Jesus gekreuzigt worden ist, so hat er auch das mit euren erwähnten Zeussöhnen gemeinsam, die doch auch gelitten haben (Dionysios, Herakles, Osiris, Attis, Mithras, etc). (Justin I. Apol. 21 + 22)


    „Diese Nahrung heißt bei uns Eucharistie. Niemand darf daran teilnehmen, als wer unsere Lehren für wahr hält, das Bad zur Nachlassung der Sünden und zur Wiedergeburt empfangen hat und nach den Weisungen Christi lebt. Denn nicht als gemeines Brot und als gemeinen Trank nehmen wir sie; sondern wie Jesus Christus, unser Erlöser, als er durch Gottes Logos Fleisch wurde, Fleisch und Blut um unseres Heiles willen angenommen hat, so sind wir belehrt worden, dass die durch ein Gebet um den Logos, der von ihm ausgeht, unter Danksagung geweihte Nahrung, mit der unser Fleisch und Blut durch Umwandlung genährt wird, Fleisch und Blut jenes fleischgewordenen Jesus sei. Denn die Apostel haben in den von ihnen stammenden Denkwürdigkeiten, welche Evangelien heißen, überliefert, es sei ihnen folgende Anweisung gegeben worden: Jesus habe Brot genommen, Dank gesagt und gesprochen: „Das tut zu meinem Gedächtnis, das ist mein Leib“, und ebenso habe er den Becher genommen, Dank gesagt und gesprochen: „Dieses ist mein Blut“, und er habe nur ihnen davon mitgeteilt. Auch diesen Brauch haben die bösen Dämonen in den Mithrasmysterien nachgeahmt und Anleitung dazu gegeben. Denn dass Brot und ein Becher Wassers bei den Weihen eines neuen Jüngers unter Hersagen bestimmter Sprüche hingesetzt werden, das wißt ihr oder könnt es erfahren.“ (Justin I. Apol. 66)

    „Auch die Heiden, aller Einsicht in die geistigen Kräfte bar, messen ihren Idolen dieselben Wirkungen bei. Allein sie täuschen sich mit bloßem Wasser. Zu manchen Kulten nämlich lassen sie sich durch ein Bad aufnehmen, zu den Kulten der Isis oder des Mithras; auch tragen sie ihre Götter zu Abwaschungen heraus. Die Landhäuser, Wohnungen, Tempel und ganze Städte sühnen sie aus durch Besprengung mit überall umhergetragenem Wasser, lassen sich wenigstens zur Zeit der Apollospiele und der Eleusinien darin eintauchen und leben dann in dem Wahne, dergleichen zum Behuf der Wiedergeburt und Straflosigkeit für ihre Meineide vorzunehmen. Ebenso entsündigte sich bei den Alten, wer immer sich durch einen Totschlag befleckt hatte, mit Sühnwasser.“ (Tert. de baptismo 5.)

    „Jedoch man fragt, von wem eine solche Auffassung von jenen Dingen vermittelt werde, daß sie zur Entstehung von Häresien dienen. Vom Teufel, versteht sich, dessen Rolle es ja ist, die Wahrheit zu verdrehen, der sogar die Handlungen der göttlichen Sakramente in seinen Götzenmysterien nachäfft. Er tauft auch - natürlich seine Gläubigen und Getreuen; er verheißt Nachlassung der Sünden in Kraft eines Taufbades, und wenn ich noch des Mithras gedenke, so bezeichnet er dort seine Kämpfer auf der Stirn, feiert auch eine Darbringung von Brot, führt eine bildliche Vorstellung der Auferstehung vor und nimmt unter dem Schwerte einen Kranz hinweg.“ (Tert. de praescriptione haereticorum 40)


    Was ich hier anführe sind nur einige wenigen Zitate aus den sog. Apostolischen Vätern, die sich dem Thema Christentum und heidnische Mysterienkulte stellen.
    Schon früh mussten sich christliche Gelehrte dem Vorwurf stellen, dass sie heidnische Kulte und ihre Ideen kopiert hätten.

    Nur wenige Zeugnisse dieser Kritik haben die Zeiten überstanden, denn die Kirche suchte schon früh all diese Schriftzeugnisse zu vernichten. Unsere Quellen zu dieser Kritik sind also äußerst dürftig und doch zeigen die oben angeführten Beispiele deutlich, es gab diese Kritik und es erstaunt nicht, dass gerade auf diesem Sektor die apostolischen Väter eifrig Kampfschriften verfassten, um diese Kritik aus dem Weg zu räumen.
    Trotz allem bemühen der Kirche über 1800 Jahre will diese Kritik nicht verstummen und mehr denn je wird gerade durch die Auffindung antiker Zeugnisse diese Kritik immer lauter und vor allem wissenschaftlicher.

    Keine Religion entsteht in einem luftleeren Raum, sondern ist immer ein „Kind“ seiner Zeit, seiner Vorkulturen, Vorreligionen und gesellschaftlicher Gegebenheiten. Besonders bei der christlichen Religionsgeschichte ist diese Tatsache ein ganz wesentlicher Faktor, denn diese Religion entstammt nicht nur israelitischen Einflüssen, sondern lässt ein breites Entwicklungsfeld im gesamten antiken Raum erkennen. Vom vorderen Orient bis nach Afrika und Europa lassen sich diese Einflüsse nachvollziehen und bilden ein fast undurchdringbares Geflecht von Entwicklungen, die letztlich zu dem führten, was wir heute als Christentum definieren und diese Religion zur Weltreligion machte.
    Vorab muss ich sagen, es ist unmöglich sich allen Einflüssen zu stellen, das würde den Rahmen bei weitem sprengen und deshalb möchte ich gezielt auf einzelne – markante – Einflüsse Bezug nehmen die insbesondere zum vorhergehenden Themenkomplex Stellung beziehen. Im Focus sollen dabei nicht nur markante antike Mysterienkulte stehen, sondern vor allem deren Kultpraxis und ihre Einflüsse auf das Frühchristentum. Ein zweiter Schwerpunkt muß folglich der Einfluß philosophischer Systeme auf die frühchristliche Theologie sein.
    Geändert von absalom (08.06.2010 um 12:29 Uhr)

  4. #44

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    1. Einführung in den Hellenismus (Grundlagen des Hellenismus)

    Warum das Thema Hellenismus und Christentum?
    Unzählige Bücher wurden zu dieser Thematik schon verfasst und doch ist es den meisten Menschen verborgen, wie tief unsere geistigen – europäischen Wurzeln in Kultur und Religion genau in dem Modell des Hellenismus sind. Unsere westliche Welt ist nicht nur römisch geprägt, nein eigentlich ist sie hellenistisch – römisch. Römisch in unseren gesellschaftlichen Strukturen, hellenistisch - römisch in unseren kulturellen und religiösen Strukturen und Wertevorstellungen. Ganz besonders interessant ist für Religionswissenschaftler dabei, dass sich in der westlichen Kultur und Religion orientalische Einflüsse mit hellenistischen Einflüssen zu einer Kultur und Religion als Erbe antiker Kultur, Religion und Glaubenssysteme mit einer erstaunlichen Integrationskraft weiter entwickelt hat, die über Jahrhunderte hinweg, bis in unsere Zeit das Weltgeschehen lenkt. Ganz besonders die kulturelle Definition der westlichen Welt auf der Basis seines antiken Erbes und der Zusammenfassung der antiken Religion in einer Religion = Christentum, zeigt deutlich welche herausragende Bedeutung noch heute der Hellenismus in unseren alltäglichen Dasein spielt.
    Hier einmal hellenistisch – antike Religionen und Philosophien vorzustellen wird die Eigenbestimmung seines Denkens, Glaubens und Religionsverständnis verdeutlichen und zugleich deren geistige Ursprünge und Vorgänger vor Augen führen.
    Gehören die Antike und das Christentum zusammen? Ja, so sehen es alle Religionswissenschaftler ohne Ausnahme, denn das Christentum ist im Kulturkreis des Hellenismus entstanden, es trägt seine Wurzeln darin und wesentliche Kernaussagen der christlichen Lehre und Theologie basieren auf den Grundzügen hellenistischen Religions- und
    Kultverständnisses.
    Gleiches gilt darüber hinaus für unser Ökonomie- und Gesellschaftssystem, bis hin zu unserem Rechtssystem, das dem römischen immer noch ganz ähnlich ist. Noch wesentlicher trifft dies auf unsere Sprach- und Begriffswelt zu, die westlich (hellenistisch-römisch und nicht orientalisch) geprägt ist.
    Sich diesen Gegebenheiten zu stellen, hilft eine klare Standortbestimmung zu finden, ja mehr noch, sich selbst und seiner Kultur zu begegnen und zu verstehen, warum man so denkt und glaubt, argumentiert und debattiert, wie wir es tun. Zu erfassen, warum das Christentum in seiner Struktur so ist, wie es ist, warum die Welt in der wir Leben so ist, wie wir sie umgestaltet haben. Dafür gibt es Gründe, die es lohnt zu erkennen, da wir unser aller Geschichte dadurch besser Verstehen und auch zukünftig positiver verändern könnten.


    Wenn wir uns dem überaus umfassenden Thema des Hellenismus stellen, der nicht nur eine Zeitepoche beschreibt, sondern mehr noch ein Entwicklungsprozess der Menschheitsgeschichte, so kann dies hier natürlich nur im Rahmen expliziter Themenbereiche geschehen.

    Aus diesem Grunde werde ich nicht wesentlich auf die ökonomischen- und auch nur bedingt auf die Naturwissenschaftlichen Errungenschaften des Hellenismus eingehen, sondern das Augenmerk im Wesentlichen auf die religionstheologischen und philosophischen Entwicklungen lenken.

    Die Hellenistische Epoche wird heute mit dem Beginn des Weltreiches von Alexander des „Großen“ bis zum Ende des letzten hellenistisch – ptolemäischen Staatsgebildes (Ägypten) durch Augustus bezeichnet. Hellenismus leitet sich von Hellas – Griechenland ab, der Geburtsstätte des modernen Antiken Europa, Vorderasien und Nordafrika. Inbegriff dieses Wortes sind die geisteswissenschaftlichen, ökonomischen, sozialen, kulturellen, politischen und religiösen Veränderungen, die durch die damalige Weltmacht Griechenland, im gesamten Europa, Vorderasien und Nordafrika, zu einer Grundlegenden Neuorientierung der Gesellschaftssysteme und ökonomischen Verhältnisse führte.

    Mit dem Beginn des Weltreiches Alexanders, begann nicht nur ein, in seinen Ausmaßen bis dahin unbekannter Eroberungsfeldzug, der alle alten Weltreiche Mitteleuropas, Vorderasiens und Nordafrikas faktisch erfasste, sondern es wurde ein über Jahrhunderte entwickeltes und bewährtes Sozial-, Kultur-, Politik, Ökonomie und Religionssystem exportiert. Geradezu revolutionäre Ideen erfasste die damalige despotische – archaische Welt, die durch Alexander aus ihren Angeln gehoben wurde. Griechisches Denken, wissenschaftliche Errungenschaften, ökonomische Reformen, politische Umorientierung und vor allem Religionsphilosophische Systeme erfassten alle Staaten, die dem Einfluss des Hellenismus ausgesetzt waren.

    Ökonomisch lässt sich dieser Sachverhalt nicht nur an einem ausgeklügelten Geld- und Finanzsystem deutlich machen, der diese drei Kontinente zusammen führte und somit zu einem Vorreiter des Welthandelssystems wurde, sondern auch an Agrarreformen, Technologietransfer, Straßenbau, Städtebau und dem Versuch ein weitgehend einheitliches Wirtschaftsystem aufzubauen.

    Kulturell wird dies besonders deutlich an der Verbreitung der Schrift und dem Schriftgut, dem griechischen als damalige Weltsprache, der Verbreitung von Schulen zur Allgemeinbildung bis hin zu dem Bau von Theatern und der Förderung der bildenden Künste.

    Politisch löst der Hellenismus das despotisch archaische Regierungssystem ab und verschafft dem Volk bis dahin ungehante Freiräume und Mitbestimmungsrechte. Gleich wohl Diadochenreiche entstehen und Königsherrschaften neu gebildet werden, ist die Macht der Regenten nicht mehr so uneingeschränkt despotisch. Die Förderung in Kultur und Bildung ermöglicht zugleich dem einfachen Menschen trotz „niederer Herkunft“ doch zu politischen Ansehen und ökonomischer Macht zu kommen. Gleich wohl sich der griechische Gedanke eines demokratischen Systems nicht durchsetzen lässt, gelingt es doch dem Hellenismus auf der Basis von Mischkulturen, in soweit sozial politische Veränderungen hervor zu bringen, dass sie später zu Trägern neuer Entwicklungssysteme werden (Ägypten, Rom).
    Die Eigenstaatlichkeiten werden nicht aufgelöst jedoch mit einander ökonomisch, kulturell und religiös verbunden.
    Naturwissenschaftlich findet gerade zu eine Revolution im Weltbild der damaligen Menschheit statt. Das Wissen der großen Kulturen, dass Denken der Großen „Geister“ der Menschheitsgeschichte und die wissenschaftlichen Errungenschaften werden erstmals in einer großen Synopse gesehen und ausgewertet. Überall entstehen Universitäten und Bildungseinrichtungen, die erstaunlichen technischen Fortschritt hervor bringen, der heutige Archäologen nur erstaunen läst. Durch das flexible System des Hellenismus, andere Kulturen in sein umfassendes System mit einzubeziehen, gelingt es ein umfassendes Netz für Wissenschaftstransfer zu begründen. Grundlagen der Mathematik, Physik, Biologie, Medizin, Geographie, Astronomie, etc, etc., finden in der gesamten Koine seine Verbreitung.

    Geisteswissenschaftlich findet in einem noch wesentlich weiteren Ausmaß der Transfer statt. Durch die intensiven und auch neu entstandenen Handelsbeziehungen und regionalen Völkerwanderungen verbreiteten sich Religionssysteme unterschiedlichster Art in der gesamten Koine und es entstanden Religionsvermischungen, Religionsauflösungen, Religionsreformationen und Neugründungen in einem ungeahnten Ausmaß. Ob in Ägypten oder Persien, in Europa oder Vorderasien, überall verbreiteten sich auch in den Religionen der Hellenismus und hier insbesondere die Früchte der Aufklärung. Philosophische Denkmodelle finden ebenso ihren Niederschlag wie Konzessionen an die neu errungenen wissenschaftlichen Erkenntnisse.
    Ganz besonders die griechische Philosophie, die sich als erste Philosophie überhaupt dem Menschen als Individuum zuwendete und seinen Platz in Staat und Gesellschaft, in der Natur und Kultur, in der Religion und Philosophie selbst zu definieren suchte fand reges Interesse bei allen Völker und Kulturen. Der Gedanke des Individuums, der dem Weltenkosmos gegenübergestellt ist, war gänzlich neu und gerade zu wegweisend für alle Religionssysteme.

    Für viel Menschen damaliger Zeit, galt diese Epoche als goldenes Zeitalter, brachte es doch wesentliche Verbesserungen der Lebensumstände und bis dahin ungeahnte Möglichkeiten der Selbstverwirklichung mit sich.


    Doch im gleichen Atemzug, verschärfte der Hellenismus insbesondere die materiellen Ungerechtigkeiten in einem bis dahin nicht gekannten Ausmaß. Die Sklaverei wurde zu einem ganz wesentlichen Wirtschaftsfaktor und Bestandteil der Gesellschaftssysteme. Auf Grund regionaler Gegebenheiten kam es zu Unruhen und hier explizit in den naturell armen Gegenden, die weder Bodenschätze noch landwirtschaftlich mit dem neuen Wirtschaftssystem schritt halten konnte. Durch fast völlige Auslöschung des Tauschhandels und der Neubewertung von Wirtschaftsgütern durch Münzwerte wurden nicht selten ehemals reiche Gegenden zu Armenhäusern und Arme zu Reichen. Neue Städte und Wirtschaftsmetropolen entstanden und mehr und mehr verarmte die mehrheitliche Landbevölkerung, die sich nicht selten der Sklaverei verkaufen musste. Mehr denn je, wurden wirtschaftliche – ökonomische Faktoren zum wesentlichen Faktor von Macht- und Kolonialpolitik. Der Hellenismus als kulturell integrative Kraft, der zugleich die kulturellen Eigenheiten und politische Selbständigkeit förderte, verlor dadurch seinen politischen und ökonomischen Einfluss und wurde der Rolle als Weltmacht nicht mehr gerecht. Neue politische- und wirtschaftliche Systeme (römische Republik), entwickelten sich aus dem Hellenismus und begannen diesen abzulösen, gleich wohl die Religion und Kultur im hellenistischen Sinne eine neue Blüte erleben sollte.


    Abschließend sei hier gesagt, dass ich mich bemühe so allgemein verständlich wie möglich auf die Thematik des Hellenismus einzugehen. Insbesondere bei meiner Einführung zum Hellenismus, der die Vielschichtigkeit dieser Epoche nur ganz leicht streifen kann.
    Besonders in Teil 2 = „Die Philosophien und Religionen des Hellenismus“, wird die Thematik intensiver ausgebreitet, da sie Basis für alle folgenden Themenbereiche ist.

  5. #45

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    2. Die Philosophien und Religionen des Hellenismus


    Ich möchte auf Grund der Fülle dieses Kapitel in 2 Teile aufteilen (1. Philosophie und 2. Religionsgeschichte im Hellenismus)

    Teil 1 Philosophie

    Das philosophische Denken Griechenlands beginnt in seinen Sternstunden unter schlechten Vorzeichen, die sich gegen eine allzu archaische Frömmigkeit und trotz des Bemühens um die Einführung sehr fortschrittliche Regierungsmethoden (Demokratie), nur langsam durchsetzen kann. Zu kühn scheinen die Philosophen in ihren Ansichten dem alten Götterglauben und dem daraus hergeleiteten Weltbild zu widersprechen. Als Anaxagoras verkündete, die Sonne sei lediglich ein glühender Stein, da schien die alte Götterwelt Griechenlands zu erbeben und mehr denn je wurde den Großen Geistern der Antike, Gottlosigkeit vorgehalten. Schwer tat sich der „Gottesstaat“ Athen mit der Physik und der Naturphilosophie und doch gelang es ihr um die Mitte des 5. Jahrhunderts v.d.Z. in Athen, der griechischen Metropole Fuß zu fassen. Zu drängend waren die Fragen nach dem menschlichen Dasein, der Umwelt in der Menschen leben und dem Wieso und Warum allen Seins. Die Philosophen schafften es durch ihre Fragestellungen, die Menschen damaliger Zeit davon zu überzeugen, nach den Hintergründen des Daseins zu suchen. Nicht mehr das Dasein als akzeptiertes Faktum steht im Mittelpunkt, sondern die Frage nach dem Warum ist man in diesem Dasein, wird zur Wendemarke des griechischen Denkens und auch Handelns. Damit wird die Philosophie zur entscheidenden Wendemarke in der Geschichte Griechenlands, welche dem hellenistischen Weltreich seine überragende Größe gegenüber anderen Kulturen verdankt. Die Erforschungen auf den Gebieten der Naturwissenschaften und Technik, der Geisteswissenschaften und Soziologie, bescherten Griechenland nicht nur die militärische und ökonomische Vormachtsstellung, sondern auch eine Gesellschaftliche und Kulturelle und stellten zugleich einen entscheidenden Wendepunkt in der Geschichte Europas, Kleinasiens bis nach Persien und Nordafrika dar.

    Da ich hier nicht den Raum habe um auf die Entwicklungsgeschichte der Philosophie einzugehen, möchte ich es erstmal damit bewenden lassen.

    Griechenland brachte eine ungeheure Anzahl an überragenden Geistesgrößen hervor. Wer kennt nicht solche Namen wie Sokrates, Platon, Perikles, Aristoteles, usw., usw. Begünstigt durch den ökonomischen Aufschwung Griechenlands und den politischen freiheitlichen Bürgerrechten, die seines Gleichen in der ganzen Welt einmalig waren, wuchsen und gediehen die Philosophenschulen. Neben der intensiven Erforschung in Natur und Technik, stellte besonders die Geisteswissenschaft neue Dimensionen des Denkens auf. Dabei ging es nicht so sehr um die Frage des Weltganzen, sondern viel mehr um die ganz praktische Suche nach Lebensführung in der Umwelt, dem Staat und der Gesellschaft (Stoa). Hieraus erklären sich auch die politischen Stellungen der Philosophen und zugleich auch die religionsgeschichtliche Bedeutung der Philosophie, die zunehmend alle gesellschaftlichen Bereiche erfasste.

    Am Beispiel der der Stoa, die einen wesentlichen Einfluss auf das Christentum hat und bereits reichlich im neutestamentlichen Schriftgut zitiert wird (Johannes und besonders Paulus), zeigt sich die Bedeutung dieser in der Antiken Welt.

  6. #46

    Standard

    Die Stoa

    Während der hellenistischen Epoche entstanden zu der platonischen und aristotelischen Philosophie alternative philosophische Systeme, von denen zwei sich besonders hervortaten. Dies waren zum einen der Stoizismus und zum anderen der Epikureismus. Beide enthielten Aspekte schon vertrauter Lehren. Neu war jedoch, dass bei ihnen die Ethik in den Mittelpunkt des philosophischen Interesses trat. Beispielhaft möchte ich nun auf die stoische Philosophie eingehen, da wir dieser insbesondere im neutestamentlichen Schriftgut noch des Öfteren begegnen werden.
    Entstehung und Entwicklung der stoischen Philosophie
    Gegründet wurde die stoische Schule von Zenon, der 333 oder 332 v.u.Z. in Kition auf der Insel Zypern geboren wurde und um 261 verstarb. Er kam als junger Mann nach Athen, nachdem er Schiffbruch erlitten hatte. Dort schloss er sich dem Kyniker Krates an. Nachdem er ein paar Jahre lang Schüler von Krates gewesen war, machte er sich selbständig. Er versammelte seine Zuhörer in einer mit Bildern geschmückten Säulenhalle. Daher kommt auch der Name dieser Lehre, denn das griechische Wort für Säulenhalle ist "Stoa". Unter seinen Schülern waren auch seine Nachfolger Kleanthes aus Assos (331-232 v.u.Z.) und Chrysippos aus Soloi (281-207 v.u.Z.). Die stoische Lehre veränderte sich ausgehend von dem 3. Jahrhundert v.u.Z. bis zu dem 2. Jahrhundert v.u.Z.sehr. Deshalb unterteilt man den Stoizismus in drei Zeitabschnitte: die alten Stoiker, die mittleren Stoiker und die jüngeren oder römischen Stoiker. Zenon, Kleanthes und Chrisippos bezeichnet man als die alten Stoiker.
    Die mittleren Stoiker waren Panaetios und Poseidonios. Panaetios wurde um 185 v.u.Z. auf Rhodos geboren. Mit ihm faßte die stoische Philosophie in Rom Fuß. Denn durch seine Freundschaft mit Scipio Africanus fand er Zugang zu einem Kreis von Intellektuellen, die sich mit besonderer Leidenschaft dem Griechentum widmeten. Ein Schüler Panaetios, Poseidonios, errichtete seine eigene Schule auf Rhodos und war in Rom so berühmt, dass ihn viele bedeutende Persönlichkeiten aufsuchten wie Pompejus und Cicero.
    Der jüngere Stoizismus prägte sich vorwiegend in Rom aus. Die Stoiker waren als echte Kosmopoliten bekannt. Sie setzten sich für die Gemeinschaft der Menschen ein, sie sahen den Staat als natürlich an und interessierten sich für Politik. Ihre bevorzugte Staatsform war die Monarchie. Im zweiten Jahrhundert nach Christus gab es unter den Stoikern sogar einen römischen Kaiser: Marc Aurel (121-180n.Chr.). Ebenso gehörten zu den stoischen Philosophen auch der Redner und Politiker Cicero (106-43 v.u.Z.) und der Politiker und als Erzieher Neros bekannte Seneca (4v.Chr.-65n.Chr.). Typisch für die stoische Philosophie war auch ihre Offenheit gegenüber unterschiedlichen Gesellschaftsschichten. Ein Beispiel dafür ist der 50n.Chr. geborene Stoiker Epiktet. Epiktet war ein Sklave. Nach seiner Freilassung gründete er seine eigene stoische Schule und wurde so bekannt, dass selbst Kaiser Hadrian ihn aufsuchte.

    Grundgedanken der stoischen Philosophie

    Die stoische Philosophie ist eine sehr Praxis bezogene Philosophie. Sie ist darauf ausgerichtet, auch im alltäglichen Leben umgesetzt werden zu können.
    In der stoischen Philosophie sind Erkenntnistheorie, Naturphilosophie und Ethik stark miteinander verbunden. Erkenntnistheorie und Naturphilosophie sind aber für die Stoiker nur insoweit von Bedeutung, als aus ihnen die ethischen Grundgesetze abgeleitet werden. In der stoischen Philosophie wird die Natur als Prinzip aller Dinge angesehen. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Natur einem vernünftigen Weltgesetz - dem Logos - unterliegt. Aus diesem Grund gibt es für den Stoiker keinen Zufall, sondern alles geschieht mit Notwendigkeit und wird von Gott gelenkt. Die Theologie der Stoiker kreist um den Logos: Gott ist die schöpferische Urkraft, die erste Ursache allen Seins. Er ist der Logos, der die vernünftigen Keimkräfte aller Dinge in sich trägt.
    Das gestaltende Feuer, der ordnende Logos, wird als Gott bezeichnet. Für die Stoiker ist der Kosmos, der alles Leben und Denken hervorbringt, selbst ein Lebewesen, dessen Seele göttlich ist. Aus der Vernünftigkeit des Logos folgt eine zweckmäßige und planvolle Ordnung der Dinge und Ereignisse: "Daraus ergibt sich der Gedanke einer teleologisch (= zielgerichtet) vollkommen durchgeordneten Welt, in der, der Zusammenhang von allem eine sinnvolle Ordnung darstellt, die von einer einzigen göttlichen Kraft geplant und schrittweise ins Werk gesetzt wird." (M. FORSCHNER)
    Die Ethik der Stoiker, durch die diese wohl am bekanntesten geworden sind, setzt eine Reihe von Ansichten über das Seelenleben des Menschen voraus, die eigentlich nicht der Psychologie zuzuordnen sind, sondern die eher den anthropologisch-dogmatischen Unterbau der stoischen Moral darstellen. Demnach ist es nun zunächst eine grundlegende Feststellung, dass der Mensch außer einem Leib auch eine Seele hat. Diese Seele ist es, die zum einen dem Menschen Selbstbewegung und damit überhaupt Leben verleiht. In diesem Zusammenhang wird auch die Frage nach der Unsterblichkeit der Seele erörtert, da zumindest der vernünftige Seelenanteil immer als etwas Ewiges und Göttliches erschien. Aufgrund ihrer Bekennung zum Materialismus muss die Stoa hier jedoch andere Wege gehen. Nach Zenon ist der gröbere Teil der Seelenmaterie vergänglich, wogegen die Vernunft als feinste Materie unsterblich sein soll. Nebenbei gibt es bei Epiktet und Marc Aurel keine individuelle Unsterblichkeit, wogegen Poseidonios die platonischen Beweise für die Unsterblichkeit aufnimmt, was für den in der Stoa teilweise vorliegenden Synkretismus typisch ist, und bei Seneca wiederum die Unsterblichkeit geradezu ein Grunddogma seiner Lehre darstellt: "Nachdem die Seele, sich reinigend und die anhaftenden Fehler und den Schmerz des sterblichen Lebens abschüttelnd, kurze Zeit über uns geweilt hat, erhebt sie sich zu den Höhen des Weltalls und schwebt unter den seligen Geistern. Es hat sie eine heilige Schar aufgenommen.".

    Besonders beachtenswert sind in der stoischen Ethik der Naturrechtsbegriff und das damit zusammenhängende Humanitätsideal. Dabei ist das positive Recht, das durch Staaten und Regierungen gesetzt wird, weder das einzige noch das allmächtige Recht. Es beruht in seiner Gültigkeit vielmehr auf einem ungeschriebenen Recht, das ewig ist und das zugleich ein Richtmaß für alles positive Denken überhaupt darstellt, dem Naturrecht, das nichts anderes ist als das allgemeine, mit der Weltvernunft identische Weltgesetz. Die Überzeugung hiervon gehört zu den unerschütterlichen Dogmen der Stoa. Noch Cicero und Philodem sprachen im gleichen Sinn nach, was schon die Gründer der Schule festgelegt hatten: "Das Naturgesetz ist ein göttliches Gesetz und besitzt als solches die Macht, zu regeln, was Recht ist und was Unrecht."; ähnlich äußert sich auch Chrysipp: "Ein und dasselbe nennen wir Zeus, die gemeinsame Natur von allem, Schicksal, Notwendigkeit; und das ist auch die Gerechtigkeit und das Recht, die Einheit und der Friede.", sowie Heraklit: "Es nähren sich alle menschlichen Gesetze von dem einen göttlichen.", und ebenso gehören Platon mit seiner Ideenwelt und Aristoteles in diese Reihe. Dabei ist der Stoiker der Ansicht, daß das Naturrecht von selbst einleuchtet, weil es mit der Vernunft als solcher gegeben ist. Wer diese nur hat, hat damit auch schon ein Wissen bzw. Gewissen über das, was Recht ist und was nicht; "Wem von Natur aus Vernunft zuteil wurde, dem wurde auch die rechte Vernunft zuteil; darum auch das Gesetz... und wenn das Gesetz, dann auch das Recht.".

    Der Stoiker ist ein Realist und weiß als solcher, dass es im Leben auf das kraftvolle Zugreifen und auf entschlossenes Handeln ankommt; "sustine et abstine" ("Ertrage und entsage") lautet deshalb das Motto der gesamten Tugendlehre, die hauptsächlich auf den Willen ausgerichtet ist. In stärkster Gegnerschaft zu Aristoteles und seiner Schule werden die so genannten äußeren Güter wie Ehre, Besitz, Gesundheit, ja selbst das Leben als gleichgültige Dinge behandelt. Das einzige Übel ist die Schlechtigkeit das einzige Gut die Tugend. Der Weise allein ist frei, reich, glücklich, ja den Göttern gleich, der Tor dagegen elend und unwissend.
    Lust, Begierde und Furcht, gelten als unvernünftige Regungen, ja als Krankheiten der Seele, welche zu bekämpfen sind. Den Affekten im Sinn der Leidenschaft stehen die edlen Affekte gegenüber: der Begierde der rechte Wille, der entweder Wohlwollen oder Zufriedenheit ist; der Furcht die Vorsicht, die sich in Ehrfurcht und Keuschheit gliedert; der Lust die reine Freude, die aus dem Bewusstsein des tugendhaften Lebens erwächst. Hier wird besonders deutlich, wie sehr die stoische Psychologie von ethischen Interessen geleitet wird, zumal diese förmlich als Tugendlehre auftritt.

    Die Stoa zeichnet sich zudem durch seinen Kosmopolitismus aus. So erklärte bereits Epiktet: "Wir sind alle Brüder und haben in gleicher Weise Gott zum Vater.".
    Als Kosmopolit ist das Vaterland des Stoikers die ganze Welt, weshalb ihre Anhänger zur allgemeinen Menschenliebe, Wohltätigkeit, Milde und Sanftmut aufrufen. Auch gegenüber anderen Völkern, den Sklaven, den Frauen und den unmündigen Kindern, die ursprünglich durch das römische Recht stark benachteiligt waren, wird die Forderung der Rechtsgleichheit erhoben. Rechtsgleichheit bedeutet jedoch für den Stoiker nicht auch Standesgleichheit! Für den Stoiker sind vor allem Frauen Mittel zum Zweck (Familie) und finden ihre Berechtigung als Lebensschaffende Wesen, dessen Platz nicht in Philosophenstuben zu sein hat, sondern schweigend und verhüllend am heimischen Herd oder in der Kinderstube. Das Züchtigen von Frauen und Kindern gilt als legitimes Mittel für die Sittlichkeitserziehung der Stoiker. Ausgeführt in Milde und Sanftmut wird Züchtigung als natürliche Gegebenheit angesehen.

    Als weiteres wichtiges Element ist noch die stoische Logik, welche sich in die Bereiche Rhetorik und Dialektik gliedert. Um die Sprachlehre haben sich die Stoiker große Verdienste erworben. Von ihnen rühren zum großen Teil die üblichen grammatischen Bezeichnungen.


    Soviel erst einmal zu einem klassischen Beispiel von Philosophie im Hellenismus, welche sich insbesondere im römischen Reich zu einer neuen Blüte entwickelte.
    Philosophie war nicht nur ein Denkmodel, sondern im täglichen Leben praktizierte Lebensphilosophie, die in sich ganz wesentlich auch religiöse Wesenzüge trug.

  7. #47

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    2. Die Philosophien und Religionen des Hellenismus


    Teil 2. Religionen

    Nun möchte ich zur eigentlichen Thematik, die für mich selbst noch interessanter ist vorstoßen, denn hier geht es um antikes Religionsverständnis!

    Wir haben uns nun einen ganz kleinen Einblick in die Philosophie erlaubt und dürften verstanden haben, dass wir es in der Antike nicht mit einer primitiven Zivilisation zu tun haben, sondern mit einer bereits sehr komplexen Welt, die in ebenso komplexe Denkstrukturen eingebettet war.

    Ebenso komplex waren die vielfältigen Antiken Religionen. In dem Schmelztiegel des Mittelmeerraumes, der über 300 Jahre Hellenistisch geprägt wurde, wo sich ganze Nationen mit anderen Nationen vermischt hatten, wo durch enge Handelsbeziehungen und offene Grenzen ganze Völker quer durch Europa, Asien und Afrika nach neuen Heimaten suchten und durch enge Handelsbeziehungen nicht nur ein reger Warenaustausch, sondern auch kultureller Austausch stattfand, wo die einheitliche Sprache im wesentlichen griechisch war, ist es nur eine Frage der Zeit gewesen, dass sich auch die verschiedensten Religionen begegnen und einander bereichern, einander ergänzen oder ineinander verschmelzen.

    Erstaunlicher weise, war der Hellenisierungsprozess in seinem Verlauf ohne tief greifende nationale Widerstände verlaufen. Lediglich in Persien und Judäa gab es Erhebungen gegen die Hellenisierung, die jedoch durch die Integrationsfähigkeit des Hellenismus, anderweitig stattfand. Die Stärke des Hellenismus lag in seiner Vielfalt, die keine kulturellen Grenzen kannte. Zudem erlaubte es der Universalismus des Hellenismus, jeglicher Religion seinen Platz einzuräumen. Der strenge Monotheismus des Judentums erzeugte allerdings in der hellenistischen Welt so manches Unbehagen. Doch dazu in einem anderen Kapitel mehr.

    Schon in der Frühzeit Griechenlands zeigten sich die Hellenen offen für viele Kulte und Religionen. In ihrem Glaubensverständnis waren die Götter das himmlische Gegenüber für den Menschen, die sich um sein materielles und moralisches Wohlergehen kümmerten. Zugleich vermutete man schon früh hinter diesen Göttern ein höheres Prinzip einer Gottheit, dem Erschaffer alles Seiende (Platon).

    Die offene Annahme von Göttern und Gottheiten und hier insbesondere aus der ägyptischen Religion und orientalischen Religionen, löste jedoch zwangsläufig ein anderes Problem aus, eine schier unglaubliche Anzahl von Göttern, Gottessöhnen, Heroen und anderen mythischen Gestalten. Hier setzte die Philosophie zu ganz neuen Denkmodellen an, die keine allzu große Rücksicht auf alt hergebrachte Kultformen walten ließ, sondern ein eigenes Religionsmodell entwarf. Folgendes Denkmodell sei hierzu angebracht: Den homerischen Göttern war es zu Eigen, dass sie den Tod nicht kannten, für die Philosophie wird daraus der Begriff Ewigkeit und damit zum tragen Faktor des Göttlichen. Allmacht und Allgegenwart kommen hinzu, wodurch letztendlich die Vielgötterei in Frage gestellt wurde. Es können nicht viele Götter allmächtig sein. Als Lösungsmodell für die verschiedensten Seinsweisen der Götter wird im Verlauf der Religionsgeschichte anfänglich von Untergöttern bis hin zu Gottessöhnen und späteren vielfältigen Göttlichkeiten in einem Gott unterschieden. Diese Entwicklungsgeschichte darf man sich nicht als plötzliche Erkenntnis vorstellen, sondern beinhaltet einen Jahrhunderte langen Prozess, der in den Mysterienreligionen seine entscheidende Wende nimmt.

    In den Mysterienreligionen, die insbesondere im römischen Reich, welches sich als Erbe des Hellenismus verstand, ihre größten Ausbreitungen fanden und die allesamt Offenbarungsreligionen waren, zeigt sich am deutlichsten der Wandel von alten Kultgöttern. War einst die kultische Verehrung der Mittelpunkt des Volksglaubens, ist durch die Philosophie und ihren Fragestellungen ein ganz neuer Aspekt hinzugekommen. Es waren die Fragen nach dem letzten Sinn des Seines. Der starke Jenseitsglaube der Ägypter und anderer orientalischer Religionen, gewann insbesondere ab dem 3. Jahrhundert v.u.Z. eine immer stärkere Bedeutung. Dies wurde umso mehr begünstigt durch den Prozess von Verschmelzungen verschiedenster Religion und Kulte, die somit zu inhaltlich neuen Religionen in altem Gewand wurden. Ganz deutlich zeigen sich diese Prozesse am Isiskult und Zeuskult. Die Menschen der Antike suchten zudem nicht nur nach den Antworten auf ihre brennenden Fragen, die durch die philosophische Aufklärung entstanden, sondern sie suchten auch die Nähe und Geborgenheit zu dem fernen Olymp der Göttlichkeit, in einer Welt, die einem starken Werte- und Geisteswandel unterzogen war. Lebensphilosophien wie der Stoizismus, der Epikureismus und ganz besonders die der Neuplatoniker, die besonders die Sinnlosigkeit und Verworfenheit menschlicher Taten im Angesicht der vollkommenen Göttlichkeit aufzeigten (siehe auch dazu bei Paulus), schaffte eine immer stärkere Anbindung an mystische Erlöserreligionen. Dieser Trend zeigte sich schon recht früh im Adoniskult und erlebte seine volle Blüte in den vielen Mysterienkulten des Imperium Romanum.

    Die Suche nach dem göttlichen Urprinzip und einer Definition der Seinsweise dessen, verschaffte der Religionsphilosophie ungeahnten Zulauf. Insbesondere die neuplatonischen Philosophenschulen entwickelten auf Grundmodellen hellenistischer Philosophie weiterführende Ansätze. So z.B. Plotin: „Der Grund allen Seins ist das eine, zugleich das Urgute und Urschöne, jenseits des Denkens, aber von reiner Aktualität. Aus ihm emanieren im Schritt einer Dreieinigkeit Geist, geistige Seinswirklichkeit und geistige Schau, in Wahrheit ein Geist, der Anteil hat sowohl an dem Einen als auch an der nächsten Emanationsstufe, der Seele“. Das Eine, dessen Abbild und dessen Geist“
    Plotin vertritt hier keine gänzliche philosophische Neuschöpfung, sondern führt nur Konsequent Gedanken weiter, wie die des Xenokrates (um 396 v.u.Z.) der eine Dreieinigkeit an die Spitze des Weltganzen setzte, oder Aristoteles (384-322 v.u.Z. - der besonders im Christentum größte Verehrung genießt), der erklärte: „Die Dreiheit ist die Zahl des Ganzen, insofern sie Anfang, Mitte und Ende umschließt“. Martial (ca.40-102 n.Ch.) sah in Hermas den Trismegistos, den dreimal großen Hermas, der allein ganz und dreimal einer ist.
    Die neuplatonische Lehre, in Gott, zugleich das reine Sein und den Schöpfer alles Dasein zu sehen, der aus Güte die ewige Welt der Ideen und Seelen erschafft, wirft aber infolge der unvollkommenen Schöpfung Fragen auf, die darin ihre Begründung finden, dass ein präexistenter Fall der Schöpfung diesen Zustand der Unvollkommenheit schaffte, dem zufolge die Seelen zum Zweck der Erziehung in den Kerker des Leibes gebannt sind. Als Erzieher sendet Gott den ihm wesensgleichen Logos, den er ewig mit sich selbst zeugt, der als Mittler zum Menschen herabsteigt und den Menschen mit Hilfe des ihm wesensgleichen Geistes zur Erkenntnis der letzten göttlichen Wahrheit auf einem langen und schweren Erziehungsweg führen will.

    In diesem letzten Gedankengang verbindet sich die Konsequenz der Menschwerdung Gottes als göttliche Offenbarung Hieros Logos = heiliges Wort, welches sich selbst entäußert um das Schicksal der Menschen zu teilen und durch Selbstaufopferung des Logos, das erlösende Heil auf den ihm geweihten Menschen zu übertragen. „Freut euch, ihr Mysten, da der Gott gerettet ist, so wird euch aus Mühsal Heil zuteil“. Dieser Mythenspruch wird gerade zu bezeichnend für alle antiken Religionen. Die Zeussöhne nehmen alle Mühen und Leiden der Menschen auf sich um den Menschen aus diesen zu befreien und zu erlösen. Den Nachfolgern und Geweihten gewährt der göttliche Logos dafür das ewige vollkommene Leben, heilt von Krankheiten und schafft materiellen Wohlstand und die Vergebung von moralischen Verfehlungen. Die unzähligen Grabinschriften aus dieser Menschheitsepoche belegen ganz deutlich den Erlösungsgedanken aller mystischen Religionen.

    Die religiöse Wende wird auch in der Stoa deutlich. Im sog. Zeushymnus des Kleanthes, der mehrfach im Neuen Testament zitiert wird (ist im Internet zu finden), finden wir ein ganz anderes Bild von Gott wieder als es uns frühe antike Gottesbilder vermitteln. Der ferne Gott des Olymps, offenbart sich als Vater der Menschen, als Mitleidender und Logos.

    Wie schon erwähnt finden sich in fast allen Kulten des Späthellenismus die Erlöserfiguren. Ursprünglich altgriechisch Heros, werden nun diese Zeussöhne in ihrer religionsgeschichtlichen Entwicklung Menschen, in denen sich der Logos Gottes offenbart, die Theios Aner = GottMensch sind, die selbst Theos = Gott genannt werden und denen Titel wie z.B. Epiphanes = erschienener Gott, Soter = Heiland, Euergetes = Wohltäter oder sogar als Gottgleich (Neos Dionysos), zugeteilt werden.

    Ganz bezeichnend für die Mysterienreligionen sind die Gottessohngestalten, die alle als Logos – Wort Gottes = heiliges Wort, einer übernatürlichen Menschwerdung ihre göttliche Erhöhung fanden. Noch deutlicher wird dies bis auf eine Ausnahme (Mithras) bei ihrem Sterben. So ertrinkt Osiris unter furchtbaren Qualen, Attis stirbt im Akt der Selbstaufopferung an einer sich selbst zugefügten Wunde, Adonis wird von einem besessenen Wildschwein getötet und Dionysos wird von betrunkenen Bauern bei lebendigen Leib zerrissen, ja regelrecht geopfert.

    Ein weiteres Element sind die mystischen Weihen = Sakramentum, die sich in Form und Gestallt zwar unterscheiden und doch wesentliche Gemeinsamkeiten aufweisen. So sind der Beginn der Weiheakt immer das Bekenntnis zum Gott und eine Blut oder Wassertaufe allen diesen Kulten gleich. Auch das mystische Mahl, wie z.B. im Mithras-, Dionysos-, Herakleskult, etc., aus Brot und Wasser oder auch Wein (Dionysos) ist kennzeichnend für die Zugehörigkeit dieser Kultgemeinschaften, in denen so Gott als Gastgeber, als substantiell-theophag = als gegenwärtig, gefeiert wird. Auch die darstellhafte Ausschmückung des Gottes mit Symbolen und Figuren oder kleinen Bildnissen und Haustempeln (Nischen) ist diesen Kulten gemeinschaftlich nachweisbar.

    Gleich wohl es doch erhebliche Unterschiede im Gottesbildverständnis in den einzelnen Kulturen gibt, lassen sich die Gemeinsamkeiten doch deutlich aufzeigen. Weitere Einflüsse sind bedeutend durch die Weiterentwicklung der Gnosis, auf die ich hier aber nicht weiter eingehen will.
    Die religionsgeschichtlichen Entwicklungen führen letztendlich zu einem relativ einheitlichen Reichsgott Verständnis, welches sich unter Aurelian als die „Römische Trias“ und als Trinitas im gesamten Imperium (Trias = drei = Trinitas = Dreiheit) durchsetzt. In ihr vereint sich der Weltengott mit dem jeweiligen Landesgott (Logos) und dem Weltengeist, der alles und jeden durchdringt. Der Neuplatonismus wird zum gängigen Erklärungsmodell dieses Systems (Siehe oben – Bekenntnis des Plotin).

  8. #48

    Standard

    3. Hellenismus und Judentum

    Es mag einem frommen Wunsch entsprechen, wenn man meinen möge, es hätte in der Geschichte Israels nie Fremdeinflüsse auf die Religion gegeben. Allein schon in den 5. Büchern der Weisungen (Moses) lässt sich das ganz deutlich fest machen, wenn man die Tora mit Zeitgenössischen ägyptischen, sumerischen, persischen und babylonischen Überlieferungen vergleicht. Sehr deutlich sind die Spuren des Zweistromlandes und Ägyptens sichtbar, die sich insbesondere in den Ritualanweisungen nachzeichnen lassen (Schlachtopfer, kultische Reinheit, Speisegebote, rechtliche Anweisungen). Noch deutlicher sind die Spuren aus der Epoche der babylonischen Gefangenschaft sichtbar, was nicht nur eine Vielzahl babylonischer Begriffe belegt, die plötzlich im Tenach erscheinen, sondern mehr noch die Reform des Esra und Nehemia belegen, die Israel zu ihrer Zeit zu einem modernen Staat neu aufbauten, nach persischen Vorbild.

    Ganz wichtig für die antike Entwicklung des Judentums spielten politische Einflüsse, die bedingt durch die Landvertreibung und Auswanderung der Israeliten ganz neue religiöse Fragestellungen aufwarfen und Bedingungen schafften. Mit dem Ende der Perserherrschaft und dem Beginn der hellenistischen Großreiche entstanden vier Hauptsiedlungsgebiete des Judentums, die zwar untereinander verbunden waren, doch mit der Zeit ganz eigene Entwicklungen bestritten. 1. Das babylonische Exil, welches sehr stark unter persischen Einfluss stand und wo besonders das Schriftgelehrtentum zur Blüte kam. 2. Die zurückgekehrten Juden nach Israel, die durch eine Staatsreform Esras und Nehemia Israel zu einer gewissen Selbstständigkeit führten und Israel zu einem Nationalreligiösen Staat (Gottesstaat) gestalten wollten, den Tempelkult neu initiierten, wichtige Religionsreformen durchführten und somit Israel zu einer neuen – wenn auch kurzen Blüte verhalfen. 3. Griechenland (Korinth) und Italien (Rom), die ursprünglich zumeist aus Alexandrien durch Handelsbeziehungen neue jüdische Enklaven bildeten. 4. Alexadrien und Ägypten, die wohl wichtigste Enklave des Judentums in der Antike. Hier reichen die Wurzeln schon bis in die Zeiten des Moses und wie wir auch aus biblischen Berichten wissen, waren Juden und Ägypter immer sehr eng geschichtlich miteinander verbunden. Alexandrien war die Welthauptstadt des Hellenismus, das New York, der Antike. Hier standen nicht nur die berühmtesten Bibliotheken der Welt, die größten Philosophenschulen und Lehrinstitute für alle möglichen Handwerkskünste, hier war auch die größte jüdische Gemeinde außerhalb Israels ansässig.

    Gemeinsam war all diesen Diasporagruppen, dass sie die Tora hatten und ihr nationales Erbe pflegten. Darüber hinaus gab es kein einheitliches Schriftgut und auch in der Praktizierung der Tora gab es wesentliche Unterschiede, die jedoch an sich kein jüdisches Problem sind.

    Einen ernsten innerjüdischen Konflikt gab es mit der in der antiken Welt um sich greifenden Hellenisierung. Die Einflüsse der hellenistischen Philosophie waren gerade zu revolutionär und stellten das Judentum vor eine schwierige Frage: Integration in die hellenistische Welt, oder Ausgrenzung von der hellenistischen Welt. Das persische Judentum und das israelitische Judentum widerstrebten dieser Anpassung, hingegen das hellenistische Judentum (daher leitet sich der Name ab) in Ägypten und der restlichen Diaspora schon längst die Assimilation suchte und vollzog.

    Das Judentum in Israel zeigte sich anfänglich ebenso offen für die Hellenisierung wie in Alexandria oder anderen Einflussgebieten.
    Davon zeugen nicht nur die Bauten in Jerusalem aus dieser Epoche, sondern auch Münzfunde, die die Verschmelzung des Gottes Israel mit Zeus darstellen und schriftliche Belege aus dieser Zeit. Doch es entstand zunehmend eine Gegenbewegung, die sich insbesondere durch die pharisäische Partei kundtat.
    In den Makkabäeraufständen (ich gehe einmal davon aus, dass die Geschichte bekannt ist, ansonsten empfehle ich eine kath. Bibel zu lesen, da steht alles drin – Makkabäerbücher), trat dieser Konflikt erstmalig auch militärisch zu tage. Bei diesem Konflikt ging es nicht nur um politische Macht, sondern um eine ganz klare Abgrenzung zur hellenistischen Welt. Zwar konnte Israel die Macht des Hellenismus nicht gänzlich von sich schütteln, doch gelang es gewisse Freiheiten und Eigenstaatlichkeiten zu erzwingen. So auch die Religionsfreiheit.

    Ganz anders verlief die Entwicklung in der hellenistischen Welt. Hier versuchte das Judentum seine Weltanschauung in griechischer Sprache und im Rahmen griechischer Philosophie auszuformulieren. Der wohl wichtigste Meilenstein darin ist die Übersetzung und neu Bearbeitung und auch Umschreibung der hebräischen Bibel ins Griechische, die Septuaginta.
    Auch zahlreiche andere Schriften der Weisheitsliteratur entstanden zu dieser Zeit (Weisheit Salomons), die zum Teil in den christlichen Bibeln wieder zu finden sind. Diese Schriften insbesondere die Septuaginta wurden vom Judentum (1. Jahrhundert) verworfen und als Fälschungen eingestuft.

    Insbesondere in den Lehrschriften zeigen sich die Verschmelzungen von hellenistischer Philosophie und hellenistischen Judentum am deutlichsten. Beispielhaft hierfür sind die Schriften Philos, Demetrios oder Aristobulos.
    Einer wichtiger Vermittler zwischen dem jüdischen Verständnis und dem griechischen Denken war Philo von Alexandria. Er stellte das Judentum als eine altehrwürdige Religion dar, die durch einen neu zu verstehenden Monotheismus (nach Plotin) besser mit der aristotelischen oder platonischen Philosophie übereinstimme als der polytheistische Olymp.
    Der berühmte Logoshymnus aus dem Johannesevangelium zeugt von der weiten Verbreitung des Philonischen Schriftgutes, welches in der Antike zu Ansehen kam, denn tatsächlich ist dessen Ursprung bei Philon zu suchen und nicht bei israelitischen Juden, die ja genau diese hellenistische Theophilosophie aufs schärfste bekämpften.

    Man kann nicht oft genug betonen, dass es dem hellenistischen Judentum in erster Linie darum ging, dass Volk der Israeliten als gleichwertiges Volk unter Völkern, angepasst an die Verhältnisse ihrer Zeit, ohne die Aufgabe eigener Selbstständigkeit, in der hellenistischen Welt zu integrieren. Zum anderen ging es Leuten wie Philo darum die Absonderlichkeiten der jüdischen Religion, dem hellenistischen Umfeld durch zu Hilfenahme von hellenistischer Philosophie nahe zu bringen und wenn nötig auch umzudeuten. Dies geschah mit erstaunlichem Erfolg. Das hellenistische Judentum war damals eine expandierende Religion, die in allen Gesellschaftsschichten der Antike Beachtung fand, hingegen das orthodoxe Judentum massiv bekämpft wurde und um seine Existenz kämpfen musste. Das festhalten an dem strengen Monotheismus, den Geboten und althergebrachten Riten brachte diesem Judentum nur wenig Anerkennung und Freunde ein, doch es sicherte dessen Überleben, hingegen das hellenistische Judentum unter ging.

    Historisch findet das Frühjudenchristentum insbesondere im hellenistischen Judentum seine theologischen Vorreiter und Wegbereiter und auch Anhängerschaft. Das Heidenchristentum wird insbesondere bei den Stoikern und Neuplatonisten ihre Anhängerschaft finden. Beide Gruppen sind theologisch bereits im Wesentlichen vereint, im Hellenismus. Die Auflösung der Urgemeinde Jesu findet genau in dieser Tatsache seinen Ursprung!

    Nachwort: Ich bin jetzt bewusst nicht auf die Essener eingegangen, da ich zu ihnen ja schon hinreichend Stellung bezogen habe und aufzeigen konnte, dass diese große und wichtige Gruppe durchaus – wenn auch nur bedingt - den jüdischen Hellenisten zu zuordnen ist.

    Es folgt Teil 4. Der Hellenismus und das Christentum
    Geändert von absalom (22.06.2010 um 10:37 Uhr)

  9. #49
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    Standard

    Suuuuuper,
    danke Absolalom
    LG Martin

  10. #50

    Standard

    4. Der Hellenismus und das Christentum

    Wenden wir uns nun dem eigentlichen Thema zu. Auf Grund der Fülle des Textes teile ich ihn in mehrere Teile auf!

    Teil 1.

    Unmittelbar nach der Kreuzigung durch die Römer ist die Geschichte Jesu außerhalb des Judentums völlig irrelevant. Jesus ist Jude, seine Familie ist jüdisch, seine Schüler, die „Jünger Jesu“, sind Juden. Alle ihre Hoffnungen und Wünsche richten sich auf das Heil Israels. Gut hundert Jahre später sind die Schüler der Schüler, die so genannten Christen, keine Juden mehr.
    Zunächst einmal gibt es zu Beginn keine Christen. Am Anfang gibt es Juden die verkünden: “Jeshua ist ein Meschiach”, “Jeshua ist gestorben und von Gott wiedererweckt, auferstanden worden”, “er ist von Gott erhöht”. All diese Kategorien (“er ist ein Messias”, der Erhöhte des Herrn, der himmlische Hohepriester, etc.), sind jüdische Kategorien, die in ihrer Bedeutung der hellenistischen Welt merkwürdig, fremd und unverständlich für Heiden, erscheinen. Diese Kategorien existieren so dort nicht.


    Wenn wir vom Christentum sprechen so stellt sich bereits die erste wichtige Frage, wann beginnt eigentlich das Christentum als eigenständige Religion, unabhängig vom Judentum zu existieren? Kurz zusammengefasst. Es wird dann von einer selbstständigen Religion gesprochen, wenn sie eigene Glaubensgrundsätze hat, eigenes Schriftgut hervorbringt, eigenständige Kulthandlungen und Weiheakte entwickelt. Sich also von dem Ausgangsort entfernt und eigene Wege geht, eine eigenständige Entwicklung beginnt. Die Religionswissenschaft hat sich weitestgehend auf den Beginn des 1. Jahrhunderts festgelegt und sieht anhand etlicher Entwicklungstatbestände denn eigentlichen Ursprung des Christentums nicht im damaligen Palästina, sondern in Korinth, in Alexandrien und Rom. Warum das 1. Jahrhundert?

    Wenn wir der Aussage der Apostelgeschichte folgen, war die Urgemeinde keine eigene Religion, sondern fester Bestandteil des Judentums. Sie war fest im jüdischen Kult integriert, lehrte im Wesentlichen jüdisches Lehrgut und hatte auch die Anerkennung des Sanhedrin.
    Mit der Zerstörung des Tempels (70 n. u. Z.) und dem Niedergang des kulturellen Mittelpunktes des Israelitischen Kultes (Jerusalem), verlieren sich auch die Spuren der Urgemeinde. Wohl wissen wir, das sich die Reste der Urgemeinde nach Pella, in die Wüste Nizzana zurück zog, doch ein zurück nach Jerusalem gab es für die hebräischen Jesusanhänger nicht mehr. Die Apostel sind alle Tod, das Judentum in seiner Gesamtheit – so auch die Urgemeinde - hatten etliche regionale Verfolgungen durch die Römer zu überstehen und kam dadurch an den Rand seiner Existenz. Ohne geistiges Zentrum und Mittelpunkt, ohne althergebrachte Führung, verlagerte sich in der Zeit ab 70 – 100 (n. u. Z.) der Schwerpunkt nach Alexandrien, dem eigentlichen Sitz des hellenistischen Judentums, welches weitestgehend von der Verfolgung durch die Römer verschont wurde. Hier gab es auch bereits von der Synagoge ganz unabhängige hellenistische – judenchristliche Gemeinden. Ein zweites Standbein waren die von Paulus, Barnabas, Apollo, etc. gegründeten Gemeinden in Italien, Griechenland und Kleinasien, die insbesondere aus Heidenchristen bestanden. All diese Gemeinden wurden in ihrer Bedeutung gestärkt, nachdem Jerusalem keine heilsgeschichtliche Bedeutung mehr hatte und zur römischen Provinzstadt wurde, in dessen geschichtlichen Verlauf Juden der Zutritt zur Stadt bei Tode verboten wurde.

    Doch noch ein ganz wesentlicher Punkt spielt eine Rolle, die hellenistische Juden (die oft treue römische Staatsbürger waren) und Heidenchristen, von der Urgemeinde trennte. Es war das festhalten der Urgemeinde am israelitischen Kult und hier insbesondere die enge zum rabbinischen Judentum. Damit war aber auch die Urgemeinde schicksalhaft an alle politischen Ereignisse gebunden, die Israel mit aller härte durch die Römer traf. Die Verfolgung von Juden, die sich nicht in das Gefüge des Imperium Romanum einfügen wollten, traf auch immer die Urgemeinde ganz erheblich mit. Hiervon distanzierte sich nur all zu gern das Frühchristentum, das schon sehr früh darum bemüht war, eine offizielle Anerkennung als Religion im Imperium zu erhalten. Es mag daher nicht verwundern wenn bereits sehr früh (um 120 n.Chr.) polemische Schriften von Heidenchristen gegen die letzten Anhänger der Urgemeinde verbreitet werden, wo z.B. gesagt wird: Wenn das Stroh sein Korn gebracht hat, ist es wertlos (Ignatius).

    Zum endgültigen Bruch kam es in der theologischen Auseinandersetzung, von der wir allerdings fast nichts über deren Hintergründe wissen. Schon früh begann die Kirche die Schriftzeugnisse der Nachfolger der Urgemeinde systematisch zu vernichten, (Schafft weg den Sauerteig der Juden aus unserer Lehre / Ignatius); ein böser Engel hat die Judenchristen beschwatzt am Alten Testament festzuhalten (Barnabas um 200). Nur vereinzelt finden wir in sog. Gegenschriften, Zitate aus diesem Umfeld der Urgemeinde. So sagt z.B. Tertullian über den Glauben der Nazarener (nicht ohne Verachtung für ihren primitiven Judenglauben!): … sie glauben … Jesus sei ein Mensch voll des heiligen Geistes, in dem der Engel des Herrn als Messias auftrat.

    Man könnte derer Zitate weiterführen, um zu belegen, wie zerklüftet das Verhältnis zwischen diesen Beiden Gruppen war.

    Die Wesensmerkmale für eine eigenständige Religion kommen aus diesen frühchristlichen Zentren. Ein eigenes Schriftgut, Kultideen und Glaubensaussagen, die allerdings in sich nicht unterschiedlicher sein konnten. Von einem einheitlichen Glauben im Frühchristentum zu sprechen, ist gelinde gesagt realitätsfremd.

    Bereits die „echten“ Paulusbriefe, stellen einen ersten Schritt in die Richtung zur eigenen Religion dar, gleich wohl Paulus diesen Gedanken so noch nicht in sich trägt, glaubt er doch noch daran hellenistische Juden, Heiden und israelitische Juden unter einer Gemeinde - dessen Herr für ihn Jesus ist - zu vereinigen, denn der Herr kommt nach seiner Überzeugung schon in Kürze.
    Das er für seine Agitationsbriefe allerdings Überzeugungen und Argumente anführt, welche gerade der israelitischen Urgemeinde nur schwer zuträglich sind, scheint ihm anfänglich selbst nicht bewusst zu sein. Kennzeichen dafür sind nicht nur die ungenügenden Kenntnisse des Paulus über Jesu Lehrgut, welches ihn letztlich auch nicht ernsthaft interessieren, geht es ihm doch um den himmlischen Jesus. Zum anderen Teil, argumentieret Paulus regelrecht unbedarft mit essenischen, stoischen, platonischen, philonischen, jüdischen – hellenistischen – apokalyptischen Lehrgut (Henoch, Eliasapok., etc) bis hin, dass er sich kontinuierlich weigert die hebräischen Schriften (Tanach) zu benutzen und stattdessen sich sehr frei die vom israelitischen Judentum verworfene Septuaginta zu eigen macht. In all seinem Gebaren spiegelt sich in Paulus selbst der hellenistische Jude wieder, dessen Wurzeln nie das israelitische Kultjudentum war, sondern die Diaspora und dessen ganz verschiedenen Einflüsse. Seine Konflikte mit der Urgemeinde, die nur noch ganz abgeschwächt aus der Apostelgeschichte mehr allerdings aus seinen Briefen hervortreten, finden genau hier seine Ursache. Der heftigste Vorwurf der Urgemeinde resultiert genau aus diesen Hintergründen:„Nun hat man uns von dir erzählt: Du lehrst alle unter den Heiden lebenden Juden, von Moses abzufallen, und forderst sie auf, ihre Kinder nicht zu beschneiden und sich nicht an die Bräuche zu halten.“(Apg. 21/21) Dieser Vorwurf, der übrigens ganz berechtigt ist und sich bei weitem nicht nur auf das Beschneidungsritual bezieht, sondern dessen Gewichtung auf dem ersten Teilsatz fällt = von Moses abzufallen, ist ein nicht untypischer Vorwurf an Teile des hellenistische Judentum und ihre entsprechenden Strömungen.
    Ohne Zweifel, mit Paulus beginnt die Loslösung vom israelitischen Kult und dessen Gebräuche, welche so in die hellenistische Welt nicht exportierbar waren, sondern an Land (Israel), Volk (Israel) und Glaube (Israels Gott) gebunden war.

    Mit dem Untergang Jerusalems als religiöses Kultzentrum und dem Sterben der Repräsentanten der Urgemeinde (Apostel) verlieren sich zugleich auch die Hoffnung und der Glaube auf die baldige Ankunft Jesu. Mit dem Wachsen der Erkenntnis, dass eine baldige Wiederkunft Jesu nicht zu erwarten ist und dem Verlust des Kultzentrums setzt sich auch eine andere Erkenntnis durch, man braucht religiöse Strukturen, Verbindlichkeiten, einen Kult und entsprechende Theologien und man braucht ein Traditionsgut, welches den neuen Verhältnissen angepasst ist. In dieser Einsicht ist die Ursache für das so späte entstehen der Evangelien und des anderen Schriftgutes zu erklären.


 

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