Hallo eddy,

ich danke dir für deine Fragen und freue mich, dass du zu den Gnadenkindern gefunden hast. Sei bitte herzlich willkommen!

Ich könnte es jetzt kurz machen und sagen: Ja, deine Erklärungen sind für mich absolut akzeptabel! Denn das sind sie in der Tat. Da sich für mich mit deinen Erklärungsversuchen jedoch einige Fragen aufwerfen, würde ich diese gerne noch thematisieren.

So ist mir z.B. nicht ganz klar inwiefern das Leiden Christi alles Negative aus dem kollektiven Gedankenraum anziehen konnte, wie du es ausdrücktest? Wie stellst du dir denn diesen kollektiven Gedankenraum vor und inwiefern ist das Leid eines Menschen notwendig und dazu in der Lage gewesen diesen "zu reinigen"? Wenn es im Christentum heißt, "er nimmt hinweg die Sünde der Welt", dann drückt sich darin meiner Meinung nach vielmehr ein Beziehungsverhältnis aus. Es sagt soviel wie: In der Beziehung zwischen Gott und den Menschen hat die Sünde keine trennende Kraft, sie kann uns also nicht von der Liebe Gottes scheiden. Und auch der Tod kann dies nicht, wie sich in der Auferstehung Christi zeigte.

Selbstverständlich ist mir bewusst, dass das viele Christen anders sehen. Sie glauben, dass der Kreuzestod Jesu notwendig gewesen sei, damit Gott uns unsere Sünden vergeben könne. Aber weshalb sollte Gott ein Menschenopfer notwendig haben, um den Menschen ihre Sünden vergeben zu können? Das leuchtet mir so gar nicht ein. Was der Mensch aber unbedingt notwendig hat ist ein unverstelltes, unvertrübtes Gottesbild. Er braucht Antwort auf die Frage, wie Gott zu ihm steht und darauf hat Gott in/durch Jesus geantwortet.

Deine Erklärungen hinsichtlich der Jungfrau Maria habe ich ebenfalls mit Interesse gelesen. Tatsächlich halte ich es auch für offensichtlich, dass mit Maria ein Idealbild ausgedrückt ist. Allerdings sehe ich persönlich in Maria weniger das Ideal der Keuschheit und der Stille, als vielmehr das Ideal der Gottesgebärerin.

Aber auch hier ist letztlich wieder ein Beziehungsverhältnis angesprochen und zwar in der Frage, wie Gott in das Leben der Menschen kommt. Ist Gott sowas wie ein "Himmelsdiktator", der von oben auf die Menschen herabschaut, ihre guten und nicht so guten Taten in sein Buch notiert und ihnen von oben herab immer wieder mal auf die Finger klopft, wenn sie einen Fehler gemacht haben? Solch ein Gottesbild gibt es ja durchaus. Oder ist Gott nicht vielmehr das Wesen der Liebe, das in uns geboren werden möchte, damit wir deren Saat ausbringen und in der Welt fruchtbar werden lassen können? Ich persönlich glaube Letzteres und die Jungfrau Maria steht für mich symbolhaft für dieses Gottesbild in dem Gott in uns geboren wird, damit wir seine Liebe in der Welt aussäen und fruchtbar werden lassen können.

Die Dreifaltigkeit hast du eigentlich sehr gut erklärt, finde ich. Ich könnte dieses Thema betreffend jetzt zwar ein Buch schreiben und ausführen, dass der Dreieinigkeitsgedanke ursprünglich aus dem Neuplatonismus stammt, also den hellenistischen Einfluss auf das Christentum erkennbar werden lässt, aber mit deiner Definition bin ich durchaus einverstanden. Vielleicht ließe sich höchstens noch ergänzen, dass die Dreieinigkeitsvorstellung eng mit der Weltschöpfung verbunden ist, wie der Johannesprolog zeigt.

Mit dem Thema "Reich Gottes" sprichst du das zentrale Thema der Verkündigung Jesu an und das lässt sich in diesem Rahmen beim besten Willen nicht hinreichend erläutern. Ich gebe dir aber völlig Recht, dass das Reich Gottes nicht erst kommen wird, sondern da ist.

Deine Auslegung des Gleichnisses vom Sämann, interpretiert über den Willen, finde ich sehr interessant und auch durchaus schlüssig. Trotzdem glaube ich nicht, dass Jesus die Menschen durch dieses Gleichnis zu einer besonderen Willensanstrengung motivieren wollte, sondern vielmehr unser aller Leben thematisierte. Denn bei jedem von uns ist ganz unabhängig von unserem Willen jeder von Jesus beschriebene "Zustand" Teil unserer Lebenserfahrung. Selbst mit dem allerbesten Willen sind wir also nie nur fruchtbar und auch mit dem schlechtesten Willen oder gar Unwillen sind wir nie nur unfruchtbar. Wir sind von allem ein bisschen, finde ich und ich bin mir nicht sicher, inwiefern das was ich bin, willentlich beeinflusst werden kann?

LG
Provisorium