Der Arzt im Krankenhaus hatte mir Schlaftabletten verschrieben, ebenso mein Hausarzt. Am ersten Abend zu Hause nahm ich eine ein. Ich konnte nicht einschlafen, und so nahm ich die zweite. Ein lange nicht mehr gekanntes Glücksgefühl durchströmte meinen Körper, alles schien auf einmal so leicht und unbeschwert.
Es gab plötzlich keine Probleme mehr für mich, und auch der Tod schien für mich alle Schrecken verloren zu haben.
Ich schlief die gesamte Nacht durch, und erwachte erst am nächsten Morgen.
Der nächste Morgen war ein Sonntag, also Zeit, in die Kirche zu gehen!
Ich hatte keine Lust, blieb zu Hause!
Um die Mittagszeit herum klingelte das Telefon. Der Bischof M. war am anderen Ende der Leitung, fragte, warum ich nicht in der Gemeinde war, sagte, da einige Geschwister mich vermisst hätten.
Heuchler!
Kaum jemand vermisste mich in der Gemeinde, alle waren zu sehr mit sich selbst und ihren engen Kirchenfreundschaften beschäftigt. Freundschaften, die ich nie hatte, nie wirklich haben wollte.
Der Telefonanruf des Bischofs hatte nur den einen Zweck: Mich zu kontrollieren, ob ich auch immer noch hübsch „bei der Stange“ blieb!
Er fragte mich, wie es mir gehen würde, und anstatt ihm zu sagen, was wirklich im innersten meiner Seele mit mir los war, log ich, so wie das Lügen bei Mormonen meist zur zweiten Natur wird!
Es wird gelogen, dass sich die Balken biegen!
Und alles nur, um die Mormonen oder einzelne Mitglieder zu schützen!
Wie viele vergewaltigte Ehefrauen, sexualisierter Gewalt ausgesetzter Kinder, und die Mormonen verlassenden Partner können davon ein beredtes Zeugnis ablegen? Da wird getrickst und vor Gericht gelogen, damit der mormonische Elternteil das Sorgerecht erhält. Da wird manipuliert und Fakten vor Untersuchern verschwiegen, nur damit sie sich taufen lassen.
Und, da werden Familien und Freundschaften auseinander gerissen, weil einer die Mormonen verlassen hat, und es den anderen verboten ist, mit Kirchenkritikern Umgang zu haben.
Ich sagte dem Bischof, dass meine Gesundheit nicht die Beste wäre, weil ich mir den Magen verdorben hätte. Er glaubte es, wollte es glauben. Er legte auf!
Ich hatte wieder Ruhe.
Domenica rief nicht an, und es war mir auch egal. Meine Kinder riefen nicht an, das war mir NICHT EGAL! Ich merkte gar nicht, wie Domenica und ihre Eltern seit langem schon dabei waren, nicht nur mich von den Kindern zu entfremden, sondern auch Domenica wegen einer Scheidung von mir weiter zu bearbeiten. Sie setzten also die Arbeit fort, die sie 1982 begonnen hatten!
Die Depressionen kehrten zurück. Die Ängste kehrten wieder zurück, und der Durst kehrte wieder zurück! Ich trank mehr, als gut für mich war! Ich sah die Schlaftabletten, die auf meiner Seite des Schlafzimmerbettes auf dem Nachttisch lagen.
Plötzlich überkam mich eine Todessehnsucht. Ich wollte sterben, wollte nicht mehr leben!
Wie in Trance öffnete ich die Packungen, nahm die Tabletten heraus, schüttete sie in ein Glas, und goss Rotwein der billigsten Aldisorte dazu, verrührte alles, und als die Tabletten sich aufgelöst hatten, trank ich das Glas in großen Zügen leer. Mir wurde übel, und dichter Nebel umschloss mich. Ich verlor das Bewusstsein.
Es war der 25. Dezember 1990 gegen acht Uhr am Abend.
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