Einblicke von Chajm Guski
Jüdisch ist jeder, der von einer jüdischen Mutter geboren wurde sagt die Halachah, sie sagt aber auch, daß man auch durch einen Übertritt, einen Gijur, jüdisch werden beziehungsweise in die jüdische Religionsgemeinschaft aufgenommen werden kann.
Was im Altertum scheinbar eine einfache Sache war und wohl nicht selten, gestaltet sich in der heutigen Zeit langwieriger und komplizierter, wenn auch die Beschneidung der Männer zur Zeit des Talmuds eine Voraussetzung für den Übertritt war:
Jewamot 47a: ... wenn er einwilligt [in die Gebote], dann beschneide man ihn sofort. Wenn Hautteile übrig bleiben, die seine Beschneidung ungültig machen, dann soll die Beschneidung wiederholt werden.Sobald er wieder gesund ist, tauchen sie ihn unter [in die Mikve oder anderes 'lebendiges Wasser'].
In der Zeit des Talmuds wurden auch bestimmte Regeln für die Aufnahme von Konvertiten festgelegt, etwa daß die Konvertiten zunächst befragt werden nach ihren Gründen oder das Konvertiten schon vor dem Übertritt 'observant' sein müssen, daß heißt, das sie die Religionsgesetze beachten und jüdisch leben.
Jedoch zweischneidig wie heute sieht auch der Talmud den Übertritt. Im Traktat Jewamot (47b) heißt es zum Beispiel: „Rabbi Chelbo sprach nämlich: Die Proselyten sind für Israel schwer wie ein Ausschlag..." Dem Gegenüber steht Pessachim 87b:" Rabbi Elasar sprach: Der Heilige, gelobt sei er, hat Israel nur darum unter die Völker verbannt, damit ihnen Proselyten hinzugefügt werden, denn es steht geschrieben Ich will sie mir in die Erde einsäen (Hosea 2,25a)"
Wahrscheinlich hielt sich die talmudische Praxis auch bis Kaiser Konstantin im Jahre 315 d.Z. die Todesstrafe über die Konversion zum Judentum verhängte. Seit dem Mittelalter waren die Juden dann den Bestimmungen der christlichen und islamischen Machthaber unterworfen, welche meist keine Übertritte zum Judentum duldeten und den Übertretenden sowie die gesamte jüdische Gemeinde hart bestraften. Mit der zunehmenden Distanzierung von der nicht-jüdischen Welt entstand auch eine zunehmend kritische Einstellung zur Aufnahme von Konvertiten. Missionarisch tätig war das Judentum zu keiner Zeit, denn das Judentum ist der Überzeugung, daß die „Gerechten aller Völker einen Platz in der kommenden Welt haben werden". Für einen Nichtjuden reicht es nach jüdischer Ansicht aus, wenn er ein moralisch gut handelnder Mensch ist, der aktiv Gutes tut.
Heute gibt es Gruppen, die dem Übertritt noch aus den oben genannten Gründen kritisch gegenüberstehen, einige orthodoxe Kreise stehen dem Übertritt sogar grundsätzlich verneinend gegenüber. Im Gegensatz dazu gibt es auch Gruppierungen, die den Übertritt positiv betrachten und den Übertritts-Willigen nach einführenden Gesprächen anbieten, am Leben der Gemeinde teilzuhaben und zu den öffentlichen Gebeten zu gehen.
Im orthodoxen Judentum wird es in der Regel keinen Grund für einen Gijur sein, wenn man einen jüdischen Partner hat, den man heiraten möchte. Der Übertretende muß aus eigenem Wunsch und aus innerer Motivation zum Judentum übertreten wollen. Bei anderen Gruppen wie einigen Reform-Gemeinden steht dem nichts entgegen, wenn der Kandidat nicht 'für' den Partner übertritt, sondern weil es sein eigener Wunsch ist.
Eine Person die von einem Konservativem-, Reform- oder Progressiven Bejt Din (rabbinisches Gericht mit drei Mitgliedern) in das Judentum aufgenommen worden ist, wird von einer orthodoxen Gemeinde oder einem orthodoxen Rabbiner nicht anerkannt. Auch die Kinder einer konvertierten Frau werden nicht als jüdisch betrachtet, was später zu Problemen führen kann. Jedoch auch ein orthodoxer Übertritt kann unter bestimmten Umständen von anderen orthodoxen Gemeinden nicht anerkannt werden, die meisten Übertretenden werden darüber bei ihrem ersten Gespräch mit dem Rabbiner aufgeklärt. Vor allem in Deutschland, wo es nicht in jeder Stadt eine Gemeinde der verschiedenen Gruppierungen gibt, ist diese Tatsache ein Problem. Nach einem Umzug in eine andere Stadt, kann man unter Umständen in dieser kein Mitglied der jüdischen Gemeinde werden.
In einer Großzahl der Fälle sind die konvertierten Gemeindemitglieder nach ihrem Übertritt sehr aktiv in der Gemeinde, ganz gleich in welcher Ausrichtung.
Übertritte sind in den Vereinigten Staaten eine etwas häufigere Angelegenheit, dort treten etwa 10.000 bis 12.000 Menschen jährlich zum Judentum über (Zahlen aus:Leo Trepp; Die Juden Volk,Geschichte,Religion,Reinbeck bei Hamburg 1998). Diejenigen die gegen Übertritte sind, sollten sich klarmachen, daß der Übertritt oft die einzige Möglichkeit ist, eine Mischehe zu vermeiden und die Mischehe ist in Deutschland sehr häufig der Fall.
Quelle: Talmud.de
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