Hallo net.krel,
Cloudy hatte in ihrem letzten Post gesagt:
Wenn Jesus aus welchem Grund auch immer gestorben sein soll, aber nicht, um unsere Schuld zu tragen...
Und Du hattest dann darauf erwidert:
Ja? Was ist dann? Ich kenne - ihrem Selbstverständnis nach - Christen die mir darauf schon antworteten: "Dann ist ja das ganze Christentum für die Katz"... siehst Du das auch so? Und falls nicht... wo ist dann das Problem?
Mich würde nun einmal interessieren wie du das persönlich siehst, also inwiefern das ganze "Christentum für die Katz wäre", oder sein soll, wenn Jesus nicht für unsere Schuld gestorben ist, sondern einfach nur sinnlos gemordet wurde?
Oder vielleicht anders gefragt, findest du nicht, dass Dogmen einen wirklich gravierenden Nachteil haben? An ihnen hängt einfach viel zuviel! Und weil viel zuviel an ihnen hängt, dürfen sie keinesfalls in Frage, in Zweifel gezogen werden, eben weil durch den Fall eines Dogmas, vielleicht tatsächlich ein komplettes Lehrgebäude zum Einsturz gebracht werden kann.
Ich denke ein Grund, weshalb es innerhalb des Christentums immer wieder zu Verurteilungen Andersdenkender kam, lag in ihrer Bedrohlichkeit für einzelne Dogmen und damit in der Gefahr begründet, dass das komplette Lehrgebäude, das man so mühsam über Jahrhunderte oder gar länger aufgebaut hatte, zum Einsturz hätte gebracht werden können.
Im Grunde wurde Jesus aber eigentlich doch genau aus diesen Gründen gekreuzigt, oder? Er war eine Bedrohung für das etablierte Lehrgebäude seiner Zeit und seine Aussage, dass er den Tempel in Jerusalem in drei Tagen wieder werde aufrichten können, wenn er zuvor abgebrochen wurde, ist ja geradezu eine fantastische Allegorie für genau diese Bedrohlichkeit für das Lehrgebäude (eben den Tempel) die ich meine.
Und wenn man dann noch berücksichtigt, dass Jesus diese Aussage, laut Johannes-Evangelium, direkt nach seinem allerersten Auftreten auf der Hochzeit zu Kana, im Kontext mit der so genannten "Tempelreinigung" tätigte, dann wird doch irgendwie sofort klar, dass Jesus von Anfang an eine regelrechte Bedrohung für die etablierten Ansichten gewesen sein muss, oder? Eigentlich musste das ja schon fast zwangsläufig mit dem Tod enden, wenn man sich einmal bewusst macht, mit welchen Mächten sich Jesus da anlegte.
Eigentlich ist es doch durchaus verwunderlich, dass es in der Entwicklung des Christentums, trotz dieser wunderbaren Allegorien in der Bibel, mit der Zeit zu einer immer stärker werdenden Dogmatisierung kam, an der nun, bis zum heutigen Tage, ganze Lehrgebäude hängen, die keinesfalls aufgegeben werden dürfen.
Die Freiheit, die Jesus mühsam "erkämpfte" und für die er letztlich mit seinem Leben bezahlen musste, gab man doch recht schnell ohne große Not wieder auf, findest du nicht? Ich frage mich nun, ob diese Vergangenheit sich heute nochmal, zumindest so ähnlich, wiederholen kann/muss/sollte? Wenn Jesus sozusagen das etablierte Lehrgebäude seines jüdischen Glaubens erneuerte, oder erneuern wollte, wäre man dann heute nicht ganz besonders dann ein treuer Jünger von ihm, wenn man das etablierte Lehrgebäude des christlichen Glaubens erneuern würde, oder es zumindest wollte?
LG
Provisorium
PS: Hier noch ein wirklich lesenswerter Artikel über den Benediktinermönch Willigis Jäger, der dergleichen versucht: http://www.tabularasa-jena.de/artikel/artikel_3298/
Gott ist ein Gott der Gegenwart. Wie er dich findet, so nimmt und empfängt er dich, nicht als das, was du gewesen, sondern als das, was du jetzt bist. (Meister Eckhart)
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